Читать книгу Das garstige Dorf - Ines Thorn - Страница 7

Zweites Kapitel

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Das geräumige Fachwerkhaus der beiden Freundinnen war das letzte Haus in der Sorgloser Straße und lag auf einem winzigen Hügel. Dahinter begannen die Weiden des gräflichen Gutes und ein Wald, in dem zweimal im Jahr eine Jagd stattfand. Nach unten führte die Straße zum halbkreisförmigen Dorfanger und stieß dort auf die Hauptstraße, sodass Frau Blau, wenn sie durch ihre beiden riesigen Ferngläser spähte, den wichtigsten Punkt des Dorfes im Blick hatte. Links befand sich der Dorfkrug „Zur alten Linde“, vor dem tatsächlich eine Linde stand. Um sie herum waren einige Bänke verteilt, und an den Sommernachmittagen trafen sich dort die Alten und hielten ihre müden Knochen in die Sonne. Gegenüber der Linde, getrennt durch den Dorfanger und die Hauptstraße, befand sich der Hofladen mit dem Café in der alten, ausgebauten Scheune. Der Laden war in einem Fachwerkhaus untergebracht, das mit der daneben stehenden Scheune durch eine nachträglich eingebaute Tür verbunden war. In den Wirtschaftsgebäuden dahinter – unsichtbar für Frau Blau - lagen die Molkerei, ein altes Backhaus und eine gewaltige Kühlkammer. Vor dem Scheunencafé waren im Sommer Tische und Bänke aufgestellt und eine alte Schultafel verkündete die Spezialität des Tages. Direkt neben dem Scheunencafé befand sich der Friseursalon „Sandra“. Oft sah Frau Blau die Dorfbewohnerinnen mit Lockenwicklern oder Alufolie im Haar, den Frisierumhang über den Schultern, ins Scheunencafé gehen, um sich dort bei Gebäck und Kaffee die Einwirkzeit der Haarfarbe zu verkürzen.

Auf der anderen Seite des Dorfangers, gleich rechts neben dem Hofladen, prangte das Rathaus. Links von der großen hölzernen Tür hing der Anschlagkasten der Gemeinde, den Frau Blau von zu Hause aus allerdings auch mit der schärfsten Vergrößerung des Fernglases nicht lesen konnte. Daneben lagen zwei weitere Fachwerkhäuser, davon eines mit bemalten Holzbalken, und rechts davon stand die moderne Villa von Mischa Frühling und seiner Frau. Es folgte die Sargtischlerei Krebs, die Frau Blau aber nicht sehen konnte, da die Kirche, die auf der gegenüberliegenden linken Seite des Dorfangers stand, sie verdeckte. Die Bushaltestelle befand sich genau dort, wo die Sorgloser Straße auf den Dorfanger traf, und Frau Blau erfuhr durch ihre Ferngläser, wer von den Sonnfriedenauern in die Stadt fahren wollte.

Jetzt war es genau halb drei – Frau Blau hörte die Kaminuhr schlagen -, da begannen die Kirchenglocken zu läuten. Drei Minuten, zwei Minuten Pause und noch einmal drei Minuten. Das war das Zeichen dafür, dass in einer halben Stunde eine Beerdigung stattfand, und heute eben die von Gabriel Krebs.

Frau Blau verließ ihren Aussichtsplatz, zog sich im Schlafzimmer das schwarze Kleid mit dem weißen Kragen an, legte sich den dünnen Mantel über den Arm, nahm den Hut mit dem kleinen schwarzen Schleier aus der Schachtel und begab sich nach unten, wo Edith sie bereits erwartete.

Gemeinsam gingen die beiden Freundinnen durchs Dorf zur Kirche. Zwei Häuser weiter machte sich Frau Schmattke auf den Weg, winkte ihnen zu, hastete aber sogleich weiter. An der Bushaltestelle traf sie auf Anita von der Post, die sich einigermaßen erholt hatte, aber noch ein wenig blass um die Nase war. Von der Schenke kam Toni, der Wirt, und als Frau Blau und Edith gerade auf dem Dorfanger angelangt waren, bretterte Bauer Kleinschmidt in seinem Pick-up vorüber und parkte schwungvoll vor der Kirche ein. Dort wartete schon Eppo vom Busche neben der Familie des Hingegangenen. Hilde Krebs, die Witwe, wirkte einigermaßen gefasst, wie Edith Frau Blau zuraunte. Neben ihr hatten sich die drei Brüder des Sargtischlers, Uriel, Michael und Rafael, samt Ehefrauen, Kindern und Kindeskindern wie die Orgelpfeifen aufgestellt und nahmen mit bedrückten Mienen Beileidswünsche in Empfang. Direkt vor der Kirche parkte der Van der Gärtnerei Sellbrück aus dem Nachbardorf. Ein Gehilfe hatte die hintere Tür weit aufgerissen und schleppte einen Kranz nach dem anderen in die Kirche.

Neben der offenen Kirchentür hatten sich links der Pfarrer aufgebaut und rechts der Inhaber der Pietät Heimgang. Noch einmal tönte die Kirchenglocke zum Zeichen, dass die Beerdigung nun stattfand, und allmählich füllte sich die Kirche. Der Organist spielte einen Choral von Johann Sebastian Bach, und Edith musste sich zusammenreißen, um ihn nicht mitzusummen. Als alle saßen, eilte der Pfarrer nach vorn, begrüßte die Trauergäste und las den Taufspruch des Verstorbenen vor. Der Pfarrer, ein noch junger Mann, tat dies mit gesalbter Stimme, die, wie Frau Blau fand, weder zu seinem jungen Gesicht noch zu seiner hellen Stimme passte. Pfarrer, fand Frau Blau, sollten mit tiefer Stimme sprechen und auf gar keinen Fall einen Pferdeschwanz tragen. Sie hatte Mühe, nicht zu kichern. Unauffällig sah sie sich um. Eppo vom Busche hatte fromm die Hände im Schoß gefaltet und die Augen geschlossen. Bauer Kleinschmidt reinigte seine Fingernägel, Anita von der Post versuchte sich an einem feierlichen Gesicht, Frau Schmattke wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn, und die drei Brüder des Toten, wie er nach Erzengeln benannt, saßen starr und stumm zwischen ihren Ehefrauen, Kindern und Enkeln und blickten gebannt auf den Steinfußboden.

Die Kirche war nur halbvoll, und Edith überlegte, ob das wohl daran lag, dass Gabriel nicht zu den umgänglichsten Dorfbewohnern gehört hatte. Der Trainer der Fußballmannschaft war gekommen, der Zugführer der Freiwilligen Feuerwehr Sonnfriedenau, ein Vertreter der Sargtischlerinnung knetete nervös seine Hände im Schoß und die zweite Vorsitzende vom Kirchenchor, in dem Hilde Krebs regelmäßig sang, drückte sich neben Leslie Frühling in die enge Kirchenbank. Auch Peter, der Schäfer, war mit seiner Mutter gekommen.

Dies verwunderte Frau Blau allerdings wirklich, denn morgen Abend sollte Peter doch zur Vernissage seiner Fotoausstellung eine Rede halten. Sie hätte gedacht, dass er auch an diesem Nachmittag unabkömmlich wäre, weil im Ausstellungsraum des Rathauses noch einiges vorbereitet werden müsste, doch ganz offensichtlich war Peter die Trauerfeier wichtig gewesen. Anders als die meisten Vereinsvertreter wirkte er ehrlich bedrückt. Er hielt die Hand seiner Mutter, und Frau Blau hatte gesehen, dass der Kranz der beiden beinahe so groß war wie die Kränze der Brüder und der Ehefrau.

„Wer wird wohl die Trauerrede halten?“, fragte Frau Blau leise.

Edith wiegte den Kopf hin und her. „Ich weiß es nicht. Normalerweise tut das ein enger Freund oder ein Nachbar. Ich weiß aber nicht, wer im Dorf mit Gabriel befreundet war. Vielleicht hält der Pfarrer eine Ansprache“, meinte sie. „Ich jedenfalls wüsste nicht, was ich über Gabriel Krebs sagen sollte.“ Sie hielt kurz inne, als fielen ihr jetzt die Benimmregeln zu Begräbnissen wieder ein, und fügte hinzu: „Na ja, ich habe ihn ja auch nicht besonders gut gekannt. Er lebte ein wenig zurückgezogen, schien mir.“

Auch Frau Blau erinnerte sich an den Sargtischler Gabriel. Er war ein mürrischer Mann gewesen, der nur selten auf einen Gruß reagiert hatte. Nie hatte sie ihn im Gespräch mit anderen gesehen, aber es hieß von ihm, dass er der großzügigste Spender des ganzen Dorfes war, ganz gleich, ob es um die Freiwillige Feuerwehr ging oder ob die Burschenschaft eine neue Tischtennisplatte brauchte. An einem Sonntag hatte Frau Blau Gabriel und seine Frau bei einem Sonntagsspaziergang beobachtet. Schweigend waren sie durch die Felder marschiert, aber hin und wieder hatte Gabriel die Hand seiner Frau genommen. An diesem Tag war er Frau Blau weniger mürrisch erschienen, und sie hatte sich gesagt, dass Männer mit schmalen Mündern wahrscheinlich immer ein wenig mürrisch wirkten.

Nach dem nächsten Lied erhob sich Rafael Krebs, der Älteste der Brüder nach Gabriel. Er trat hinter das hölzerne Pult, schob sich umständlich die Lesebrille auf die Nase, räusperte sich mehrfach, knisterte mit den Papierseiten, ließ seine Blicke über die Gemeinde huschen, hielt bei der Witwe kurz inne, räusperte sich erneut und begann dann zu lesen. Zuerst hörte Frau Blau gar nicht zu, und auch die anderen Trauergäste raschelten, scharrten mit den Füßen, blätterten im Gesangsbuch und knisterten mit Hustenbonbonpapier. Doch mit einem Mal wurde es ruhig. Das Knistern und Wispern erstarb, und alle starrten wie gebannt auf den Mann, der seinem Bruder eine bewegte letzte Rede hielt.

„Gabriel“, sagte Rafael Krebs mit Bedacht und einem leisen Zittern in der Stimme, „war kein einfacher Mensch. Er trug das Herz nicht auf der Zunge und die Sonne nicht immer im Herzen.“

Er machte eine Pause und blickte bedrückt ins Publikum, holte tief Luft, dann fuhr er fort: „Mein Bruder war, wie er eben war. Manchmal aufbrausend und ungeduldig, manchmal langmütig, ausdauernd und empfindsam.“

Frau Schmattke verzog ein wenig den Mund, als wäre sie mit der Beschreibung des Toten nicht so ganz einverstanden, doch Rafael Krebs sprach ungerührt weiter: „Er hat nicht alles richtig gemacht, aber auch nicht alles falsch.“ Wieder machte er eine Pause, als könnte er nicht mit Worten das ausdrücken, was er gerade fühlte. Doch dann ging ein Ruck durch seinen Körper, er richtete sich gerade auf und fuhr fort: „Ich habe ihn geliebt und geachtet, nicht nur, weil er mein Bruder war, sondern weil er Liebe und Achtung verdient hatte.“ Er wollte weitersprechen, doch mit einem Schlag schossen Tränen aus seinen Augen, die Stimme versagte, und Uriel Krebs musste aufstehen und ihn am Arm zu seinem Platz führen. Einen Augenblick herrschte Ratlosigkeit. Der Organist spähte von der Empore hinab nach dem Pfarrer, unsicher, ob er das nächste Musikstück anstimmen sollte. Der Pfarrer blickte zu den Hinterbliebenen, ob sich unter ihnen ein Ersatz fand, doch plötzlich erhob sich einer, der normalerweise schwieg: Es war Peter, der Dorfschäfer. Mit ungelenken Schritten trat er nach vorn, wusste nicht, wohin mit den Händen, verschränkte sie erst hinter dem Rücken, dann vor dem Bauch, trat von einem Bein auf das andere, doch endlich begann er zu sprechen. „Gabriel Krebs“, sagte er leise, wurde aber mit jedem weiteren Wort lauter, „Gabriel Krebs war vielleicht nicht immer ein guter Mensch, aber wer von uns ist das schon? Eines aber hatte Gabriel vielen voraus: Er sagte, was er dachte, lebte aufrecht und ohne Hinterlist. Und er hatte eine Begabung zur Freundschaft und Aufrichtigkeit. Seltene Gaben in unserer Welt.“

Die Gemeinde war mucksmäuschenstill. Nicht nur, weil Peter Weiß sich zu Wort gemeldet hatte, es waren die Worte selbst, die den anderen die Sprache in der Kehle ersticken ließen. Worte, die nicht geplant und aufgeschrieben waren, sondern Worte, die so gesprochen wurden, wie sie gedacht worden waren.

„Gabriel Krebs war ein Freund. Ein echter, wahrer Freund, der da war in den schlechten Zeiten. Er redete nicht viel, er tat, was getan werden musste. Er war der beste Freund meines Vaters. Und als dieser vor dreißig Jahren spurlos verschwand, war Gabriel zur Stelle. Nicht mit billigen Worten, sondern mit Taten. Er hat dafür gesorgt, dass das Bild meines Vaters sich in meinem Kopf nicht verdunkelt hat, dass ich stolz sein kann auf meinen Vater. Und ebenso stolz bin ich auf Gabriel Krebs, den ich gekannt habe und den ich meinen Freund nennen durfte. Es wird wenige geben, die ernsthaft um ihn trauern, aber diejenigen, die es tun, wissen, dass sie einen Schatz verloren haben.“ Er brach ab, wurde rot, als begreife er erst jetzt, dass er soeben eine Rede vor vielen Leuten gehalten hatte. Unsicher blickte er sich um, doch da begann Frau Blau in die Hände zu klatschen. Empört wandte sich Frau Schmattke um und zischte, dass sich so etwas ja wohl in der Kirche nicht gehöre, doch dann fielen Eppo vom Busche und Edith ein, die Krebs-Brüder schlugen in ihre Sargtischlerhände, die Witwe erhob sich sogar und klatschte, und endlich, zögerlich, fielen nacheinander ein Dutzend Dorfbewohner ein. Auch Peter klatschte, lächelte zaghaft und begab sich zu seinem Platz in der fünften Reihe.

Nicht nur der Pfarrer mit dem Pferdeschwanz schien erleichtert, als endlich der letzte Choral gesungen war. Die drei Brüder und Peter hoben den Sarg auf einen Rollwagen und brachten ihn zu einer offenen Grube, die mit grünem Teppich ausgelegt war. Der alte Friedhof, der an die Kirche grenzte, war eigentlich schon seit Jahren geschlossen, weil er zu klein geworden war. Doch ein paar Sonnfriedenauer hatten dort ihre Erbgräber mit bereits bezahlten leeren Plätzen. Die Ruhestätte der Familie Krebs lag an der rückwärtigen Mauer des Gottesackers. Frau Blau, die neben Edith dem Sarg in der Schar der Gäste folgte, betrachtete im Vorbeigehen die Grabsteine. Manche waren schon so alt und verwittert, die Inschriften so von Moos bedeckt, dass sie nicht mehr zu lesen waren. Auf anderen Gräbern lagen frische Blumen und Grabkerzen. Früher, in Frau Blaus Kindheit, hatte die Größe des Grabes viel über das Ansehen und den Reichtum der Familie verraten. Und noch heute strahlten die Erbgräber der Kleinschmidts, der Güldenhaupts und auch der Krebses Pracht und Würde aus. Sie kamen an der Ruhestätte der Familie Weiß vorbei, und Frau Blau sah, wie Anni Weiß zärtlich auf den Marmorstein, unter dem ihre Schwiegereltern begraben lagen, klopfte. Die Erde auf der Stätte war frisch aufgeschüttet und schickte erste zarte Sprieße nach oben, die Umrandung war mit winzigen Buchsbäumen gesäumt, die Grabkerze neu und sogar der Grabstein selbst leuchtete blank gescheuert. Irgendetwas irritierte Frau Blau an diesem Grab, aber sie war schon weitergegangen, um den Zug nicht aufzuhalten. Noch einmal wandte sie sich um, und wieder hatte sie den Eindruck, dass an dem Grab etwas nicht so war, wie es sein sollte.

Inzwischen war der Sarg am Erbgrab der Familie Krebs angekommen. Die Brüder, deren Söhne und Peter Weiß hoben ihn vorsichtig vom Wagen und ließen den Sarg langsam in die Erde hinab, während die Gemeinde das Vaterunser sprach. Nun machte der Pfarrer ein wichtiges Gesicht. Er hob eine Schaufel mit Erde empor und sprach dazu: „Der Herr über Leben und Tod hat unseren Bruder in Christus, Gabriel Krebs, aus diesem Leben abberufen.“ Dabei schwenkte er die Schaufel ein wenig, sodass etwas Erde auf den Sarg fiel. „Von der Erde bist du genommen, zur Erde sollst du werden.“ Zum zweiten Mal schüttelte der Pfarrer die Schaufel und ließ ein wenig Erde regnen. Frau Schmattke beugte sich so weit vornüber, um zu sehen, ob da wirklich Erde auf dem Sarg landete, dass Anita Seidel sie am Arm packen musste, damit sie nicht hinterherfiel, während der Pfarrer weitersprach. Als er an der Stelle angekommen war: „Friede sei mit dir von Gott, dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geiste“, streute er zum dritten und letzten Mal Erde über den Sarg und reichte dann die Schaufel an die Witwe weiter. Nacheinander nahm die Trauergemeinde Abschied von Gabriel Krebs, manche ehrlich bedrückt, andere mit einem Blick auf die Uhr und wieder andere so, als würden sie eine lästige Pflicht erfüllen.

Frau Blau, die gerade der Witwe die Hand geschüttelt hatte, trat einen Schritt zur Seite, um dem Grafen Platz zu machen. Eppo vom Busche drückte die Witwe herzhaft an seine schmale Brust und versprach: „Zur nächsten Jagd wird er uns sehr fehlen. Deinen Rehrücken kriegst du aber trotzdem. So wie immer.“

Frau Krebs lächelte. Sie stieß sich ein wenig von Graf Eppo ab und fragte leise: „Du hast ihn doch auch gemocht, nicht wahr?“

„Aber natürlich!“ Graf Eppo schlug sich auf die Brust. „Peter hatte recht mit jedem Wort, das er über Gabriel gesagt hat.“ Und tatsächlich war der Graf vom Busche einer der wenigen gewesen, der Gabriel Krebs und Frau regelmäßig zu seinem Geburtstag eingeladen hatte.

„Ich wünschte, ich hätte ihn besser kennengelernt“, fügte Frau Blau an ihre Beileidswünsche an. Hilde Krebs lächelte schmerzlich und nickte. Sie betrachtete nachdenklich Frau Blaus Gesicht, dann ließ sie deren Hand los und wandte sich an die Trauergemeinde, so als hätte etwas ihr Mut eingeflößt. Ihre Schultern strafften sich, ihr Blick wurde klar, und die Züge um ihren Mund ein wenig kantig. „Ich bitte alle, die sich meinem Mann verbunden fühlten, zu einem kleinen Imbiss in den Dorfgasthof.“

Frau Blau, die Edith Platz gemacht hatte, betrachtete die anderen Gäste, von denen sich einige schon vom Grab abgewandt hatten. Nun aber blieben alle stehen, schauten um sich, als müssten sie die anderen fragen, was genau die Worte „verbunden fühlen“ bedeuten sollten. Frau Schmattke hatte sich schon entschlossen. Sie hakte Anita Seidel herzhaft unter und bestimmte: „Na, dann mal los. Einen Kaffee könnte ich jetzt gut gebrauchen.“

Hilde Krebs kam nun auf Frau Blau zu, die neben Edith und Eppo am Rande der Grabreihe stand, und sagte: „Ich hoffe, Sie alle werden meiner Einladung folgen?“

Graf Eppo legte eine Hand auf Hilde Krebses Unterarm. „Natürlich, meine Liebe“, sagte er leise und eigentümlich behutsam. „Ich möchte unbedingt einen Schnaps auf Gabriel trinken.“

„Und Sie?“, wandte sich Frau Krebs an Edith und Frau Blau.

„Wir würden sehr gern kommen, vielen Dank.“

Langsam verließen Edith und Frau Blau hinter der Familie Krebs und dem Grafen den Friedhof. Frau Blau hatte sich fest vorgenommen, noch einen Blick auf das Grab der Familie Weiß zu werfen, um herauszufinden, was sie so irritiert hatte, aber dann vergaß sie es.

Das garstige Dorf

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