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Prolog

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Jeder Tag bringt Freude und Leid. Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.

Johann Wolfgang von Goethe

An einem kalten, trüben Wintertag bin ich gerade dabei, das angenehm warme Konferenzzimmer eines komfortablen Hotels zu verlassen, als ich von zwei Frauen abgefangen und um ein Gespräch gebeten werde. Schnell stellt sich heraus, dass beide in einer Wohneinrichtung für schwerbehinderte Menschen arbeiten. Sie bitten mich um Ratschläge zum Umgang mit einem jungen Mann mit Autismus, der nicht spricht und in seinem Verhalten als schwierig beschrieben wird. Völlig erstaunt frage ich meine Gesprächspartnerinnen, warum sie auf die Idee kämen, ich könnte ihnen weiterhelfen. Sie antworten mir, dass sie aus dem, was ich während der Fortbildung über die ersten sechs Lebensjahre meines Sohnes erzählt habe, schließen, dass sein heutiger Entwicklungsstand dem ihres Klienten entsprechen müsse.

Nun erfahre ich Folgendes: Der junge Mann, der diesen beiden Frauen offensichtlich am Herzen liegt, aber auch viele Probleme bereitet, kam im Alter von knapp sechs Jahren, nicht sprechend und mit autistischen Symptomen, in die Wohneinrichtung. Vieles von dem, was ich zuvor berichtet hatte, war den Betreuerinnen auch von der Mutter ihres Klienten bei dessen Aufnahme in die Einrichtung mitgeteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Mutter aber physisch und psychisch nicht mehr in der Lage gewesen, ihren Sohn weiterhin zu Hause zu betreuen.

Plötzlich habe ich das Gefühl, in einem Paralleluniversum zu stehen. Wäre der Weg dieses jungen Mannes auch Benjamins Weg gewesen, wenn wir eine andere Richtung gewählt und ihn mit drei oder auch mit sechs Jahren in eine der uns empfohlenen Ganztagsbetreuungen gegeben hätten? Niemand wird diese Frage jemals beantworten können, aber mich überläuft an dieser Stelle ein eisiger Schauer und ich verspüre gleichzeitig einen der seltenen Momente, wo ich restlos davon überzeugt bin, dass wir das Richtige für unseren Sohn getan haben – trotz der vielen, jahrelang andauernden Zweifel.

Was war aber nun dieses Richtige? Im ersten Teil meines Buches, das den Titel „Mami, ich habe eine Anguckallergie“ trägt, ist die Entwicklung unseres Sohnes von seiner Geburt bis zu seiner Einschulung nachzulesen. Diese Jahre erwiesen sich als permanenter Kampf im Strudel alltäglicher „Kleinigkeiten“. Jeder Tag begann mit folgenden Fragen: Tue ich das Richtige? Tue ich genug? Was kann ich anders machen? Warum habe ich wieder keinen Erfolg gehabt?

Benjamins beinahe vollständige Sprachlosigkeit führte uns manchmal an den Rand der Verzweiflung, bewirkte aber auch, dass jedes verständliche Wort, welches er produzierte, bei uns wie ein Samenkorn auf warme, feuchte Erde traf. Mit sieben Jahren ist seine gesamte Entwicklung trotz aller Hindernisse und noch bestehender Probleme so weit vorangeschritten, dass wir das Wort HOFFNUNG endlich wieder großschreiben.

Anguckallergie und Assoziationskettenrasseln

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