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Die Nacht der Nächte-Der 09. November 1989
ОглавлениеIch hatte zu tun, wie jeden Morgen, meinen drei Kindern das Frühstück zu bereiten, die Schulstullen zu schmieren und pünktlich bei diesem trüben Herbstwetter aus dem Haus zu kommen. Meine beiden Großen gingen ja schon allein zur Schule, nur den Kleinen musste ich mit meinem Fahrrad noch in den Kindergarten bringen. Meine Arbeit begann jeden Morgen pünktlich um sieben, aber schon die erste Kundin hatte mich versetzt und kam nicht zum bestellten Termin.
Aber das war nicht weiter schlimm, die Arbeit schien an diesem Tag sowieso nicht im Vordergrund zu stehen, jeder spürte, das etwas geschehen würde, doch niemand konnte zu dieser frühen Morgenstunde etwas von dem erahnen, was am Abend verkündet werden würde. Ich saß auf meiner Arbeit bewegungslos vor dem Radio und verfolgten gespannt jedes einzelne Wort in den Nachrichten. Sie klangen anders als sonst, von freien Wahlen und Veränderungen war die Rede, immer und immer wieder, von bevorstehenden Erleichterungen bei der Reisefreiheit von Ost nach West. Unbegreiflich schienen die Meldungen der Reporter zu sein, die sich im Minutentakt überschlugen, wahrscheinlich machten sie sich anfangs noch selber keinen Reim darauf.
Am Abend konnte sich niemand satt sehen und satt hören an den Nachrichten. Und plötzlich verkündete Günter Schabowski in den Nachrichten beiläufig fragwürdig, dass die DDR mit sofortiger Wirkung ihre Grenzen öffnete, so dass die Mauer über Nacht durchlässig werden würde. Was? Unsere Freude war grenzenlos, aufgekratzt liefen wir, mein Mann und ich, hinaus auf die Straße in die Arme der Anderen, unseren Freunden, teilten tränenschwer dieses kaum zu glaubende Freiheitsgefühl, unsere unsagbar, nicht zu begreifende, tief empfundene und einmalige Freude über diesen Zauber.
Der 09. November 1989, ein Wintermärchen? Ein Traum? Nein! Ein Wunder! In Frieden war es gelungen, die beiden deutschen Staaten nach fast dreißig Jahren innerdeutscher Teilung wieder zu einem vereinten Deutschland zusammen wachsen zu lassen. Die Grenzen waren geöffnet. Wer das nicht glauben wollte, brauchte nur in die aufgewühlten, strahlenden Gesichter der Menschen zu schauen. Es begann eine neue Zeit, die Wendezeit.