Читать книгу Alle lieben Berni - Inge Helm - Страница 6

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Einmal unternahmen wir mit den Kindern und den Hunden einen Ausflug zu einer Talsperre. Kaum auf dem Staudamm angekommen, jagte Berni mit Luci davon und sprang plötzlich übermütig von der Böschung ins tiefe Wasser. Mit einem Aufschrei stürzte die ganze Familie ans Geländer – und sah den Dicken tollkühn in den Fluten paddeln. Zunächst sah das sehr verwirrend aus. Er glich einer aufgeregten Bisamratte, der ständig das Wasser über den Kopf schwappte. Doch er arbeitete sich immer wieder tapfer empor. Es ging dann besser und besser, und zuletzt schwamm er, wie es sich für einen richtigen Hund gehört, in gleichmäβigen Zügen, den Kopf gerade nach oben gereckt, eine ordentliche Portion Stolz in den dunklen Augen. Luci begleitete seine ersten Schwimmkünste mit aufmunterndem Gekläff. Doch irgendwann hatte er sich genug bestätigt und wollte zurück an Land. Aber leider schwamm er nicht an das in der Nähe liegende seichte Ufer, sondern versuchte an derselben Stelle wieder herauszukommen, an der er hineingesprungen war. Hier aber gab es nur eine schräge Betonböschung, ganz unüberwindlich für einen dummen groβen Hund. So musste Dietrich vorsichtig hinunterrutschen, den Dicken am Halsband packen und ihn ins Trockene hieven. Zum Dank schüttelte Berni sich erleichtert, worauf beide tropfnass oben ankamen.

Aber wie Berni nun aussah! Das dicke Fell klebte an seinem Körper, und er wirkte rank und schlank, mit dünnen langen Streichholzbeinen, ein völlig fremder Hund. Ich rannte zum Wagen und holte eine alte Decke. Damit rubbelte ich ihn ab. Anschlieβend packten wir uns alle, völlig fertig mit den Nerven, ins Auto und fuhren umgehend heim. Nach diesem Erlebnis konnten uns die Ferien auf der dänischen Insel Bornholm mitsamt den Hunden eigentlich nicht mehr viel Überraschendes bringen – dachten wir.

Es begann damit, dass die Hunde beim Packen der Ferienkoffer überall im Weg lagen. Ich musste ständig über sie hinwegsteigen, die Arme voller Wäsche und Kleider. Schlieβlich wurde es den beiden zu bunt, und sie legten sich einfach in die bereits verstauten Klamotten. Luci, die sonst für die Ferienzeit zur Oma gebracht wurde, hoffte vielleicht, diesmal mit eingepackt zu werden, und Berni tat es ihr vorsichtshalber gleich. Erst als Koffer und alle Zwei- und Vierbeiner am nächsten Morgen im Auto verstaut waren, wurden die beiden Zappelphilippe ruhiger. Die Fahrt in die Ferien konnte beginnen.

Alles verlief wie am Schnürchen, bis auf die paar Minuten in Kopenhagen zwischen unserer Ankunft am Hafen und der Abfahrt der Autofähre nach Roenne auf Bornholm. Ich leinte fix die beiden Hunde an und flitzte mit ihnen nach drauβen, damit sie sich vor der zehnstündigen Überfahrt noch einmal erleichtern konnten. Doch Pinkeln auf Asphalt und an Laternenpfählen war bei ihnen nicht drin; schlieβlich kamen sie vom Land und waren nur Natürliches gewohnt. »Ein Königreich für eine Wiese mit Baum«, stöhnte ich. Die Kinder waren bereits an Bord gegangen, die Fähre tutete zum ersten Mal, doch Dietrich, der mir nachgegangen war, nahm mir kurzentschlossen die Leinen aus der Hand und rannte mit den Hunden in einen nahe gelegenen kleinen Park. Zwei Minuten später tauchten alle drei erleichtert wieder auf, und wir konnten das Schiff entern. Aufatmend empfingen uns Christoph, Corinna und Viola an Deck: »Wir hatten schon befürchtet, ihr würdet uns wegen der dämlichen Köter verpassen!«

Unsere Ferienwohnung auf der Insel lag im oberen Stock eines groβen Gehöftes mit Schweinezucht. Während wir nach der Ankunft versuchten, uns häuslich einzurichten, erschnüffelten sich unsere Vierbeiner ihre neue Umgebung drinnen und drauβen auf dem Hof. Besonders die Schweine in ihren Koben hatten es ihnen angetan, solch komische Tiere hatten sie noch nie gesehen. Auβerdem fanden sie, dass es dort herrlich duftete, und sie waren nur mit Nachdruck wieder aus dem weitläufigen Stall herauszubekommen. Als die Kinder dann mit Bettenbauen beschäftigt waren, drehten Dietrich und ich mit den beiden Hunden noch eine Runde um den Bauernhof, und Berni setzte in der ganzen Gegend seine Duftmarken. Damit wollte er wohl sagen: »Das alles gehört jetzt mir, wehe dem, der sich ungefragt nähert.« Luci, ganz Dame, versuchte sein albernes Getue einfach zu ignorieren – und buddelte an allen Ecken und Kanten nach Wühlmäusen.

Am nächsten Morgen fuhr die ganze Familie samt Hunden den auf dem Autodach transportierten aufblasbaren Katamaran zum Wasser. Während die Männer darangingen, ihren schwimmenden Untersatz klarzumachen, warfen die Mädchen und ich uns mit den neuen Badeanzügen in die Brandung. Luci lieβ sich derweilen am Strand auf einer Decke nieder und hielt seelenruhig ihr Vormittagsverdauungsschläfchen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass ihre Lieben bald schlotternd ans trockene Ufer zurückkehren würden, um sich warm zu rubbeln. Nicht so Berni, der war noch ahnungslos auf diesem Gebiet. Er folgte uns – allerdings in gebührendem Abstand, da ihn das Brausen der Brandung ziemlich beunruhigte. Es erinnerte ihn offenbar an das Heulen des Windes oder das Klatschen des Regens bei einem Gewitterguss. Trotzdem tapste er vorsichtig mit seinen dicken Vorderpfoten ins Wasser, zog sich aber sofort wieder ans sichere Ufer zurück, als eine Welle auf ihn zu rollte. Hier blieb er dann hocken und beäugte uns mit ängstlichen Blicken und hängenden Ohren. Plötzlich warf er den schweren Kopf in den Nacken und lieβ ein so klägliches Geheul los, dass alles zusammenlief, um ihn zu trösten. Sein jämmerliches Klagen stellte er erst wieder ein, als die Mädchen und ich schleunigst aus dem Wasser stiegen. »Mit dir haben wir uns ja was angetan«, sagte Corinna und versuchte ihm einen Klaps auf den dicken Hintern zu geben, als er uns vor übermütiger Freude laut bellend umrundete. Er leckte uns das Salzwasser von den Füβen und gebärdete sich wie ein Vater, der endlich seine verloren geglaubten Kinder wiedergefunden hat.

In der Zwischenzeit hatten Dietrich und Christoph den Katamaran seeklar gemacht; er tanzte munter auf den Wellen. Doch als sie sahen, dass Bernis Ohren schon wieder auf Halbmast gingen, als sie das Boot besteigen wollten, da packten sie ihn kurzerhand hinein, bevor sie selbst einstiegen. Und weil die See hinter der Brandung ruhig war, blieben die Segel unten, und die Kinder paddelten nur so herum – mit einem zufriedene Seufzer ausstoβenden Berni an Bord, der augenscheinlich glücklich darüber war, dabei sein zu dürfen, ohne aber nasse Füβe zu bekommen.

Nur ein einziges Mal trieb es auch Berni ins ihm so unheimliche Meer. Das war an dem Tag, als uns – am frühen Morgen und bei totaler Windstille – Myriaden von Marienkäfern überfielen. Alles am Strand, was Beine hatte, hüpfte fluchend und um sich schlagend herum. Selbst Viola, deren Lieblingstiere von jeher diese roten, schwarz gepunkteten Glücksbringer gewesen waren, hatte bald die Nase voll und rettete sich ins Wasser. Bevor wir anderen ihr folgten, wurde Luci noch schnell gegen das Jucken und Kratzen mit einem Handtuch zugedeckt, während Berni uns überraschend ins kühle Nass folgte, das allerdings völlig ruhig war. Trotzdem bewegte er sich nur ganz vorsichtig, schwanzwedelnd und offensichtlich beschämt über seine Wasserscheu. Doch dann auf einmal paddelte er hinter uns her, erst aufgeregt prustend und schnaubend, aber bald mit gleichmäβigen Schwimmbewegungen. Und hätte Christoph ihn nicht irgendwann am Halsband gepackt und Richtung Strand gedreht, er wäre glatt in die weite Ostsee hineingeschwommen.

Zwei Tage später lag rechts und links der Autostraβe ein rotes Band platt gewalzter Marienkäfer, und ein eigenartiger Geruch hing in der Luft, der erst verschwand, als der Wind heftig aufdrehte. Das bedeutete allerdings auch, dass die Wellen unten am Strand mächtig gegen das Ufer rollten, und Bernis Angst vor dem Rauschen der Brandung war schlagartig wieder da. Der Hund von einem nahen Bauernhof, ein Golden Retriever, konnte unseren Dicken überhaupt nicht verstehen. Er kam mindestens dreimal am Tag zu uns herunter und kühlte sich den Bauch in den Wogen, stets heftig von Luci angepöbelt.

Abends machten wir oft noch einen langen Spaziergang zu den alten Runensteinen auf den Feldern oder zu nahe gelegenen Hünengräbern und Rundkirchen, auf denen uns Berni immer begleitete, während Luci sich zu Hause bei einem Schläfchen von dem anstrengenden Strandleben erholte; immerhin war sie schon eine betagte Dame von umgerechnet siebzig Jahren. Irgendwann gerieten wir dann einmal auf dem Rückweg vom rechten Pfad ab und steckten plötzlich in einem groβen Rapsfeld. Und da der Raps am Boden offensichtlich die Eigenschaft von Schlingpflanzen hat, verschwand von Zeit zu Zeit immer wieder einer von uns mit einem Aufschrei in den wogenden Blütenstengeln, weil er sich mit den Füβen total verheddert hatte. Mittlerweile wurde es immer dunkler, der Wind begann in den Bäumen zu rauschen, hin und wieder rief ein Käuzchen. Berni, der mit mir das Schlusslicht bildete, rückte mir vor Unbehagen immer mehr auf die Pelle und tappte mir bald mit den Vorderpfoten bei jedem Schritt in die Hacken, sodass ich meine Turnschuhe verlor. Völlig aufgelöst, aber lachend erreichten wir schlieβlich wieder einen richtigen Fuβweg. Und als Christoph, der daheim geblieben war, uns beim Lampenlicht betrachtete, deutete er auf unsere verdreckte Kleidung und konstatierte grinsend: »Rapsodie in Grün!«

Am letzten Tag erwischte Luci mit ihrer ewigen Mäuschenbuddelei in den Dünen etwas offenbar Ungenieβbares; kurze Zeit später lag sie völlig apathisch am Strand, und als wir versuchten sie hinzustellen, knickten ihr immer wieder die Beine weg. Hastig warf ich mir mein Strandkleid über, wickelte Luci in ein Handtuch und packte sie auf den Rücksitz des Autos. Ich setzte mich neben sie und streichelte zart über ihren hart angespannten Bauch, während Dietrich sich, nur mit einem T-Shirt über der Badehose, hinters Steuer klemmte und kräftig aufs Gaspedal trat. Zuerst rasten wir zu unserem Bauernhof und holten uns die Adresse eines Tierarztes. Lud lag hilflos neben mir, sich ununterbrochen übergebend. Tapfer versuchte sie, das Erbrochene immer wieder aufzufressen, musste aber ständig aufs Neue würgen. Mir liefen die Tränen über das Gesicht, weil ich uns schon ohne unsere kleine Dackeldame heimfahren sah. Verheult und zitternd trug ich das kleine Bündel hinauf in die Arztpraxis. Dort bekam sie sofort den Magen ausgepumpt, und mit Spritzen und Tabletten wurde sie in letzter Minute gerettet; der Arzt tippte auf Rattengift. Wir bekamen weitere Medikamente mit auf den Weg, und am nächsten Tag hatte sich Luci so weit wieder erholt, dass wir zu unserer groβen Erleichterung vollzählig die Heimreise nach Deutschland antreten konnten.

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