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Vorwort
ОглавлениеSAMUEL Beckett und Karl Valentin, Vincent van Gogh und Max Liebermann, Franz Kafka und Gabriele D’Annunzio, Virginia Woolf und Winston Churchill – die in diesem Band geschilderten Verbindungen erscheinen zumindest auf den ersten Blick überraschend. Es sind Beziehungen ganz eigener Art, von denen manche kaum bekannt geworden sind und mehr oder weniger unwahrscheinlich anmuten. Ich selbst bin immer wieder erstaunt gewesen, welche Konstellationen während meiner Recherche zutage getreten sind, welche Fakten und Erkenntnisse, mit denen zuvor nicht zu rechnen war.
Ein geradezu frappantes Beispiel dafür ist der vergebliche Versuch Vincent van Goghs, Max Liebermann zu treffen. Dass van Gogh einmal an Liebermann geschrieben hat, um einen Besuch bei ihm zu vereinbaren, dürfte schon ungewöhnlich genug sein, mag aber noch zu den Dingen gehören, die zumindest Experten nicht verwundern. Doch dass er sich kurz darauf, ohne eine Antwort abzuwarten, in die Eisenbahn setzte, um zu Liebermann zu fahren, den er noch in dessen Ferienort vermutete, und dass er in dem kleinen holländischen Dorf Zweelo genau jenen Garten aufsuchte und jenen Apfelbaum zeichnete, den er kurz zuvor im Katalog zu einer Pariser Ausstellung auf einem der bedeutendsten Gemälde Liebermanns gesehen hatte, erscheint gleich in doppelter Hinsicht »unglaublich«.
Die nachstehend abgedruckten zwölf Texte sind deshalb auch alle von der Idee geleitet, an Hand einzelner Personen und vor allem an Hand der Beziehungen, in denen sie zueinander gestanden haben, ein Stück (Kultur-)Geschichte einzufangen. Immer geht es dabei um Menschen, die zum Kanon unserer historisch oder künstlerisch herausragenden Personen zählen. Und immer soll an Hand der hier verhandelten Beispiele möglichst mehr aufgezeigt werden als nur ein weiterer Aspekt im jeweiligen geistig-künstlerischen Profil der Akteure.
Um die Texte stärker miteinander zu verknüpfen, war zunächst daran gedacht, sie chronologisch zu ordnen. Das nähme ihnen jedoch viel von dem Neuen und Überraschenden, das in der betreffenden Personen-Konstellation liegt. Im übrigen wäre dann konsequenterweise mit dem frühesten Duo, mit Giotto/Dante, zu beginnen (um das Jahr 1300 herum), was indes nicht so recht passte, zumal die von mir zu Dante und Giotto entwickelten Thesen manchem Leser vielleicht als zu gewagt erscheinen werden. So verbindet diese Texte vielmehr das Außergewöhnliche, das diesen Begegnungen eignet.
Hinsichtlich des Anspruchs auf »Wissenschaftlichkeit« und »Quellenlage« muss ich den Leser um Nachsicht bitten. Ersteren kann ich schon deshalb nicht einlösen, weil ich weder Historiker noch Kunstgeschichtler bin. Die hier genannten, in der betreffenden Fachliteratur entdeckten Fakten sind jedoch nach Kräften von mir geprüft bzw. hinterfragt worden. Und was schließlich die Quellen angeht, habe ich im Rahmen des mir Möglichen die jeweilige These zu belegen versucht, wobei ich mit meinen Bemühungen meist, wenn auch nicht immer, erfolgreich war.
So hat sich zum Beispiel der Brief van Goghs an Liebermann nicht auffinden lassen, weil offenbar außer den (zahlreichen) Schreiben an seinen Bruder Theo keine anderen Briefe van Goghs mehr erhalten sind.1 In einem an Theo gerichteten Schreiben vom 2. November 1883 hat van Gogh jedoch selber von einem solchen Brief an Liebermann berichtet und vor allem auch ausführlich über seinen Besuch in Zweelo; er erwähnt darin Liebermann sogar zweimal.2
Berlin, im November 2013
Ingo Fessmann