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Letzter Schultag!

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„Peng!“ Knapp schoss die Kreide an meinem Kopf vorbei. Erschrocken riss ich mich von meinem Traum los. In meinen Tagträumen lag ich am Strand, die Füße im Meerwasser und das Gesicht in die Sonne gestreckt! Jetzt hatte mich die Wirklichkeit wieder. Statt am Strand saß ich in diesem langweiligen Klassenzimmer und sah mich nach diesem Volltrottel um, der mir meine angenehmen Gedanken missgönnte.

Frau Stumpf, die Lehrerin, stand vorne an der Tafel und schrieb gerade einen Satz hin. Sie hielt die Kreide noch in der Hand und hatte sie bestimmt nicht geworfen!

Empört schaute ich mich um. Jonas schnitt mir eine Grimasse und grinste frech. Na klar, er war der Kreidewerfer!

Ich streckte ihm die Zunge heraus und wandte mich ab. Heute am letzten Schultag wollte ich mich nicht mehr ärgern lassen.

Morgen begannen die Ferien und da wollte ich nur noch faulenzen und meine freie Zeit genießen.

Der Unterricht ging in die letzte Runde, trotzdem fragte Frau Stumpf die vier Fälle ab.

„In welchem Fall steht „das Haus“ in diesem Satz, Anna-Maria?“

Wieso wollte sie das gerade von mir wissen? Wo ich doch meinen Sender schon abgeschaltet hatte und ich voll auf Pausentaste stand. So hatte ich ihre Erklärungen auch nicht mitgekriegt.

„Was war das noch mal?“, flüsterte ich Jana, meiner Freundin und Banknachbarin zu.

„aschmgmmm.“, hörte ich. Doch das konnte nicht stimmen. Soviel wusste ich immerhin.

„Hab die Frage nicht verstanden“, zögerte ich meine Antwort hinaus.

Die Lehrerin seufzte, wiederholte aber geduldig ihre Frage.

Die Antwort wusste ich trotzdem nicht.

Flehentlich schaute ich zu Jana hinüber.

Warum musste das immer mir passieren? Es gab 28 weitere Kinder in dieser Klasse. Aber nein, sie fragte ausgerechnet mich, obwohl ich gerade im sonnigen Süden von Mallorca weilte. Gedanklich, versteht sich.

Jana formte ihre Hände zu einem Trichter und flüsterte lauter: „aschm…all“.

Hatte ich schon Meerwasser in den Ohren? Ich verstand kein Wort. Vielleicht lag es auch am allgemeinen Geräuschpegel. Heute am letzten Schultag nahm es keiner mit dem Aufpassen besonders genau. Die meisten Mitschüler hingen ziemlich teilnahmslos auf ihren Stühlen herum, schwätzten, kicherten und hatten den Kopf voll mit Dingen, die nicht in die Schule gehörten.

Hilflos zuckte ich mit den Achseln.

Jana wiederholte: „…er….all“

Da traf mich der Geistesblitz. „Im Wer-Fall natürlich.“, antwortete ich, als sei das das Selbstverständlichste von der Welt.

„Schön“, lobte mich Frau Stumpf. „Und wenn du mir jetzt noch den lateinischen Begriff dafür sagen kannst…“

Die hatte Nerven. Konnte ich natürlich nicht. Jetzt war ich so stolz darauf, wenigstens den Fall erkannt zu haben – und jetzt wollte sie das auch noch auf Latein hören!

Wir waren Grundschule, vierte Klasse. Wusste sie das nicht mehr?

Frau Stumpf zupfte ihren Rock zurecht und setzte sich die Brille wieder auf. Sie war kurzsichtig und brauchte ihre Brille, um auch die weiter weg sitzenden Schüler zu erkennen. Einmal haben wir ihr die Brille versteckt, weil wir dachten, dass sie uns dann nicht mehr aufrufen kann. Doch leider hatte sie ein sehr gutes Gedächtnis. Deshalb wusste sie unsere Sitzordnung auswendig. Wir sind ihr nicht entkommen. Stattdessen musste die ganze Klasse nachsitzen.

Doch jetzt schaute sie durch ihre Gläser. Ihr Blick blieb auf Jana hängen.

„Jana, wie heißt dieser Fall auf Latein?“

Wie sollte Jana das wissen? War sie vielleicht Lateinerin? Oder auf dem Gymi? Ich wollte schon bedeutungsvoll mit den Augen rollen.

Da hörte ich Jana sagen: „Nominativ!“ Ganz selbstverständlich.

Ich fasste es nicht. Diese Streberin. Uns anderen Unwissenden so in den Rücken zu fallen!

Hoffentlich ist es falsch, dachte ich und schaute erwartungsvoll zur Lehrerin.

Doch die nickte zufrieden.

„Sehr gut, Jana!“

Jana war meine Freundin. Deshalb konnte ich ihr nicht gut beleidigt sein. Ich verzieh ihr also großzügig. Das heißt, sie wusste das natürlich nicht. Sie sah nur, dass ich ihr zulächelte.

Trotzdem saß ich langsam wie auf Kohlen. Wie lange dauerte der Unterricht eigentlich heute? Die vier geplanten Stunden kamen mir länger vor, als sonst sechs.

Der Zeiger der Uhr kroch so langsam vorwärts, dass sogar eine Schnecke ein Rennpferd dagegen war.

„Inzwischen bin ich zu Fuß nach Mallorca gegangen“, seufzte ich innerlich. Ohne zu überlegen, dass ich dabei übers Wasser laufen müsste.

Endlich, endlich, teilte die Lehrerin die Zeugnisse aus. Auf den Teil des heutigen Tages hätte ich liebend gerne verzichtet. Zum Einrahmen eignete sich mein Zeugnis sowieso nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich es sofort im Altpapier entsorgt. Aber meine Eltern wollten es ja unbedingt sehen. Natürlich mussten sie es auch noch ungefragt kommentieren. Dazu kamen dann sicherlich wieder diese völlig unqualifizierte Fragen, wie: „Wie stellst du dir eigentlich deine Zukunft vor?“ und „Was willst du eigentlich werden?“

Für meine Berufswünsche „Schauspielerin“, oder kurz und bündig „berühmt“, hatten sie irgendwie nichts übrig.

Völlig unverständlich. Denn schließlich profitieren sie doch auch, wenn ich eines Tages reich werde.

Ich sah nicht ein, weshalb ich da unbedingt lauter Einser und Zweier brauchte. Ich glaubte nicht, dass die Reichen, wie, sagen wir mal die Geißens, so gut in der Schule waren!

Jedenfalls wunderte ich mich nicht, als Frau Stumpf mir das Zeugnis gab, mit den Worten: „Du hättest dich mehr anstrengen sollen, Anna-Maria.“

Das würden mir meine Eltern zu Hause noch mal sagen.

Ich packte das Zeugnis in die Schultasche, ließ die Schnallen zuschnappen und wartete auf den Schulgong.

Endlich konnte ich der Schule für sechs lange Ferienwochen den Rücken zukehren!



Das Wunschtraumhaus

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