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4. Kapitel SCHEIDUNG – UND DANN?

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Nach vielen nervtötenden Jahren dieser Ehe, die oft nicht einmal mehr äußerlich eine war, hatte Gerda endlich von Kurt die Nase voll. Sie machte dieser Farce ein Ende und jagte Kurt nach einem Abend, den sie wieder einmal alleine verbrachte und umsonst auf ihn wartete, zum Teufel. Gerda musste noch immer lachen, wenn sie an Kurts Gesicht dachte, als er von ihrem Anwalt das Schreiben mit ihrem Scheidungsersuchen erhielt. Es hieß in diesem Schreiben, dass Gerda sich scheiden lassen möchte, weil ihre Ehe völlig zerrüttet sei. Kurts ständige und teure Frauengeschichten wurden auch erwähnt. Der Scheidungstermin war für einen Tag in zwei Wochen festgesetzt. Um 9.00 Uhr sollten sich beide beim Amtsgericht in Stuttgart einfinden. Gerda war zum vereinbarten Zeitpunkt mit klopfendem Herzen und mit ihrem Anwalt auf dem Flur des Amtsgerichts. Nur Kurt tauchte nicht auf. Es wurde 9.00 Uhr – immer noch kein Kurt. Gerda betrat nun mit ihrem Anwalt das Zimmer. Nach einer Anhörung, bei der Gerda in Tränen ausbrach, weil ihre ganze verkorkste Ehe vor ihren Augen aufstand, kam der Richter sehr bald zu seinem Urteil: Die Ehe von Kurt und Gerda Umweg wurde nach einem Trennungsjahr geschieden. Dieses Trennungsjahr war durch die ständige Abwesenheit von Gerda als durchgeführt angesehen. Kurt wurde als der schuldige Teil für das Scheitern dieser Ehe in Abwesenheit verurteilt. Er musste weiter für die Ausbildung seiner Kinder Simon und Jessy bezahlen. Aus der ehelichen Wohnung sollte er sobald wie möglich ausziehen. Gerda war mit dieser Entscheidung einverstanden und verließ leichten Herzens mit ihrem Anwalt als geschiedene Frau das Amtsgericht. Kurt war überhaupt nicht damit einverstanden, dass er ausziehen und für die Ausbildung der Kinder zahlen sollte. Da er jedoch nicht bei der Verhandlung anwesend war, hatte der Richter eben so entschieden, wie es von Gerdas Anwalt beantragt wurde.

Nachdem Kurt in Stuttgart für sich und seine momentane Freundin, von der Gerda längst geahnt hatte, eine kleine Wohnung in exklusiver Lage fand, zog er aus der ehelichen Wohnung unter Zurücklassung aller Möbel aus. Nur die persönlichen Sachen packte er in sein Auto und fuhr wütend und grußlos davon. Gerda sah schweigend seinem Auszug zu. Man merkte ihr deutlich die Erleichterung an, dass diese Zeit voller Streit endlich vorbei war. Nun kehrte ganz allmählich Ruhe im Hause Umweg ein. Gerdas Anwalt hatte durchgesetzt, dass Kurt monatlich 1.200 Euro an Gerda für die Ausbildung der Kinder zahlen muss; und die schicke Wohnung sollte Gerda mit den Kindern weiterhin gehören.

„Hoffentlich zahlt Kurt auch wirklich den von meinem Anwalt geforderten Unterhalt, der zwingend notwendig ist.“ Mit dem Geld aus ihrem Vorruhestand und dem Kindergeld hätte sie gerade so viel, dass sie die Miete und die notwendigsten Kosten tragen könnte.

Zum Glück war Simon nach einer Zeit, in der Gerda sehr genau rechnen musste, endlich 18 Jahre alt, sodass er aus dem Internat in die Selbständigkeit entlassen werden konnte. Dann war auch Jessy mit 18 Jahren nach einem sehr guten Abitur alt genug, um aus dem Internat entlassen zu werden, und um selbständig zu leben. Simon fand in Stuttgart eine eigene, kleine Wohnung, die er sich mit Gerdas Hilfe sehr gemütlich einrichten konnte. Jessy zog in eine Wohngemeinschaft mit drei anderen jungen Mädchen ein und war ganz glücklich, der strengen Aufsicht im Internat entkommen zu sein. Hier hatte sie ihr eigenes, kleines Zimmer. Sie benutzte es aber kaum, weil die vier jungen Mädchen der Wohngemeinschaft ständig beieinander saßen und sich viel zu erzählen hatten.

Gerda fühlte sich finanziell erleichtert, weil keine Internatskosten sie mehr belasteten. Sie zahlte jetzt freiwillig einen Teil von Simons Miete und auch die Kosten für Jessys Wohngemeinschaft in der Hoffnung, dass sich ihr Exmann Kurt auch wirklich an den Kosten beteiligen würde. Bisher hatte es ja geklappt, aber diese Regelung war eben auch noch ziemlich neu. Simon studierte nach seinem sehr guten Abiturzeugnis BWL, also Betriebswirtschaftslehre, und man konnte ein Ende der Ausbildung absehen. Er war sehr ehrgeizig und wollte seine Ausbildung möglichst schnell mit Auszeichnung beenden, was durchaus vorauszusehen war. Dann würde er auch selbst für sich sorgen können. Jessy war inzwischen auf der Suche nach einer Ausbildung zur Flugbegleiterin. Sie schrieb fleißig Bewerbungen, hatte aber trotz des ebenfalls sehr guten Abiturzeugnisses bisher keine Zusage bekommen. Weil sie Gerda aber nicht so viel auf der Tasche liegen wollte, verdiente sie sich ihr Taschengeld als Bedienung in einer Diskothek. So konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie verdiente nicht schlecht und hörte ständig die neueste Musik, bei der sie gerne getanzt hätte. Aber das ging natürlich nicht. Sie hätte sich nicht träumen lassen, dass sie als Bedienung bei Schichtende so kaputt war und nur noch schlafen wollte. Sie kam ziemlich müde nach einer Nacht in der Disco in ihrem WG-Zimmer an, warf sich nur noch auf ihr Bett und versuchte, zu schlafen. Aber aus der gemeinsamen Küche, in der gefrühstückt wurde, kam laute Musik und rücksichtsloses Geschnatter. Ihre Mitbewohnerinnen nahmen kaum Rücksicht darauf, dass Jessy nach der arbeitsreichen Nacht schlafen wollte.

„Vielleicht schlafe ich doch lieber bei meiner Mutter. Da ist es bestimmt ruhiger.“

Kaum zu Ende gedacht, rief sie auch schon bei der Mama an:

„Sag mal, kann ich nicht wieder in mein altes Zimmer bei dir einziehen? Ich kann hier bei dem Lärm, den die anderen so machen, kaum schlafen. Geht das?“

„Aber sicher doch. Ich freue mich, dich wieder bei mir zu haben. So ganz alleine ist das Leben doch für mich ziemlich deprimierend. Den ganzen Tag habe ich niemanden, der mit mir spricht. Ich wollte mir schon einen Hund anschaffen, mit dem ich dann reden kann.“

„Arme Mama, da komme ich doch gerade richtig. Wenn ich nach meiner Schicht in der Disco ausgeschlafen habe, können wir ganz gemütlich reden. Das tut mir auch gut.“

Schon am nächsten Tag kam Jessy mit Sack und Pack in Krähenwinkel an, wo Gerda sie am Bahnhof abholte. Beide waren glücklich über Jessys Entschluss. So war also diese Mutter-Tochter-Beziehung wieder das geworden, was sich Gerda immer wünschte. Endlich hatte sie die nötige Zeit für Jessy und konnte sich ihren Problemen widmen. Und Probleme hatte Jessy genug. Da war einmal Luca, ihr Freund, von dem sie ihrer Mutter noch nichts erzählt hatte. Luca wollte, dass Jessy zu ihm nach Stuttgart zöge. Aber dafür fühlte Jessy sich einfach noch zu jung. Sie wollte unabhängig bleiben. Jedoch Luca, schon 23 Jahre alt, wünschte sich eine feste Partnerschaft und eine gemeinsame Wohnung. Er konnte Jessys Gefühle nicht verstehen.

Das andere Problem war Jessys Suche nach einer Ausbildungsstelle als Flugbegleiterin. Zwar waren ihre Zeugnisse, auch das Abiturzeugnis, sehr gut, aber die Airlines stellten sehr hohe Ansprüche, und der Drang vieler junger Mädchen nach diesem Beruf war groß. So konnten sich die Fluggesellschaften die besten Anwärterinnen aussuchen. Und leider hatte Jessy noch nicht die Chance gehabt, sich persönlich vorzustellen.

„Vielleicht kann ich ja versuchen, meine ehemaligen Kollegen auf dich aufmerksam zu machen. Manchmal hilft so etwas ja“, tröstete Gerda ihre Tochter.

Auch von Simon erfuhr Gerda inzwischen mehr. Er lebte neuerdings mit seiner Freundin Jaqueline, die wie er BWL. studierte, zusammen. Gerda kannte das Mädchen überhaupt nicht. Aber sie traute ihrem Sohn schon zu, sich die richtige Partnerin auszusuchen. Als Gerda vor einiger Zeit am Wochenende in Stuttgart war, hätte sie gerne ihren Sohn besucht. Leider kam sie vor verschlossene Tür. „Ich hätte eben vorher anrufen sollen“, warf sie sich selbst vor. So war es bisher noch nie zu diesem Besuch gekommen, obwohl Simon seine Mutter öfters gebeten hatte, doch für eine Tasse Kaffee bei ihm vorbeizukommen, wenn sie in Stuttgart wäre. Jetzt nahm sich Gerda Zeit, ihren Sohn und die neue Freundin einmal zu besuchen. Simon und Jaqueline hatten vor Gerdas Besuch die Wohnung auf Hochglanz geputzt, um vor den gestrengen Augen der Mama zu bestehen. Als Gerda nun kam, war der Kaffeetisch schon gedeckt und Jaqueline hatte zur Feier des Tages sogar einen Kuchen gebacken. Das war etwas ganz Besonderes. Jaqueline war keine Hausfrau. Kuchenbacken gehörte nicht zu ihren Stärken.

„Fein, dass du kommen konntest“, meinte Simon und nahm Gerda liebevoll in den Arm.

„Darf ich dir meine Wohnung zeigen? Sicher kennst du noch nicht alles Neue, was Jaqueline und ich in der letzten Zeit so angeschafft haben.“

„Eigentlich möchte ich erst einmal deine Jaqueline begrüßen.“ Gerda streckte dem Mädchen freundlich die Hand hin. Jaqueline hat sich im Hintergrund gehalten und kam jetzt auf Gerda zu.

„Hoffentlich haben Sie nichts dagegen, dass ich mich hier bei Simon breitgemacht habe“, meinte sie. Gerda fand Jaqueline sehr nett. Das Mädchen hatte eine natürliche, freundliche Ausstrahlung und die beiden Frauen waren sich vom ersten Augenblick an sympathisch.

„Nun sollst du aber erst einmal meine Wohnung ansehen.“

Simon war schon ganz ungeduldig.

„Ihr habt wirklich einen sehr guten Geschmack“, konnte Gerda nur lobend feststellen. Man merkte sofort, dass die Einrichtung dieser kleinen Wohnung mit viel Liebe ausgesucht wurde. Die Möbel waren nicht besonders wertvoll, aber sehr praktisch. Für eine spätere, größere Wohnung war das besonders wichtig. Es gab keine großen Möbel, sondern nur lauter kleine Elemente, die man je nach Laune verschieben konnte. Simon und auch Jaqueline hatten sich sehr bewusst eingerichtet. Die jungen Leute strahlten um die Wette. Gerda konnte sich nach dem Kaffee mit einem sehr guten Gefühl wieder auf den Weg machen.

So lief nun Gerdas Leben wieder in den richtigen Bahnen. Ihre Kinder waren in Ordnung. Ihnen hatten anscheinend die vergangenen katastrophalen Familienverhältnisse nicht geschadet. Sie standen beide auf festen Beinen. Das machte Gerda ganz glücklich. Was war aber mit ihr? Sie war inzwischen seit längerer Zeit geschieden und wusste nicht so recht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Nach einer neuen Partnerschaft stand ihr der Sinn nach dieser unglücklichen Ehe nicht gerade. Aber so alleine vor sich hin zu leben, dafür fühlte sie sich einfach noch zu jung. Was also sollte sie tun?

Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit

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