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Kapitel 1 – Dunkle Träume

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Dunkelheit hüllte Nuka ein. Alles um ihn herum war in tiefste Schwärze getaucht; er konnte die Augen nicht öffnen und sich nicht bewegen. Er lag auf etwas Weichem, hatte es warm und gemütlich, doch eine unsägliche Müdigkeit ergriff völlig von seinem Körper Besitz, schien ihn zu lähmen.

»Hey, mein süßes Spitzohr, aufstehen …«, hörte er eine ihm allzu vertraute Stimme und lächelte. Bow war hier, mit ihm in dieser Finsternis. Alles war gut.

Als Bow sanft an seinem Ohr knabberte, zog es bis hinunter in Nukas Lenden. Sein Liebster wusste ganz genau, wie empfindlich er an dieser Stelle war, und Nuka genoss es, dort zärtlich berührt zu werden. Er konnte und wollte die Augen nicht öffnen, sondern weiterhin mit Bow im Bett liegen bleiben. Solange sie hier, in der Unterkunft der Soldaten, blieben, würde nichts Furchtbares geschehen.

Bow kitzelte ihn unter der Achsel. »Na los, du Schlafmütze, Dienstbeginn ist in einer halben Stunde!«

Als Nuka träge die bleischweren Lider hob, blickte er direkt in die graugrünen Augen seines Partners – und sofort schlug sein Herz heftig für ihn. Bow und er waren seit drei Jahren ein Paar, und Nuka wollte den Rest seines Lebens mit diesem heißen Kerl verbringen.

Als Bow ihn anlächelte, kribbelte es in seinem Magen. Mühsam streckte er einen Arm aus und strich ihm über die bartschattigen Wangen und durch das dichte schwarze Haar. Alles an Bow war wunderschön, imposant, kraftvoll! Er war eben ein richtiger Warrior, durch und durch, während Nuka ein wenig aus der Rolle fiel. Er besaß nicht ganz so viele Muskeln, war eher der schlanke, sehnige Typ und auch längst nicht so groß wie der Rest seiner Waffenbrüder. Doch das machte ihm nichts aus. Er mochte vielleicht nicht ganz so stark sein, dafür hatte er andere Fähigkeiten. Bow zog ihn niemals wegen seiner »Defizite« auf, auch nicht wegen seiner silberweißen Haare, so wie ein paar Jungs damals während der harten Ausbildung. Bow behandelte ihn immer mit Respekt und, wenn sie unter sich waren, mit der nötigen Dominanz, die Nuka ziemlich anturnte. Er genoss es, sich in den starken Armen seines Liebsten geborgen zu fühlen.

»Können wir nicht mal krank machen, Bow?«, flehte er.

Sein Freund stieg splitternackt aus dem Bett und sammelte seine Kleidung ein, die überall im kleinen Zimmer verstreut lag. »Wir sind Warrior, wir werden so gut wie nie krank. Außerdem bist du unser bester Fährtenleser. Wir brauchen dich dringend im Team.«

»Noch fünf Minuten«, murmelte er und konnte den Blick nicht von Bows knackigem Arsch nehmen.

Grinsend wirbelte sein Liebster herum und ließ sämtliche Klamotten fallen. »In diesen fünf Minuten könnte ich dich genauso gut vernaschen.« Bow stemmte die Hände in die Hüften, lächelte frech und spannte abwechselnd die Brustmuskeln an, sodass sie auf und ab hüpften. Nuka musste normalerweise immer lachen, wenn er das tat, doch heute blieben ihm die Laute im Hals stecken, denn … neben ihm tauchte plötzlich Tyr auf – und der war genauso nackt wie Bow!

Gequält starrte Tyr ihn, Nuka, an und fuhr sich durch das dunkelbraune Haar, das völlig verstrubbelt in alle Richtungen abstand. »Das ist also der Kerl, wegen dem du mich seit Ewigkeiten ignorierst?«, fragte er und seufzte theatralisch. Tyr war viel kleiner als Bow, wenn auch fast genauso alt, um die dreißig und ein Mensch, kein Warrior. Dafür aber relativ muskulös.

Was machte Tyr hier? Er hatte nichts, aber auch absolut nichts in diesem Traum zu suchen! Der gehörte allein ihm und seinem Liebsten!

Bow schien Tyrs Anwesenheit nicht zu bemerken, denn er beachtete ihn nicht, sondern beugte sich über Nuka, riss ihm die Bettdecke weg und platzierte feurige Küsse auf seinem Bauch. Zwischenzeitlich begab sich Tyr ans Kopfende des Bettes und starrte einfach nur mit aufgerissenen Augen auf Nuka herab. Dessen Iriden waren ebenfalls grün und doch von einer völlig anderen Schattierung als die von Bow. Viel dunkler mit ein wenig Braun.

In Nukas Magen kribbelte es erneut. Vielleicht erwies sich Tyrs Anwesenheit in seinem Traum doch noch als nützlich. So kann ich mich gleich von zwei heißen Kerlen verwöhnen lassen, dachte er und legte eine Hand in Tyrs Nacken, um ihn zu sich zu ziehen. Gerade als Nuka ihn auf diese wundervoll einladenden Lippen küssen wollte, löste Tyr sich in Rauch auf.

Auch das Zimmer um Nuka herum schien durchsichtig zu werden. Er lag nicht länger im Bett, sondern stand auf einmal zwischen zwei Hochhausruinen in der Nähe der Wüstenstadt Resur. Er kannte diese Gegend nur zu gut und auch die Gefahren, die in den Schatten lauerten, weshalb ihm eisige Schauder über die Haut rieselten.

Die Sonne stand an diesem frühen Morgen noch tief, zwischen den Häusern war es kühl und düster. Nuka fröstelte, obwohl er einen Einsatzoverall trug.

Nein, ich will nicht hier sein!, wollte er rufen, aber nur ein Krächzen verließ seine Kehle. Sein Herz raste. Genau an diesem Ort war es passiert; sein schlimmster Albtraum hatte sich erfüllt.

Der Rest des Resurer Teams befand sich in einer Nebenstraße, selbst Tyr ließ sich nicht mehr blicken. Nuka war mit Bow allein, genau wie damals, als er Tyron und alle anderen aus Verox’ Expeditionsteam noch nicht gekannt hatte …

»Lauf nicht weiter«, bat Nuka seinen Liebsten flehend und krallte die Finger in dessen Overall. Er wusste, was gleich geschah.

Bow schenkte ihm bloß ein draufgängerisches, verruchtes Lächeln, das Nuka für gewöhnlich sexy fand, doch nicht heute.

Panisch schaute er sich immer wieder um. »Bow, lass uns zurückgehen.« Leichter Wind pfiff zwischen den Ruinen hindurch, die wie abgenagte Skelette in den Himmel ragten. In allen dunklen Ecken schien es zu rascheln, und er spürte, dass sie beobachtet wurden …

***

Tyr konnte nicht länger schlafen. Aber nicht, weil der Passagiersitz des Shuttles unbequem war, sondern weil Nuka neben ihm schon seit einer Weile unruhig zuckte und leise stöhnte. Es war jedoch kein erregtes Stöhnen, denn das würde ihm tief in den Bauch fahren. Es hörte sich eher an, als würde jemand Nuka quälen. Er hatte offensichtlich einen Albtraum, mal wieder.

»Wach auf«, flüsterte Tyr in das süße, spitze Ohr seines Expeditionspartners und nahm einen tiefen Atemzug von dem angenehm balsamischen Duft, den er verströmte. Doch Nuka zeigte trotz Supergehör keine Reaktion auf die gewisperten Worte, schien völlig in seinem persönlichen Horrorszenario gefangen zu sein. Deshalb legte Tyr die Hand auf dessen schlanken und doch kraftvollen Oberschenkel, genoss für einen Moment die intime Nähe zu dem Mann, den er seit Monaten anhimmelte, und drückte fest zu. Dabei bewunderte er die langen Beine des Kriegers in der schwarzen Cargo-Hose und ließ den Blick höher gleiten, über das beige T-Shirt, das sich eng um Nukas Leib spannte und beinahe jeden wohlgeformten Bauch- sowie Brustmuskel offenbarte. Zu gerne wollte Tyr jetzt den attraktiven Körper des Kriegers mit den Händen erforschen und die Finger in dessen silberweißes Haar schieben. Ob es sich eher rau oder weich wie Seide anfühlen würde?

In der Hoffnung, Nuka vielleicht besser zu gefallen, wenn er mehr wie ein Warrior aussah, und um ihm zu imponieren, hatte Tyr in den letzten Monaten kräftig Gewichte gestemmt. Sein Körper war tatsächlich kaum wiederzuerkennen! Er strotzte vor Kraft und Tyr fühlte sich fit wie nie. Zwar konnte er noch keinem der Superkrieger tatsächlich Konkurrenz machen, dafür war er auch viel zu klein, aber er befand sich auf dem besten Weg dahin.

Nuka schien die Veränderung an ihm immerhin zu bemerken, denn wenn sie mehrmals die Woche zusammen trainierten, starrte der ihn ab und zu verträumt an. Leider ließen ihn Tyrs Anmachversuche ansonsten weiterhin kalt. Dabei spürte er deutlich, dass sich der Krieger zu ihm hingezogen fühlte – auch wenn der es nicht zugab. Es musste etwas in Nukas Vergangenheit passiert sein, was ihn daran hinderte, sich wieder auf jemanden einzulassen. Er schien sich für überhaupt keine Art von Beziehung zu interessieren, nicht einmal für unverbindlichen Sex.

Ja, Tyr hatte ihm in seiner grenzenlosen Verliebtheit sogar dieses Angebot unterbreitet, es aber schnell als Spaß abgetan, als Nuka bloß schnaubend den Kopf geschüttelt hatte. Seitdem hatte Tyr ihn weitgehend in Ruhe gelassen. Er hakte mittlerweile auch nicht mehr nach, wovon das süße Spitzohr immer träumte, denn der Kerl gab ihm ohnehin nie eine Antwort. Stattdessen flüsterte Tyr jetzt, als Nuka die Augen aufschlug: »Du hast schlecht geschlafen.«

»Danke«, murmelte er, räusperte sich leise und starrte sofort aus dem Fenster. Dabei gab es dort nichts als Wüste zu sehen, und zwar nachtschwarze Wüste, denn sie flogen aktuell der Morgendämmerung und dem neuen Tag entgegen.

Vor zehn Stunden waren sie von Oasis, einer Siedlung in der Nähe der Kuppelstadt Royal City, gestartet und mussten insgesamt fast 7000 Meilen zurücklegen. Verox hatte dazu den kürzesten Weg rausgesucht. Sie hatten erst den Atlantischen Ozean überquert, dann das ehemalige England und Europa; jetzt flogen sie über ein Gebiet, das sich früher »Irak« nannte. Ihr Ziel war der Persische Golf. Dort wartete eine neue Mission auf ihr Expeditionsteam.

Selbst mit »Extraschub« waren sie insgesamt fast zwölf Stunden unterwegs. Die Menschen früher hatten mit ihren Fluggeräten sogar noch viel länger gebraucht. Tyr fühlte sich ein wenig seltsam, so weit weg von seinem Zuhause, doch solange Nuka ihn begleitete, ging er überallhin. Außerdem war der Rest des Teams auch dabei. Na ja, zumindest noch ein paar des Ursprungs-Teams. Denn Dannika und Marisa lebten nun, genau wie Onyx mit seiner Maia, in der Dschungelstadt »Heaven Woods«, weshalb die offenen Stellen meist mit Leuten besetzt wurden, die spontan Zeit hatten oder spezielle Fähigkeiten mitbrachten, die für besondere Missionen gebraucht wurden.

Der aktuelle Auftrag versprach, obwohl von größter Wichtigkeit, nicht besonders aufregend zu werden. Sie suchten nach dem »mystischen« Ort Paradisia, von dem niemand so recht glaubte, dass er existierte. Allerdings hatte sich gezeigt, dass es sich manchmal lohnte, auch vagen Hinweisen nachzugehen, und vielleicht fanden sie dieses verschollene Paradies ja wirklich.

Shadow, der schwarze Wolf ihres Teamleiters Verox und dessen Gefährtin Skye, lag zu Tyrs Füßen und schlief. Ab und zu knurrte er im Schlaf oder seine Ohren zuckten, ansonsten war er weniger aktiv als Nuka, wenn er träumte. Normalerweise wich Shadow seinem Herrchen Verox nur selten von der Seite, doch der saß mit Skye im abgetrennten Cockpit-Bereich und flog das Shuttle. Dort hatte sich der Wolf nicht wohlgefühlt und sich kurz nach dem Start lieber zu ihnen in den Passagierraum begeben.

In der Reihe hinter Tyr lag Lasi, der Koch des Teams, und schnarchte leise. Der alte Inder ließ es sich nicht nehmen, sie auf jeder Mission mit seinen Köstlichkeiten zu verwöhnen.

Ganz hinten hatte es sich der schwarzhaarige Warrior Chaz mit seiner Partnerin Anka gemütlich gemacht. Die große blonde Frau könnte wegen ihres Körperbaus fast als Huntress durchgehen, doch sie war ein ganz gewöhnlicher Mensch.

Diesmal ergänzten zwei Warrior aus Resur – Rock und Crome – sowie eine junge Frau namens Kia ihre Truppe. Rock, der breitschultrige, dunkelhäutige Glatzkopf, saß ganz vorne und beanspruchte wegen seiner Größe fast zwei Sitze. Er überragte wirklich jeden im Team. Rock hatte sich ihnen angeschlossen, weil er ein hervorragender Pilot war und keine Herausforderung scheute. Flame, ein Krieger aus Oasis, hatte ihm gezeigt, wie man das kleine, eiförmige Aufklärungs-Shuttle »SE 2000« – kurz: »Explorer« – flog, das sich aktuell in ihrem riesigen Heck-Laderaum befand. Es konnte die extrem weite Strecke nicht zurücklegen, dazu war es nicht gemacht worden. Dafür besaß es die aktuell beste Technik, um andere Lebensformen, zum Beispiel Menschen, aufzuspüren.

Neben Rock saß der Warrior Crome, über den Tyr noch nicht allzu viel wusste. Er fiel besonders wegen seiner weißgefärbten Haare auf, die ihm gut standen. Natürlich sah er nicht so sexy aus wie Nuka mit seinem natürlichen silberweißen Haar. Angeblich war er damit auf die Welt gekommen, immerhin das hatte Tyr schon aus dem schnuckligen Krieger herausgebracht. Wenigstens war er nach all den Monaten, die sie nun zusammen in diesem Team arbeiteten, nicht mehr so still und verschlossen wie während der ersten Expeditionen.

Ganz frisch begleitete sie auch Cromes Ziehtochter Kia. Tyr schätzte sie auf irgendwas zwischen achtzehn und zwanzig Jahren. Angeblich konnte sie hervorragend mit ihrer hochmodernen Armbrust umgehen. Das Schussgerät war eine Spezialanfertigung aus Royal City, und Kia hatte sich erst geweigert, sie mit den anderen Waffen im Laderaum zu verstauen. Kia war quasi seit ihrer Kindheit mit einer Armbrust verschmolzen – hatte er zumindest Crome sagen hören, als sie das Gepäck eingeladen hatten.

Würde sich Tyr nicht zu Männern hingezogen fühlen – und ganz besonders zu Nuka –, wäre Kia genau seine Kragenweite. Ausgesprochen hübsch, schlank, mit langen schwarzen Haaren, die sie zu einem dicken Zopf geflochten hatte, und stechend blauen Augen. Doch sie war kein Püppchen, das hatte Tyr schnell bemerkt. Sie konnte fluchen wie eine Huntress und würde sich von den Männern im Team garantiert nichts gefallen lassen.

Tyr ließ sich tiefer in seinen Sitz sinken und unterdrückte den Wunsch, Nuka zu fragen, wer denn nun dieser »Bow« war. Leider ignorierte ihn das Spitzohr vehement und sah weiterhin aus dem Fenster. Also schloss Tyr wieder die Augen, um noch ein bisschen Schlaf zu bekommen. Durch die Zeitverschiebung würde er sich ohnehin tagelang wie gerädert fühlen. Hoffentlich dauerte diese Mission, in der sie wahrscheinlich wirklich nur einem Mythos nachjagten, nicht so lange.

Tay, das Computergenie von Steels Einheit, die ihr Hauptquartier auf einer kleinen Hawaii-Insel hatte, war schon ewig auf der Suche nach Paradisia, jenem ominösen Ort, an dem Auserwählte ein Leben wie im Paradies führen durften. Denn es galt immer noch, Senatoren und andere Personen zu finden, die an grausamen Verbrechen beteiligt gewesen und spurlos verschwunden waren.

Es existierten jedoch keinerlei Aufzeichnungen über Paradisia, alle Informationen waren lediglich mündlich überliefert worden. Es hieß, das traumhafte Eiland, das vom Krieg und größerer Verstrahlung verschont geblieben sei, läge im Indischen Ozean. Regimetreue Bürger und Senatoren, die einer der drei befreiten Kuppelstädten einen besonderen Dienst erwiesen hatten, waren dort hingebracht worden, um den Rest ihres Lebens im Luxus verbringen zu dürfen. Allerdings konnte niemand mit Gewissheit sagen, ob diese Insel wirklich existierte.

Falls es diesen mysteriösen Ort tatsächlich geben sollte, hatten die Senatoren des alten Regimes hervorragende Arbeit geleistet, um alle Beweise zu beseitigen. Eine Spur ließ sich allerdings nicht verwischen: die Flugrouten der Shuttles. Tay hatte die Aufzeichnungen gefunden, und alles deutete darauf hin, dass Paradisia nur im Persischen Golf liegen konnte. Dort hatten ihre Satelliten aber weder eine Kuppelstadt noch eine moderne Siedlung ausgemacht. Allerdings gab es einige Inseln in diesem Meer, zumindest auf alten Landkarten. Die zahlreichen kleinen Eilande konnten von den wenigen noch funktionierenden Satelliten nicht alle erfasst werden. Tyr war gespannt, ob sie etwas fanden.

Tyr & Nuka

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