Читать книгу Tödliche Vetternwirtschaft - Irene Dorfner - Страница 9
4.
ОглавлениеFriedrich Fuchs war mit seinen Leuten bereits um 7.00 Uhr im Ortsteil Waldfrieden in Töging. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er gestern Abend noch angefangen, das Haus zu durchsuchen. Aber der Chef war anderer Meinung und natürlich fügte er sich den Anweisungen Krohmers, vor dem er sehr großen Respekt hatte. Dieses ganze Gequatsche während der gestrigen Besprechung war ihm zuwider, er arbeitete lieber. Er wies seine Leute an und alle waren mit Eifer dabei, denn die letzten Wochen gab es nicht allzu viel Interessantes zu tun. Fuchs hatte verstanden, dass es keinen Anhaltspunkt für ein Gewaltverbrechen gab und daher spürte er die ganze Last auf seinen Schultern. Er und seine Leute durften nicht den kleinsten Hinweis übersehen, der auf ein Verbrechen hindeuten könnte. Er hasste es, wenn oberflächlich oder gar schlampig gearbeitet wurde. Und wenn sich dieser Todesfall tatsächlich als Mord herausstellen sollte, dann hatte der betreffende Arzt schlampig gearbeitet, was für Fuchs absolut nicht akzeptabel war. Das würde seine ständigen Eingaben untermauern, mit denen er seit Jahren dafür plädierte, dass nicht jeder Arzt einen Tod feststellen und den Totenschein ausstellen durfte, sondern dies durch besonders geschultes Personal geschehen sollte. Er hatte sich darüber schon oft mit Krohmer unterhalten, der seine Argumente grundsätzlich unterstützte, aber ihm die Hoffnung nahm, dass seine Forderung in den nächsten Jahren berücksichtigt werden würde. Dafür fehlten einfach die finanziellen Mittel! Pah! Immer wieder diese dämliche Geldfrage, als ob die immer an erster Stelle stehen sollte! Fuchs war es egal, was sein Vorschlag kostete, er dachte nur an die Opfer und vor allem an die Hinterbliebenen, die in seinen Augen ein Recht darauf haben, von einem Fachmann zu erfahren, woran der Tote starb. Mit diesen Gedanken arbeitete er auf Hochtouren und verlangte dies selbstverständlich auch von seinen Mitarbeitern, die ihn auch dafür hassten. Aber trotz allem waren die Jobs bei Fuchs heiß begehrt, denn es eilte ihm der Ruf voraus, dass es kaum jemanden gab, der seine Arbeit mit einer solchen Hingabe und Akribie erfüllte und bei dem man so unendlich viel lernen konnte. Außerdem behandelte Fuchs jeden gleich, so etwas wie Sympathie gab es bei ihm nicht. Und er verlangte von seinen Leuten nichts, was er selbst auch nicht tat.
Leo und Hans fuhren zu Helmut Burgmeister, Viktoria und Wastl wollten mit Dr. Theo Unger sprechen.
Die Großmetzgerei Müh-Gro-Fleisch im Industriepark II in Mühldorf war größer als erwartet. Hans war die letzten Jahre nicht mehr hier gewesen und war erstaunt, was hier zwischenzeitlich angebaut wurde; Leo war in dieser Ecke Mühldorfs noch nie gewesen. Die riesige Anlieferzone für Lkws sah aus wie bei einem Möbelgeschäft und an der Anzahl der parkenden Mitarbeiter-Fahrzeuge konnte man in etwa abschätzen, wie viele Menschen hier arbeiteten und wie groß dieses Unternehmen war. Das Verwaltungsgebäude bildete das Zentrum des Komplexes und erinnerte mit seinen üppigen Pflanzen am Eingang, der Drehtür und dem gläsernen Aufzug an der Außenseite ebenfalls an ein Möbelhaus. Sie zeigten ihre Ausweise am Empfang und wurden umgehend zu Burgmeister in dessen Büro vorgelassen.
„Kriminalpolizei? Wer hat uns denn jetzt wieder angeschwärzt? Wieder diese militanten Tierschützer? Erst vorgestern hat der Werksschutz wieder zwei von diesen Idioten vom Firmengelände geworfen. Am Ostermontag! Das muss man sich mal vorstellen!“ Helmut Burgmeister war ein 60-jähriger, cholerischer, kleiner und sehr dicker Mann mit einer furchteinflößenden Stimme. Vor allem die Lautstärke ließ einen erschrecken. Er thronte hinter seinem riesigen, überladenen, uralten Schreibtisch, vor dem zwei unbequeme Stühle standen. Burgmeister hielt offenbar nichts von einem gemütlichen, ordentlichen Büro, denn auch an den Wänden und vor allem in den Ecken herrschte Chaos und Unordnung in und über uralten, bunt zusammengewürfelten Möbelstücken. Hans konnte nicht ein persönliches Stück finden, woran man erkennen konnte, wessen Büro das war. Burgmeister bot den beiden keinen Platz an und die Polizisten zogen es vor, stehen zu bleiben, denn sie befürchteten, dass die klapprigen Stühle unter ihrer Last zusammenbrechen würden.
„Es geht um Gerald Haferstock,“ sagte Leo sehr leise, um damit auch Burgmeisters Stimme etwas zu senken, denn er vertrug dieses Geschrei überhaupt nicht und bekam davon Kopfschmerzen.
„Gerald? Warum? Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Er ist doch an einem Herzinfarkt hEhHHHH gestorben. Er wurde auch schon beerdigt, ich war selbst dabei.“
„Sie waren mit Herrn Haferstock befreundet?“ half ihm Hans auf die Sprünge.
„Das würde ich nicht behaupten. Gut, unsere Wege haben sich ab und zu gekreuzt, vor allem, als der Anbau und die neue Werkshalle geplant und dann gebaut wurden. Gerald bekam den Auftrag von der Firmenzentrale zugesprochen, dabei haben wir uns kennengelernt. Aber mehr hatten wir nicht miteinander zu tun.“
„Vergessen Sie nicht den geplanten Freizeitpark in Altötting,“ fügte Hans ruhig an.
„Sie wissen davon?“ Burgmeister war aufgesprungen, beugte sich über den Schreibtisch und fuchtelte vor Hans‘ Gesicht mit seinem Zeigefinger herum. „Woher zum Teufel wissen Sie das? Das ist alles noch nicht spruchreif und es wurde diesbezüglich noch nicht das letzte Wort gesprochen. Das Projekt hängt noch in der Schwebe. Eins sage ich Ihnen gleich: Wenn Sie diese Information vorschnell an die Medien weiterleiten, kann ich sehr ungehalten werden. Wenn irgendwelche Verleumdungen in Umlauf kommen, schalte ich sofort meinen Anwalt ein und mache Sie für die Konsequenzen haftbar.“ Burgmeisters Kopf war knallrot geworden und drohte gleich zu platzen. Natürlich schrie er wieder.
„Jetzt beruhigen Sie sich. Wir sehen keinen Grund, dieses Großprojekt an die große Glocke zu hängen.“ Noch blieb Hans ruhig, aber wenn sich dieser Typ nicht unter Kontrolle bekommen würde und ihm nochmals auf die Pelle rücken sollte, dann würde er ganz andere Saiten aufziehen. Offenbar bemerkte Burgmeister, dass er übertrieben reagiert hatte, setzte sich wieder und sprach nun wieder mit normaler Lautstärke.
„Ich verlasse mich auf Ihre Verschwiegenheit. Ein Freund kam eines Tages mit dieser Idee eines Freizeitparks an und ich habe mich aus verschiedenen Gründen, vor allem auch aus Steuergründen dazu entschlossen, mich daran zu beteiligen. Wie gesagt, alles legal. Und warum soll dieses Konzept nicht funktionieren? Bevor ich auch nur einen Cent in dieses Unternehmen investiert habe, beauftragte ich eine Münchner Firma damit, eine Marktanalyse anzufertigen. Als die positiv ausfiel und Gerald Haferstock über Beziehungen um tausend Ecken auch noch die katholische Kirche für das Projekt gewinnen konnte, habe ich schließlich investiert. Fragen Sie nicht, wie Gerald das gemacht hat, aber er hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, zu dem Projekt nicht nur einen finanzkräftigen, sondern auch einen sehr gewichtigen Investor zu finden, was ihm durch die katholische Kirche auch gelungen ist. Wir hatten schnell ein geeignetes Areal gefunden. Mein Freund wollte sich darum kümmern, die Grundstücke in unseren Besitz zu bringen. Und er kümmert sich auch um die entsprechenden Genehmigungen, die mit dem Projekt verbunden sind. Das Bauamt und die Stadt Altötting haben vorab signalisiert, dass auch sie Interesse an diesem Freizeitpark haben, natürlich noch nicht offiziell und es liegt auch noch nichts Schriftliches vor. Mein guter Freund boxt das schon durch, daran habe ich keine Zweifel. Ich weiß jetzt, was Sie denken: Es werden Schmiergelder fließen, und so weiter, und so weiter. Ich kenne die ganzen Vorurteile,“ sagte Burgmeister nun wieder lauter und regte sich gleich wieder auf.
„Wir denken überhaupt nichts. Um wen handelt es sich bei diesem sogenannten Freund?“
„Ein Hotelier aus Mühldorf, der Name dürfte für Sie nicht relevant sein.“
„Christian Huber?“
„Ja verdammt, es ist Christian. Woher sind Sie eigentlich so gut informiert? Ich dachte bisher, dass es mit unserer Polizei nicht weit her ist, Sie überraschen mich wirklich. Christian und ich sind schon seit vielen Jahren im selben Golfclub. Er aktiv, ich nur noch passiv. Trotzdem kennen wir uns schon seit Jahren, beruflich und privat.“
„Sind Sie bereits im Besitz aller erforderlichen Grundstücke für diesen Freizeitpark?“
„Nein. Einzelne Besitzer sträuben sich noch, aber das dürfte nur eine Frage des Preises sein. Jeder hat seinen Preis, glauben Sie mir. Sobald das erledigt ist, folgt die Eingabe an die Behörde und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Spatenstich erfolgen kann. Das wird groß in allen Medien aufgezogen. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir: Neuer Freizeitpark in Altötting! Das wird die Sensation!“ Jetzt rieb sich Burgmeister begeistert die Hände und lachte wie ein Schuljunge. „Deshalb wäre es fatal, wenn vorher Informationen durchsickern, die nicht nur das Projekt gefährden und den Gegnern genug Zeit geben, sich zu organisieren, sondern auch die Grundstückspreise in astronomische Höhen treiben. Das darf einfach nicht passieren, deshalb bitte ich Sie nochmals, Stillschweigen zu bewahren, um das Projekt nicht zu gefährden. Denken Sie doch nur mal daran, wie viele Arbeitsplätze so ein Freizeitpark mit sich bringt? Abgesehen von der Attraktivität unserer schönen Gegend, die außer von Gläubigen kaum von Touristen aufgesucht wird. Ein moderner, attraktiver Freizeitpark ist da schon ein ordentlicher Anziehungspunkt vor allem für Familien. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe selbst drei Enkelkinder. Was meinen Sie, was man mit diesem Projekt alles machen kann? Konzerte, Filmvorführungen, und so weiter, und so weiter. Die Münchner Firma, von der ich vorhin gesprochen habe, hat eine schöne Liste mit Möglichkeiten zusammengestellt.“ Burgmeisters Augen strahlten, das Projekt war ihm sehr wichtig.
„Waren Sie bezüglich des Todes von Gerald Haferstock nicht bestürzt?“
„Natürlich hat mich die Nachricht geschockt, ich bin ja kein Unmensch. Aber ich kannte den Mann nicht näher und Herzversagen passieren nun mal, niemand ist davor gefeit. Das kann jeden von uns jederzeit treffen, auch Sie und mich. Christian hat mir erzählt, dass Gerald immer gesund gelebt hat und immer Ausdauer-Sport getrieben hat. Was hat ihm das gebracht? Sehen Sie mich an! Ich habe schon immer nur gegessen, was mir schmeckt und auch nicht immer gesund ist. Und Ausdauer- und Fitness-Sport ist für mich reine Zeitverschwendung, ist mir viel zu anstrengend und kostet zu viel Zeit. Außerdem schwitze ich nicht gerne. Und was soll ich Ihnen sagen? Trotz meines ungesunden Lebenswandels und der Tatsache, dass ich fünf Jahre älter bin als Gerald, lebe ich immer noch. Wenn man einen Job macht, der einem Spaß macht und dazu noch ein funktionierendes Privatleben hat, ist ein langes Leben vorprogrammiert, davon bin ich absolut überzeugt. Wenn man einem Job nachgeht, auf den man schon nach dem Aufstehen keine Lust hat, und dann noch Probleme im Privatleben hat, wird man krank. Das mit dem Gesundheitswahn ist doch nur Humbug. Ich könnte nicht den ganzen Tag nur verzichten, Kalorien zählen und auf leerem Gemüse und harten Körnern herumknabbern. Nein, die Vorstellung allein bereitet mir eine Gänsehaut.“ Jetzt lachte Burgmeister. Der Tod seines Geschäftspartners ging ihm wirklich nicht nahe, aber er machte auch keinen Hehl daraus.
„Wir haben vorerst keine weiteren Fragen.“
„Bevor Sie gehen, stellt Ihnen meine Sekretärin einen Wurstkorb zusammen, eine Spende an die Polizei.“
„Das dürfen wir nicht annehmen, das kann uns als Beamtenbestechung ausgelegt werden.“
„Du meine Güte! Diesen Spruch kenne ich nur aus dem Fernsehen. Gibt es das tatsächlich? Ich wollte nur freundlich sein. Dann eben nicht.“
„Wollen Sie eigentlich nicht wissen, warum die Kripo wegen des Todes von Gerald Haferstock ermittelt?“
„Nein. Warum auch? Sie machen Ihren Job und ich meinen.“
Die Praxis für Augenheilkunde des Dr. Theo Unger war gut besucht. Das Wartezimmer war proppenvoll und es herrschte auf dem Gang und in allen Zimmern ein geschäftiges Treiben. Wastl und Viktoria saßen auf dem Gang, denn im Wartezimmer zwischen all den Augenkranken mit ihren Verbänden und dem muffigen Gestank würde es Viktoria schlecht werden. Wastl war da abgehärtet. Solange es ihn nicht persönlich betraf, waren ihm sämtliche Krankheiten egal. Sie blätterten in verschiedenen Klatschzeitungen und langweilten sich. Endlich kam eine Sprechstundenhilfe auf sie zu.
„Folgen Sie mir bitte, Dr. Unger hat jetzt Zeit für Sie.“
Der grauhaarige, kleine, drahtige Mann Ende 50 saß hinter seinem ordentlichen Schreibtisch, auf dem ein riesiges Modell eines Auges stand, dass sie anzustarren schien.
„Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten. Aber Sie sehen ja selbst, was hier los ist. Ich habe zu meinen eigenen Patienten auch noch die Vertretung eines Kollegen dazu bekommen. Was kann ich für Sie tun?“
„Gerald Haferstock,“ sagte Viktoria knapp. Sie war durch die Warterei sehr müde geworden.
„Eine tragische Geschichte. Gerald war eigentlich fit und achtete auf sich. Nie im Traum hätte ich daran gedacht, dass es ihn so früh trifft. Aber niemand von uns ist davor gefeit, so spielt das Leben nun mal.“ Dr. Unger stand auf, öffnete ein Fenster und zündete sich eine Zigarette an. „Ein Laster muss man haben. Auch wir Ärzte sind nicht perfekt. Warum ermittelt die Kripo bezüglich Geralds Tod?“
„Laufende Ermittlungen. In welchem Verhältnis standen Sie zu dem Verstorbenen?“
„Wir waren Freunde. Ab und zu haben wir uns zum Joggen und auf dem Tennisplatz verabredet. Und auch geschäftlich hatten wir zu tun. Gerald hatte als Architekt einen sehr guten Ruf und auch deshalb habe ich ihn mit dem Bau meines Eigenheims betraut. Und ich war und bin sehr zufrieden mit seiner Arbeit.“
„Stichwort Freizeitpark.“ Die frische Luft vermischt mit Zigarettenqualm drang nun bis zu Viktoria durch und sie wurde langsam frischer. Sie sog dieses Gemisch tief bis in ihre Lungen ein, denn vor einigen Tagen hatte sie das Rauchen aufgegeben und war diesbezüglich noch sehr labil.
„Sie wissen davon? Erstaunlich, eigentlich wollten wir das so lange wie möglich unter Verschluss halten. Erstens wegen der Konkurrenz, und zweitens wegen der Grundstückspreise. Und natürlich auch wegen den zu erwartenden Gegnern dieses Projekts, die es immer gibt; je später die davon erfahren, desto besser. Meines Wissenstands nach fehlen nur noch wenige Grundstücke, bis es endlich losgehen kann. Was glauben Sie, wie die Preise in die Höhe gehen, wenn bekannt wird, dass ein Freizeitpark geplant ist? Oder was militante Gegner auf die Beine stellen, um das Projekt zu verhindern?“ Da die Polizisten nichts darauf erwiderten, fuhr Dr. Unger fort. „Ich habe mich an dem Projekt beteiligt, um meinen Lebensabend damit zu finanzieren. Darüber hinaus habe ich drei Kinder, die sehr große Ansprüche haben, meine Frau und ich haben sie leider sehr verwöhnt. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass solch ein Park hier in unserer Gegend funktioniert. Wir müssen jetzt natürlich überlegen, wer das Projekt realisieren soll, da Gerald nicht mehr bei uns ist. Wenn es nach mir ginge, könnte Geralds Partnerin Frau Winter die Arbeit gerne übernehmen, Gerald hielt große Stücke auf sie. Aber noch ist nicht klar, wer die Firmenanteile erbt und was aus dem Architekturbüro wird. Bis dahin hängen wir diesbezüglich völlig in der Luft. Die Testamentseröffnung ist hoffentlich demnächst, damit wir endlich weitermachen können. Können Sie mir sagen, wann die stattfindet?“
„Nein, das liegt nicht in unserem Zuständigkeitsbereich. Fragen Sie doch die Familie des Verstorbenen, die können Ihnen bestimmt Auskunft geben.“
„Das glaube ich kaum. Die alte Frau Haferstock kann mich nicht leiden, sie kann keinen von Geralds Freunden leiden. Seit sie weiß, dass ihr einziger Sohn schwul ist, vermutet sie in jedem Mann einen potentiellen Liebespartner ihres Sohnes und tritt deshalb jedem feindselig und aggressiv gegenüber. Nein danke, mit der Frau spreche ich nicht freiwillig.“
„Kennen Sie einen von Gerald Haferstocks Liebhabern?“
„Sorry, damit kann ich nicht dienen. Über sein Liebesleben haben wir nie gesprochen. Selbst wenn er hetero gewesen wäre, hätte mich das auch nicht interessiert. Privat kenne ich Gerald kaum. Uns verbanden der Sport, die Arbeit und der Freizeitpark, sonst nichts. Und bevor Sie weiterfragen: Ich weiß nichts über irgendwelche Feinde, die Gerald auf dem Gewissen haben könnten. Deshalb sind Sie doch eigentlich hier, oder? Sie vermuten, dass Gerald getötet wurde.“
Die Polizisten hatten keine Lust, darauf zu antworten. Was sollten sie auch sagen? Weitere Fragen erübrigten sich für den Moment, außerdem war das Wartezimmer proppenvoll. Viktoria konnte auch sehen, dass unentwegt ein rotes Licht an der Telefonanlage blinkte, was sie ganz nervös machte. Wastl war das egal, er ließ sich von Haus aus nicht drängeln und machte seine Arbeit so, wie er es für richtig hielt. Sie verabschiedeten sich und waren sich einig: Dr. Unger war ein aalglatter Mensch, der sich nur für seine eigenen Vorteile interessierte. Er war zwar nicht unfreundlich, hatte aber auch keine Ecken und Kanten, die irgendwie interessant gewesen wären.
Viktoria rief Fuchs an.
„Haben Sie in Haferstocks Haus irgendetwas gefunden?“
„Wir sind eben fertig geworden. Einige Auswertungen stehen noch aus. Meinen Bericht bekommen Sie später zur nächsten Besprechung.“
Fuchs hatte aufgelegt. Typisch! Hätte er nichts gefunden, hätte er das auch gesagt. So ahnte Viktoria, dass er doch fündig geworden war und wurde neugierig.
„Ihr kommt spät,“ begrüßte Leo Viktoria und Wastl.
„Das weiß ich auch, bedanke dich bei Wastl. Er hatte mal wieder einen seiner Unterzucker-Anfälle und brauchte einen Snack, was uns viel Zeit gekostet hat.“
„Was soll ich machen?“ verteidigte sich Wastl. „Soll ich wegen dem Arbeitsstress verhungern?“
Sie tranken Kaffee und tauschten sich über die Befragungen aus.
„Dann haben wir nur noch die vier Kinder von der Halbschwester.“
„Und diejenigen, die ihre Grundstücke noch nicht verkauft haben. Damit wir uns ein Bild von dem Ausmaß des Freizeitparks machen können, habe ich eine Karte besorgt. Die markierten Stellen sind die Grundstücke, die bereits von den Investoren des Freizeitparks erworben wurden. Diese drei Grundstücke stehen noch aus. Das sind zum einen der Hintermeier-Hof, der Pfandl-Hof und das kleine Grundstück einer gewissen Frau Kobel. Hintermeiers Grund liegt mittendrin und zieht sich von hier,“ dabei deutete Leo auf die Landkarte, die vor ihnen auf dem Tisch lag, „bis hier. Außer dem Wohngebäude und zwei Stallungen handelt es sich bei dem riesigen Besitz um Äcker und Wiesen mit einem kleinen Baumbestand, den ich nicht als Wald bezeichnen würde. Das kleine Stück hier gehört Frau Kobel. Das dort hinten ist der Pfandl-Hof, der nicht ganz so groß ist wie der Hintermeier-Hof und dessen Grundstücke von hier bis hier gehen. Wenn keine Einwände sind, möchte ich gerne mit den Besitzern sprechen.“
„Ich begleite dich,“ sagte Hans und nahm auch schon seine Jacke.
„Wastl und ich fangen mit den Wagenführ-Kindern an. Wenn ihr fertig seid, meldet ihr euch. Die Besprechung ist für heute Abend 18.00 Uhr angesetzt, dann ist Fuchs auch mit seinem Bericht fertig. Und eins ist sicher: wenn sich dann keine stichhaltigeren Beweise ergeben, dass Gerald Haferstock ermordet wurde, unternehmen wir in der Sache nichts mehr. Ich habe mit Krohmer bereits gesprochen. Nur noch heute und dann ist Schluss.“