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1. Teil Einführung in das Zivilprozessrecht › A. Grundlagen

A. Grundlagen

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Solide Kenntnisse des Bürgerlichen Rechts sind unabdingbar für das Bestehen der beiden juristischen Staatsexamina oder eines Bachelorstudiengangs im Wirtschaftsrecht. Wer die einzelnen Anspruchsgrundlagen im BGB AT, im Schuldrecht AT und BT, im Sachen-, Familien- und Erbrecht sicher beherrscht, wird sein Studium erfolgreich abschließen. Ganz getan ist es damit aber nicht. Denn die „juristische Realität“ besteht in vielen Fällen gerade darin, dass ein bestehender materieller Anspruch nicht oder nur unzureichend erfüllt wird. Kauft jemand ein kaputtes Handy und verweigert der Verkäufer Umtausch oder Reparatur (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB), ist der Käufer darauf angewiesen, seine Rechte „zwangsweise“ zu realisieren. Da Selbsthilfe, sei es in Form von Gewalt oder Drohung, sei es in Form von „Schwarzen Sheriffs“ in Deutschland verboten ist, muss der Käufer der mangelhaften Sache grundsätzlich staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Der Staat wiederum muss diese Hilfe durch seinen Justizapparat garantieren (sog. Justizgewährungsanspruch).[1] Die Befugnis, Recht zu sprechen, haben ausschließlich Richterinnen und Richter (Art. 92 GG). Sie genießen richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG).

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Wie die gerichtliche Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs im Einzelnen vor sich geht, regelt das Zivilprozessrecht. Kernstück ist die Zivilprozessordnung (= ZPO) mit über 1000 Paragrafen. Weitere wichtige Prozessgesetze sind das GVG (= Gerichtsverfassungsgesetz), das FamFG (= Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit) sowie das ZVG (= Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung). Bei Einschaltung eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin sind die BRAO (= Bundesrechtsanwaltsordnung) sowie das RVG (= Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) als weitere Quellen maßgebend. Den Beruf „Rechtsanwalt/Rechtsanwältin“ als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) dürfen nur Volljuristen/Volljuristinnen ausüben. Für die besonderen Aufgaben des Rechtspflegers enthält das RpflG (= Rechtspflegergesetz) nähere Vorgaben.

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Weitere Rechtsquellen gibt es bei Fällen mit Auslandsberührung. Hier spielt das EU-Recht mittlerweile eine bedeutende Rolle. So haben zahlreiche EU-Verordnungen Eingang in das deutsche Zivilprozessrecht gefunden.[2] Besonders wichtig ist die EuGVO (= Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen = EuGVVO = „Brüssel Ia-VO“), die Regeln zur internationalen Zuständigkeit (sind die Gerichte eines Landes für den Fall zuständig) sowie Vorgaben zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anderer europäischer Staaten enthält. Weitere Verordnungen sind die EuVTVO, die EuInsVO, die EuZustVO, die EuBagatellVO (grenzüberschreitende Streitigkeiten bis 2000 €), die EuMahnVO, die EuBeweisVO sowie die EuKoPfVO. Diese europäische Entwicklung im (internationalen) Prozessrecht spiegelt sich im 8. und 11. Buch der ZPO mit entsprechenden Ausführungsvorschriften wider (§§ 946 ff.; §§ 1067 ff. ZPO). Darüber hinaus finden sich in der ZPO noch verstreut Verweise auf Fälle mit Auslandsbezug (z.B. §§ 55, 276 Abs. 1 S. 3, 339 Abs. 2 ZPO etc.).[3]

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Das Zivilprozessrecht ist in zwei Teile gegliedert: das Erkenntnisverfahren und das anschließende Vollstreckungsverfahren.


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Ziel des Erkenntnisverfahrens ist die Erlangung eines vollstreckbaren Titels gegen die beklagte Partei. Das anschließende Vollstreckungsverfahren dient der zwangsweisen Durchsetzung eines Titels durch staatliche Vollstreckungsorgane. Aufgrund der Dauer eines Zivilprozesses stellt die ZPO für besonders dringliche Fälle zusätzlich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung (§§ 916 ff. ZPO). Hier kommt der Anspruchsberechtigte quasi über Nacht zu einem Titel, der im Regelfall aber die bloße Sicherung des Anspruchs gewährt. Arrest und einstweilige Verfügung sind die Formen des einstweiligen Rechtsschutzes.

Detailkenntnisse über den Zivilprozess sind für das erste juristische Staatsexamen fehl am Platz, da es keine „reinen ZPO-Klausuren“ gibt. Jedoch werden in sämtlichen Prüfungsordnungen der sechzehn Bundesländer den Studierenden Grundkenntnisse des Zivilprozessrechts abverlangt. Diese werden meist als Zusatzfragen zum materiellen Recht gestellt. Spezialkenntnisse werden erst dann erforderlich, wenn es in Richtung „Berufstätigkeit“, sei es als Referendar/Referendarin, Richter/Richterin, Anwalt/Anwältin oder Justiziar/Justiziarin, geht. Hier ist eine vertiefte Beschäftigung mit der Materie des Prozessrechts unerlässlich.

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