Читать книгу Gesucht! Vater mit Herz - Isabella Defano - Страница 4
1. Kapitel
Оглавление9 Monate später.
Frustriert spielte Larissa mit einer ihrer blonden Haarsträhnen und versuchte aus den Bergen von Anträgen schlau zu werden. Es war wirklich eine Schande, woran man nach der Geburt eines Kindes alles denken musste. Sie hatte die Geburtsurkunden für ihre Töchter beantragen müssen, um damit zur Krankenkasse zu gehen. Doch noch immer fehlten die Anträge zum Kindergeld und für den Unterhaltszuschuss.
Larissa stöhnte genervt auf. In den vergangenen neun Monaten hatte sich ihr Leben radikal verändert. Nach dem gemeinsamen Wochenende war Ralph zurück nach München gefahren. Gleich bei seiner Ankunft wollte er sich melden, doch ihr Telefon blieb still. Völlig in Sorge rief sie ihn an, aber das Handy war ausgeschaltet. Und seine Festnetznummer kannte sie nicht. Sogar im Münchener Vertrieb hatte sie es versucht, jedoch mit dem Namen Ralph konnte niemand etwas anfangen. Tja, und seinen Nachnamen wusste sie ebenfalls nicht.
Zwei Monate später sollte sie ihn plötzlich wiedersehen. Wie selbstverständlich war er durch die Filiale in Berlin gegangen, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Es hatte wehgetan, so ignoriert zu werden. Und nur durch Zufall hatte sie erfahren, dass er Raphael de Luca war, der Sohn ihres Chefs Victor de Luca. Doch das Schlimmste kam erst noch. In einem günstigen Moment hatte sie versucht, allein mit ihm zu sprechen. Aber Raphael hatte sie angesehen, als würde er sie gar nicht kennen. Als er kurz darauf von Sonja Neumann gerufen wurde, ließ Raphael sie einfach stehen. Für Larissa brach eine Welt zusammen.
Als die Tür plötzlich krachend zuschlug, kehrte Larissa mit ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. Schnell sah sie sich um, und erblickte eine zarte, rothaarige Frau, die mit einem leicht entschuldigenden Blick in der Tür stand.
„Sorry Lara! Irgendwie ist mir die Tür aus der Hand gerutscht. Ich hoffe, ich habe die Mädchen nicht geweckt.“
Larissa schüttelte den Kopf, während sie langsam auf ihre Mitbewohnerin und Freundin Ronja zuging und sie umarmte.
„Nein, keine Angst! Wenn die beiden schlafen, dann schlafen sie. Selbst von einer Sirene oder der lauten Musik in Zimmer 88 lassen sie sich nicht stören. Wieso bist du schon zurück? Sollte dein Auftrag nicht noch ein paar Wochen dauern?“
Mit einer schnellen Handbewegung winkte Ronja ab und stellte ihren Koffer an die Seite.
„Eigentlich schon. Doch der Fotograf und einige der Model sind plötzlich krank geworden. Aus diesem Grund wurde der Termin verschoben. Jetzt habe ich erst einmal vier Wochen frei und dachte mir, ich könnte dich etwas unterstützen.“
Dankbar sah Larissa ihre Freundin an. Bereits während der Schwangerschaft verbrachte Ronja so viel Zeit wie möglich in Berlin. Sogar einen kleinen Auftrag schlug sie aus, um bei der Geburt dabei zu sein. Und selbst als Larissa ihren Job verlor, hatte ihre Freundin jeden Abend mit ihr telefoniert. Ohne Ronja wäre die Schwangerschaft wohl ganz anders verlaufen. Raphael hatte sie mehr oder weniger ignoriert. Sie konnte sich nicht noch einmal dazu entschließen, mit ihm zu reden. Von dem fürsorglichen und freundlichen Mann war nicht mehr viel übrig, und selbst die verspielten Locken in seinem Gesicht waren verschwunden. Larissa konnte sich dieses veränderte Verhalten einfach nicht erklären. Sie hatten eine so schöne Zeit zusammen verbracht. Er wollte ihr sogar sein Zuhause zeigen. Was war seit der Rückkehr nach München geschehen? Hatte er nur mit ihr gespielt, um sie ins Bett zu bekommen? Auf all diese Fragen sollte Larissa nie eine Antwort bekommen. Ebenso wenig wie auf den Brief, dem sie ihm schließlich geschrieben hatte. Denn nachdem die Schwangerschaft von einem Arzt bestätigt worden war, hatte sie ihn schriftlich um ein Gespräch gebeten.
„Ich danke dir. Das ist wirklich toll. Keine Ahnung, was ich ohne dich tun würde!“
Wieder umarmte Larissa ihre Freundin. Es tat gut, dass sich wenigstens einer für sie und ihre Kinder interessierte. Da sie schon als Kind immer sehr schüchtern gewesen war, fiel es ihr nicht leicht, Freundschaften zu schließen. Auch mit den anderen Schwangeren aus ihrem Kurs war sie nie richtig warm geworden. Als einziger Single und ganz ohne männliche Unterstützung hatte sie regelmäßig die leicht abschätzigen Blicke der anderen Frauen ertragen müssen. Einige waren sogar so weit gegangen, ihren Männern den Umgang mit ihr zu verbieten. Da Larissa nie über den Vater sprach, hielten einige der Mütter sie für die Geliebte eines verheirateten Mannes und mit so einer Frau wollten sie nichts zu tun haben.
Ronja winkte jedoch nur ab.
„Ich bitte dich, es macht mir doch Spaß. Schließlich bist du für mich wie eine Schwester, sodass Amanda und Alexa wie meine Nichten sind.“
Zusammen gingen die beiden Frauen zurück ins Wohnzimmer, wo immer noch die verschiedenen Anträge ausgebreitet waren. Als Larissas Blick erneut auf den großen Stapel an Unterlagen fiel, konnte sie ein leichtes Stöhnen nicht unterdrücken. Auch Ronjas Blick fiel auf die Dokumente.
„Oh! Das ist nicht gerade wenig.“
Mitfühlend sah Ronja ihre Freundin an.
„Da hast du recht. Bereits vor der Geburt der Mädchen musste ich zu verschiedenen Ämtern fahren. Jetzt fehlen mir zum Glück nur noch der Antrag fürs Kindergeld und der Unterhaltszuschuss.“
„Unterhaltszuschuss?“ Fragend sah Ronja ihre Freundin an. „Wieso? Dieser Raphael muss doch genug verdienen, um für den Unterhalt seiner Kinder aufkommen zu können.“
Verlegen schaute Larissa auf den Boden. Sie hatte ihrer Freundin von dem Brief erzählt, mit dem sie Raphael von der Schwangerschaft unterrichten wollte. Dass jedoch nie eine Antwort gekommen war und er somit noch gar nicht von seiner Vaterschaft wusste, hatte sie verschwiegen.
„Lara? Was ist los? Rede mit mir!“
Langsam setzte sich Larissa auf das Sofa und schaute ihre Freundin an.
„Raphael hat sich nie auf den Brief gemeldet. Mir kam es zu unpersönlich vor, ihm in einem Brief von meiner Schwangerschaft zu berichten. Aus diesem Grund wollte ich persönlich mit ihm sprechen. Doch dazu ist es nie gekommen.“
Entsetzt sah Ronja ihre Freundin an.
„Er weiß also gar nicht, dass er Vater ist. Lara! Du musst es ihm sagen. Selbst wenn er mit dir nichts mehr zu tun haben will und nur seinen Spaß wollte, der Unterhalt steht dir zu. Schau dich um. Die Wohnung ist auf Dauer zu klein für vier Personen. Noch sind die Mädchen klein, aber irgendwann brauchen sie ein eigenes Zimmer. Schon jetzt wird es langsam zu eng.“
Ronja setzte sich in den kleinen Sessel direkt neben Larissa und schaute ihre Freundin eindringlich an. Larissa wusste, dass ihre Freundin nicht gut auf Raphael zu sprechen war. Schließlich hatte er erst mit Larissa geschlafen und sie dann einfach im Stich gelassen. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, hörte sie ein leises Weinen aus dem Babyfon. Kurz darauf wurde das Weinen stärker, als auch das zweite Kind aufwachte.
Schnell stand Larissa auf und ging gefolgt von Ronja, in ihr Schlafzimmer. Ronja hatte recht, auf Dauer war dieses Zimmer zu klein. Ihr Bett, welches früher von beiden Seiten betreten werden konnte, stand inzwischen dicht an der Wand. Überall lagen Kleidungsstücke auf den Stühlen und der Kommode, da die Babybetten genau vor dem Kleiderschrank standen. Ronja hatte sogar schon überlegt, ihr kleines Schlafzimmer zu räumen und auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlafen. Doch davon wollte Larissa nichts hören. Da niemand eine schwangere Frau einstellen wollte, übernahm Ronja alle Kosten für die Wohnung. Finanziell ging es ihr ausgezeichnet, da sie als Model sehr gut verdiente. Trotzdem bekam Larissa immer öfter ein schlechtes Gewissen, ihre Freundin so auszunutzen. Doch als Auszubildende hatte sie nicht sehr viel verdient, sodass das Geld vom Amt nur sehr gering ausfiel. Und Wohngeld konnte sie nicht beantragen, da die Wohnung auf den Namen ihrer Freundin lief.
„Kaum zu glauben, dass zwei so kleine Kinder bereits so laut sein können“, meinte Ronja lachend und schüttelte den Kopf. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen sah Larissa zu ihrer Freundin.
„Sie haben Hunger und keine Lust, auf ihr Essen zu warten.“
Voller Liebe sah Larissa die Zwillinge an und nahm eines von ihnen auf den Arm, während sich Ronja das Zweite schnappte. Mit zügigen Schritten gingen die beiden Frauen in die Küche, wo Larissa die abgepumpte Milch aus dem Kühlschrank holte und erwärmte. Noch immer war ein leichtes Weinen von den Kindern zu hören. Doch zum Glück dauerte das Erwärmen nur wenige Sekunden, sodass kurze Zeit später das leise Schmatzen der Säuglinge zu hören war. Bereits nach kurzer Zeit hatten die Kinder gierig ihre Milch ausgetrunken und die beiden Frauen brachten die Zwillinge ins provisorische Kinderzimmer zurück. Nach dem Wechsel der Windeln legte Larissa ihre Töchter wieder in die Babybetten. Kurz darauf waren die Mädchen eingeschlafen.
„Es ist erstaunlich, wie groß die beiden in den letzten zwei Wochen geworden sind“, meinte Ronja staunend und sah auf die schlafenden Kinder.
Eine Woche lang hatte sie die beiden Kinder nicht gesehen, da sie aus beruflichen Gründen in Frankreich war. Auch Larissa fiel es schwer, den Blick von ihren schlafenden Töchtern abzuwenden. Obwohl die letzten Monate alles andere als leicht gewesen waren, liebte sie Amanda und Alexa über alles. Nicht mal für eine Minute hatte sie darüber nachgedacht, die beiden nicht zu bekommen. Die kleinen Mädchen kamen sehr nach ihrem Vater. Sie hatten die gleichen dunkelbraunen Augen und auf dem Kopf machten sich schon die ersten schwarzen Haare bemerkbar. Auch ein kleines Wangengrübchen, welches ihr bereits bei Raphael aufgefallen war, konnte sie bei ihren Töchtern beobachten.
„Du hast recht. Ich kann kaum glauben, wie schnell sie größer werden. Nicht mehr lange, dann beginnen sie durch die Wohnung zu krabbeln. Und jeden Morgen ist es wie ein Wunder, dass diese zwei wirklich zu mir gehören.“
So leise wie möglich, um die Kinder nicht zu stören, gingen die Frauen ins Wohnzimmer zurück. Noch bevor Ronja wieder etwas sagen konnte, nahm Larissa das Gespräch von vorhin wieder auf.
„Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen, doch ehrlich gesagt habe ich mich geschämt. Ich bin freiwillig mit ihm ins Bett gegangen. Auch wenn ich noch Jungfrau war, ich wusste, worauf ich mich einließ. Er hat mich nicht dazu gezwungen. Ich dachte, ich könnte ihm vertrauen. Als er dann zwei Monate später so tat, als würde er mich gar nicht erkennen, hat es so wehgetan. Mir war bereits vorher klar, dass er es wohl nicht ernst mit mir meinte. Aber so ignoriert zu werden! Es wäre mir lieber gewesen, er hätte mir ins Gesicht gesagt, dass er nur Sex wollte.“
„Ich verstehe ja, was du meinst.“
Mit ruhigen Worten versuchte Ronja, ihre Freundin zu beschwichtigen. Schließlich war sie für Larissa da gewesen, als sie nach diesem Tag weinend zusammengebrochen war.
„Trotzdem, auch er ist ganz bewusst mit dir ins Bett gegangen. Oder hat er sich um Verhütung gekümmert? Er wusste doch, dass du noch nie mit einem Mann zusammen warst. Warum hättest du also die Pille nehmen sollen? Somit hat er eine Verantwortung gegenüber Amanda und Alexa. Außerdem, irgendwann werden die beiden nach ihrem Vater fragen. Was willst du ihnen dann sagen?“
Larissa dachte über die Worte ihrer Freundin nach; natürlich hatte sie recht. Amanda und Alexa würden es ihr später bestimmt nicht danken, dass sie nicht noch diesen letzten Versuch unternommen hatte. Einen amtlichen Brief zur Vaterschaftsanerkennung konnte er nicht so einfach ignorieren.
„Gut. Ich werde beim Jugendamt den Antrag zur Vaterschaftsanerkennung stellen. Was kann schon passieren? Im schlimmsten Fall zweifelt er es an. Doch ein Vaterschaftstest wird beweisen, dass die Kinder von ihm sind.“
„Das ist die richtige Entscheidung“, da war sich Ronja sicher. „Am besten du gehst gleich heute hin. Die Kleinen schlafen und im Notfall bin ich auch noch da. Je schneller der Antrag durch ist, umso eher erhältst du Unterstützung. Vielleicht reicht der Unterhalt sogar aus, damit wir uns eine größere Wohnung nehmen können.“
Unschlüssig sah Larissa Ronja an. Gleich heute? Am liebsten hätte sie noch ein paar Tage gewartet oder wenigstens darüber geschlafen. Aber eigentlich hatte ihre Freundin recht. Je länger sie wartete, desto problematischer wurde ihre Situation. Schon jetzt fiel es ihr schwer, mit dem vorhandenen Geld auszukommen. Bisher lebten sie nur von ihrem Arbeitslosengeld, da die Anträge auf Kindergeld noch nicht durch waren. Doch Windeln waren teuer und bald würde sie wieder größere Kleidungsstücke brauchen. Schließlich nickte sie.
„Na gut! So spät ist es ja noch nicht, also müsste im Jugendamt noch jemand da sein. In etwa zwei Stunden müssten die Mädchen wieder aufwachen. Im Kühlschrank ist noch genügend Milch. Pass aber auf, dass du sie nicht zu heiß machst. Ein paar Sekunden in der Mikrowelle reichen aus. Ach ja, Amanda ist in der Regel die Erste, die aufwacht. Wenn du sie aus dem Bett holst, bevor sie zu schreien anfängt, schläft Alexa oft noch etwas länger. Dann hast du nicht zwei schreiende Kinder auf einmal.“
Angestrengt überlegte Larissa, was sie Ronja noch alles sagen musste. Seit der Geburt würde sie die Mädchen zum ersten Mal kurz allein lassen.
„Lara! Mach dir keine Sorgen. Wir werden schon zurechtkommen. Zur Not kann ich dich ja anrufen, wenn Fragen aufkommen.“
Schnell umarmte Larissa ihre Freundin. Natürlich würde sie zurechtkommen, das bezweifelte sie nicht. Schließlich hatten sie beide schon früh mit kleinen Kindern zu tun gehabt, denn in ihrer letzten Pflegefamilie gab es öfter einmal Babys.
„Das weiß ich doch. Trotzdem fällt es mir schwer, die beiden zu verlassen. Ich bin so schnell wie möglich zurück.“
Mit diesen Worten verließ Larissa die Wohnung und ging zur U-Bahnstation. Während der gesamten Fahrt sah sie immer wieder aufs Handy, um im Notfall sofort auszusteigen und zurückzufahren. Als sie schließlich beim Jugendamt ankam, konnte sie die Ungewissheit nicht mehr ertragen und rief Ronja an.
„Hey Lara! Alles in Ordnung. Die beiden schlafen noch und ich habe die Zeit genutzt, in meinem Kleiderschrank etwas Platz für deine Garderobe zu schaffen.“
„Das hättest du nicht tun müssen. Das ist doch dein Schrank.“
„Stimmt, aber ich bin nur sehr selten hier. Mach dir also keine Gedanken.“
Nach einem kurzen „Danke!“ legte Larissa auf und ging langsam ins Jugendamt. Kurze Zeit später befand sie sich im Warteraum, der zum Glück ziemlich leer war. Bereits nach zehn Minuten wurde sie aufgerufen und ging in das Büro ihrer zuständigen Sachbearbeiterin, Frau Schmidt. Mit ihrer freundlichen Art schaffte es die Mitarbeiterin des Jugendamtes, die junge Mutter zu beruhigen. Innerhalb weniger Minuten füllten sie gemeinsam den Antrag auf Vaterschaftsanerkennung aus. Anschließend sollte Raphael diesen Brief per Eilzustellung erhalten. Schnell bedankte sich Larissa bei ihrer Betreuerin, jetzt wollte sie nur noch zu ihren Kindern.