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4. Kapitel

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Sonja hievte einen Karton voller Katzenfutterdosen auf den Empfangstresen, der unter dem Gewicht genauso ächzte wie sie selbst.

»Sonja, das super! Da werden unser Samtpfoten freuen sich!« Ivana, die junge Kroatin, die seit zwei Jahren als Tierpflegerin im Pfotennest arbeitete, strahlte über das ganze Gesicht. »Schau!«, wandte sie sich an Margret Sollinger, die Leiterin des Tierheims.

»Danke Sonja, es ist wunderbar und sehr großzügig, dass du schon wieder so viel mitbringst. Zusätzlich zu deiner Zeit, die du hier arbeitest. Ich wollte, es wären mehr so wie du! Dann hätten wir weniger Sorgen.«

»Das mache ich gerne, das weißt du. Es macht mir Freude, euch ein wenig zu unterstützen. Wie geht es dem Roten?«

Die Mienen der Leiterin und des jungen Mädchens verfinsterten sich schlagartig, als Margret den Kopf schüttelte. »Er hat die Nacht nicht überlebt.«

»Oh, das tut mir leid!« Der Kater war total abgemagert und mit Verletzungen, die vermutlich von einem Hundebiss stammten, gefunden und abgegeben worden. Doktor Matthias Wasner, der Tierarzt bei dem Carolin angestellt war, arbeitete oft mit dem Tierheim zusammen, doch diesmal konnte auch er nichts mehr ausrichten.

»Für ihn war es leider zu spät, aber wir haben einen Wurf kleiner Kätzchen hereinbekommen. Für die stehen die Chancen gut. Wir müssen sie zwar ein wenig aufpäppeln und zwei von ihnen haben entzündete Augen, aber die finden bestimmt gute Plätze, wenn sie so weit sind.« Manchmal wunderte sich Sonja, dass die Leiterin sich trotz aller Fehlschläge und Sorgen ihr sonniges, optimistisches Wesen bewahrt hatte.

»Ich zeigen dir!«, bot sich Ivana an.

»Bringst du die Dosen bitte gleich in die Futterkammer? Und vielen Dank noch mal!« Das Telefon läutete und Margret hob ab, während sich die jungen Frauen in die Katzenabteilung zurückzogen.

Die zwei Stunden, die Sonja an diesem Tag im Tierheim verbrachte, vergingen wie im Flug und erst als sie ins Freie trat, um nach Hause zu fahren, wurde ihr bewusst, wie müde sie war. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie auch noch einkaufen musste. Das würde knapp werden.

Rasant bog sie in den Parkplatz des Supermarkts ein und sprang eilig aus ihrem geliebten roten Smart. Als sie den Einkaufszettel studierte, den Carolin ihr mitgegeben hatte, fiel ihr auf, wie genial er verfasst war. Nicht nur, dass ihre Freundin eine super klare Handschrift hatte, sie musste in Gedanken den Gängen des Ladens gefolgt sein, in dem sie bevorzugt einkauften. Während sie den Wagen an den Regalen entlang schob, brauchte Sonja nur noch einen Artikel nach dem anderen anhand der Liste einzusammeln.

So schaffte sie es locker, noch vor Ladenschluss alles einzukaufen, was sie für das Grillfest am Wochenende brauchten.

»Ich bin schon sehr gespannt auf Marios Eltern«, stellte sie fest, als sie mit Carolin zusammen alles in den Kühlschrank packte, was hineingehörte. »Er ist ein Einzelkind, oder?«

Ihre Freundin nickte. »Ja. Oliver sagt, sie hängen sehr aneinander. Was machen wir denn heute noch? Du siehst müde aus.«

»Bin ich auch. Aber hast du nicht gemeint, den Bohnensalat sollten wir heute noch zubereiten, damit er über Nacht durchziehen kann?«

»Ja, das stimmt. Die Käferbohnen habe ich schon gekocht.« Sie hob den Deckel des Topfes und zeigte Sonja die großen, braungefleckten Bohnen, die für die Steiermark so typisch waren.

»Also, Zwiebel schälen und fein schneiden?«

Carolin nickte. »Ja, genau. Dann Apfelessig, Salz und Kürbiskernöl dazu.«

Während die Mädels nebeneinander in der Küche werkten, grinste Sonja auf einmal. »Irgendwie habe ich das Gefühl, ich führe ein Doppelleben. Vergangenen Samstag die Hausparty in der Villa meiner Eltern, morgen das rustikale, zwanglose Grillfest auf dem Land. Hier mit dir zu kochen und zu backen fühlt sich mittlerweile so vertraut und normal an.«

»Das ist es ja auch. Ich genieße es sehr, mit dir gemeinsam zu wohnen.« Carolin warf ihrer Freundin einen liebevollen Blick zu. »Auch wenn ich viel und gern mit Oliver zusammen bin, bleibt unsere Freundschaft sehr wichtig für mich.«

Sie waren seit mehr als vier Jahren eng befreundet. Kennengelernt hatten sie sich, als Sonja mit einer Katze, die sie verletzt am Straßenrand gefunden hatte, bei dem Tierarzt auftauchte, bei dem Carolin damals gearbeitet hatte. Die Katze war nicht mehr zu retten gewesen und der Arzt nun bereits im Ruhestand, aber ihre Freundschaft war geblieben.

»Sollten wir nicht die Kuchen auch heute noch backen?«, überlegte Sonja. »So, wie ich das bei euch kenne, kommst du morgen bestimmt nicht rechtzeitig aus dem Bett.«

»Da könntest du recht haben«, gab Carolin ein wenig schuldbewusst zu und seufzte mit einem glücklichen Lächeln. »Es ist einfach so schön, mit Oliver zu kuscheln.«

»Kuscheln, so so«, grinste Sonja, unterließ es dann aber, ihre Freundin weiter aufzuziehen. Sie wollte nicht zeigen, wie sehr sie sich selbst neuerdings nach männlicher Nähe und Sex sehnte. Unwillkürlich stieg ein Bild vor ihr auf. Männliche Hände, stark und sensibel, dann das Gesicht dazu: Wuschelige rötliche Haare, ein ebensolcher Vollbart, sorgfältig getrimmt und in Form gebracht, strahlend grüne Augen und ein Mund, der zum Küssen verlockte. Ihr wurde heiß, als ihr plötzlich bewusst wurde, an wen sie da dachte. Wann war Mario mehr als ein lieber Freund und Nachbar für sie geworden?

»Erde an Sonja! In welchen Sphären schwebst du denn?« Die belustigte Stimme ihrer Freundin holte sie unsanft aus ihrer Tagtraumsequenz. Sie merkte, dass ihre Hände zitterten, und legte eilig das Messer aus der Hand, mit dem sie die Zwiebel fein gehackt hatte. Sie wich dem forschenden Blick aus, mit dem Caro sie beobachtete.

»Hast du jemanden kennengelernt? Auf der Party vielleicht?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Jonas ist zwar ganz süß, aber viel zu jung für mich.«

»Wie viel? Ein bisschen macht ja nichts.«

»Ach komm, hör auf. Er ist ein Schulabgänger, neunzehn oder so«, wehrte Sonja lachend ab.

»Okay, das ist wirklich zu jung«, lenkte Carolin ein. »Aber so zwei Jahre wie Mario wäre kein Problem, finde ich.«

Sonja zuckte innerlich zusammen. Ein Blick aus den Augenwinkeln zeigte ihr, dass ihre Freundin sie aufmerksam betrachtete, und konnte nicht verhindern, dass zarte Röte in ihre Wangen stieg.

»Also doch!« Ihre Freundin lächelte verschmitzt.

»An meinem Pokerface sollte ich wohl noch arbeiten«, murrte Sonja.

»Ich kenne dich einfach zu gut und hatte schon länger den Verdacht, dass er dir gefällt.«

»Mehr als das«, gab sie leise zu, »aber das ist mir selbst gerade erst klar geworden. Es scheint ohnehin eher einseitig zu sein. Er sieht ja nur seine Bücher, habe ich das Gefühl.«

»Ich glaube eher, er traut sich nicht«, behauptete Caro. »Wenn er denkt, es sieht niemand, hat er einen ebenso sehnsüchtigen Gesichtsausdruck wie du eben.«

»Meinst du?«

Ihre Freundin nickte nachdrücklich. »Ja, auf jeden Fall. Vielleicht braucht er einfach noch ein bisschen Zeit!«

Sonja seufzte. »Möglich ... Du weißt ja, Geduld ist nicht unbedingt meine Stärke.«

Ihre Freundin grinste. »Was magst du besonders an ihm?«

»Alles? Er ist gepflegt, ohne zu geschniegelt zu wirken. Ich mag, wie er sich bewegt und seine ganze Körperhaltung. Er strahlt ein natürliches Selbstbewusstsein aus, finde ich. Intelligent, strebsam, humorvoll. Einfach cool.« Sie seufzte sehnsüchtig und entlockte Carolin damit ein Kichern. »Und dass Papa auch große Stücke auf ihn hält, rundet das Ganze noch ab. Obwohl ich mir natürlich von ihm nicht meinen Mann aussuchen lassen würde«, setzte sie rasch hinzu.

»Noch besser von ihm als von deiner Mutter. Sie würde dich bestimmt an einen gelackten Schnösel verkuppeln.«

Sonja nickte zustimmend. »Hat sie tatsächlich schon versucht.«

»Aber ich verstehe, was du meinst. Irgendwie spielen die Eltern ja doch eine Rolle, ob man will oder nicht. Olivers zum Beispiel sind total nett und ich freue mich, dass sie mich offenbar mögen. Das macht es auf jeden Fall leichter.«

»Ich muss morgen unbedingt einen guten Eindruck machen. Wenn Mario und seine Eltern tatsächlich ein so enges Verhältnis haben, wäre das von Vorteil.«

»Das stimmt, aber du klingst, als ob du gerade einen Schlachtplan ausarbeitest.«

»Wäre das so verkehrt? Vielleicht muss ich Mario nur ein bisschen auf die Sprünge helfen. Ich bin einfach nicht der Typ Frau, die geduldig in ihrem Turm sitzt und darauf wartet, bis der Traumprinz auf seinem Schimmel an ihr vorbeireitet.«

»Nein, du würdest das Pferd mit einem Haufen Karotten anlocken und deinen Auserwählten dann mit dem Lasso zu dir heraufziehen.«

Sonja lachte bei der Vorstellung und hob die Hand. »Guter Plan. Gib mir fünf!«

Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden

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