Читать книгу Sexuelle Befreiung vom Ehemann! - Isabelle Boves - Страница 6
4
Оглавление„Ich begreife das alles nicht“, seufzte Chantal kopfschüttelnd.
Zoé, die neben ihr saß und sich ausbedungen hatte, das Auto zu steuern, hielt es für unnötig, darauf zu antworten. Zu oft hatte Chantal in den letzten Stunden diesen Seufzer ausgestoßen.
„Monatelang kein Wort von ihm, vor Gericht lacht er mich aus, demütigt mich. Und nun — nun dieser verflixte Anruf!“
„Nimm's nicht so tragisch“, tröstete sie Zoé zum x-ten Mal.
„Aber was kann er denn von mir wollen? Hat er wirklich nichts darüber gesagt am Telefon?“
„Er will dich wiedersehen, das hat er gesagt. Der Rest war eine kurze, sehr persönliche Plauderei. Du kannst dir ja vorstellen, dass ich meinem lieben Bruder einiges zu sagen hatte.“
Zoé steuerte den Wagen in Richtung Innenstadt. „Am Ende hat er aufgelegt. Typisch!“
Chantal musste über das grimmige Gesicht lachen, das ihre Schwägerin machte.
„So wie ich dich kenne, wird Louis wohl kaum zu Wort gekommen sein“, prustete sie.
„Sicher ist er jetzt schlecht gelaunt, dass er...“
„... jeden zur Sau macht, der ihm in die Quere kommt“, beendete Zoé in fröhlicher Unbekümmertheit den Satz. „Himmel, du hast eine Ausdrucksweise, ts, ts.“
Recht überzeugend spielte Chantal die feine Dame, die sich peinlich betroffen fühlte. Dann lachte sie hell auf.
„Aber wo du Recht hast, hast du Recht.“
„Vergiss Louis. Verrate mir lieber, wer dein heimlicher Verehrer ist“, sagte Zoé.
„Du meinst wegen der Rose? Komisch, das ist bereits die zweite. Wieso glaubst du eigentlich, dass nicht Louis derjenige ist, der die Blumen heimlich deponiert?“
„Hör mal! Das weißt du wohl besser als ich. Er hasst Rosen!“
„Aber von wem sind sie dann?“, überlegte Chantal, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
„Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. So, ich nehme an, hier ist es.“
Zoé parkte den Wagen neben einer Anzahl stattlicher Karossen und stellte den Motor ab.
„Du, ich habe ein selten komisches Gefühl. Sollen wir wirklich?“
Von einer plötzlichen Unentschlossenheit gequält, starrte Chantal durch die Windschutzscheibe nach vorn auf Brimeus schweren Mercedes, der in der ersten Reihe der abgestellten Fahrzeuge stand.
„Kneifen gilt nicht!“, wurde sie von Zoé ermahnt, die sich bereits daranmachte, auszusteigen. „Was wir brauchen, sind ein paar schnelle Drinks. Da-nach sieht die Welt gleich rosiger aus.“
Gegen so viel Unternehmungslust kam Chantal nicht an. Seufzend stieg sie ebenfalls aus.
„Auf geht's!“ Kopfschüttelnd blickte Chantal ihrer Schwägerin nach, die gutgelaunt den breiten Kiesweg hinauftrippelte, der zum Haus führte.
Zoé hatte so eine selbstverständliche, lockere Art, dass man sie nur darum beneiden konnte. War es da ein Wunder, dass ihr die Männer in Scharen nachliefen? Zumal sie es wie keine andere verstand, ihre weiblichen Qualitäten sehr geschickt in Szene zu setzen.
Dieses Leibchen, was sie trug, war das beste Beispiel dafür. Es sah eigentlich aus wie das Oberteil eines seidenen Unterrocks, wirkte aber dennoch sehr geschmackvoll und apart. Nur von zwei dünnen Trägern gehalten, bedeckte es Zoés große Brüste gerade zu den unteren beiden Dritteln. Und dann dieser Taft Rock. Halb durchsichtig, wie er war, verbarg der noch weniger.
Niemals hätte Chantal gewagt, so etwas Aufreizendes anzuziehen!
Wie züchtig wirkte dagegen ihr eigenes Kleid. Es war von dunkler Farbe, besaß keine Ärmel und war vorn nur mäßig ausgeschnitten. Das Überraschende war, dass das Kleid den Rücken völlig nackt ließ. Und das bis so weit unten, dass Chantal kaum darüber nachdenken durfte.
Das war das Ergebnis eines Kompromisses, den Chantal mit ihrer Schwägerin geschlossen hatte. Wer weiß, was ihr Zoé sonst aufgeschwatzt hätte. Und trotz aller Bedenken, eine Art sündiger Vorfreude empfand Chantal doch.
Verehrter Mister Jenkins, dachte sie ironisch, eine Klosterschülerin bin ich nämlich nicht!
„Süße, wo bleibst du denn?“
„Schon da!“ Eilig schloss Chantal zu Zoé auf.
Brimeus Villa lag in der südöstlichen Banlieue von Paris, in Créteil. Das Besondere an seinem Haus war die Lage direkt am Lac de Créteil, einem 40 Hektar großen urbanen See.
Auf zwei Ebenen erbaut, besaß die Villa einen rundum laufenden Balkon und nach hinten, zum See hin, eine prachtvolle, offene Veranda, die von einem blühenden Garten umgeben war.
Da Chantal sich auskannte, führte sie ihre Schwägerin gleich um das Haus herum. Auf der genannten Veranda hatte sich eine zwanglose Gesellschaft eingefunden.
Zwei Pärchen tanzten unter dezenter Beleuchtung engumschlungen Blues. Andere Gäste, es handelte sich vornehmlich um junge Leute, umlagerten den rauchenden Grill, der ein Stückchen abseits aufgebaut worden war.
Der Rest hatte sich zu kleinen Grüppchen zerstreut und war in mehr oder weniger angeregten Gesprächen vertieft.
„Meine Damen! Ich begrüße Sie!“ Aus einer solchen Gruppe stürzte Brimeu aufgeregt herbei, um die beiden Frauen auf seine enthusiastische Art zu begrüßen.
Chantal stellte ihm Zoé vor. „Sie dürfen mich natürlich Fabrice nennen“, ergriff er gleich die Initiative.
„Vielen Dank“, erwiderte Zoé spitz. Sie konnte es eben nicht lassen.
Prompt erntete sie Brimeus charmantestes Lächeln. „Vielleicht ist das der Beginn einer vielversprechenden Beziehung.“
„So? Und was wird Ihre Gattin dazu sagen, Fabrice?“, bemerkte Zoé lässig.
„Wenig“, erntete sie ein Achselzucken. „Leider müssen wir auf ihre Anwesenheit verzichten. Cannes und die diesjährigen Filmfestspiele dort hatten Vorrang im Terminkalender meiner Frau. Aber falls Ihnen daran liegt, könnten wir rasch hinüberfliegen und sie um ihre Meinung fragen.“
„Ja dann, wo wartete ihr Jet?“
Chantal kam nicht dazu, sich über die Antwort und das frivole Lächeln der Schwägerin zu wundern. Ihr Chef, ganz der pflichtbewusste Gastgeber, hakte sich unbefangen bei ihr und Zoé ein, um die allgemeine Vorstellung zu übernehmen.
Verständlicherweise brannte Chantal darauf, endlich den allmächtigen Chef von United Motors kennenzulernen. Doch Brimeu, dieser abgebrühte Schuft, tat natürlich so, als gelte es zunächst, die anderen Gäste zu begrüßen.
In aller Seelenruhe führte er die beiden Damen zu der Gruppe von jungen Leuten. Notgedrungen musste sich Chantal anhören, dass es sich um Nachwuchsrennfahrer mit ihren Freundinnen handelte. Brimeu ließ wahre Lobeshymnen vom Stapel. Was eigentlich verständlich war, denn Motorradrennen waren seine zweitgrößte Leidenschaft.
Dann wurde die politische Prominenz begrüßt. Es wurden Stadträte und Kommunalbeamte vorgestellt.
Der anfängliche Begrüßungstrubel legte sich. Und immer noch nicht hatte Chantal den Mann zu Gesicht bekommen, der für ihre weitere Zukunft so wichtig war.
Doch Zoé war es, die zuerst ihre Geduld verlor. „Na, wo ist denn nun unser Mr. Amerika, mon coeur?“, wandte sie sich schnippisch an Brimeu. „Etwa gerade unter der Dusche?“
„Ich wünschte, er wäre dort.“ Brimeu lächelte ein wenig gequält. Es gab da wohl etwas, über das er nur ungern reden wollte, wie auch seine folgende Bemerkung unterstrich: „Ich schlage vor, wir trinken eine Kleinigkeit. Was halten die Damen davon?“
„Eine gute Idee“, meinte Zoé sofort, für die der geheimnisvolle Mr. Jenkins kein Thema mehr war.
„Ist er vielleicht überhaupt nicht hier?“, mischte sich Chantal rasch dazwischen. Sie war nämlich nicht bereit, sich mit irgendwelchen fadenscheinigen Erklärungen abspeisen zu lassen.
„Aber gewiss ist er hier“, versicherte Brimeu. „Nur, im Augenblick ist Mr. Jenkins sehr beschäftigt, wie ich glaube.“
„Dürfte ich dennoch erfahren, wo ich ihn finden kann?“, erkundigte sich Chantal spöttisch.
„Wie ich sehe, verlieren Sie keine Zeit.“
„Ich fürchte, das ist meine persönliche Angelegenheit, Monsieur Brimeu.“
Er bedachte sie mit einem Kopfnicken, das irgendwie mitleidig wirkte.
„Bitte sehr. Wenn Sie sich nach unten an den Anlegesteg begeben wollen, Madame Trémoille. Mr. Jenkins hatte den Wunsch, mein Boot zu besichtigen. Mir scheint, er hat eine Vorliebe für schnittige Formen.“
Er lachte trocken. „Aber auf Ihre bezaubernde Freundin werden Sie dabei leider verzichten müssen.“ Frech legte er seinen Arm um Zoés Schultern.
„Auf uns warten an der Bar zwei kühle Drinks.“
„Entschuldige, Darling, wie du siehst, bleibt mir keine Wahl.“ Zoé zwinkerte Chantal zu. „Männer, die wissen, was sie wollen, machen mich eben schwach.“
Um das Gesagte zu unterstreichen, schmiegte sie sich an Brimeu an.
„Hör mal“, sagte Chantal erschrocken, „du kannst mich unmöglich...“
„Na, na, Sie werden doch wohl kein Kindermädchen brauchen, oder?“, wurde sie von Brimeu dreist unterbrochen.
„Wenn Sie sich bitte um Ihre eigenen Probleme kümmern würden, ja?“, fauchte Chantal ungehalten.
Dann wandte sie sich wieder an ihre Schwägerin. „Zoé, also was ist?“
Die überlegte einen Moment und sagte dann: „Du, ich glaube, er hat Recht. Ich käme mir ja doch bloß überflüssig vor.“
„Ein weiser Entschluss!“, grinste Brimeu erfreut. „Dann kommen Sie aber auch.“
Und in der Tat ging Zoé bereitwillig mit. Chantal stand da wie belämmert. Sie konnte einfach nicht begreifen, dass sie von ihrer eigenen Schwägerin schmählich versetzt worden war. Und nur, um so einem Kerl wie Brimeu schöne Augen zu machen! Lächerlich!
Trotzig warf Chantal ihre Haare zurück. Also schön! Sollte sie doch ruhig! Manche zogen es eben vor, mit Gewalt in ihr Unglück zu rennen. Nur später, wenn sie herausgefunden hatte, an wen sie da geraten war, da sollte Zoé bloß nicht angelaufen kommen. Nein, meine Liebe! Nur noch gelinde aufgebracht, schlenderte Chantal zum Lac de Créteil hinunter.
Das Motorboot hatte vorne eine Art halboffene Kabine mit zwei schmalen Kojen rechts und links. Zwischen den Kojen, sie waren übrigens zu Sitzbänken umgebaut, war ein viereckiger Tisch fest in die Decksplanken montiert. Alles sah sauber und neu aus an Brimeus Boot, und das polierte Messing glänzte in der Abendsonne wie Gold.
William Jenkins, der Vizepräsident von United Motors, stand aufrecht im Cockpit. Er blickte aufmerksam voraus, während seine kräftigen Hände das zierliche Steuerruder gefühlvoll bewegten. Folgsam beschrieb das Kunststoffboot eine enge Kurve nach der anderen. Sein Kiel zerteilte die gleißende Wasserfläche wie ein scharfes Messer, und die Gischt stob hoch in die laue Luft.
„Angst?“ Die Stimme des Amerikaners war dunkel und voll. Er sprach ein leicht akzentuiertes Französisch.
Chantal saß hinten, wo auf der freien Fläche des Bootes weitere Sitzbänke angebracht waren. Sie hatte ihre Arme ausgebreitet und ihre Hände in die niedrige Reling förmlich verkrallt. Das überhebliche Lächeln auf ihren Lippen wirkte leicht festgefroren, und als sie William Jenkins antworten wollte, musste sie erst einmal kräftig schlucken.
„Ach nein“, erklärte sie piepsig. „Ich finde, es ist wirklich eine tolle Fahrt. Ja, richtig toll...“
„Dann wird Ihnen das sicher gefallen!“
Das Boot fuhr plötzlich eine Doppelschleife, und sicher wäre selbst einem ausgefuchsten Kap-Horn-Fahrer angst und bange dabei geworden. Kein Wunder also, dass Chantal nun überhaupt nicht mehr lachen konnte.
Und hatte sie sich vor einigen Minuten — oder war es vor einer Ewigkeit gewesen — zu ihrer eigenen Gerissenheit gratuliert, so hielt sie sich inzwischen eher für ausgesprochen dumm und dämlich.
Eigentlich war ja auch von Anfang an alles schiefgelaufen.
Brimeu und sein absurder Sinn für Humor!
Ganz bewusst hatte er ihr verheimlicht, mit was der Vizepräsident in Wirklichkeit beschäftigt war und wem genau die erwähnten »schnittigen Formen« gehörte.
Chantal hatte es jedenfalls schnell herausgefunden. Mitten hinein in das traute Zusammensein war sie geplatzt. Am liebsten wäre sie vor Scham und Peinlichkeit in den Boden versunken. Dieses blonde, verdorbene Luder von Lavallade hatte tatsächlich nicht davor zurückgeschreckt, sich ausgerechnet an den Mann heranzumachen, der in Zukunft das Sagen haben würde. Entweder musste dieses Weib ein untrügliches Gespür besitzen oder Brimeu hatte geplaudert.
Chantal war sich auch jetzt noch nicht im Klaren darüber, ob ihr Chef möglicherweise gegen die Abmachung verstoßen hatte. Jedenfalls hatte sie sich rasch etwas einfallen lassen müssen.
„Entschuldigen Sie, Madame Lavallade, aber jemand, der behauptet, Ihr Verlobter zu sein, wünscht Sie dringend am Telefon zu sprechen. Es scheint da offenbar Schwierigkeiten gegeben zu haben.“
Zugegeben, es war ein Schuss ins Blaue gewesen. Und sicher gab es bessere und plausiblere Ausreden auf der Welt. Aber woher auf die Schnelle nehmen? Zum Glück hatte es diese auch getan. Himmel, hatte das Weib ein Gesicht gezogen. Und dann, nichts wie weg.
Nun, um ehrlich zu sein, hätte Chantal geahnt, was sie erwartete, sie wäre gern die zweite Siegerin geblieben. Nicht genug, dass sie sich ihrem Empfinden nach einem völlig Fremden aufdrängte, ja sich ihm förmlich an den Hals warf — dass sie es tat, um ihre Karriere zu retten, machte alles nur noch schlimmer —, nein, sie musste darüber hinaus noch so tun, als würde ihr diese wahnsinnige Raserei mit dem Boot, und der ganze Ausflug überhaupt, einen riesigen Spaß bereiten.
„Hören Sie, es ist zwar alles ganz wunderbar, aber ich würde nun gern wieder ans Ufer zurück Sicher wird man uns schon vermissen.“
Sie zögerte und fügte dann rasch hinzu: „Ich meine, schließlich sind Sie der Ehrengast.“
William Jenkins erwiderte nichts. Stattdessen begann der Motor plötzlich zu stottern.
„Meine Güte, was ist denn jetzt los?“, erkundigte sich Chantal bestürzt. „Wir werden doch nicht etwa sinken?“
William hatte für ihre Befürchtungen nur ein leichtes Lächeln übrig. Er betätigte einen Schalter, und der Motor verstummte vollends. Chantal blickte sich um. Schnell stellte sie fest, dass das Boot ein gutes Stück vom Seeufer entfernt auf dem Wasser dahintrieb. Sie konnte sich nicht helfen, aber ihr kam der ominöse Motorschaden auf einmal wie bestellt vor.
Währenddessen zauberte William eine Flasche Champagner und zwei langstielige Gläser aus einem Korb hervor, den er mit an Bord gebracht hatte. Sehr schlau eingefädelt, dachte Chantal.
Und laut sagte sie: „Ich fürchte, für Champagner ist wohl kaum der richtige Augenblick.“
„Für Champagner ist immer der richtige Augenblick“, behauptete William lässig. Er entkorkte gekonnt die Flasche.
„Bitte, würden Sie nun Notsignale geben!“ Chantal blitzte ihn ungehalten an, denn seine unnatürliche Ruhe angesichts der prekären Situation machte sie nervös.
„Wissen Sie was? Wir trinken den Champagner und schicken anschließend eine Flaschenpost ans Ufer. Einverstanden?“
Einverstanden oder nicht. Jedenfalls schenkte William die Gläser voll. Chantal rührte das für sie bestimmte nicht an.
„Langsam kommt mir der Verdacht, dass der Motor völlig in Ordnung ist“, sagte sie ungehalten. „Geben Sie ruhig zu, dass Sie diese Situation bewusst herbeigeführt haben!“
„Ich? Ich dachte, Sie...“
„Na hören Sie mal!“
„Aber Sie haben das arme Mädchen angeschwindelt, richtig?“
„Äh... aber...“
„Wie hieß die junge Dame och? Ach ja, Carmen.“
„Nein! Emilia!“, platzte Chantal heraus. „Emilia Lavallade.“
„Trinken Sie!“ Automatisch griff Chantal nach ihrem Glas. In ihrer momentanen Verwirrung wusste sie sich nicht anders zu helfen.
„Das Mädchen, es wird böse sein und eifersüchtig.“
„Interessiert Sie das wirklich, Mr. Jenkins?“
„Nein“, sagte William schlicht. „Aber Sie interessieren mich.“
Chantal schauderte leicht und trank einen Schluck. „Schön und gut“, sagte sie dann, „aber wir können doch nicht ewig fortbleiben.“
Sie trank wieder. „Überhaupt, was sollen denn die anderen denken? Die stellen sich doch gleich sonst was vor!“
„Stört Sie das?“
„Kommt darauf an“, erklärte Chantal vage. Nicht zu abweisend sein. Kühl bleiben, aber immer kokett, warnte sie sich innerlich. Es ging um viel, um sehr viel. Den Fehler, dass sie klipp und klar zu verstehen gab, wozu sie niemals bereit sein würde — nämlich das Objekt seiner männlichen Begierde zu sein den durfte sie natürlich nicht begehen. Sie musste im Gegenteil so tun, als wäre sie in einer entsprechenden Stimmung nicht abgeneigt.
Kein leichtes Unterfangen, denn William war eigentlich ganz anders, als sie sich ihn in ihrer Phantasie vorgestellt hatte. Irgendwie jünger, und er strahlte eine unverbrauchte Dynamik aus, die sie selbst hemmte, ja beinahe lähmte. Und dann seine Augen. Sie blickten so... so hart. Ja, und kalt. Sogar wenn William lachte. Irgendwie kam das Lachen nicht bis zu seinen Augen. Seltsam, man hätte ihn überhaupt eher für einen Südländer halten können als für einen Amerikaner. Das schwarze Haar, das scharfgeschnittene, von der Sonne gebräunte Gesicht, die beinahe sinnlich aufgeworfenen Lippen — das gehörte doch viel mehr zu dem Bild eines jener spröden und wortkargen Sizilianer, die man in alten italienischen Filmen oft zu sehen bekam, als zu einem erfolgsgewohnten Geschäftsmann.
Ein gefährlicher Mann, der sich bestimmt rücksichtslos nahm, was er haben wollte. Ja wirklich, da musste man auf der Hut sein. Aber gründlich.
„Wir leben in einer modernen Zeit. Und doch gerät auch heute noch eine Frau ganz leicht in den Ruf, unmoralisch und flatterhaft zu sein. Vor allem, wenn sie riskiert, ihren heimlichen Gefühlen nachzugeben.“
Chantal lächelte vielversprechend. „Verstehen Sie? Aber solange ich Sie nicht näher kenne...“ Gegen ihren Willen wurde sie rot. „Wir könnten ja mal zusammen essen gehen.“
William Jenkins musterte sie kühl. „Wäre das nicht reine Zeitverschwendung?“ fragte er schroff. „Schließlich bleibt es ja lediglich ein Geschäft.“
Chantal blickte ihm voll ins Gesicht. „Was bitte bleibt ein Geschäft?!“ erkundigte sie sich kalt.
„Schauen Sie mich an. Sehe ich vielleicht wie ein dummer Junge aus?“
„Also wirklich...“
„Warum behandeln Sie mich dann so?“
„Ich? — Aber nein!“, stotterte sie verwirrt.
Ein selbstzufriedenes Lächeln umspielte seinen Mund.
„Schön“, sagte er. „Reden wir also offen. Sie sind eine aufregende Frau und Sie sind klug.“
„Danke.“
„Warten Sie, ich bin noch nicht fertig.“
Wie beiläufig schob er seine Hand unter ihr Haar und legte sie sanft auf ihren Nacken. „Sie heißen Chantal Trémoille. Sie arbeiten als Geschäftsführerin — so sagt man doch? — zufällig in genau der Firma, die der Konzern, dem ich angehöre, ebenfalls rein zufällig, schon bald übernehmen wird.“
„Himmel, das wissen Sie?!“, platzte Chantal heraus.
„Außerdem sind Sie gerade erst geschieden worden. Die Gründe sind...“
„Danke, das genügt“, unterbrach sie ihn rasch, bevor er jenes hässliche Wort aussprechen konnte.
„... sind mir nicht bekannt. Vielleicht lag es an Ihrem Ehrgeiz?“
Obwohl Chantal ein dicker Stein vom Herzen fiel, war sie nicht bereit, ihre Privatangelegenheiten preiszugeben.
„Tut mir leid, ich wüsste nicht, was Sie das angehen sollte.“
„Nun, ich hörte, Sie würden alles tun, um Ihre Spitzenposition zu behalten.“
William hatte kaum ausgesprochen, da spürte Chantal seine Lippen auf ihrem Mund. Es war ein rücksichtsloser Kuss.
Besitzergreifend, leidenschaftlich und ein wenig zärtlich auch. Zwei, drei Lidschläge lang gab sich Chantal hin. Dann stieß sie den Mann heftig von sich fort.
„Wagen Sie so etwas nicht noch mal. Sie... Sie...!“, fauchte sie erbost. „Und merken Sie sich, für Sie bin ich immer noch...“
Sie kam nicht dazu, weiterzureden. William, wohl sehr, sehr von sich überzeugt, versuchte dreist, mit der Hand unter ihr Kleid zu gelangen.
„Nein!“, schrie sie ihn an.
Da er aber wohl taub auf den Ohren war, versetzte ihm Chantal einen heftigen Stoß. William wich instinktiv zurück. Leider bedachte er nicht, dass die Reling des Bootes kaum mehr als eine Verzierung war. Gleichsam wie ein Taucher, der zu einer Schatzsuche auf dem Meeresgrund startet, stürzte er rücklings ins Wasser. Tödlich erschrocken sprang Chantal von der gepolsterten Sitzbank auf; und hätte sie sich nicht im letzten Moment vorgesehen, sie wäre ebenfalls ins Wasser gefallen.
William tauchte unterdessen prustend auf.
„Oh je...“, keuchte er. „Wie konnte ich nur vergessen, dass du rote Haare hast!“
Und wie ihn Chantal da so schwimmen sah im Lac de Créteil, schlapp herunterhängend die schwarze Fliege, die eben noch flott und akkurat seinen Hemdkragen verzierte, da konnte sie einfach nicht anders.
Hell und befreit lachte sie auf.