Читать книгу Mirabella und die Neun Welten - Isabelle Pard - Страница 7

4 – DIE GEBURTSTAGSÜBERRASCHUNG

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Am nächsten Tag schlief Mirabella aus. Als sie verschlafen nach ihrem Amulett um den Hals fingerte und nichts fand, saß sie plötzlich kerzengerade im Bett, bis ihr einfiel, dass sie Nikolaos ihr Amulett ausgeliehen hatte. Sie wusste, dass es in guten Händen war, sie vertraute ihrem Bruder, sie hätte ihm ihr Leben anvertraut, aber dennoch war ihr nicht wohl dabei, Jupiters Haar nicht griffbereit zu haben. Ihr Blick fiel auf das Buch über den Großen Krieg und sie beschloss, baldmöglichst darin zu lesen, auch wenn heute ihr Geburtstag war. Heute war ihr Geburtstag? Mirabella lächelte, sprang aus dem Bett und lief auf die Terrasse, wo ihre Eltern saßen.

„Guten Morgen, Schlafmütze!“, grüßte Marcus, dann gratulierten ihr beide stürmisch, Yasmin hatte einen wundervollen Frühstückstisch mit lokalen Spezialitäten gedeckt. Mirabella aß genüsslich die frischen Früchte, während sie ihre Geschenke auspackte. Das Hauptgeschenk, wie Yasmin es nannte, war eine kleine Armbanduhr mit braunem Lederarmband und hübschem Zifferblatt.

„Oh, danke, eigentlich brauche ich gar keine Uhr – mit dem Handy, aber die ist echt schön.“

Yasmin lächelte. „Sie ist nicht nur hübsch. Wir haben Greta gebeten, mit deinem Vater zusammen eine Uhr zu schenken, welche die irdische und die kosmische Zeit anzeigt.“

„Was? Wow!“ Mirabella betrachtete erneut die Uhr. Sie erinnerte sich, dass Jupiter eine Kugel bei sich trug, die ihm die kosmische Zeit anzeigte.

„Ich hoffe, Jupiter erklärt mir das noch mal, wie das funktioniert.“

„Das hoffe ich auch, ich habe es nämlich nicht verstanden…“, gab Marcus lachend zu.

Mirabella umarmte beide vergnügt und packte noch ein paar Kleinigkeiten aus.

„Mirabella, macht es dir etwas aus, wenn wir heute noch mal für zwei Stunden zum Gewürzmarkt gehen? Ich weiß, es ist dein Geburtstag, aber übermorgen fliegen wir schon heim und morgen fahren wir zum Nationalpark.“

„Klar, kein Problem, ich lese bisschen, heute brauche ich einen ruhigeren Tag als gestern!“

„Oh, aber ein bisschen Action gibt es nachher mit den Delphinen schon, äh, ich meine …“ Yasmin sah betreten zu Marcus, der amüsiert den Kopf schüttelte.

Mirabella musste lachen. „Delphine? Cool, dann kann ich mich jetzt die ganze Zeit darauf freuen!“


Als ihre Eltern gegangen waren, legte sich Mirabella an den Strand und sah auf ihr Handy.

Antonia und Lukas hatten ihr lustige animierte Geburtstagsgrüße geschickt und versprachen eine Party zuhause nach Rückkehr. Die Olympischen Kinder aus ihrer Klasse schickten herzliche Grüße mit Bildern und netten Sprüchen, Lorenzo hatte sich besonders viel Mühe gegeben, nur Nikolaos hatte noch nichts geschrieben. Mirabella starrte enttäuscht aufs Meer, als ihr Handy piepte. Eine Nachricht von Nikolaos.

„Na, wie war es mit den Amazonen?“

Hatte er ihren Geburtstag vergessen, nachdem sie gestern noch darüber sprachen? Mirabella berichtete kurz und fragte nach dem Amulett.

„In Reparatur.“

„War Jupiter sauer?“

„Nicht wegen des Amuletts, aber auf Mars.“

„Minerva auch.“

„Seine Verteidigung war: sie wollten es unbedingt machen, er hätte uns auch eine Simulation angeboten. Außerdem wäre ja nichts passiert.“

„So ein Aas.“

Sie ließen sich noch eine Weile über Mars aus, dann beendete Mirabella den Chat. Vielleicht würde ihm nachher noch einfallen, dass sie Geburtstag hatte. Mirabella nahm sich nun tatsächlich das Buch über den Großen Krieg zwischen dem Norden und dem Süden vor.

Den von Vesta angesprochenen Vorfällen mit Holzraub und Gebietsüberschreitungen waren andere kleine Streitigkeiten vorausgegangen, hauptsächlich hatten die Riesen im fremden Terrain gewildert. Mit der Besetzung des Pterippus-Landes des Südens war jedoch eine rote Linie überschritten worden, die Olympier besetzten angrenzende Gebiete der nordischen Zwischenwelt, die Teil des Trollenlandes waren. Direkte Kämpfe zwischen den Göttern wurden lange vermieden, es fielen jedoch viele Zwischenweltwesen, insbesondere die Riesen auf beiden Seiten schlugen mit Begeisterung auf den Feind ein. Schließlich flohen einige Zwischenweltwesen über die Portale in die irdische Welt und die Götter beauftragten die Halbgötter, der Sache Herr zu werden und sich an den Kämpfen zu beteiligen. In dieser Zeit entstanden eine Reihe von sogenannten Sagen über Drachen, Elfen und andere Fabelwesen. Viele Halbgötter starben auf beiden Seiten, die Olympier verloren dreiviertel aller Halbgötter. Nach einer kurzen Ruhephase verschwand plötzlich die zweite Zwillingsstatue aus Vestas Tempel.

Einer Legende nach hatten die Titanen zwei Zwillingsstatuen aus einer Zwischenwelt zur Erde gebracht, sie symbolisierten Eintracht und Harmonie zwischen den europäischen Göttern. Die Titanen galten als die Vorgänger der Olympier, waren jedoch nicht so mächtig und verloren daher die Vorherrschaft. Die Olympier verwahrten die Statuen eine Zeit in der berühmten Stadt Troja, nach seiner Zerstörung durch die Griechen wurde jedoch eine Statue nach Athen, die andere nach Rom gebracht. Nach dem Machtverlust der Griechen gelangte auch die zweite Statue nach Rom. Seit dieser Zeit wurden sie in der Zwischenwelt des Vesta-Tempels von den Olympiern bewacht. Als eine verschwand, vermuteten sie die Nordischen Götter hinter dem Diebstahl und kidnappten schließlich Thors Pflegesöhne Wingni und Hlora, um die Statue freizupressen und einen Waffenstillstand zu erwirken. Thor war ein Sohn von Odin, welcher als Göttervater über die Asen herrschte, der Jupiter des Nordens sozusagen. Nach den Kindsentführungen vernichteten die Nordischen Götter die Titanen, Jupiter hatte es einen Genozid genannt, und der direkte Kampf zwischen den Göttergeschlechtern brach aus. Die göttlichen Schlachten wurden hauptsächlich in den Zwischenwelten ausgetragen. Keiner der Olympischen Götter starb, obwohl sie nicht unsterblich waren, wie man immer glaubte, aber Asgard, der Sitz der Nordischen Götter, und der Olymp wurden beinahe gänzlich zerstört. Beide Geschlechter verloren so viel Energie, dass eine vollständige Auflösung aller drohte, was einem Sterben gleichgekommen wäre, sie flüchteten sich in ihre jeweiligen Unterwelten. Unter diesen Umständen handelten Vesta und Baldur, ein weiterer Sohn des Odins, einen Waffenstillstand aus, der bis zum heutigen Tag bestand. Offiziell war es kein Friede, aber jede Seite schien bedacht darauf zu sein, die andere nicht zu provozieren.


Mirabella klappte das Buch zu und drehte sich auf den Rücken. Sie lag am Strand im Halbschatten, um sie herum spielten Kleinkinder im Sand, Leute gingen baden oder aßen ein Eis, aber sie war mit ihren Gedanken in einer anderen Welt. Die Geschichte des Krieges nahm sie mehr mit, als sie vermutet hätte. Der Krieg hätte beinahe die Götter, ihre ganze Welt vernichtet. Thors Pflegesohn war gestorben, vielleicht im Kampf, vielleicht aber auch durch die Entführung? Neptuns Frau und alle anderen Titanen waren vernichtet worden, sowie unzählige Halbgötter und Zwischenweltwesen. So viel Grausamkeit und Unrecht auf beiden Seiten, kein Wunder, dass eine Versöhnung nicht in Aussicht stand. Dabei waren die Asen und die Olympier laut Jupiter miteinander verwandt, ebenso die indischen Veden. Hatten die Asen dann ihre eigenen Vorfahren, die Titanen, vernichtet? Mirabella stellten sich einige Fragen, die sie an Vesta richten würde. Diese hatte auch angedeutet, dass Ermittlungen zum Raub der Zwillingsstatue laufen würden. Unwahrscheinlich, dass Vesta das junge Mädchen einweihen würde, aber Mirabella würde auf jeden Fall nachhaken. „Das Ende des Göttergeschlechts naht, nur wer wahrhaft Frieden sucht, kann vereinen, was vereint gehört.“ Dies war ein Satz des Orakels von Delphi gewesen, den Nikolaos ihr später wiederholt hatte. Mirabella hatte im Tempel des Apolls zwei Sätze auf Griechisch wiedergegeben, konnte sich selbst jedoch nicht daran erinnern. „Was vereint gehört“, das konnten doch nur die Zwillingsstatuen sein, dachte sie. Deshalb wollte sie Vestalin werden. „Aus Freund wird Feind!“, war der erste Satz gewesen. Man konnte nicht behaupten, Olympier und Asen wären befreundet, wer war damit gemeint?

Mirabellas Gedanken fingen wieder an zu kreisen und wurden wirrer und wirrer. Nebelschwaden der Sinne versperrten die Sicht, bis Vesta vor ihrem geistigen Auge erschien. „Wenn der Mond leuchtet, komm zu mir!“ Die Göttin lächelte sie so gütig an, dass Mirabella mit einem Lächeln aus ihrem Traum aufwachte. Sie musste in der Mittagshitze weggedöst sein. Sofort sah sie zu ihrem Armband, aber es leuchtete nicht. Sie hörte wieder das Rauschen der Wellen, das Zirpen der Zikaden im Hintergrund, gähnte herzhaft und trank einen Schluck Wasser. Nach einer Weile des müden Starrens aufs Meer, beschloss sie, ins Wasser zu gehen, um wach zu werden. Der Ozean war herrlich, nicht zu kalt, aber auch keine lauwarme Brühe wie das Mittelmeer im Sommer, sie plantschte vergnügt im flachen Wasser und schwamm dann ein wenig hinaus ins offene Meer, als sie weit draußen jemanden im Wasser bemerkte. Dieser jemand schien ihr zu winken. Träumte sie immer noch? Mirabella kniff die Augen zusammen, aber nach dem Öffnen der Augen winkte immer noch ein dunkler Arm, nun kam der Besitzer des Arms auf sie zu geschwommen. Mirabella schwamm auf der Stelle, sah etwas nervös zum Strand, der in der Mittagshitze nun menschenleer schien. Als sie sich wieder umblickte, erschrak sie. Direkt vor ihr im Wasser schwamm ein hübsches afrikanisches Mädchen mit langen, leicht algigen Rasta-Zöpfen. Mirabella versuchte, durch das Wasser zu schauen und meinte, eine glitzernde Flosse statt Beinen zu erkennen. „Hi, bist du eine Meerjungfrau?“

„Meermädchen nennen wir uns. Ich habe eine Nachricht von Delphine für dich.“ Sie zog ihre rechte Hand aus dem Wasser, in der sie eine dunkelgrüne Flasche hielt. Mirabella musste lachen. „Eine echte Flaschenpost, ist ja cool. Danke!“

„Du hast doch heute Geburtstag, oder? Dann darfst du sie auch öffnen.“

Mirabella nickte. „Sag Delphine liebe Grüße und vielen Dank, ich habe jetzt leider nichts, was ich ihr geben könnte.“

„Ich werde es ausrichten lassen, wir sind in Staffeln geschwommen, ich habe sie nicht direkt gesehen.“

„Ah, okay“, Mirabella war noch ganz verwundert und bedankte sich noch einmal, dann tauchte die Meernixe wieder ab. Die Halbgöttin sah sich um, am Strand war immer noch niemand zu sehen. Deshalb hatte Delphine so genau wissen wollen, wo Mirabella Urlaub machte und ob sie heute Vormittag am Strand war! Gut gelaunt schwamm sie mit der Flasche zurück zum Strand, packte ihr Handtuch und ihr Buch und ging in ihren Bungalow. Dort stellte sie die Flasche auf ihren Nachttisch, das Glas der Flasche war so dunkel, dass sie den Inhalt nicht erkennen konnte. Zunächst hatte sie noch warten wollen, bis ihre Eltern zurückkamen, am Ende war sie doch zu neugierig. Sie zog am Korken, der leicht überstand, aber sie bekam ihn nicht heraus, auch wenn sie alle Kraft einsetzte. „Hm“, sie stellte die Flasche wieder hin. Dann begann sie zu lächeln, schloss die Augen und versuchte telekinetisch, den Korken zu entfernen. Tatsächlich schwebte der Korken aus der Flasche. Vorsichtig leerte sie den Inhalt auf ihr Bett. Eine zusammengerollte Karte und eine wunderschöne Muschelkette kamen zum Vorschein.

„Cara Mirabella, tibi diem natalem felicem opto! Tua amica Delphine.“1

Lächelnd las Mirabella den Text, Latein war die offizielle Verkehrssprache der Götter und Halbgötter. Sie hing sich die Muschelkette um den Hals, machte ein Selfie und schickte es Delphine mit Dankesgrüßen. Zufrieden betrachtete sie die Kette im Spiegel, als sie hörte, wie ihr Magen knurrte. Bevor sie sich jedoch ein Sandwich machen konnte, kehrten ihre Eltern erschöpft vom Gewürzmarkt zurück. Yasmin ließ sich in den Liegestuhl fallen und legte die Beine hoch. „Ich weiß nicht, ob das viele Stehen oder das viele Feilschen anstrengender ist…“

„Wie war dein Vormittag?“, fragte Marcus mit amüsiertem Blick auf seine Frau.

„Gut, ich habe gelesen und dann ein Geschenk von Delphine erhalten, eine Meernixe hat es mir gebracht.“

Marcus schüttelte lachend den Kopf, so ganz hatte er sich immer noch nicht an die vielen göttlichen und nicht-menschlichen Wesen und Welten gewöhnt, fand aber langsam Gefallen daran.

1Liebe Mirabella, ich wünsche dir einen glücklichen Geburtstag! Deine Freundin Delphine


„Ich bin am Verhungern. Habt ihr schon gegessen?“, fragte Mirabella nun. Ihre Eltern schüttelten den Kopf und Yasmin schälte sich aus dem Liegestuhl. „Zeit für die Geburtstagstorte, oder?“

„Torte? Gibt es die hier?“ Mirabella guckte erstaunt.

„Wirst schon sehen, geh mal mit Marcus Kaffee und Limo holen, ich decke den Tisch.“

„Okay“, Mirabella sah Marcus fragend an, aber dieser grinste nur und zog mit Mirabella zum Kiosk los.

„Und haben schon alle gratuliert?“

„M-hm.“ Mirabellas Lächeln verschwand, ihr war wieder eingefallen, dass Nikolaos nicht geschrieben hatte. Es war jetzt fast schon drei Uhr nachmittags.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Marcus

„Ach nichts, nur Nikolaos hat nicht gratuliert, dabei hatten wir gestern noch davon gesprochen.“

„Der meldet sich schon noch. Was ist mit Greta?“

„Oh, nein, sie hat sich auch nicht gemeldet. Von den Verwandten nur die jungen.“

„Die älteren haben halt deine Nummer nicht, die Großeltern haben schon bei uns angerufen, melden sich nachher noch mal.“

Das Geburtstagskind nickte und lächelte leicht gequält, sie vermisste außerdem Bert, fiel ihr auf.

„Orangina?“, fragte Marcus schmunzelnd.

Sofort stahl sich ein Lächeln zurück in Mirabellas Gesicht. „Immer!“

Mit drei Kaffees, Yasmin brauchte angeblich zwei, und vier Oranginas, der Nachmittag wäre lang, kehrten sie zurück. Marcus schaute ständig auf sein Handy und lächelte plötzlich. Als sie um die Ecke bogen und Mirabella freien Blick auf die Terrasse vor ihrem Bungalow hatte, ließ sie beinahe die Limonaden fallen.

„Nick?!...Jupiter…Greta…Bert!“ Alle drei genannten humanoid-aussehenden Wesen standen neben Yasmin. Bert, der Beo, saß auf Yasmins Schulter. Nikolaos winkte ihr lächelnd zu, eine Kette schwenkend, Greta hielt einen Kuchen mit Kerzen in der Hand und Jupiter sah aus wie ein Mafiosio aus einem „Der Pate“-Film. Er trug einen hellen Sommeranzug ohne Krawatte, Sonnenbrille und einen weißen Strohhut. Seine schwarzen Locken glänzten gegelt. Mirabella musste ein Grinsen unterdrücken und lief, so schnell es mit den vier Limonaden in der Hand ging, zu der kleinen Gruppe, drückte Yasmin die Flaschen in die Hand und wollte schon Greta umarmen, als ihr auffiel, dass sie Jupiter wahrscheinlich als erstes begrüßen sollte. Sie verbeugte sich vor ihm, und er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Die besten Wünsche zu deinem Geburtstag, mein Kind!“

Mirabella bedankte sich und umarmte dann Greta und Nikolaos, die ihr beide gratulierten.

„Wie seid ihr denn hergekommen?“

„Mit Bulla-Express natürlich!“ Nikolaos grinste. Jetzt erkannte Mirabella auch, welche Kette er in der Hand hielt.

„Mein Amulett?“

„Ja, hier, bitte!“

„Und deins?“

Nikolaos klopfte auf seine Brust, er trug das Amulett wohl unter seinem T-Shirt. Die Zuhälter-Goldkette, wie er sie bezeichnete, hatte er vor langer Zeit gegen ein einfaches Lederband eingetauscht. „Frisch von Vulcanus und Jupiter repariert.“

„Cool. Und danke, dass ihr gekommen seid, das ist ja so eine tolle Überraschung!“

„Wie geht es Maya und den Kleinen?“, fragte sie nun Bert, der auf ihre Schulter geflogen war.

„Gut, sie wäre gerne mitgekommen, aber die Kleinen sind noch nicht flügge.“

„Danke für die Uhr, Vater!“, erinnerte sich Mirabella nach einem Blick von Yasmin. „Kannst du mir erklären, wie die funktioniert?“

Jupiter lächelte. „Gerne, aber ein anderes Mal, ich muss jetzt wieder aufbrechen, ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Mein Geschenk an dich, abgesehen von der Uhr, sind dieses Mal Energieeinheiten, wir sprechen noch darüber. Überlege dir gut, wofür du sie ausgibst.“

Sie nickte, bedankte sich artig und Jupiter schwebte davon. Nikolaos wartete einen Moment, während Yasmin in der Zwischenzeit die Kerzen anzündete. Als er Jupiter weit genug weg wähnte, trat er zu Mirabella. „Ich wollte eigentlich Toni und Luk auch mitnehmen, aber Jupiter hat es nicht erlaubt“, erzählte er bedauernd.

„Wegen Energieverschwendung?“

„Nee, glaube, weil es Menschen sind.“

„Och, wie albern.“

„Ja, ein echter Snob!“

Yasmin lachte. „So, ihr zwei, kommt mal her.“

Alle versammelten sich um den Tisch und Mirabella musste ihre fünfzehn Kerzen auspusten, was sie ohne große Anstrengung schaffte.

„Schoko-Kirsch-Kuchen?“, fragte sie Greta lächelnd.

„Natürlich, Princessa!“

Yasmin verteilte die Kuchenstücke, als Mirabella auf der Terrasse noch zwei Päckchen entdeckte. Ein säuberlich mit Geschenkpapier verpacktes Paket mit rosa Schleife. Rosa und weiße Rosen zierten das Papier. Daneben stand ein Paket, das in Zeitungspapier gewickelt war. Man konnte erkennen, dass der Verpacker mit der Verpackung Kämpfe ausgetragen hatte, die deutliche Spuren hinterlassen hatten, Risse und Falten zeugten von einer gewissen Unbeugsamkeit des Zeitungspapiers, dicke Bahnen von Klebestreifen versuchten den Widersacher im Zaum zu halten. Mirabella musste grinsen, als sie die beiden Pakete sah. Nikolaos folgte ihrem Blick.

„Eines ist von mir.“

„Welches nur?“, fragte Mirabella gespielt ernst, konnte jedoch ein Grinsen nicht unterdrücken.

„Ich nenne das kreativ“, verteidigte sich Nikolaos zwinkernd.

„Du packst wohl nicht oft ein, oder?“

„Sei froh, dass du überhaupt ein Geschenk bekommst!“

Mirabella wurde ernst. „Dass ihr alle da seid, ist eigentlich Geschenk genug!“

„Mach sie schon auf!“, sagte nun Greta zärtlich. Mirabella öffnete vorsichtig, das schöne Geschenkpapier schonend, das Paket von Greta. Es enthielt ein Buch über berühmte Nymphen und eine zierliche blaue Phiole.

„Was ist da drinnen?“

„Isarwasser. Wann immer du durstig bist, kannst du daraus trinken.“

Mirabella sah sie verwundert an.

„Es füllt sich von selbst nach?“, fragte Nikolaos neugierig. Greta nickte lächelnd. Jetzt verstand auch Mirabella die Bedeutung. „Das ist ja phantastisch, danke!“ Sie umarmte ihr Kindermädchen und holte dann das Geschenk ihres Halbbruders an den Tisch. Sie zerriss das Zeitungspapier ungestüm. „Gut, dass ich es nicht sorgsam verpackt habe…“, grinste Nikolaos.

„Dann würde ich es auch sorgsam auspacken“, konterte Mirabella.

Das Zeitungspapier umgab einen Schuhkarton, rosa Turnschuhe mit Blinklicht waren abgebildet und Mirabella stutzte kurz.

„Olympias“, ergänzte Nikolaos. Seine kleine Schwester war acht Jahre alt. Mirabella nickte und öffnete den Karton. Zwei Karten und eine kleine Statue einer Balletttänzerin kamen zum Vorschein. Mirabella ergriff erst die Statue, sie war grazil und klassisch, schien aus Marmor zu sein.

„Das ist nicht irgendeine Statue. Diana hat ihr die Kraft verliehen, alle Schritte und Tanzfolgen zu tanzen, die du gerade lernen musst. Du kannst dann mit ihr wiederholen.“ Mirabella tanzte seit ihrem fünften Lebensjahr Ballett.

„Und hübsch ist sie auch!“, stellte Yasmin fest.

„Oh, das ist aber cool, danke!“ Spontan umarmte Mirabella ihren Bruder zum Dank, ließ ihn dann aber schnell los, um neugierig nach den Karten zu fingern. Ein Datum im September war aufgedruckt, in Rom. „Terra fottuta?“ Gretas Augenbrauen stiegen leicht indigniert an.

Nikolaos unterdrückte ein Grinsen. „Das ist die Band von Timo, zwei Konzertkarten.“

„Oh, wow, danke!“ Erneut umarmte sie ihn, bis ihr auffiel, dass es schon das zweite Mal war. Leicht errötet sah sie ihn an. „Ähm, ja, danke. Lasst uns Kuchen essen!“


Mirabella erzählte gerade von Delphine und der Meernixe, als Marcus aufstand, zum Strand hinunterlief und aufs Meer starrte. Sie sah sich beim Reden um und blickte zu Yasmin. „Bekommt er wieder seinen Birthday Blues? Mein Papa hat an jedem Geburtstag von mir eine kurze depressive Phase“, erklärte sie Nikolaos. „Weil ich älter werde, wird ihm das Altwerden bewusst.“ Sie sah zu Yasmin. „So hast du das immer interpretiert.“ Yasmin sah leicht betreten zu Greta.

„Naja“, sie sah zu Mirabella zurück, „früher konnten wir dir den wahren Grund ja nicht sagen. Dein Geburtstag ist nicht nur ein freudiges Datum für Marcus…“

Der Groschen fiel und Mirabella sah sich bestürzt nach ihrem Onkel um. „Aber natürlich! Es ist auch der Todestag von Helena“, seiner Schwester und Mirabellas Mutter, „und der meines Zwillingsbruders.“

Ehe Nikolaos reagieren konnte, lief Mirabella spontan zu ihrem Onkel und umarmte ihn wortlos. Sie sah Tränen in seinen Augen glitzern, als er sie kurz erstaunt ansah, dann drückte er sie fest an sich.

„Ich bin so froh, dass wir dich haben, Mira!“ Das junge Mädchen spürte, wie Tränen über ihre Wangen liefen, dennoch lächelte sie glücklich.


Als sie wieder zum Tisch zurückkehrten, waren Yasmin und Greta am Abräumen und Nikolaos versuchte, Bert zu unterhalten.

„Warum hast du die Totgeburt von deinem Zwilling nie erwähnt?“, fragte Nikolaos, der inzwischen wohl Yasmin ausgefragt hatte. Er schien fast etwas beleidigt.

„Ich habe es selbst erst vor kurzem von Vesta erfahren und dann irgendwie wieder vergessen, er ist schließlich tot.“ Durch Juno hatte sie erfahren, dass die Umstände ihrer Geburt mysteriös waren, sie hatte fremde Mächte vor Ort gespürt, aber darüber wollte Mirabella nicht reden, mit niemandem.

Nikolaos schien nicht völlig befriedigt, aber rang sich dann zu einem Lächeln durch. „Die Welt hätte wahrscheinlich auch nicht zwei solche wilden Feuerköpfe vertragen!“

Mirabella boxte ihn in die Seite. „Und das an meinem Geburtstag! Ich verzeihe dir nur, wenn du mit zu den Delphinen kommst!“


Die Bootstour auf der Suche nach freien Delphinen war ein interessantes Erlebnis, Marcus und Yasmin hatten ein Unternehmen ausgesucht, das mit einer Delphinschutzorganisation zusammenarbeitete, um nachhaltige Delphinbegegnungen zu unterstützen. Sie mussten einige Zeit fahren, da die Delphine durch zu viele und falsch geführte Touren aus ihren ursprünglichen Gewässern vertrieben worden waren. Als sie eine Herde fanden, glitten Nikolaos und Mirabella langsam ins Wasser. Da Mirabella mit den Delphinen sprechen konnte, wurden die Tiere zutraulich und schwammen um sie herum. Mirabella war entzückt von den Jungtieren und auch Nikolaos beobachtete begeistert die edlen Säugetiere. „Nicht anfassen!“, hatte der Tourenleiter Tom gesagt. Wegen möglicher Krankheitsübertragungen. Die Meeresbewohner waren jedoch hocherfreut, dass ein Mensch mit ihnen sprach, sonst konnten das nur Meermenschen und natürlich Neptun. Sie klagten Mirabella ein wenig ihr Leid, sie würden ja die Menschen mögen, die meisten zumindest, aber diese lauten Motorboote würden sie sehr stören. Mirabella versprach, die Informationen weiterzugeben. „Bist du Mirabella, das Geburtstagskind?“, fragte schließlich ein neugieriger halbwüchsiger Delphin.

„Ja, woher kennst du meinen Namen?“

„Von den Meernixen.“

Mirabella lächelte erfreut. „Hier bleibt wohl nichts unbemerkt!“, stellte sie lachend fest.

„Wenig“, gab der Delphin zu. „Magst du eine Runde an meiner Rückenflosse schwimmen?“

Mirabella strahlte, dann verschwand das Lächeln wieder. „Aber wir sollen euch nicht anfassen.“

„Das ist an sich auch sinnvoll, aber ich denke, bei dir können wir eine Ausnahme machen. Wenn du magst.“

„Und ob!“ Mirabella griff im Wasser nach der Rückenflosse und hielt sich fest, während der Delphin immer schneller zu schwimmen begann. Zweimal umkreiste er in einem großen Bogen das Boot und Mirabella genoss die Geschwindigkeit, spürte die Kraft des jungen Delphins und winkte Nikolaos zu, der sie beobachtete.

Wenig später fuhr das Boot zurück. Der Tourenleiter hatte Mirabella leicht argwöhnisch und etwas verärgert beäugt, als sie an Bord gekommen war. Mirabella erzählte jedoch unbeirrt, was die Delphine gesprochen hatten, woraufhin Tom die Augenbrauen in die Höhe zog, er verstand etwas Deutsch. Marcus musste versprechen, mit den Veranstaltern über die Möglichkeit von Elektrobooten zu sprechen.


Nach einem leckeren Dinner am Strand verabschiedeten sich die Besucher. Die Halbgötter konnten noch nicht Blasen aus dem Nichts kreieren und wussten auch noch nicht, sie für später aufzuheben, daher wollte Nikolaos via Amulett in Jupiters Tempel reisen, dort eine Blase kreieren, Greta und Bert auf Sansibar abholen und zurückfliegen.

„Wie umständlich!“, entfuhr es Greta. Die Isarnymphe öffnete ihre langen schwarzen Haare, die sie immer zu einem strengen Dutt frisiert hatte, wirbelte zweimal im Kreis und verschwand in einer Blase. Eine Sekunde später steckte sie den Kopf hinaus. „Kommst du, Nick?“

„Äh, klar.“

Auch Bert flog hinein und die drei Besucher schwebten nach Hause.

Mirabella und die Neun Welten

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