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Die Drossel

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Ich lag im Bett, doch ich konnte nicht schlafen. Sorgen quälten mich, schwere, zermürbende, eintönige Gedanken kreisten in meinem Hirn, gleichwie um den Gipfel eines grauen Hügels dichte Nebelwolken in Reihen an einem regnerischen Tag.

Ach! Damals liebte ich hoffnungslos und heiß, wie man nur in den Schnee- und Eisjahren lieben kann, wenn das vom Leben noch unverbrauchte Herz  . . .  nicht mehr jung ist, nein  . . .  sich noch jung fühlt  . . .  überflüssige und vergebliche Täuschung.

Ein weißer Fleck war vor mir, das Trugbild eines Fensters, verschwommen erschien alles im Zimmer, es war, als wäre es noch regloser und stiller im dunstigen Zwielicht der Sommerfrühe. Ich sah auf die Uhr: es war ein Viertel vor drei. Und hinter den Wänden des Hauses die gleiche Reglosigkeit  . . .  Und Tau! Ein ganzes Meer von Tau! Im tauigen Garten sang bereits, gerade vor meinem Fenster, pfiff und trillerte ununterbrochen eine schwarze Drossel. Die schmelzenden Töne drangen in mein einsames Zimmer, sie füllten es ganz aus; mein Ohr, mein Kopf, durch Schlaflosigkeit gereizt und mit krankhaften Gedanken belastet, mein heißer und ausgetrockneter Kopf war voll davon. Sie atmeten Ewigkeit aus, diese Töne, sie hatten die ganze Frische, das ganze Gleichgewicht, die ganze Kraft des Ewigen. Die Stimme der ganzen Natur erklang mir darin wider, in diesem Vogellaut, der, sich selber unbewußt, seit je erklang und immer wieder erklingen wird. Sie sang, sie sang ihre ganze Zuversichtlichkeit aus sich heraus, diese schwarze Drossel; sie wußte, daß die Sonne zuverlässig zu ihrer Stunde nun bald erstrahlen würde. In ihrem Liede war nichts, das nur ihr eigen gewesen wäre und was sie etwa hinzugetan hätte. Die nämliche schwarze Drossel hat vor tausend Jahren die gleiche Sonne willkommen geheißen und wird es in abertausend Jahren tun; dann, wenn meine Uberreste vielleicht, in unzählige Staubkörnchen aufgelöst, ihren lebendigen, klingenden Leib in Luftströmen umwirbeln, werden sie ihren Gesang unterbrechen.

Und ich armer, komischer, in meine Individualität verliebter Mensch sage dir, kleiner Vogel, Dank für dein kräftiges, aufrüttelndes Lied, das so unverhofft vor meinem Fenster erklang zu dieser trübseligen Stunde.

Es hat mich nicht getröstet, aber ich suchte ja auch keinen Trost  . . .  Aber meine Augen sind feucht geworden von Tränen, etwas hat sich in meiner Brust gelöst, und für einen Augenblick ist die schwere Last leichter. Ach! Und auch dieses Geschöpf meiner Liebe – ist es nicht auch so jung und frisch wie deine jubelnden Töne, du Sänger der Morgenröte!

Gedichte in Prosa (Aus dem Nachlass)

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