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IV
ОглавлениеDer Weg zur Ruine schlängelte sich am Abhange eines bewaldeten Thales hin, in dessen Grunde ein Bach rauschend über Gestein rollte, als drängte es ihn, sich in dem großen Strome zu verlieren, der ruhig hinter dem scharfzackigen Bergrand hervorschimmerte. Gagin lenkte meine Aufmerksamkeit auf einige vortheilhaft beleuchtete Punkte; aus seinen Worten sprach, wenn nicht der Maler, so doch gewiß der Künstler. Bald zeigte sich die Ruine. Auf dem Gipfel eines nackten Felsens erhob sich ein viereckiger, ganz geschwärzter, noch fester Thurm, der aber durch einen Riß der Länge nach wie zerspalten war. Bemooste Mauern stießen an den Thurm; hier und dort rankte sich Epheu; krummästiges Gestrüpp füllte die Schußscharten und eingestürzten Gewölbe. Ein steiniger Weg führte zum Thore, das verschont geblieben war. Wir waren demselben schon nahe, als plötzlich vor uns eine weibliche Gestalt vorbeiglitt, rasch über die Trümmerhaufen dahineilte und sich auf einen Vorsprung der Marter setzte, gerade über dem Abgrunde. – Das ist ja Assja! rief Gagin aus: – ist die aber toll!
Wir traten durch das Thor in einen mäßigen Hof, der zur Hälfte mit wild wachsenden Aepfelbäumen und Brennesseln überwuchert war. Auf dem Vorsprunge saß Assja, sie war es. Sie wandte das Gesicht zu uns und lachte auf, rührte sich aber nicht von der Stelle. Gagin drohte ihr mit dem Finger, ich machte ihr laut Vorwürfe über ihre Unvorsichtigkeit.
– Lassen Sie das, flüsterte mir Gagin zu: – reizen Sie sie nicht; Sie kennen sie nicht: sie wäre noch im Stande, den Thurm hinaufzuklettern. Betrachten Sie sich lieber das dort, wie doch die Leutchen hier herum erfinderisch sind.
Ich blickte mich um: in einem Winkel hatte sich‘s eine gute Alte in einem engen Gehäuse von Brettern bequem gemacht und strickte ihren Strumpf, indem sie dabei scheele Blicke über die Brille aus uns warf. Sie hielt für Touristen Bier, Kuchen und Selterswasser feil. Wir nahmen Platz auf einer Bank und machten uns an unsere schweren, zinnernen Kannen mit kühlem Biere. Assja saß immer noch unbeweglich da, sie hatte ihre Füße herausgezogen und um den Kopf eine Schärpe von Nesseltuch geschlungen. Ihre schlanke Gestalt zeichnete sich deutlich und schön auf dem hellen Himmelsgrunde ab; ich konnte sie indessen nicht ohne Mißvergnügen ansehen. Noch am Tage vorher hatte ich an ihr etwas Gespanntes, Unnatürliches wahrgenommen . . . »Sie will uns in Erstaunen setzen,« dachte ich, »wozu das? was für ein kindischer Einfall?« Als wenn sie meine Gedanken errathen hätte, warf sie einen raschen und durchdringenden Blick auf mich, lachte auf, sprang in zwei Sätzen die Mauer herab und bat sich, zu der Alten tretend, ein Glas Wasser aus.
– Du glaubst wohl, ich wolle trinken? sagte sie, zum Bruder gewendet, – nein; es sind da Blumen auf der Mauer, die ich durchaus begießen muß.
Gagin erwiederte nichts; sie aber kletterte, mit dem Glase in der Hand, die Ruine hinan, machte von Zeit zu Zeit Halt, und sich niederbeugend, ließ sie. mit ergötzlicher Wichtigthuerei, einige Tropfen Wasser herabfallen, die hell an der Sonne glitzerten. Ihre Bewegungen waren sehr anmuthig, mich aber ärgerte sie wie zuvor, obgleich ich unwillkürlich ihre Leichtigkeit und Gewandtheit bewunderte. An einer gefährlichen Stelle that sie absichtlich einen Schrei und lachte dann laut . . . das brachte mich noch mehr auf.
– Die klettert ja wie eine Geis. brummte die Alte vor sich hin und hielt für einen Augenblick mit Stricken inne.
Inzwischen hatte Assja das Glas geleert und war, schelmisch sich hin und her wiegend, zu uns zurückgekehrt. Ein eigenthümliches Lächeln umspielte kaum merklich ihre Brauen, die Nasenflügel und Lippen; halb dreist, halb heiter blinzten die dunklen Augen.
– Sie finden mein Betragen anstößig, schien ihr Gesicht zu sagen; – gleichviel: ich weiß doch, daß Sie mich bewundern.
– Sehr gewandt, Assja, sehr gewandt! sagte Gagin halblaut.
Es war, als fühlte sie plötzlich Scham; sie senkte die langen Wimpern und setzte sich, wie schuldbewußt, bescheiden zu uns. Jetzt zum ersten Male betrachtete ich mir genau ihr Gesicht, das veränderlichste Gesicht, das ich jemals gesehen habe. Einige Augenblicke darauf wurde es ganz bleich und nahm einen gesammelten, fast wehmüthigen Ausdruck an; ihre Züge kamen mir jetzt sogar breiter, strenger und einfacher vor. Sie war ganz still geworden. Wir machten einen Gang um die Ruine herum (Assja folgte uns) und ergötzten uns an den Fernsichten. Unterdessen rückte die Mittagsstunde heran. Gagin bezahlte die Alte, forderte noch eine Kanne Bier und rief, zu mir gewandt, mit verschlagenem Blick:
– Auf das Wohl der Dame Ihres Herzens!
– Hat er denn, – haben Sie denn eine solche Dame? fragte auf einmal Assja.
– Wer denn hätte keines erwiederte Gagin.
Assja wurde plötzlich nachdenkend; ihr Gesicht bekam wieder einen andern Ausdruck, das herausfordernde, fast dreiste Lächeln war zurückgekehrt.
Auf dem Heimwege lachte und tollte sie noch ärger. Sie brach sich einen langen Zweig ab, lehnte ihn an ihre Schulter wie eine Flinte und band sich die Schärpe um den Kopf. Ich erinnere mich, es begegnete uns eine zahlreiche Gesellschaft blondhaariger, gezierter Engländer: wie auf gegebenes Commando ließen Alle in kaltem Erstaunen Assja an ihren glasichten Augen vorbei, während diese, ihnen zum Possen, lauten Gesang anstimmte. Zu Hause angekommen, begab sie sich sogleich auf ihr Zimmer und zeigte sich erst kurz vor dem Essen, in ihr bestes Kleid gekleidet, mit sorgfältig geordneten Haaren und in Handschuhen. An der Tafel hielt sie sich sehr sittsam, beinahe steif, berührte kaum die Speisen und trank Wasser aus einem Weinglase. Offenbar lag ihr daran, sich mir in einer neuen Rolle vorzustellen, – in der Rolle eines anständigen und wohlgesitteten Fräuleins. Gagin ließ sie gewähren; man sah sehr wohl, daß es ihm bereits zur Gewohnheit geworden war, ihr in Allem den Willen zu lassen. Zuweilen sah er mich gutherzig an und zuckte leicht mit den Achseln, als wollte er sagen: » Sie ist ein Kind; seien Sie nachsichtig.« Als die Tafel zu Ende war, erhob sich Assja, machte uns einen Knicks und fragte, den Hut aufsetzend, Gagin, ob sie zur Frau Luise gehen dürfe?