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VI.
Alexei Petrowitsch an Maria Alexandrowna

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Petersburg, den 2. Mai 1840.

Hurrah! Dank, Maria Alexandrowna, tausend Dankt Sie sind ein sehr gutes und nachsichtiges Wesen.

Versprochenermaßen beginne ich von mir selbst zu reden und thue das mit einem Vergnügen, das an Appetit grenzt . . . ja, an Appetit. Von Allem in der Welt kann man mit Eifer, mit Entzücken, mit Begeisterung reden, aber mit Appetit nur von sich selbst.

In diesen Tagen ist mit mir etwas überaus Sonderbares vorgegangen: ich habe zum ersten Male einen Rückblick auf meine Vergangenheit geworfen. Sie verstehen mich: Jeder von uns denkt oft an das Vergangene – mit Bedauern oder Verdruß, oder zum bloßen Zeitvertreib, – aber einen kühlen, klaren Blick auf sein ganzes vergangenes Leben zu werfen – etwa wie ein Wanderer von einem hohen Berge auf das von ihm durchwanderte Thal zurückschaut – das vermag man nur in reiferen Jahren, und ein geheimnißvoller eisiger Schauer ergreift das Herz, wenn es zum ersten Male geschieht. Das meinige wenigstens zog sich schmerzhaft zusammen! So lange wir jung sind, haben wir solche Rückblicke nicht, meine Jugend aber ist dahin, und mir liegt, wie jenem Wanderer auf dem Berge, Alles klar und deutlich vor den Augen. Ja, dahin, unwiederbringlich dahin ist meine Jugend, und sie steht vor mir wie ein Bild im Rahmen. Ein trauriger Anblicks Wahrlich!i Maria Alexandrowna, ich bejammere mich selbst. Mein Gott! mein Gott! ist es denn möglicht daß ich bis zu diesem Grade mein eigenes Leben verdorben, mich so unbarmherzig hin und her gezerrt und gequält habe. . . Jetzt bin ich klug geworden, aber leider zu spät. Haben Sie jemals eine Fliege aus dem Netz einer Spinne gerettet? Ist Ihnen das begegnet? Erinnern Sie sich denn, wie Sie sie an die Sonne setzten; ihre Füße und Flügel sind zusammengeklebt, schwerfällig bewegt sie sich und ist mit aller Anstrengung bemüht, sich vom Spinnengewebe zu reinigen. Noch langen Versuchen erholt sie sich einigermaßen, kriecht, versucht die Flügel auszustrecken . . . umsonst! nicht mehr kann sie, wie früher, herumschwirren, nicht mehr sorglos im Sonnenschein summen, um bald durch das geöffnete Fenster in‘s kühle Zimmer zu fliegen, bald wieder in die heiße Sommerlust zurückzukehren . . . Sie aber ist wenigstens nicht freiwillig in das verrätherische Netz gerathen . . . wie ich, der ich meine eigene Spinne gewesen bin. Und dennoch kann ich mir nicht einmal die ganze Schuld hieran beimessen, denn wer, sagen Sie mir, wer trägt jemals an irgend Etwas die Schuld – allein? Oder besser gesagt, tragen wir nicht Alle Schuld, ohne, daß man uns dessenungeachtet anklagen darf? Die Verhältnisse wirken bestimmend auf uns ein; sie stoßen uns ans diesen oder jenen Weg, und nachher üben sie selbst das Strafamt an uns aus. Jeder Mensch hat sein Schicksal . . . Sehen Sie. Da fällt mir eben ein etwas weit hergeholter, aber treffender Vergleich ein. Wie die Wolken sich erst aus den Dünsten der Erde bilden, aus deren Schooß emporsteigen, sich dann von ihr absondern und entfernen und endlich, Segen oder Vernichtung bringend, wieder zu ihr zurückkehren, so gestaltet sich um einen Jeden von uns, und zwar aus uns selbst, eine . . . wie soll« ich es nennen? eine Art Atmosphäre, welche zerstörend oder segenbringend auf uns zurückwirkt. Diese Atmosphäre eben – nenne ich Schicksal. Mit anderen Worten und einfacher gesagt: Jeder ist zugleich der Schöpfer und das Geschöpf seines Schicksals . . .

Ein Briefwechsel

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