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Die Alte

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Ich ging auf einem weiten Felde, allein.

Plötzlich war es mir, als ob leise, vorsichtige Tritte hinter meinem Rücken vernehmbar würden ... Es folgte mir jemand.

Ich schaute mich um – und gewahrte eine kleine, gebeugte Alte, ganz in graue Lumpen gehüllt. Aus ihnen hervor war nur das Antlitz der Alten sichtbar: ein gelbes, runzliges, scharfnasiges, zahnloses Antlitz. Ich ging auf sie zu ... Sie blieb stehen.

»Wer bist du? Was willst du? Bist du eine Bettlerin? Erwartest du ein Almosen?«

Die Alte gab keine Antwort. Ich beugte mich zu ihr herab und bemerkte, daß ihre beiden Augen mit einem halbdurchsichtigen, weißlichen Überzug oder Häutchen bedeckt waren wie bei gewissen Vögeln: deren Augen werden dadurch vor allzu grellem Licht geschützt.

Bei der Alten aber blieb das Häutchen unbeweglich und ließ die Pupillen nicht hervortreten ... woraus ich schloß, daß sie blind sei.

»Willst du ein Almosen?« – wiederholte ich meine Frage. – »Weshalb folgst du mir?« – Doch die Alte blieb stumm wie zuvor, nur krümmte sie sich ein wenig. Ich wandte mich ab und setzte meinen Weg fort.

Da, wiederum höre ich hinter mir dieselben leisen, gemessenen, gleichsam schleichenden Tritte.

– Wieder dieses Weib! – dachte ich bei mir; – warum verfolgt sie mich denn nur? – Doch gleich kam mir auch der weitere Gedanke: sie wird wahrscheinlich in ihrer Blindheit den Weg verfehlt haben und folgt jetzt dem Schall meiner Schritte, um zusammen mit mir zu menschlichen Wohnungen zu gelangen. Ja ja, so wird’s sein.

Allein, nach und nach bemächtigte sich meiner Gedanken eine seltsame Unruhe: nun wollte es mir scheinen, als ob diese Alte mir nicht bloß folge, sondern daß sie mich sogar lenke, mich bald nach rechts, bald nach links stoße, und daß ich ihr willenlos gehorchen müsse.

Dennoch schreite ich weiter ... auf einmal, gerade vor mir auf meinem Wege, etwas Schwarzes, sich Erweiterndes ... wie eine Grube ... »Ein Grab!« durchzuckte es mein Hirn. – Dorthin also stößt sie mich! Hastig wende ich mich um. Wieder vor mir die Alte ... aber jetzt sieht sie! Sie blickt auf mich mit großen, boshaften, unheilkündenden Augen ... mit den Augen eines Raubvogels ... Ich schaue ihr scharf ins Gesicht, in die Augen ... Wieder dieses trübe Häutchen, dieselben leblosen, stumpfen Züge ... Ach! denke ich ... diese Alte – ist mein Schicksal. Jenes Schicksal, dem niemand entrinnen kann. Kein Entrinnen! Kein Entrinnen? – Welch ein Wahnsinn ... Man muß es versuchen. Und ich wende mich seitwärts, einer anderen Richtung zu.

Rasch eile ich vorwärts ... Allein die leisen Tritte rascheln wie früher hinter mir, nahe, ganz nahe ... Und vor mir wieder die dunkle Grube.

Aufs neue wende ich mich nach einer anderen Seite ... Und wiederum dasselbe Rascheln hinter meinem Rücken und vor mir derselbe drohende Fleck.

Und wohin ich mich auch kehre gleich einem gehetzten Hasen ... immer dasselbe, immer dasselbe!

Halt! denke ich, – jetzt will ich sie täuschen! Ich will mich nicht von der Stelle rühren! – und augenblicklich setze ich mich an die Erde.

Die Alte steht hinter mir, nur zwei Schritt entfernt. – Ich höre sie nicht, aber ich fühle es, sie ist da. Und plötzlich sehe ich: der dunkle Fleck dort in der Ferne, er schwimmt, er kriecht gerade auf mich zu! O Gott! Ich schaue rückwärts ... Die Alte hat ihren starren Blick auf mich geheftet – und Grinsen verzerrt ihren zahnlosen Mund ...

– Kein Entrinnen!

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