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6. Der Widder und der Philosoph

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Ich kannte da mal einen Philosophen, er war gut und gerecht. Er hatte die Welt gesehen und seine Freundin nicht. Er hatte die Erkenntnisse erhalten, seine Freundin nicht. Er hatte die Lektionen gelernt, seine Freundin nicht. Und so lief er ihr hinterher und beobachtete sie eine lange Zeit lang und sie, sie hatte keine Wahl als sich seiner Weisheit hinzugeben, als sich zu fügen, als sich endlich mal führen zu lassen, ob sie nun wollte oder nicht.

Sie aber war stur und bockig. Ein Widder, der meinte, er könne springen wann es IHM passt und er wüsste selbst am Besten, was für ihn gut sei und ließe sich auch von dem Freund nichts sagen. Nun, doch dies war falsch. Denn der Widder musste einfach mal begreifen, dass es im Leben nun einmal auch anders herum laufen kann. Auch Widder können sich irren. Auch Widder haben nicht immer bloß Recht und sind die Klügsten auf dieser Welt. Doch das wusste der Widder ja nicht, kam er doch aus einer Welt, wo er alle Entscheidungen allein getroffen hatte und sich noch nie hatte von irgendjemandem etwas sagen lassen. Und das nervte nun. Denn wie sollte der Widder denn diesem Philosophen vertrauen? Wie sollte der Widder diesem Philosophen denn sein ganzes Leben anvertrauen? Wie sollte der Widder denn die Führung nun abgeben? Das ging doch nicht, nein. Der Widder würde untergehen war seine Angst. Der Widder würde sich fallen lassen und damit auch seine Welt. Und der Widder würde sich verlieren und hätte nichts mehr für sich. Nun, und das wollte der Widder einfach nicht, nein. Denn der Widder wollte auch einmal alleine sein und sein Leben selbst bestimmen. Und der Widder wollte auch mal bockig sein und die Führung übernehmen. Der Widder wollte auch mal regieren. Ja, der Widder wollte auch mal der Boss sein, hatte er sich doch vorher von Niemandem etwas sagen lassen.

Aber im Leben geht es nun einmal nicht immer bloß nur um ihn. Nein, im Leben geht es nicht nur um den Widder. Im Leben geht es auch um andere und auch andere können mal die Entscheidungen treffen, das hatte der Widder verstanden. Das hatte der Widder auf die harte Art lernen müssen, ganz alleine, abgekappt von der Welt, abgeschieden und einsam, nur alleine, ohne irgendjemanden, ohne den Philosophen, der den Widder regierte, dachte der Widder.

Und, oh, wie blind war er gewesen! Wie naiv, wie dumm. Der Widder hatte ja nicht gesehen, dass der Philosoph immer da gewesen war verkleidet, in vielerlei Gestalt. Wandelbar, kühn und stark. Ja, der Philosoph war so viel stärker als der Widder gewesen. Der Philosoph war immer überall gewesen und hatte dem Widder Wegweiser gegeben, an welche der Widder sich so oft gehalten hatte.

Mensch, war er dumm gewesen. Mensch, war der Widder naiv. Und das begriff er nun endlich. Ja, das begriff er. Oh Mann, das war ja krass. Wo war der Philosoph gewesen? Wo war er überall in des Widders Leben aufgetaucht? In welcher Gestalt? In welchen Leuten? Wann und wo?

War etwa die Rose, die der Widder zum Realschulabschluss hatte neben einer Hecke liegen sehen, von dem Philosophen gewesen? War die Lübecker Schokolade etwa auch seine Aktion? War die beste Freundin auch von dem Philosophen in des Widders Leben getreten? War der Philosoph etwa da gewesen und der Widder hatte es nur nicht gesehen? War der Philosoph etwa immer da gewesen? Oh nein, das konnte der Widder einfach nicht glauben, das war ihm zu viel. Wow, wie stark war der Philosoph eigentlich? Wie bestimmte er über des Widders Leben? Was hatte der Philosoph die ganze Zeit lang im Hintergrund getan? Ach, das konnte nicht dessen Ernst sein. So viel Menschen hatte der Philosoph in des Widders Leben geschickt. So viele Menschen, so viele geniale Persönlichkeiten, die des Widders Charakter geformt und ihm seine Bockigkeit ausgetrieben hatten! Oh Gott, was hast Du alles für mich getan? Oh Vater, oh Leute, oh mein Freund! Wie konntest Du so lange an meiner Seite wandeln ohne, dass ich es sah? Wie konntest Du mir so viele Lektionen beibringen ohne, dass ich Dich sah? Wie konntest Du mich so lange Zeit führen ohne, dass ich es begriff? Ohne dass ich es ahnte? Ohne, dass ich auch nur einen blassen Schimmer davon hatte was geschehen war? Wo warst Du, mein Stalker? Hatte Gott mich etwa im Visier? Hatte Gott mich etwa schon immer beobachtet? Hatte Gott mich etwa so lange studiert, mich so lange angewiesen, mich so lange geführt? Und ich, ich war der Illusion verfallen ich hätte alles alleine getan? Ich war der Illusion verfallen ich sei da immer selbst darauf gekommen? Ich war der Illusion verfallen ich hätte mich von niemandem führen lassen? Wow, was für eine Erkenntnis! Wow, was für eine Blendung! Was für eine Macht hatte der Philosoph ausgeübt über den Widder! Und der Widder ließ es zu. Ja, zu. Bis zu dem Moment, wo seine größte Angst ihn einholte. Seine größte Befürchtung. Seine größte Erkenntnis.

Und diese war: Ich bin nie alleine gewesen. DU warst immer da für mich! Ja, DU warst immer da! Was hast Du nur alles für mich getan? Du Spinner! Du Blender! Du fantastischer Mann! Und alle haben mitgespielt! Alle haben es gewusst. DAS war die große Lüge, das war das große Geheimnis. Das war die große Erkenntnis...ICH war nie alleine auf der Welt, denn DU warst immer da!

Wow. Ich sage JA und Du bestimmst ab jetzt über mich. Du führst mich.. und zwar überall hin wo Du willst! Danke an dich, mein Gott!

Das gesehene Mädchen und ihre tiefsten Gedanken

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