Читать книгу Der Wüstensklave - J. D. Möckli - Страница 5
Kapitel 2: Weihnachten
ОглавлениеKai rekelt sich genüsslich, als er die Augen öffnet. Es ist hell im Zimmer, aber das stört ihn überhaupt nicht. Heute bleibt der Laden den ganzen Tag über geschlossen und das will er ausnutzen, indem er mal wieder in aller Ruhe mit seinem Liebsten kuschelt. Lächelnd dreht er sich um und schon verschwindet das Lächeln wieder aus seinem Gesicht, denn er liegt allein im Bett. Von Jamon ist weit und breit keine Spur zu sehen.
Die Stirn runzelnd richtet Kai sich auf und schlägt die Decke zurück, nur um gleich darauf fröstelnd die Arme um sich zu schlingen. Es ist kalt im Zimmer. »Na toll. Müssen wir hier oben etwa auch schon heizen?«, murmelt er und steht auf. Hastig eilt er zum Schrank und holt warme Sachen heraus, die er sich aber nicht gleich anzieht. Er nimmt sie mit nach unten, wo er sie im herrlich warmen Badezimmer neben den Ofen legt, ehe er sich auszieht und gedankenverloren unter die Dusche steigt, nur um gleich darauf kreischend wieder herauszuspringen, als ihn eiskaltes Wasser trifft. »Verdammte Scheiße!« Brummelnd wartet er neben dem Wasserstrahl stehend darauf, dass das Wasser endlich warm wird.
In der Küche lacht Jamon laut auf, als er Kai fluchen hört. »Kai ist wach«, stellt er breit grinsend fest, während er zusammen mit Ren einen Keks nach dem anderen aussticht und auf das Blech legt. »Warum backen wir eigentlich erst jetzt Weihnachtskekse? Oder besser gesagt: Warum feiert ihr das Fest überhaupt?«
Auch Ren ist am Grinsen, doch sein Blick wird jetzt wehmütig. »Meine erste Frau, Kais Großmutter, hat diese Tradition eingeführt. Sie hat an den christlichen Gott geglaubt und irgendwie finde ich es eine schöne Tradition, auch wenn wir nicht die angebliche Geburt von diesem Jesus feiern. Wir backen Kekse und gehen dann später auf den Friedhof, um auch den Verstorbenen ein paar Kekse zu bringen. Am Abend sitzen wir mit unseren Freunden zusammen und genießen die Gesellschaft.«
Spontan legt Jamon den Arm um Rens Schultern. »Das ist eine sehr schöne Tradition und es zeigt so viel mehr, was Weihnachten eigentlich sein sollte, als das, was die meisten Familien der Oberschicht tun, die sich Christen nennen.« Er hat nur leise gesprochen, irgendwie hatte er das Gefühl, dass lautere Worte den Moment gestört hätten.
Tief durchatmend lehnt sich Ren kurz an ihn, ehe er sich wieder aufrichtet und den Keksen widmet. »Na komm, wir müssen uns beeilen, damit wir fertig werden.« Lächelnd sieht er den jungen Mann an, der in so kurzer Zeit einen so unglaublich weiten Weg zurück zu sich selbst geschafft hat.
Jamon erwidert das Lächeln, wendet sich dann aber ebenfalls wieder dem Teig zu.
Als sie das erste Blech voll haben, schiebt Ren es in den heißen Ofen und legt Holz nach.
Endlich kommt auch Kai in die Küche. »Guten Morgen. Ihr habt schon angefangen? Warum habt ihr nicht gewartet?«, fragt er und gibt seinem Liebsten einen schnellen Kuss. »Allein aufzuwachen ist nicht schön, wenn ich schon mal im Bett liegen bleiben und in Ruhe mit dir schmusen könnte.«
»Tut mir leid, aber ich bin im Morgengrauen aufgewacht und wollte dich nicht wecken. Darum bin ich leise aus dem Zimmer gegangen und habe die Pferde versorgt«, raunt Jamon seinem Sharik zu und gibt ihm noch einen Kuss. »Magst du mit mir Kekse ausstechen? Großvater will das Frühstück erst machen, wenn wir fertig sind.«
»Na, dann helfe ich lieber mit. Nicht dass wir noch … ach, vergiss es.« Um seinen Beinahe-Patzer zu überspielen, nimmt sich Kai eins der Keksförmchen und beginnt Herzen auszustechen. »Es ist schön, dass wir drei zusammen sind.«
Ren platziert jetzt das zweite Blech auf dem Tisch und verteilt die ersten Kekse darauf. »Ja, das ist es.« Er legt die Hände auf Kais und Jamons Schultern. »Wir sind eine Familie und ich bin stolz darauf, was ihr beide in diesem Jahr geschafft habt.«
»Nicht wir beide. Wir drei«, widerspricht Jamon sofort.
Kai nickt. »Er hat recht. Wir drei. Ohne dich wären wir nie so weit gekommen.«
Verlegen reibt sich Ren das Kinn. »Wenn ihr meint. Dennoch bin ich stolz auf euch beide und jetzt sollten wir weitermachen, sonst sind wir hier bis zum Neujahrsfest noch nicht fertig.«
Lachend schüttelt Kai den Kopf und legt die letzten Herzen auf das Blech, ehe er zusieht, wie sein Großvater den restlichen Teig wieder zu einer Kugel formt und dann mit dem alten Nudelholz ausrollt.
»So, ihr könnt weitermachen.« Ren zwinkert den beiden zu, als er sich abwendet und einen Topf mit Milch auf den Herd stellt.
Als das zweite Blech auch gefüllt ist, sind die ersten Kekse bereits fertig gebacken und können aus dem Ofen genommen werden. Ein herrlicher Duft breitet sich in der Küche aus und Jamon kann es sich nicht verkneifen, einen der noch heißen Kekse zu stibitzen. Er schiebt ihn sich in den Mund und obwohl er sich beinahe die Zunge verbrennt, schließt er genüsslich die Augen. »Lecker«, murmelt er mit vollem Mund.
Tadelnd hebt Ren den Finger. »Erstens: Man fragt, bevor man sich einen Keks nimmt. Zweitens: Man spricht nicht mit vollem Mund. Und jetzt macht weiter, damit wir auch die restlichen Kekse in den Ofen schieben können.«
Runterschluckend nickt Jamon mit verlegen geröteten Wangen. »Tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht widerstehen.«
Bald liegt auch der restliche Teig in Form von Halbmonden und Sonnen auf dem Blech, das sich immerhin noch einmal bis zur Hälfte füllt. Da die Kekse im Ofen noch nicht fertig sind, stellen sie das Blech auf die Arbeitsplatte.
Während Jamon jetzt den Tisch von Mehl und Teigresten befreit, bereitet Ren mit Kais Hilfe das Frühstück vor. Aber kein Duft nach Schwarztee mischt sich mit dem Duft der Kekse, denn zur Feier des Tages hat Ren den Kakao hervorgeholt und gibt sogar noch einen Klecks Sahne dazu.
Mit leuchtenden Augen nimmt Jamon eine der Tassen und schnuppert. »Das riecht so gut. Heute ist wirklich ein besonderer Tag.«
Leise lachend legt Kai den Arm um seinen Liebsten. »Ja, heute ist ein besonderer Tag«, raunt er ihm zu. »Lass uns frühstücken. Wir haben noch viel vor.«
Wissend nickt Jamon. »Ja, Großvater hat es mir gesagt, dass wir nachher noch zum Friedhof gehen.«
»Jungs, der Kakao wird nicht wärmer, wenn ihr weiter rumredet, also setzt euch hin und esst.« Streng sieht Ren die beiden an, aber das schelmische Blitzen in seinen Augen zeigt deutlich, dass er es nicht so meint.
Dennoch setzen sie sich nun und greifen nach den Brötchen.
Immer wieder sehen sich Kai und Jamon tief in die Augen, während sie essen. Irgendwie ist die Stimmung heute anders als in den letzten Wochen. Sie ist entspannter …
Schmunzelnd beobachtet Ren seine beiden Enkel, die ihn gerade mehr an Jugendliche erinnern, so wie sie einander ansehen. »Wenn wir mit dem Frühstück fertig sind, möchte ich gleich zum Friedhof aufbrechen.«
Aus seinen Gedanken gerissen, blickt Kai fragend zu seinem Großvater. »Warum die Eile? Ich meine … natürlich will ich auch zum Friedhof, aber sonst hast du es nie so eilig gehabt.«
Seufzend deutet Ren zu Jamon. »Willst du ihn zwingen hierzubleiben? Du weißt doch genau, wie voll der Friedhof am Fünfundzwanzigsten immer ist. Wir sind schließlich nicht die Einzigen, die heute die Verstorbenen besuchen.«
Beschämt senkt Kai den Blick. »Du hast ja recht. Daran habe ich nicht gedacht, dass Jamon sich dann ja verstellen muss.«
Ernst nickt Ren. »Genau. Und darum will ich möglichst früh los.« Er beugt sich etwas vor und legt die Hand auf den Arm seines Enkels. »Nun sei nicht so geknickt. Wir packen nachher gleich die Kekse ein und gehen los. Dann kann Jamon den Ausflug auch noch genießen.«
Leise räuspert sich Jamon. »Wir müssen uns nicht überschlagen, nur damit ich nicht so lange den perfekten Sklaven spielen muss. Es ist also alles gut.« Sanft lächelnd erwidert er den Blick seines Shariks.
»Nein, Großvater hat recht. Es ist nicht fair, wenn du nicht du selbst sein kannst, wenn wir auf den Friedhof gehen«, widerspricht Kai sofort und steht auf. »Ich gehe den Stoffbeutel für die Kekse holen.« Unter den aufmerksamen Blicken seines Liebsten eilt er aus der Küche.
Im Wohnzimmer bewahren sie in einer Schublade neben den Räucherstäbchen auch die Stoffbeutel auf, die sie immer an Weihnachten benutzen. Nachdenklich mustert Kai die Räucherstäbchen und nimmt zusätzlich zu dem Beutel kurzerhand auch noch ein paar von ihnen mit nach unten.
Als er wieder in die Küche kommt, ist schon fast alles aufgeräumt, Jamon muss nur noch die letzten Teller abtrocknen. »Ich habe auch die Räucherstäbchen dabei. Mir ist heute danach.«
Mit einem wissenden Blick sieht Ren zu seinem Enkel und nickt. »Gut, dann können wir ja los.« Er nimmt Kai den Beutel ab, legt eine genau abgezählte Menge Kekse hinein und zündet dann die Kerze, die er beim letzten Marktbesuch extra für den heutigen Tag gekauft hat, mit einem glühenden Holzspan an, ehe er sie in eine Laterne stellt.
Kurz darauf laufen die drei warm eingepackt bei strahlendem Sonnenschein durch die weißen Straßen Richtung Friedhof. Ihr Atem ist in der kalten Luft deutlich zu sehen und der frisch gefallene Schnee knirscht unter ihren Füssen.
Jamon läuft mit gesenktem Blick hinter den beiden Mutsuos her, dennoch genießt er den Spaziergang durch die wie unter einer weißen Decke schlafenden Stadt.
Als sie durch das Tor des Friedhofes treten, ändert sich die Atmosphäre auf eine Art, die Jamon nicht benennen kann. Es kommt ihm noch stiller vor, obwohl viele Menschen auf den Wegen unterwegs sind oder vor den Gräbern stehen und sich in einem stillen Zwiegespräch mit ihren verstorbenen Lieben unterhalten.
Zum Glück ist niemand in der Nähe des Familiengrabes der Mutsuos, sodass Jamon endlich den Blick heben kann und mit einem leichten Lächeln den Grabstein ansieht. Noch immer schmerzt es ihn, dass er Tante Amina nie wiedersehen kann, aber jetzt weiß er wenigstens, dass sie glücklich gewesen ist und ihn nie vergessen hat.
Mit andächtigen Bewegungen stellt Ren die Kerze auf das Grab und legt die Kekse dazu. Er senkt den Blick und murmelt lautlos ein paar Worte, ehe er zurücktritt, sodass Kai vortreten kann.
Kai fährt mit der Hand schon beinahe sanft über den Grabstein, ehe er die Räucherstäbchen an die Kerze hält und sie dann in den Schnee steckt. »Mama, Papa, ich wünschte, ich könnte öfter herkommen, aber ihr seid in meinem Herzen immer bei mir«, raunt er leise und tritt nun auch zurück. Mit einem warmen Blick sieht er seinen Liebsten an. »Nun du. Auch du hast hier jemanden, den du liebst«, sagt er leise.
Jamon tritt vor und legt die Hand auf den Grabstein. Er schließt mit gesenktem Kopf die Augen, ehe er wieder zurücktritt und sich zwischen Kai und Ren stellt.
Lange stehen sie schweigend da.
Schließlich räuspert sich Ren leise. »Gehen wir nach Hause.«
Als seine beiden Enkel nicken, wendet er sich um und geht langsam den verschneiten Weg entlang, auf dem inzwischen schon deutlich mehr Leute unterwegs sind als noch vor einer Stunde. Kai folgt ihm mit Jamon, der das Schlusslicht bildet.
Nachdem sie durch das Tor getreten sind, bleibt Ren stehen und spricht leise die Worte, mit denen er immer um Schutz für seine Familie bittet. Lächelnd blickt er daraufhin zu seinen Enkeln, ehe sie sich auf den Weg nach Hause machen.
Durchgefroren betreten sie den Hinterhof, als Jamon stockt. »Es ist jemand hier«, stellt er erschrocken fest, als er Geräusche aus dem Stall hört, die nicht nur von den Pferden stammen können.
In dem Moment kommt Rashid aus dem Stall. »Verzeiht, ich wollte euch nicht erschrecken. Aber ich dachte, ich könnte mich im Stall nützlich machen, während Meister Yusaku und Miss Aja das Haus schmücken und das Essen vorbereiten.« Er verneigt sich leicht vor den dreien.
»Das habe ich ganz vergessen zu erwähnen. Bitte verzeih mir das, Jamon«, erklärt Ren und dreht sich zu Jamon um. »Aber wir machen es jedes Jahr so, dass sie das Haus schmücken und kochen. Dafür richten wir dann die Neujahrsfeier in Yus Schmiede aus. Sie sind dieses Jahr wohl einfach etwas früher dran als sonst.«
Während Ren Jamon alles erklärt, tritt Kai auf Rashid zu und reicht ihm die Hand. »Hallo, Rashid. Schön, dass du heute auch mit von der Partie bist und Jamon etwas von der Arbeit abgenommen hast.«
Ohne eine Miene zu verziehen, erwidert Rashid den Händedruck. »Meister Yusaku meinte, dass ich mit dabei sein solle, da ich auch dazugehöre. Ihr müsst euch nicht bei mir bedanken. Ich kann drinnen sowieso nichts machen, da sie die Arbeiten unter sich aufgeteilt haben.«
Lächelnd nickt Kai und sieht jetzt seinem Liebsten nach, der direkt in den Stall geht. »Typisch für ihn. Er muss einfach nach den Pferden sehen, wenn jemand anders als er bei ihnen gewesen ist.«
»Er muss alles unter Kontrolle haben«, meint Rashid. »Ich habe ihnen nur Heu gegeben und gemistet!«, ruft er Jamon zu, der sich nur kurz umwendet und nickt, ehe er endgültig aus ihrem Blickfeld verschwindet.
Fröstelnd die Arme um sich schlingend, deutet Ren mit dem Kopf in Richtung Haus. »Lasst uns reingehen, bevor wir uns noch erkälten.«
Gemeinsam gehen sie über den Hinterhof zur Tür.
Gerade als Ren sie öffnet, kommt Jamon zu ihnen und nickt Rashid zu. »Danke, dass du dich um die beiden Racker gekümmert hast.«
»Nichts zu danken. Drinnen durfte ich nichts machen und faul rumzusitzen liegt mir nicht«, erwidert Rashid mit einem leichten Neigen des Kopfes.
Im Flur ziehen sie sich als Erstes die Schuhe und die Jacken aus, ehe sie weiter in Richtung Küche gehen, aus der es schon verlockend duftet.
Als sie den herrlich warmen Raum betreten, sehen sie Aja am Herd stehen, während Yusaku die Küche mit allerlei Tannenzweigen und breiten Stoffbändern schmückt.
»Da seid ihr ja. Aber zu früh. Hättet ihr nicht noch etwas unterwegs sein können? Jetzt ist die Überraschung doch gar keine Überraschung mehr.« Enttäuscht sieht Yusaku die drei an.
»Yu, nicht so frech. Du könntest sie wenigstens anständig begrüßen. Ich hab dir gesagt, dass wir früher hätten herkommen sollen, aber du wolltest ja nicht aufstehen.« Trotz der Rüge lächelt Aja ihn warm an, als sie die Hände an ihrer Schürze abwischt. Erst jetzt sieht sie zu den drei Hausbewohnern. »Wir sind vor etwa zwanzig Minuten angekommen und wollten euch mit dem fertig geschmückten Haus überraschen. Nun könnt ihr uns aber auch sagen, ob wir oben im Wohnzimmer zusammensitzen wollen oder hier unten in der Wärme bleiben.«
»Wir feiern oben. Ich gehe gleich den Kamin anfeuern, dann haben wir es im Wohnzimmer kuschelig warm«, bestimmt Kai kurzerhand und geht mit einem kleinen Stapel Holz wieder aus der Küche.
»Dann werde ich noch mehr Holz reinholen«, murmelt Jamon und wendet sich auch um, um wieder nach draußen zu gehen.
Da er ja nur kurz über den verschneiten Hinterhof rennen muss, verzichtet er auf seine Jacke und fröstelt, als er das Heulager betritt, wo er die gespaltenen Holzscheite aufgeschichtet hat. So schnell er kann, füllt er einen der Körbe und verflucht dabei seine Entscheidung, nur mit dem Pullover rauszugehen.
Durchgefroren betritt er mit dem vollen Korb wieder das Haus und tauscht die Schuhe gegen seine Hausschuhe ein, ehe er nach oben geht, wo Kai im Wohnzimmerkamin schon ein prasselndes Feuer entfacht hat.
»Super, das kann ich gleich gebrauchen.« Kai lächelt seinen Liebsten zärtlich an, als dieser den Korb neben den Kamin stellt. »Wir machen hier nur selten ein offenes Feuer, aber es ist doch immer wieder ein schöner Anblick.«
Jamon nickt nur und bringt etwas mehr Abstand zwischen sich und die Flammen. Er schluckt schwer und würde eigentlich lieber frieren, als in der Nähe des brennenden Kamins zu sein, was ihn erstaunt, hat er doch mit dem Feuer in der Waschküche kein Problem. »Ich gehe mal schauen, was sie unten so machen«, murmelt er und flüchtet schon beinahe aus dem Wohnzimmer.
Im Flur läuft er Yusaku über den Weg, der ihm einen Korb mit Tannenreisig und bunten Bändern in die Hand drückt.
»Du kannst mir beim Schmücken des Wohnzimmers helfen.« Er sieht Jamon breit grinsend an.
»Okay hast du irgendeine Vorstellung, wie du das Wohnzimmer schmücken willst?», fragt Jamon ergeben und folgt dem Blonden zurück ins Wohnzimmer, wo sich dieser mit nachdenklich geschürzten Lippen umsieht.
»Nein, es soll einfach gut aussehen. Ich würde sagen, wir verteilen das Zeug auf den beiden Tischen und vielleicht auch noch über dem Kamin und beim Fenster.«
Jamon nickt und mustert nachdenklich das Tannenreisig und die Bänder, ehe er kurzerhand anfängt, sie zu kleinen Gestecken zusammenzustellen und diese dann auf die Tische und das Fensterbrett legt, während Yusaku einfach ein paar Zweige zusammenbindet und sie aufhängt.
Zufrieden sieht Yusaku sich schließlich im Wohnzimmer um und nickt anerkennend. »Ich denke, das haben wir gut hingekriegt. Oder was meinst du, Kai? Haben dein Schatz und ich nicht tolle Arbeit geleistet?«
Schmunzelnd sieht sich Kai in dem wirklich schön geschmückten Wohnzimmer um. »Ja, das habt ihr wirklich gut gemacht. Aber sagt mal, warum seid ihr so früh gekommen? Aja scheint ja unten ein riesiges Festessen vorzubereiten.«
Doch Yusaku grinst nur. »Wie gesagt, wir wollten euch überraschen. Und da es ja für Rashid und Jamon das erste Weihnachtsfest ist, wollten wir es richtig groß machen. Außerdem steht in Rashids Papieren, dass er heute Geburtstag hat, darum wollten wir nicht, dass er uns hilft. Aber verrate es ihm nicht. Als ich ihn mal darauf angesprochen habe, wollte er davon nichts wissen.«
Erstaunt sieht Kai seinen besten Freund an. »Das hättest du uns doch sagen können. Wir haben jetzt gar kein Geschenk für ihn!«
Immer noch grinsend schüttelt Yusaku den Kopf. »Wir auch nicht, aber ich bin mir sicher, dass Aja und Ren unten gerade ein Festmahl zaubern.«
Kai will gerade noch mehr sagen, als Rashid reinkommt. »Wir haben belegte Brote gemacht. Kommt ihr essen?«
»Ja, wir kommen«, erwidert Yusaku erleichtert, dass er Kais bohrenden Fragen entkommt.
Nach dem einfachen Mittagessen nimmt Jamon Rashid mit nach draußen, wo er mit ihm zusammen die Pferde bewegt, damit die anderen drin in aller Ruhe weiter die offenbar geplante Überraschung vorbereiten können. Obwohl sie wirklich viel zu tun haben und auch den Hinterhof sorgfältig vom Schnee befreien, sind sie richtig durchgefroren, als sie bei Sonnenuntergang wieder ins Haus zurückgehen. Fröstelnd waschen sie sich die Hände, ehe sie dem verlockenden Duft nach oben ins Wohnzimmer folgen.
Als Rashid hinter Jamon das Wohnzimmer betritt, werden ihm bunte Stoffkonfetti zugeworfen und ein »Alles Gute zum Geburtstag, Rashid!«, schallt ihm entgegen. Vollkommen überfordert steht er da und blickt auf den Kuchen, der auf dem Schachtisch steht, da auf dem Sofatisch vor lauter Leckereien kein Platz mehr ist. »Ich … ich …«, stottert er los und schluckt leer.
»Gefällt dir die Überraschung?«, fragt Aja sanft und lächelt warm, als Rashid sprachlos nickt. »Dann musst du auch nichts sagen. Puste die Kerzen aus und dann kann jeder das essen, worauf er Lust hat. Wir haben extra lauter kleine Häppchen zubereitet.«
Noch immer sprachlos nickt Rashid wieder, nimmt von Jamon den Teller entgegen und geht zum Kuchen. Er schluckt und atmet dann tief ein, ehe er alle Kerzen auf einmal auspustet. Vor Rührung muss er doch tatsächlich mit den Tränen kämpfen, als ihm Ren ein Kuchenstück auf den Teller legt. »Danke, Meister Ren«, schafft er es irgendwie zu sagen.
»Du musst dich nicht bedanken. Genieße den Abend, Rashid.« Lächelnd tätschelt Ren seinen Oberarm, ehe er ihn in Ruhe lässt.
Besorgt wendet sich Yusaku an Aja: »Haben wir einen Fehler gemacht?«, fragt er sie leise.
Sofort schüttelt sie den Kopf. »Nein, er ist einfach nur überwältigt davon, dass wir an seinen Geburtstag gedacht haben«, raunt sie ihm zu und füllt sich ihren Teller.
Erleichtert atmet Yusaku auf. »Gut, dann können wir den Abend ja ab jetzt genießen.« Nun wieder breit grinsend schnappt er sich von Ajas Teller das Häppchen und schiebt es sich in den Mund. »Lecker!«, stellt er kauend fest und nimmt sich diesmal ein Häppchen vom Tisch. Auf einmal fällt sein Blick auf Jamon, der es sich möglichst weit vom Feuer entfernt auf dem Sofa bequem gemacht hat und sich an Kai lehnt. »Sag mal. Du bist doch immer so ein schlauer Kerl. Warum feiern wir überhaupt dieses Weihnachten?«
Erstaunt blickt Jamon auf und überlegt. »Also die Christen feiern heute die Geburt von Jesus, jedoch geht das Fest an sich viel weiter zurück. Es ist einfach von den Christen vereinnahmt worden.«
Mit großen Augen sieht Yusaku ihn an. »Erzähl!«, verlangt er und setzt sich doch tatsächlich vor Jamon auf den Boden.
»Also«, beginnt Jamon und lehnt sich zurück, »im ägyptischen Großreich feiern wir zur Wintersonnenwende den Geburtstag unseres Sonnengottes. Das ist aber am 21. Dezember. Weihnachten feiern wir in dem Sinne nicht. Im römischen Großreich ist es unterschiedlich. Diejenigen, die die römischen Götter verehren, feiern auch am 21. Dezember, während die Christen an den Tagen vom 24. bis zum 26. Dezember feiern, weil ihre Kirche ihnen das so vorgibt. Lange gab es darum auch Spannungen zwischen den einzelnen Religionen und auch heute noch kommt es zu Konflikten, aber Kaiser Hadrian hat die Situation ziemlich gut geklärt und greift auch hart durch, wenn sich die Menschen nicht an die Gesetze halten, die er wegen der unterschiedlichen Religionen in seinem Reich erlassen hat. Denn die Juden feiern wieder ganz anders als die Christen oder die anderen Religionen.«
Nachdenklich sieht Yusaku ins Feuer. »Verstehe. Also haben die Christen das Fest einfach übernommen und angepasst. So was von verrückt.«
Daraufhin zuckt Jamon nur mit den Schultern. »So funktioniert Religion. Gib den Menschen etwas, was sie verstehen können und kennen, und dann hast du es nicht mehr allzu schwer, sie für den Glauben zu gewinnen und so in die gewünschte Richtung zu lenken. Kaiser Hadrian hat das größte Reich, nur darum hat er so viele von Grund auf verschiedene Glaubensvorstellungen, die er irgendwie unter einen Hut bringen muss.«
»Ich kann mir vorstellen, dass das ziemlich kompliziert ist. Zum Glück haben wir ja damit nichts zu tun. Danke für die interessante Geschichte.« Yusaku steht wieder auf und geht zurück zu Aja, die er nun sanft auf die Lippen küsst.
Mit einem schiefen Grinsen sieht Kai ihm nach. »Wenn er nur wüsste«, raunt er Jamon zu, der jetzt den Arm um ihn legt.
»Wieso? Er hat recht. Ich habe nichts mehr damit zu tun. Also lass uns den Abend weiter genießen.«