Читать книгу Der Wüstensklave - J. D. Möckli - Страница 6
Kapitel 3: Silvester
ОглавлениеGähnend setzt sich Jamon im Bett auf, nur um gleich darauf fröstelnd die Arme um sich zu schlingen und sich wieder unter die Decke zu verkriechen. »Kai, wir müssen anfangen zu heizen, es ist einfach zu kalt geworden«, beschwert er sich, als er sich an ihn kuschelt.
»Hm?« Kai dreht sich noch halb schlafend zu seinem Liebsten um und schlingt die Arme um ihn.
»Wir müssen auch hier oben anfangen zu heizen. Es ist eiskalt im Zimmer.« Jamon erwidert die Umarmung seines Shariks. Dass er eigentlich aufstehen sollte, ist ihm egal.
Langsam wird Kai wacher und realisiert, was die Worte zu bedeuten haben. »Liebster, wir heizen hier oben immer nur sehr sparsam. Darum haben wir ja so warme Decken.« Erst jetzt öffnet er die Augen und lächelt Jamon warm an. »Wir können aber am Abend schon ein wenig anfeuern, wenn es dir zu kalt ist.«
»Ja, das wäre wirklich toll«, erwidert Jamon und löst sich nach einem Blick zum Fenster widerstrebend von seinem Sharik. »Ich muss in den Stall«, murrt er und steigt aus dem Bett. Bibbernd rennt er zu seinen Kleidern und schnappt sie sich, ehe er aus dem Zimmer läuft.
Schmunzelnd hat Kai seinen Liebsten beobachtet und kuschelt sich noch für einen Moment unter der warmen Decke ein. Er muss ja jetzt sowieso warten, bis das Bad wieder frei ist. »Du bist richtig verwöhnt geworden«, murmelt er amüsiert ins Kissen.
Als er nach einem Blick zum Fenster der Meinung ist, dass sein Liebster so langsam fertig sein sollte, steht Kai auf und geht mit der Decke um die Schultern seine Sachen holen, dann erst legt er die Decke zurück aufs Bett.
Auf der Treppe läuft er seinem Liebsten über den Weg. »Moment«, raunt er ihm zu und zieht ihn an sich. Sanft küsst er ihn, bis er sich atemlos von ihm lösen muss. »Guten Morgen nachträglich.«
»Guten Morgen, Sharik.« Jamon zieht ihn noch einmal an sich und küsst ihn voller Liebe. »Nun aber ab mit dir unter die Dusche. Sonst musst du wieder im Laden frühstücken«, neckt er ihn und schiebt seinen Sharik sanft die Treppe runter.
Lachend lässt Kai es zu. »Was gar nicht mehr so schlimm ist, seit du mir das Frühstück bringst und für Feuerholz sorgst.« Grinsend sieht er über die Schulter in das geliebte Gesicht und quiekt dann erschrocken auf, als er einen kleinen Klaps auf den Hintern bekommt.
»Du kleiner Frechdachs, nun aber ab mit dir.« Streng hebt Jamon den Finger. »Ich habe auch noch anderes zu tun.« Mit diesen Worten wendet er sich kichernd zur Treppe um und bringt den Schlafanzug nach oben ins Schlafzimmer.
Seinem Liebsten verliebt nachblickend, seufzt Kai auf. »Du hast dich so sehr verändert«, murmelt er vor sich hin, als er die Badezimmertür öffnet und das Schild umdreht.
Im Bad ist es herrlich warm, was Kai für einen Moment genießerisch die Augen schließen lässt.
Als er seine Kleidung neben dem Ofen auf den Hocker gelegt hat, wirft er zur Sicherheit noch ein Holzscheit in die Flammen.
Unterdessen ist Jamon im Heulager und stopft noch etwas mehr Heu in die vorbereiteten Netze. Er hat in den letzten Tagen bemerkt, dass die Pferde mehr als sonst fressen. Die jetzt deutlich volleren Heunetze schleppt er aus dem Lager und wird schon von einem ungeduldigen Schnauben empfangen, als er den Stall betritt.
»Ja, ich beeile mich ja schon.« Lachend hängt er die Netze in die Boxen und kontrolliert die Tränken. »Hmmm, ich denke, ich hole drinnen warmes Wasser für euch, oder was meint ihr?«
Nur zufriedenes Kauen antwortet ihm.
»Ich werte das mal als ein Ja.« Grinsend geht Jamon aus Blackys Box und schließt sorgfältig die Tür, ehe er den Eimer nimmt und zum Haus geht. Dabei bemerkt er zum ersten Mal, dass es unter dem Schnee ziemlich glatt ist, was ihn leise stöhnen lässt.
Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hat, zieht sich Jamon die Schuhe aus und geht mit dem Eimer in die Küche. »Guten Morgen, Großvater. Ich hole für die Jungs nur warmes Wasser und brauche dann später die Asche. Der Hinterhof wird glatt.«
»Guten Morgen. Ach, darum holst du das Wasser hier und nicht im Bad. Du kannst den Ascheeimer sonst gleich mitnehmen. Die Asche ist noch von gestern und ich müsste ihn sowieso leeren.« Ren deutet lächelnd auf den Ascheeimer. »Kai ist übrigens schon im Laden. Heute haben wir nur bis Mittag geöffnet, da wir nach dem Mittagessen gleich zu Yu gehen und uns dort um das Silvesteressen kümmern werden. Was ich dich noch fragen wollte: Wir gehen bei Sonnenuntergang immer in den Shinto-Tempel, um um Glück im neuen Jahr zu bitten. Willst du auch mitkommen oder in Yus Haus bleiben?«
Nachdenklich blickt Jamon auf das in den Eimer fließende Wasser. »Ich bleibe im Haus. Es würde sich falsch anfühlen. Tut mir leid.«
Lächelnd legt Ren eine Hand auf die Schulter seines Enkels. »Du musst dich nicht entschuldigen. Wir gehen auch mehr aus Gewohnheit da hin.«
Dankbar sieht Jamon den alten Mann an. »Danke für dein Verständnis.«
»Das ist doch selbstverständlich.« Lächelnd schüttelt Ren den Kopf und wendet sich nun dem Ofen zu, um die Brötchen herauszunehmen.
Endlich ist der Eimer voll und Jamon stellt das Wasser ab.
Da er vor dem Frühstück nicht unbedingt noch einmal in die Küche kommen will, nimmt er auch gleich den Ascheeimer mit nach draußen und stellt ihn neben der Hintertreppe ab. Das heiße Wasser verteilt er zu gleichen Teilen in den Tränken und gießt dann kaltes Wasser aus dem Brunnen nach.
Als er aus dem Stall tritt, blickt er zum Himmel. »Zeit fürs Frühstück«, murmelt er und geht ins Haus. Die vom Schnee feuchten Schuhe zieht er sich gleich hinter der Tür aus und schlüpft in die Hausschuhe, ehe er sich die Hände wäscht und dann in die Küche geht.
»Da bist du ja wieder. Hast du alles geschafft?« Fragend sieht Ren zu Jamon, der bedauernd den Kopf schüttelt. »Leider nein. Ich muss noch den Hof vom Schnee befreien und dann die Asche verteilen. Kann ich den Jungs morgens eine zusätzliche Portion Hafer geben? Sie scheinen bei der Kälte die Energie zu brauchen.«
Ren drückt Jamon eine Tasse Tee in die Hand. »Mach das ruhig. Wir können ja am nächsten Markttag noch extra Hafer kaufen gehen und vielleicht finden wir ja auch einen Sack Mais.«
Sich die kalten Finger an der Tasse wärmend, trinkt Jamon vorsichtig einen Schluck. »Das hört sich gut an. Auch wenn ich weiß, dass es für die Pferde besser ist, wenn der Stall nicht geheizt wird, tut es mir doch auch ein wenig leid, dass sie in der Kälte stehen müssen. Ich gebe schon eine Extralage Stroh in die Boxen, damit sie es schön warm haben.« Noch einmal von dem Tee trinkend, genießt er die Wärme, die sich langsam von innen in seinem Körper ausbreitet. »Isst Kai wieder im Laden?«
Ernst nickt Ren und setzt sich hin. »Ja, die ersten Leute haben schon an die Tür geklopft, als er Holz nachgelegt hat. »Dieses Jahr ist es ungewöhnlich kalt und die Menschen suchen nach warmen Stoffen. Anscheinend sind wir einer der wenigen Händler, die noch welche haben. Besonders dieser Wollstoff ist trotz der heiklen Farbe heiß begehrt. Wenn das so weitergeht, werden wir schon in einer Woche keinen mehr haben.« Er nimmt sich ein Brötchen und schneidet es auseinander. »Ich habe ihm vorhin ein belegtes Brot und eine Kanne Tee gebracht, da standen schon drei Kunden im Laden und die beiden, die warten mussten, haben sich schon selbstständig umgesehen. Es ist wirklich selten, dass das passiert.«
Jamon hört aufmerksam zu, während er sein Honigbrötchen isst. »Können wir oben auch ein wenig heizen? Es ist so schrecklich kalt im Schlafzimmer.«
Ren kann sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. »Das können wir machen. Wir müssen einfach den Kamin im Wohnzimmer auch anfeuern und die Schieber dementsprechend einstellen, dann wird es oben kuschelig warm. Aber wir heizen nicht zu sehr, sonst müssen wir noch teuer Holz nachkaufen gehen und das möchte ich vermeiden.«
»Es muss ja nicht so warm wie hier unten werden, aber ein bisschen wärmer als draußen wäre schon schön oder ist dir nicht kalt, wenn du aufstehst?«¨
Lachend lehnt sich Ren zurück. »Doch, natürlich ist mir auch kalt, wenn ich morgens aufstehe. Darum bin ich auch einverstanden, dass wir oben ein wenig einheizen.«
Grinsend mustert Jamon den alten Mann. »Du hast also nur darauf gewartet, dass einer von uns sagt, dass wir oben etwas heizen wollen?« Auch wenn er es wie eine Frage klingen lässt, ist es doch mehr eine Feststellung.
Ertappt reibt sich Ren übers Kinn. »Du hast mich erwischt. Ich kann doch nicht zugeben, dass ich es wärmer haben möchte. Das geht gegen meinen Stolz.«
Kopfschüttelnd widmet sich Jamon wieder seinem Brötchen.
Schweigend frühstücken sie zu Ende.
Nachdem Jamon Ren dabei geholfen hat, die Küche von den Spuren des Frühstücks zu befreien, geht er zurück in den Hof, wo er den Pferden nun je eine Handvoll Hafer gibt und ihnen auch gleich das nächste Heunetz in die Boxen hängt.
Als die Pferde zufrieden kauend dastehen, nimmt er die Schneeschaufel und befreit den Hofplatz vom Schnee, ehe er die Asche auf dem Platz verteilt. Zwar ist der Boden nun schmutzig, aber immerhin nicht mehr glatt. Dennoch verzieht Jamon das Gesicht, als er die graue Schicht sieht, die alles andere als appetitlich aussieht. »Also die Pferde füttere ich jetzt nur noch in den Boxen. Das kann doch auf Dauer nicht gesund sein.«
»Führst du Selbstgespräche?« Schmunzelnd lehnt Kai im Türrahmen und beobachtet seinen Liebsten.
»Musst du nicht im Laden stehen?« Mit dem leeren Eimer geht Jamon zu Kai und haucht ihm einen Kuss auf die Lippen. »Was machst du hier hinten? Ist im Laden nichts los?«
Seufzend lehnt Kai die Stirn gegen die seines Liebsten. »Doch, schon, aber ich musste kurz aufs Klo und dachte, ich schau mal nach dir. Großvater steht im Moment im Laden, darum muss ich auch gleich wieder reingehen.«
»Wenn das so ist, kann ich dir dann den Ascheeimer geben? Ich will die Pferde noch ein wenig laufen lassen und die Boxen ausmisten, bevor wir nach dem Mittagessen losgehen, und bin ziemlich spät dran.«
Als ihm sein Sharik den Eimer aus der Hand nimmt, lächelt Jamon ihn dankbar an und haucht ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. »Danke, Sharik.«
Schmunzelnd legt ihm Kai die Hand auf die Wange. »Nichts zu danken. Du solltest dann aber noch einmal duschen, bevor wir losgehen. Du bist voller Asche, mein Schatz.« Noch bevor sein Liebster etwas erwidern kann, dreht Kai sich um und geht zurück ins Haus.
Die Stirn runzelnd blickt Jamon an sich runter und seufzt. »Na toll, sogar die Jacke ist voll.« Murrend geht er die Seile holen und blockiert das Tor, ehe er die Pferde rauslässt und die Boxen ausmistet. Dabei wird ihm richtig warm, obwohl die Kälte langsam durch seine Kleidung dringt.
Gute zwei Stunden später stehen Blacky und Rocky wieder in ihren Boxen und zupfen einzelne Heuhalme aus den neuen Netzen. Sie fressen allerdings nicht wirklich, da sie immer noch satt sind.
Zufrieden beobachtet Jamon das Verhalten der beiden und gibt ihnen noch einmal frisches Wasser, bevor er ins Haus geht und sich unter die Dusche stellt.
Im ersten Moment brennt das warme Wasser auf seiner kalten Haut, dennoch stellt er es nicht kälter, sondern genießt das Kribbeln sogar, als das Gefühl in seine Glieder zurückkehrt. Leider kann er es sich heute nicht leisten, zu lange unter der Dusche zu stehen, weshalb er schon nach ein paar Minuten bedauernd wieder aus der Wanne steigt und nach einem Frotteetuch greift.
Nachdem er sich abgetrocknet hat, wickelt er es sich um die Hüften. Vor dem Spiegel stehend, mustert er sich und betrachtet nachdenklich den Bart, der ihm in den letzten Tagen gewachsen ist. Eigentlich gefällt es ihm so.
Frisch geduscht und mit etwas gestutztem Bart verlässt er das Badezimmer und geht nach oben, wo er überrascht feststellt, dass es deutlich wärmer ist als noch am Morgen. Offenbar hat Großvater schon den Kamin angefeuert. Dennoch fröstelt es ihn, als er im Schlafzimmer steht. Er zieht sich deshalb eilig frische Kleidung an, diesmal einen besonders warmen Pullover und auch noch ein Shirt darunter.
So warm eingepackt, geht Jamon nach unten und setzt sich zu Kai und Ren an den Tisch, die schon auf ihn warten. Eine herrlich duftende Kartoffelsuppe steht auf dem Tisch und wartet nur darauf, dass sie verspeist wird.
»Verzeiht, dass ihr warten musstet. Großvater, meine Jacke ist leider voll Asche. Wie kriege ich die schnell wieder sauber?«
Ren ist schon dabei, die Suppe zu verteilen. »Reibe nicht an den Flecken, dann kannst du die Jacke noch bis zum Waschtag im Stall anziehen. Asche geht relativ gut wieder raus, wenn man sie nicht in den Stoff einreibt.«
»Okay, dann passe ich in den nächsten Tagen besonders gut auf.« Erleichtert, dass die Jacke wieder sauber werden wird, atmet Jamon auf und nimmt sich zu der Suppe auch noch ein Brötchen.
Nach dem Essen brechen die drei warm eingepackt und mit einem Korb voller Häppchen zu Yusakus Schmiede auf. Trotz der Flecken hat Jamon wieder die warme Jacke aus dem Wollstoff angezogen und sein Sharik hat ihm sogar noch grinsend eine Mütze über den Kopf gestülpt und einen Schal um den Hals gewickelt.
Mit gesenktem Köpfen gehen sie durch den stärker werdenden Schneefall über die weißen Straßen. Ihre Schritte werden durch die Schneeschicht gedämpft und irgendwie wirkt es durch das graue Licht seltsam, an den eigentlich so vertrauten Häusern und Geschäften vorbeizugehen.
Als sie den Platz vor Yusakus Schmiede erreichen, atmet Kai auf. »Endlich, ich dachte schon, wir kommen gar nicht mehr an. Ist die Schmiede etwa weiter weggewandert?«
Grinsend legt Ren die Hand auf die Schulter seines Enkels. »Das denke ich nicht, aber durch den Schnee ist dir die Strecke einfach weiter vorgekommen. Nun lass uns reingehen, wir werden sicher schon erwartet.«
Kai nickt und geht zur Tür. Als er die Hand hebt und anklopfen möchte, wird diese aber schon geöffnet.
»Da seid ihr ja. Ich dachte schon, dass euch der Schnee gefressen hat.« Grinsend lässt Yusaku die drei eintreten und nimmt Jamon den Korb ab. »Na los, ab nach oben mit euch. Wir haben im Wohnzimmer den Ofen angefeuert und einen kleinen Schrein aufgestellt. Wenn es euch recht ist, bitten wir hier um Glück fürs neue Jahr und gehen nicht durch den Schneesturm zum Tempel«, erzählt Yusaku ihnen, während sie nach oben in die Wohnung gehen, wo sie schon von Aja und Rashid erwartet werden.
»Jungs, ihr habt es also doch noch hergeschafft. Ich fürchtete schon, ihr bleibt bei dem Wetter zu Hause.« Stürmisch umarmt Aja Kai und drückt ihn an sich, ehe sie auch Ren umarmt und sogar Jamon kurz an sich zieht.
Noch immer mag er es nicht, von jemand anders als Kai oder Ren umarmt zu werden, dennoch legt er die Arme schnell um sie, ehe er zurücktritt und sich in dem gemütlichen Wohnzimmer umsieht. »Ich dachte, wir sind heute mit Dekorieren dran?«
Grinsend kratzt sich Yusaku am Hinterkopf und zuckt dann mit den Schultern. »Ja, eigentlich schon, aber irgendwie waren wir nach dem Schreinaufstellen gerade so schön in Fahrt und haben gleich weitergemacht.«
Vielsagend hebt Rashid eine Augenbraue an. »Meister Yusaku will nur nicht zugeben, dass Miss Aja ihn zum Aufräumen gezwungen hat, weil hier nach dem Aufbau ein gewaltiges Chaos geherrscht hat«, flüstert er Jamon zu, der sich nur mit Mühe ein lautes Lachen verkneifen kann.
»Wieso erstaunt mich das nicht?«, erwidert er grinsend und zieht sich die Jacke aus.
»Großvater, Sharik, gebt mir doch eure Jacken, wenn ihr jetzt hierbleibt.« Mit den Jacken geht er mit Rashid rüber ins Badezimmer, wo er sie dem großen Ägypter reicht, der sie in der Nähe des Ofens aufhängt, damit sie trocknen können. Da bemerkt Rashid die Flecken in Jamons Jacke und nimmt sie wieder vom Haken. »Ich wasche die schnell, dann ist sie trocken, bis ihr geht.«
Erstaunt nickt Jamon. »Danke, aber das ist doch nicht nötig«, erwidert er perplex. »Großvater wollte das beim nächsten Waschtag machen.«
Das Wasser in die Wanne laufen lassend, sieht Rashid ihn an. »Die Jacke ist vom Schnee nass geworden, also kommt es jetzt auch nicht mehr darauf an und die Flecken gehen jetzt noch besser raus.«
»Verstehe«, murmelt Jamon und sieht zu, wie Rashid gekonnt einen Fleck nach dem anderen aus dem weißen Stoff wäscht und die Jacke dann sorgfältig noch einmal ausspült, ehe er sie neben dem Ofen aufhängt.
»Es ist schon interessant. Meister Yusaku ist nicht gläubig, aber dennoch ist dieses Ritual an Silvester für ihn sehr wichtig und er war richtig betrübt, als sich das Wetter verschlechtert hat und Miss Aja meinte, dass sie hierbleiben sollten.« Rashid hat den Stoff noch einmal glatt gestrichen und dreht sich jetzt zu Jamon um. »Was ist mit dir? Glaubst du an die Götter? An Ra, dessen Sohn du bist? Und an die anderen?« Fragend sieht er den kleineren Mann an, der ernst zur Seite blickt und dann den Kopf schüttelt.
»Nein, ich glaube nicht an sie. Für viele ist der Glaube an sie ein Trost, aber das war er für mich nie und ich habe zu viel gesehen, als dass ich an so eine höhere Macht glauben könnte.«
Ernst nickt Rashid. »Das tut mir für dich leid. Für mich waren sie in den schweren Zeiten immer ein Pol der Hoffnung und schließlich haben sie meine Gebete erhört und mich zu einem gütigen Meister geführt. Dafür werde ich ihnen auf ewig dankbar sein.« Lächelnd legt Rashid die Hände auf Jamons Schultern. »Ich weiß, dass du durch deine Herkunft viel mehr weißt als ich und ich wohl nie verstehen werde, wie du wirklich zu den Göttern stehst, aber auch wenn du nicht an sie glaubst, so sind sie dennoch bei dir. Sie haben dir eine schwere Prüfung auferlegt und werden dir noch mehr auferlegen.« Ernst sieht er in diese Augen, die ihn tief in seinem Innern mit Ehrfurcht erfüllen und in die er unter anderen Umständen nie hätte schauen dürfen.
Fest erwidert Jamon den Blick und legt die Hand auf die von Rashid. »Danke dir. Lass uns zu den anderen gehen.« Bewusst klärt er ihn nicht darüber auf, wie der Glaube des Volkes von seiner Familie über die Jahrhunderte hinweg instrumentalisiert worden ist und wie auch die früheren Pharaonen teilweise ihre Macht im Namen der Götter missbraucht haben.
Gemeinsam gehen sie ins Wohnzimmer, bleiben aber stehen, kaum dass sie den Raum betreten haben. Jamon und Rashid beobachten schweigend, wie ihre Freunde und Familie mit gesenkten Köpfen vor dem kleinen improvisierten Altar stehen. Obwohl er weiß, dass keiner von ihnen gläubig ist, kann er spüren, dass ihnen dieser Moment des Innehaltens wichtig ist.
Schließlich klatschen sie dreimal in die Hände, ehe sie sich umwenden und lächelnd zu Jamon und Rashid blicken.
»Da seid ihr ja wieder. Wir sind hier soweit fertig. Wollen wir jetzt zu Abend essen?« Kai tritt auf seinen Liebsten zu und haucht ihm einen Kuss auf die Lippen. »Ich weiß, dir bedeutet das nichts, aber vielleicht willst du auch einen Moment innehalten«, raunt er ihm leise zu und legt ihm dabei die Hand auf die Wange. »Es tut unglaublich gut. Selbst wenn man nicht an die Götter glaubt.«
Jamon schmiegt seine Wange in die warme Handfläche. »Sharik, ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich weiß zu viel«, murmelt er betrübt, löst sich dann aber doch von ihm und geht zu dem kleinen Schrein, vor dem die Räucherstäbchen immer noch ihren wohlriechenden Rauch aufsteigen lassen.
Lange blickt er auf die schon beinahe hypnotischen Bewegungen der kleinen Rauchsäulen und bemerkt nicht, dass die anderen ihn allein lassen und leise in die Küche gehen. Erst als der Wind am Fenster rüttelt, erwacht Jamon aus seiner Trance und wendet sich um. Die Stirn runzelnd bemerkt er, dass er allein ist, und geht zur Tür. Dort bleibt er stehen und neigt lauschend den Kopf. Leise hört er Stimmen aus der Küche und folgt ihnen, bis er den wärmsten Raum der Wohnung betritt.
»Da seid ihr ja. Tut mir leid, ich wollte euch nicht aus dem Wohnzimmer vertreiben.« Mit einem schuldbewussten Blick geht er zu seinem Sharik und legt ihm die Hand auf die Schulter.
Lächelnd legt Kai seine Hand auf die seines Liebsten und schüttelt den Kopf. »Du hast uns nicht vertrieben. Wir wollten dir einen Moment Ruhe gönnen und haben uns hier gut unterhalten. Jetzt sollten wir aber langsam mal die Häppchen von Großvater zu Ajas Köstlichkeiten stellen und es uns im Wohnzimmer am Kaminfeuer gemütlich machen.«
Mit einem schiefen Grinsen, da sein Magen wie auf Kommando knurrt, nickt Jamon und schnappt sich zwei der Teller, auf denen die Häppchen angerichtet sind.
Gemeinsam gehen sie mit den gefüllten Tellern zurück ins Wohnzimmer und setzen sich auf das Sofa und die Stühle, die in einem Halbkreis um den Kamin und den niedrigen Couchtisch aufgestellt sind.
Obwohl Jamon angesichts des Feuers nervös ist, lehnt er sich neben Kai zurück und lauscht den Gesprächen der anderen, ohne die Worte jedoch bewusst wahrzunehmen.
Nachdem er sich satt gegessen hat, lehnt er sich an seinen Sharik. Plötzlich müde legt er den Kopf auf dessen Schulter und ist kurz darauf eingeschlafen.
Kai blickt schmunzelnd zu seinem schlafenden Liebsten. »Er war die ganze Zeit über so angespannt. Kein Wunder, dass er jetzt so müde ist«, murmelt er leise und konzentriert sich dann wieder auf Yusaku. »Wir wissen nicht, wie es genau weitergeht. Jetzt, da er sich an seine Vergangenheit erinnert. Wir nehmen jeden Tag, so wie er kommt. Etwas anderes bleibt uns ja nicht übrig. Und noch kämpft Jamon ja mit den Erlebnissen nach seiner Versklavung.«
Ernst nickt Yusaku und nimmt einen Schluck von seinem Tee. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Kriegt er immer noch Panik, wenn man Liebe sagt?« Neugierig mustert er Jamon, der im Schlaf so entspannt wirkt, wie er ihn noch nie gesehen hat.
Tief seufzend streicht Kai eine Strähne aus dem Gesicht seines Liebsten. »Er vermeidet das Wort, wo er nur kann, und wir lassen es nicht darauf ankommen. Er bestimmt das Tempo und ehrlich gesagt, habe ich mich inzwischen daran gewöhnt, es in dem Zusammenhang, mit dem er Probleme hat, nicht zu benutzen.«
Ungläubig schüttelt Yusaku den Kopf. »Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn ich Aja nicht Ich liebe dich sagen könnte, dann würde ich verrückt werden. Wie macht ihr das denn?«
Leise lacht Ren auf. »Sie haben eine ganz eigene Formulierung gefunden. Hast du etwa nie zugehört, wenn sie Mein Herz gehört dir gesagt haben?«
Als Yusaku nun die Stirn runzelt, verdreht Aja die Augen. »Du hast nie zugehört, mein Lieber, und wenn doch, dann hast du es wieder vergessen.« Lachend gibt sie ihm einen lauten Schmatzer auf die Wange, als die ersten Raketen mit einem Knall explodieren. »Schon so spät? Das habe ich gar nicht bemerkt. Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr und hoffen wir, dass das Jahr 2017 mindestens genauso gut oder noch besser wird, als das letzte Jahr.«
»Ja. Und ruhiger«, fügt Kai hinzu.
Als sie mit ihrem Tee lachend anstoßen, wird Jamon wieder wach. »Was ist passiert? Bin ich etwa eingeschlafen?« Verwirrt blickt er sich im Wohnzimmer um und sieht dann fragend zu seinem Sharik, der ihm lächelnd einen Kuss auf die Lippen haucht.
»Ja, das bist du. Du hast den Jahreswechsel verschlafen. Ich wünsche dir ein frohes neues Jahr, mein Liebster.«
Automatisch erwidert Jamon den gehauchten Kuss. »Das wünsche ich dir auch«, raunt er leise und mustert dann die anderen. »Natürlich wünsche ich euch auch ein frohes neues Jahr und viel Gesundheit.« Bei den letzten Worten sieht er vielsagend zu Großvater, der den Blick ernst erwidert, dann aber schief grinst.
»Ich werde mir Mühe geben, dass ich mich nicht mehr überarbeite.«
»Das will ich auch hoffen, nicht dass Jamon dich noch öfter wieder einrenken muss«, kommentiert Kai trocken, was für lautes Gelächter sorgt, vor allem, weil Ren gespielt empört das Gesicht verzieht und mit dem erhobenen Zeigefinger vor Kais Nase rumwedelt.
»Nicht frech werden, mein Junge. Komm du erst mal in mein Alter und sei dann immer noch so fit, wie ich es bin.« Das breite Grinsen auf dem Gesicht des alten Mannes, straft seinen strengen Tonfall Lügen.
»Wir werden es ja dann sehen, wie fit Kai noch ist und ob er dich dann endlich auch mal im Schach schlagen kann«, wirft Yusaku gedankenlos ein, was eine plötzliche Stille hervorruft, ist doch allen klar, dass Ren den Tag unmöglich erleben kann.
Um die unangenehme Stille zu beenden, räuspert sich Ren lautstark. »Es ist schon spät. Wir sollten langsam nach Hause gehen. Auch wenn Kai morgen ausschlafen kann, haben wir viel zu tun.« Vielsagend blickt er zu Kai, der beim Gedanken an die immer wieder verschobene Inventur das Gesicht verzieht. »Du hast ja recht«, murrt er und steht auf. »Ihr habt es gehört. Holen wir unsere Jacken und gehen raus in die kalte Nacht.«
Bei der Vorstellung, dass er raus in die Kälte muss, erschauert Jamon unwillkürlich. Er steht auf und holt die Jacken aus dem Badezimmer. »Ein Glück, sie ist trocken!« Erleichtert schlüpft er in die durch den Ofen kuschelig warme Jacke, ehe er zurück zu den anderen geht, die schon unten an der Tür auf ihn warten. Er reicht seinem Sharik und Großvater die Jacken.
Nachdem sie sich alle von einander verabschiedet haben, machen sich Kai, Ren und Jamon auf den Heimweg durch die inzwischen klare, aber dafür eiskalte Nacht. Die Hände tief in den Taschen vergrabend und mit hochgeklappten Kragen laufen sie, im knirschenden Schnee die ersten Spuren hinterlassend, durch die menschenleeren Straßen. Keiner sagt ein Wort, um auch ja möglichst wenig von der eisigen Luft in die Lungen zu bekommen.
Endlich erreichen sie durchgefroren den Hinterhof und betreten den schneeweißen Platz, nur um gleich darauf von einem lauten Schnauben und Stampfen begrüßt zu werden, was Jamon die Stirn runzeln lässt.
»Ich habe die Stalltüren doch geschlossen«, murmelt er besorgt und rennt zu der nur noch angelehnten Tür. Voller Sorge um seine Racker betritt er den Stall und mustert die wachen Pferde, nur um gleich darauf scharf die Luft einzuziehen, als er in Blackys Box einen Schatten im Stroh liegen sieht. »Kai, Großvater! Kommt schnell her!«