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Kapitel 2: Der Sklavenmarkt

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Am Samstag zieht sich Kai nach dem Mittagessen seine braune Jacke an, schließlich ist es erst Anfang Frühling und draußen immer noch relativ frisch. Gerade als er den Laden verlassen will, wird er von seinem Großvater aufgehalten: »Kai, warte einen Moment.«

Der alte Mann geht zum Tresen, öffnet die Kasse und nimmt etwa vierzig Silbermünzen heraus. Diese verstaut er in einem braunen Lederbeutel. »Hier. Nimm die Münzen für alle Fälle mit.« Auffordernd hält er den Beutel seinem Enkel hin.

»Großvater, ich gehe mit Yu auf den Sklavenmarkt, weil er mich um Hilfe gebeten hat. Ich habe nicht vor, dort irgendwas zu kaufen.«

»Trotzdem. Du musst ja nichts kaufen, aber bitte tu mir den Gefallen und sei nicht so stur.« Da Kai immer noch keine Anstalten macht den Beutel zu nehmen, greift sich Ren dessen Hand und drückt ihm den Beutel zwischen die Finger.

Schließlich verstaut Kai diesen genervt in der Innentasche seiner Jacke. »Nur damit du Ruhe gibst. Bis später.«

Zufrieden über seinen kleinen Sieg, sieht ihn sein Großvater an. »Du musst ja nichts kaufen. Bis später.«

Ren bleibt noch eine Weile im Türrahmen stehen und sieht seinem Enkel nach, bis dieser um die nächste Ecke verschwunden ist. Erst dann geht er wieder in den Laden zurück.

Kai muss eine gute halbe Stunde durch die Stadt gehen, bis er die große Halle erreicht, in der jeden Samstag der Sklavenmarkt stattfindet. Vor den offenen Toren sieht er schon Yusaku stehen.

»Hallo, Yu.« Rufend und winkend macht er den großen blonden Mann auf sich aufmerksam, der sich mit einem erleichterten Grinsen im Gesicht zu ihm umdreht.

»Hallo, Kai. Da bist du ja endlich.«

»Ich wurde im Laden aufgehalten«, brummt dieser entschuldigend.

»Jetzt bist du ja da«, winkt Yusaku ab. »Also los, auf ins Getümmel.« Voller Tatendrang reibt er sich die Hände.

Das lässt Kai schmunzeln. »Ja, schauen wir mal, ob wir einen Sklaven für dich finden.«

Gemeinsam gehen sie hinein.

Drinnen sind lauter Podeste aufgebaut worden, auf denen die angebotenen Sklaven entweder knien oder stehen, je nachdem, was der Verkäufer von ihnen verlangt.

»Wie viel willst du eigentlich maximal ausgeben?« Neugierig blickt sich Kai in der Halle um, während er seinem Kumpel folgt.

»Ich kann nicht mehr als fünfundzwanzig Silbermünzen bezahlen«, gibt Yusaku zerknirscht zu. Angesichts der Preise, die die Händler für ihre Sklaven ausrufen, erscheint ihm das nun als zu wenig.

Aufmunternd blickt ihn Kai an. »Ach, mit etwas Handeln wird das schon werden. Du willst ja keinen Luxussklaven, sondern einen, der anpacken kann.«

Sie gehen weiter durch die Gänge und es wird immer deutlicher, dass vorne am Tor die Preise deutlich höher sind als weiter hinten in der Halle.

Überall um sie herum werden die Sklaven von möglichen Käufern untersucht und begutachtet, was diese mit unbewegten Mienen über sich ergehen lassen.

Schließlich bleibt Kai an einem der Stände stehen. »Yu, was meinst du? Der hier sieht nicht schlecht aus«. Er deutet auf einen großen Mann, der lediglich mit einer einfachen Tunika und Ledersandalen bekleidet auf dem Podest steht.

Kritisch sieht sich Yusaku den leicht gebräunten Glatzkopf an. »Ich weiß nicht, der sieht so grimmig aus.«

Die Antwort lässt Kai den Kopf schütteln. »Die sehen hier alle so aus. Lass ihn uns mal ansehen, immerhin scheint er kräftig zu sein.«

Nicht wirklich überzeugt, gibt Yusaku nach.

Inzwischen sind sie von dem Händler bemerkt worden: »Ah, meine Herren. Sie interessieren sich für dieses Prachtexemplar?«

Hilfesuchend sieht Yusaku seinen Freund an. »Ähm ja«, antwortet er zögernd.

»Dann haben Sie ein gutes Auge. Der Sklave ist kräftig und mit einer starken Hand können Sie ihn nach Ihren Wünschen abrichten.«

»Kai, bitte hilf mir«, flüstert Yusaku.

»Lass mich nur machen. Ich glaube nämlich wirklich, dass dieser Mann der Richtige für deine Schmiede ist.«

Seinen professionellsten Gesichtsausdruck aufsetzend, wendet sich Kai an den Händler: »Sie können uns viel erzählen. Ich möchte mir selbst ein Bild vom Zustand dieses Mannes machen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Er blickt kalt in die Augen des Händlers, was diesen tatsächlich in seinem Redeschwall innehalten lässt.

»Natürlich. Tun Sie sich keinen Zwang an.« Er deutet eine leichte Verbeugung an, während er ein paar Schritte zurückweicht, um Kai Platz zu machen.

Mit undurchdringlicher Miene stellt sich Kai vor den Sklaven, der an das Podest gekettet ist. Er geht einmal um ihn herum und sieht die Narben auf dem Teil des Rückens, der nicht von der Tunika verdeckt wird, bemerkt das Muskelzucken, als er ihn mit der Hand berührt. Schließlich stellt er sich direkt vor ihn. »Verstehst du unsere Sprache?«

»Ja, der Sklave …«, meldet sich der Händler, wird jedoch von Kai mit einem Blick zum Schweigen gebracht.

»Ich habe den Sklaven gefragt, nicht Sie.« Er wendet sich wieder dem großen Mann zu. »Also?«

Er registriert das überraschte Blinzeln, bevor dieser mit tiefer Stimme antwortet. »Ja, ich spreche eure Sprache.« Deutlich ist ein Akzent herauszuhören, den Kai aber nicht zuordnen kann. »Gut. Wie lautet dein Name? Kennst du dich mit der Arbeit in einer Schmiede aus?«

Einen Moment lang zögert der Mann, doch dann antwortet er. »Ich heiße Rashid. In einer Schmiede habe ich noch nie gearbeitet.« Diese Antwort trägt ihm einen bösen Blick vom Händler ein, was Kai zwar registriert, aber nicht kommentiert.

»Okay, kannst du mit Pferden umgehen?«

»Ich habe in einem Stall gearbeitet. Ja.«

Nun wendet sich Kai von dem Sklaven ab und geht zu Yusaku, der das Ganze beobachtet hat. Er zieht ihn ein wenig zur Seite, bis er sicher ist, dass der Händler sie nicht mehr verstehen kann, wenn er sich nun leise mit Yusaku berät. »Ich würde sagen, dass der Sklave für die Schmiede geeignet ist. Er hat ehrlich geantwortet, obwohl ihm das vermutlich Schläge einbringen wird, sobald wir weg sind.« Er sieht seinen Kumpel genau an, der ihm aufmerksam zuhört, und fährt dann leise fort. »Allerdings ist mir aufgefallen, dass er zusammengezuckt ist, als ich ihn am Gesäß berührt habe.«

Jetzt wirkt Yusaku verwirrt. »Und was hat das zu bedeuten?«

Seufzend sieht Kai zur Seite. Er weiß das doch auch nur aus den Gesprächen mit seinen Kunden. »Das bedeutet, dass er nicht so gebrochen ist, dass er sich alles gefallen lässt.« Vielsagend blickt er Yusaku an, der einen Moment braucht, bis er realisiert, was Kai ihm sagen will.

»Verdammt, Kai, dafür will ich ihn auch nicht.« Empört verschränkt er die Arme vor der Brust.

»Das habe ich auch nicht vermutet. Ich wollte es dir nur sagen: Es könnte ein gutes Argument bei der Preisverhandlung sein. Also, was meinst du? Soll ich versuchen, mit dem Händler ins Geschäft zu kommen?« Beruhigend legt er Yusaku die Hand auf die verschränkten Arme und wartet auf dessen Entscheidung.

Prüfend sieht der Blonde zu dem großen Sklaven hinüber. »Ich glaube, du hast recht. Wenn er sich nicht alles gefallen lässt, kann das bei schwierigen Kunden nur von Vorteil sein.«

»Gut, dann werde ich sehen, was ich machen kann.« Zuversichtlich sieht Kai Yusaku an und wendet sich wieder dem Händler zu.

»Haben Sie sich entschieden?«

Kai tut so, als wäre er unsicher. »Ich weiß nicht, das hängt vom Preis ab.«

»Natürlich. Der Sklave kostet dreißig Silbermünzen.«

Der Preis ist gut, das muss Kai zugeben. Trotzdem schüttelt er den Kopf. »Das ist viel zu viel. Ich biete Ihnen fünfzehn.« Er sieht dem Händler fest in die Augen.

Dieser erwidert den Blick kurz und sagt steif: »Das ist ein inakzeptables Angebot. Wie wäre es mit siebenundzwanzig Silbermünzen? Der Sklave ist in einem einwandfreien Zustand, das haben Sie selbst gesehen.«

»Das werden wir nicht bezahlen. Der Sklave muss noch erzogen werden und ist offensichtlich ungehorsam. Keiner wird diesen Preis bezahlen«, lehnt er den Preisvorschlag entschieden ab und sieht, wie der Händler die Augen zusammenkneift.

»Na gut, sagen wir vierundzwanzig Silbermünzen.«

Kai hört, wie Yusaku hinter ihm die Luft anhält. Das ist ein Preis, den sein Kumpel bezahlen könnte, aber er will den Händler noch weiter herunterhandeln. »Das ist immer noch zu viel. Ich biete achtzehn Silbermünzen. Immerhin muss der Sklave offensichtlich so hart angefasst werden, dass Spuren zurückbleiben.« Er sieht den Händler fast schon gelangweilt an, was angesichts seiner Aufregung nicht leicht ist.

»Gut, ich gehe runter auf zwanzig Silbermünzen. Das ist aber mein letztes Angebot.«

Immer noch gelangweilt wirkend wendet sich Kai an Yusaku: »Was meinst du? Ist dir der Sklave zwanzig Silbermünzen wert?«

Yusaku kratzt sich am Kopf und verhält sich so, als würde auch er angestrengt über das Angebot nachdenken. »Ich denke, mit dem Preis kann ich leben.«

Die Antwort lässt den Händler zufrieden grinsen. »Dann haben Sie jetzt einen Sklaven gekauft. Ich bräuchte dann noch Ihren Wappenstempel und natürlich die Silbermünzen.«

»Natürlich.« Umständlich kramt Yusaku den eisernen Stempel hervor und gibt ihn dem Händler. Dieser hält ihn über ein Feuer, bis er sich erhitzt hat, und drückt ihn dann auf ein breites Lederhalsband. Danach hält er ihn in einen Eimer mit Wasser, ehe er ihn zurückgibt und das Geld entgegennimmt.

Danach geht er zu dem Sklaven, tauscht das alte gegen das neue Halsband aus und fesselt ihm mit einem Strick die Hände vor dem Körper. Erst danach löst er grob die Ketten.

»Bitte sehr, meine Herren. Ich gratuliere Ihnen zum Kauf ihres Sklaven.«

Mit einem angedeuteten Nicken nimmt Yusaku den Strick entgegen. Zu dritt verlassen sie den Stand.

Sie gehen ein paar Meter, dann wendet sich Yusaku an Kai: »Das war klasse. Ich hätte nie gedacht, dass du es schaffst, den Preis so weit herunterzuhandeln.« Breit grinsend schlägt er Kai so fest auf die Schulter, dass dieser einen Schritt nach vorn machen muss.

»Und zum Dank schlägst du mich?« Mit gespielter Empörung reibt er sich die Schulter.

»Sorry, ich bin nur so happy.« Entschuldigend sieht Yusaku seinen Kumpel an.

»Schon gut. Ich bin selbst überrascht, dass er so weit runterging.«

Kai will noch mehr sagen, als er auf einmal wütende Beschimpfungen hört:

»Du verdammter Nichtsnutz! Wer hat dir erlaubt dich hinzuknien! Steh sofort wieder auf oder du wirst es bereuen!«

Kai blickt in die Richtung, aus der das Geschrei kommt und sieht, wie einer der Händler mit einem Stock auf einen schwarzhaarigen jungen Sklaven einprügelt. Der kniet auf dem Boden und versucht seinen Kopf mit den gefesselten Händen zu schützen. Es tut Kai in der Seele weh, wenn er so etwas mit ansehen muss. Schockiert will er sich dennoch abwenden, hält aber inne, als er das gequälte Stöhnen hört und sieht, wie der Sklave versucht, wieder auf die Beine zu kommen, was ihm unter den andauernden Schlägen aber nicht gelingt.

Kai geht mit schnellen Schritten zu dem Stand, ohne genau zu wissen, was er dort eigentlich will. »Was ist denn hier los?« Fragend sieht er zu dem Händler, der für einen Moment in der Bewegung innehält.

Dann trifft der Stock den Sklaven wieder mit voller Wucht. »Das geht Sie nichts an. Es sei denn, Sie wollen dieses Nichts hier kaufen.« Mit einem boshaften Blick in den Augen fixiert der Mann Kai.

»Dafür müsste ich ihn mir erst mal ansehen. Das geht aber schlecht, wenn Sie gleichzeitig auf ihn einprügeln.«

Die festen Worte lassen den Händler etwas zurücktreten. »Tun Sie sich keinen Zwang an.« Verächtlich blickt er auf den Sklaven, der zusammengekrümmt auf dem Boden kniet.

Den Händler ignorierend fasst Kai unter das Kinn des Sklaven, um dessen Kopf anzuheben. Dabei registriert er, dass die leicht gebräunte Haut viel zu heiß ist. Als er dann in das Gesicht des Mannes sehen kann, stockt ihm der Atem: Obwohl dieser offensichtlich Fieber und Schmerzen hat, blickt er ihn mit ungewöhnlichen himmelblauen Augen an, in denen sich deutlich ein starker Wille widerspiegelt. Über dem rechten Auge hat er zudem eine Narbe, die allerdings schon älter zu sein scheint.

»Kannst du aufstehen?« Fragend blickt Kai den Mann vor sich an, der etwa in seinem Alter ist.

»Ich kann es versuchen.« Die Stimme ist rau und heiser, als wäre sie schon lange nicht mehr benutzt oder erst vor kurzem extrem strapaziert worden. .

Für einen Moment schließt der Sklave seine Augen und richtet sich dann im Zeitlupentempo auf, bis er auf wackligen Beinen vor seinem möglichen Käufer steht. Fest blickt er jetzt in Kais Augen, die Haltung wirkt schon fast königlich und hat nichts von der Unterwürfigkeit, die für einen Sklaven angebracht wäre.

Kritisch mustert Kai den Mann, der gut einen Kopf größer ist als er selbst. Sein Blick gleitet über den schlanken Körper, der nur von einer kurzen grauen Tunika bedeckt wird, die schon deutlich bessere Tage gesehen hat. Immerhin hat er die für Sklaven üblichen Ledersandalen an.

Als Kai um den Sklaven herumgeht, fallen ihm relativ frische Blutspuren auf, die sich auf dessen Beinen befinden, sagt aber nichts. Er berührt auch diesen Mann am Gesäß, was jedoch ohne eine sichtbare Reaktion ertragen wird. Er hört nur, wie der Sklave scharf einatmet.

Mit verschränkten Armen stellt Kai sich vor dem Sklaven auf. »Also, dann sag mir mal, was du kannst.«

Die himmelblauen Augen mustern ihn ganz genau, bevor er eine Antwort erhält. »Was soll ich denn auf diese Frage antworten? Wenn ich Ihnen sage, dass ich mehrere Sprachen beherrsche, dass ich lesen und schreiben kann, ist das dann die richtige Antwort? Oder wollen Sie wissen, was ich mit meinen Händen und meinem Körper oder meinem Mund machen kann? Gebe ich die falsche Antwort, wird mich der Händler bestrafen.« Resigniert blickt der Sklave nun zu Boden.

»Du sagst, dass du lesen und schreiben kannst? Dann lies mir vor, was hier steht.« Kai hält ihm sein Notizbuch hin.

Einen Moment lang mustert der Mann den Einband, ehe er es aufschlägt. »Montag: Lieferung der Seidenstoffe aus China. Nach Sonnenaufgang am Hafen abholen. Dienstag: Naoko Fuku in der Weberei aufsuchen, um neues Leinen zu bestellen. Mittwoch: Rocky und Blacky zu Yu bringen.« Fragend sieht er Kai an. »Soll ich noch weiterlesen?«

»Nein, das reicht.« Kai ist positiv überrascht, doch das lässt er sich nicht anmerken. »Hast du einen Namen?« Besorgt mustert er den Mann mit der leicht gebräunten Haut. Es ist wirklich deutlich zu sehen, dass der Sklave Fieber hat. Kein Wunder also, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.

»Mein Name lautet seit fünf Jahren Yari.«

Überrascht zieht Kai die Augenbrauen hoch. »Und wie war dein Name vorher?«

»Ich weiß es nicht. Ich kann mich an mein früheres Leben nicht erinnern.«

Deutlich kann Kai in den Augen von Yari sehen, dass dieser die Wahrheit sagt.

Er wendet sich von ihm ab und fixiert den Händler. »Ich biete dir neun Silbermünzen für den Sklaven.« Mit verschränkten Armen wartet er dessen Reaktion ab.

»Was? Das ist viel zu wenig. Der Sklave ist deutlich mehr wert.« Scheinbar empört über das Angebot, sieht er auf den kleineren Mann hinunter.

»Ach ja? Der Sklave ist vorhin zusammengebrochen und auch jetzt kann er sich kaum auf den Beinen halten. Er hat Fieber und offensichtlich frische Wunden. Wer weiß, wie lange es dauern wird bis ich ihn voll einsetzen kann – wenn er überhaupt überlebt. Vielleicht hat er ja eine Blutvergiftung …«

Sie starren sich an, bis der Händler schließlich den Blick abwendet: »Gut, ich gebe ihn Ihnen für elf Silbermünzen.«

»Na schön«, brummt Kai. Er zieht seinen Wappenstempel aus der Innentasche der Jacke und reicht ihn dem Händler.

Auch Yari werden die Hände mit einem groben Strick vor dem Körper zusammengebunden, während Kai die Münzen abzählt.

Mit Mühe und Not schafft es Yari, seinem neuen Besitzer zu folgen. Seine Beine drohen dabei immer wieder einzuknicken.

»He, Alter, ich dachte, du willst keinen Sklaven kaufen.« Yusaku steht grinsend vor Kai, als sie ein paar Meter von dem Stand weg sind.

»Das wollte ich auch nicht, aber ich konnte nicht anders.«

»So kann’s gehen. Jetzt haben wir beide einen Sklaven. Aber jetzt gehen wir besser. Ich muss heute noch zwei Pferde beschlagen.« Die Hand auf die Schulter seines Freundes legend, deutet Yusaku mit dem Kopf in Richtung Tor.

»Gute Idee. Großvater wird sich schon fragen, wo ich so lange bleibe.«

Da es inzwischen ziemlich voll ist, müssen sie mühsam durch die Menschenmenge schlängeln, wobei Kai immer wieder besorgt zu Yari schielt, der trotz seiner leicht gebräunten Haut blass wirkt.

»Geht’s?« Kai bereut es jetzt, dass er nicht mit einem der Pferde gekommen ist.

»Es geht schon. Es muss.« Yari lächelt bemüht, um seinen neuen Besitzer nicht schon jetzt zu verärgern.

Als sie es an die frische Luft geschafft haben, atmet Yari hörbar auf.

Langsam gehen sie die Straße entlang. Plötzlich bleibt Kai stehen und dreht sich zu seinem neuen Sklaven um. »Also, Yari. Ich heiße Kai und ich will auch, dass du mich so nennst. Verstanden?«

Überrascht nickt Yari.

»Gut. Kann ich darauf vertrauen, dass du nicht abhaust, wenn ich dir jetzt dieses blöde Seil abnehme?«

Wieder kann Yari nur nicken. Viel zu sehr ist er von diesem Verhalten verwirrt. Im ersten Moment merkt er gar nicht, wie sich sein neuer Besitzer an seinen Handgelenken zu schaffen macht. Als dann jedoch die Klinge eines kleinen Dolches in der Sonne aufblitzt, zuckt er zusammen.

»Hier, Kai«, sagt Yusaku. »Die machen die Knoten so fest, dass du das Seil durchschneiden musst. Musste ich bei Rashid gerade auch so machen.«

Dankend nimmt Kai den kleinen Dolch entgegen und nur Sekunden später sind Yaris Hände frei. Unbewusst reibt dieser sich daraufhin die leicht geröteten Handgelenke.

»Ich habe vorhin nicht übertrieben, als ich sagte, dass du krank bist. Wir haben noch ein ganzes Stück zu laufen. Schaffst du das?« Fragend sieht Kai sein Gegenüber an.

»Ich schaff das schon.« Dann nimmt Yari seinen ganzen Mut zusammen. »Ich wäre nur froh, wenn wir langsam gehen könnten.« Dass er das Gefühl hat, zu verdursten, sagt er seinem neuen Besitzer lieber nicht. Wer weiß, vielleicht wäre es dann mit der Freundlichkeit vorbei.

»Das sollte kein Problem sein. Yu kann mit Rashid ja vorgehen, wenn wir ihm zu langsam sind.«

In gemächlichem Tempo gehen sie weiter durch die Straßen, bis sie an einem Marktstand vorbeikommen, an dem man Wasser kaufen kann. Sehnsüchtig blickt Yari auf die Flaschen.

»He, Kai, ich habe ja noch etwas Geld übrig. Ich spendiere eine Runde Wasser«, meint Yusaku.

Noch bevor Kai etwas sagen kann, hält er eine Wasserflasche in der Hand und nicht nur er: Yusaku hat auch an die beiden Sklaven gedacht und jedem eine Flasche gekauft.

Jede Vorsicht vergessend, beginnt Yari durstig zu trinken, bis ihm siedend heiß einfällt, dass er das ohne die Erlaubnis seines neuen Besitzers gar nicht darf. Auf Schläge gefasst senkt er die Flasche wieder, doch zu seinem Erstaunen sagt niemand etwas zu seinem Verhalten. Stattdessen wird ihm ein nachsichtiges Lächeln zugeworfen.

»Wenn du willst, kannst du meine Flasche auch noch haben.« Kai hält Yari sein Wasser hin und nimmt ihm die leere Flasche ab.

»Danke.« Endlich kann er seinen Durst richtig stillen.

An einer Kreuzung trennen sich die Wege der Freunde.

Kai und Yari gehen nun noch langsamer weiter und machen auch öfter eine kleine Pause, daher brauchen sie für die Strecke bis zu Kais Laden fast eine Stunde.

»Also, da wären wir.« Kai ist etwas nervös. Immerhin weiß sein Großvater ja noch nicht, dass sie ab heute zu dritt sein werden.

Zusammen mit Yari betritt er seinen Laden, was das Glöckchen über der Tür zum Bimmeln bringt.

»Großvater! Ich bin wieder da!« Suchend schaut er sich im Laden um.

»Ah, Kai, da bist du ja wieder.« Ren kommt grinsend hinter einem der Regale hervor. »Wen hast du denn da mitgebracht?« Neugierig mustert er den fremden jungen Mann, der hinter seinem Enkel steht.

»Ähm, das ist Yari. Yari das ist mein Großvater Ren.«

Freundlich lächelnd hält Ren dem jungen Mann seine Hand hin, die nach einem kurzen Zögern ergriffen wird. »Wenn ich das richtig sehe«, sagt Ren mit einem Blick auf das Sklavenhalsband, »ist das unser Familiensymbol, darum heiße ich dich einfach mal in unserer Familie willkommen.« Mit festem Griff schüttelt er Yaris Hand. »

Ähm, danke Sir«, erwidert Yari unsicher.

»Ach Junge, nenn mich einfach nur Ren. – Kai, der Nachmittag war ruhig. Du kannst dich also in Ruhe um unseren Familienzuwachs kümmern. Wenn was ist, rufe ich dich.« Resolut schiebt er seinen Enkel aus dem Laden.

Da Yari nicht so recht weiß, was er jetzt machen soll, folgt er den beiden in den hinteren Teil des Hauses.

»So, ich bin dann wieder im Laden.«

Schon ist Ren verschwunden und lässt die beiden jungen Männer allein im Flur zurück.

»Also, dann würde ich sagen, dass wir dich erst in ein heißes Bad und dann ins Bett stecken. Komm mit, Yari.«

Zusammen gehen sie durch eine Tür auf der rechten Seite des Flurs. Dahinter verbirgt sich ein schlichtes Badezimmer. Die eiserne Wanne ist gerade groß genug für eine Person und verfügt über zwei Wasserhähne.

»Unser Kaiser hat vor ein paar Jahren seine Technolimagi dafür Sorgen lassen, dass alle Bewohner der Städte in der Küche und im Bad fließendes Wasser haben. Heiß und kalt.«

Stolz beginnt Kai das heiße Wasser in die Wanne laufen zu lassen, bis diese zur Hälfte gefüllt ist.

»Ich schau mal nach, ob ich noch irgendwo Sachen habe, die dir passen könnten. Du machst es dir solange in der Wanne gemütlich.« In der Tür dreht sich Kai noch mal um. »Du kannst das Halsband übrigens ausziehen, solange du das Haus beziehungsweise den Hinterhof nicht verlässt.« Mit diesen Worten verlässt Kai das Badezimmer und lässt einen verwirrten und verunsicherten Yari zurück.

Nach kurzem Zögern löst Yari das Leder um seinen Hals, wofür er den Spiegel über dem Waschbecken als Orientierungshilfe benutzt. Dann zieht er sich die verschlissene Tunika sowie die Sandalen aus und lässt sich in das angenehm heiße Wasser gleiten, das an den offenen Stellen auf seiner Haut etwas brennt.

Unterdessen geht Kai auf den Dachboden, wo sie in einer Kiste die Kleidung von seinem Vater aufbewahren. Da Yari etwa dessen Größe hat, könnten ihm die Sachen so halbwegs passen. Außerdem ist alles besser, als diese verschlissene Tunika.

Bepackt mit zwei Hosen und zwei Hemden geht Kai wieder nach unten ins Badezimmer. Ohne anzuklopfen betritt er den Raum, was Yari erschrocken hochfahren lässt.

»Keine Sorge, ich bin es nur. Ich habe dir hier ein paar Sachen rausgesucht. Vermutlich sind sie dir etwas zu groß, aber sie werden ihren Zweck erfüllen, bis wir dir etwas Neues besorgt haben.«

Kai versucht möglichst ruhig zu sprechen, weil er merkt, dass ihn Yari misstrauisch beobachtet. Dabei legt er die Sachen auf den kleinen Hocker, der neben der Toilette an der Wand steht.

Mit ruhigen Schritten geht er nun zu dem Schrank neben der Tür, nimmt eines der großen Frotteetücher heraus und legt es neben der Wanne auf den Boden. »Komm bitte ins Wohnzimmer, wenn du fertig bist. Das ist die Treppe hoch, der Raum auf der rechten Seite. Ich zeige dir dann dein Zimmer.«

Erst als Kai wieder weg ist, kann sich Yari ein wenig entspannen. Trotzdem beeilt er sich, will er doch die Geduld seines neuen Besitzers nicht zu sehr belasten.

Bedauernd steigt er schließlich aus dem warmen Wasser und nimmt sich das bereitgelegte Handtuch. Schnell trocknet er sich ab und schlüpft in eine der braunen Hosen. Sie ist wirklich ein wenig zu groß, rutscht ihm aber zum Glück nicht runter. Dann greift er zu einem der beigen Hemden. Auch das ist etwas zu groß, aber wenn er die Ärmel hochkrempelt, geht es. Außerdem kann er sich kaum noch daran erinnern, wann er das letzte Mal etwas anderes als die Sklaventunika getragen hat, daher ist er froh und freut sich sogar etwas. Kurz überlegt er, ob er das Halsband wieder anziehen soll, legt es dann aber mit einem Anflug von Mut zu den restlichen Sachen, die er sich unter den Arm klemmt.

Barfuß verlässt er das Badezimmer und geht wie befohlen die Treppe nach oben und dann in den Raum auf der rechten Seite.

Dort wird er schon von Kai erwartet: »Das ging aber schnell. Dann kann ich dir ja gleich dein Zimmer zeigen.« Er deutet Yari an, dass er ihm folgen soll und geht voraus.

»Das Badezimmer kennst du ja schon. Wenn du es benutzt, dreh einfach das kleine Schild an der Tür um. Das ist unser Zeichen, dass es besetzt ist. Die Küche ist genau unter dem Wohnzimmer und neben dem Badezimmer. Den Laden kennst du ja schon. Und dann gibt es noch das Lager, aber das werde ich dir zeigen, wenn du dich ausgeruht hast. Hier oben sind das Wohnzimmer, die Tür zum Dachboden«, er deutet auf die rechte Seite, »und die Schlafzimmer von Großvater und mir. Das da auf der linken Seite ist seines und das hier neben dem Wohnzimmer ist meins.«

Kai führt Yari durch die Tür in sein Zimmer. Es ist relativ geräumig und bietet genug Platz für das große Bett auf der rechten und den Schrank auf der linken Seite. Unter dem Fenster steht ein Tisch mit einem Stuhl davor. Neben dem Schrank befindet sich noch eine Tür, die Kai nun öffnet.

»Das hier ist mein früheres Kinderzimmer.« Er deutet auf das schmale Bett und den kleinen Schrank. »Ich will dich nicht im Stall schlafen lassen und dachte daher, dass du das Zimmer haben kannst. Leider gibt es nur diese eine Tür, die in mein Zimmer führt. Vermutlich haben sie das damals so gemacht, damit wir Kinder nachts nicht abhauen konnten.« Entschuldigend sieht Kai Yari an. »Ich hoffe, das stört dich nicht.«

Yari geht in den kleinen Raum und legt das Kleiderbündel auf den Tisch, der ebenfalls mit einem Stuhl unter dem Fenster steht. Dann dreht er sich nervös zu seinem Besitzer um. Nach einem Moment entscheidet er sich dann dazu, noch einmal das Risiko einer Strafe einzugehen und offen zu sprechen: »Es ist toll. Ich hoffe nur, dass ich Sie nicht störe, wenn …« Plötzlich wird ihm schwindlig. Er glaubt schon zu stürzen, als sich zwei Arme um seinen Oberkörper schlingen und ihn stützen, bis er sich mit wild schlagendem Herzen aufs Bett setzen kann.

»Komm, leg dich hin.«

Schwerfällig kommt Yari der Aufforderung nach und ist auch schon fast eingeschlafen, als er von Kai zugedeckt wird. Er spürt nicht mal mehr, wie dieser ihm die Hand auf die Stirn legt.

Besorgt mustert Kai den Schlafenden. Natürlich ist das Fieber in den letzten Stunden nicht gesunken. Er überlegt, ob er Yari noch einmal aufwecken soll, entscheidet sich dann aber dagegen. Wie sagte seine Mutter immer? Die beste Medizin ist Schlaf. Bestimmt weiß sein Großvater, was zu tun ist.

Leise verlässt Kai das Zimmer und zieht die Tür hinter sich zu. Dann geht er runter in den Laden.

Ren ist gerade dabei Halstücher zu sortieren, als Kai reinkommt. Überrascht sieht ihn der alte Mann an. »Nanu, wo hast du denn Yari gelassen?« Die Tücher zur Seite legend, wendet er sich zu seinem Enkel um, der sich neben ihn auf den Tresen setzt.

»Er schläft. Ich wäre froh, wenn du später mal nach ihm sehen könntest. Mir ist nämlich schon auf dem Markt aufgefallen, dass er Fieber hat. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes.« Besorgt sieht er seinen Großvater an, der ihn nachdenklich mustert.

»Ist dir an ihm sonst noch etwas aufgefallen?«

»Na ja, er ist auf dem Markt wohl zusammengebrochen, darum habe ich ihn überhaupt erst bemerkt und dann habe ich an seinen Beinen relativ frische Blutspuren gesehen und er scheint länger nichts zu trinken bekommen zu haben – zumindest hat er auf dem Heimweg fast zwei Flaschen Wasser leer getrunken.«

»Hat er denn auch Wunden an den Beinen?«

»Ähm, nein … zumindest habe ich keine gesehen.«

»Dann kannst du dir ja denken, was das bedeutet.«

»Ja, leider, aber was hat das mit seinem jetzigen Zustand zu tun?« Verwirrt sieht Kai seinen Großvater an, während er nervös an einem der Halstücher herumfingert.

»Ich würde mal sagen, dass er mindestens in den letzten Tagen mehr durchgemacht hat, als sein Körper verkraften konnte. Darum glaube ich nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen. Sorge einfach dafür, dass er genug zu trinken hat und heute Abend stellen wir ihm eine gute Suppe hin, die er auch noch kalt essen kann, wenn er bis dahin nicht aufgewacht ist.« Um zu verhindern, dass Kai das Halstuch noch komplett zerknittert, nimmt Ren es ihm aus den Händen und legt es zu den anderen in den großen Weidenkorb. »Er braucht jetzt vermutlich einfach nur Ruhe. Wenn er sich wieder erholt hat, besorgen wir ihm richtige Schuhe und anständige Kleidung.«

Kai ist etwas beruhigt. »Gut, dann stelle ich ihm ein paar Flaschen mit Wasser neben sein Bett und gehe in den Stall.«

»Ja, mach das, mein Junge.« Ren sieht seinem Enkel lächelnd nach und hofft, dass seine Theorie stimmt.

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