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Die Bewässerungsanlage
Оглавление„Weißt du was eine Bewässerungsanlage ist?“ Fragte mich Teufel. „Nicht so richtig, wenn ich ganz ehrlich bin,“ war meine Antwort. Also ging Teufel mit mir nach oben in den ersten Stock. In einem großen Zimmer erblickte ich dann eine Plantage von gut gedeihten Hanfpflanzen, die auf das gesamte Zimmer verteilt in Kästen wuchsen. Die Kästen wiederum waren in der Mitte miteinander verbunden. Überall waren große Rotlichtlampen zu erblicken. Und eine, an der Wand angebrachte Bewässerungsanlage, versorgte die Pflanzen mit dem kostbaren Nass, welches in großen Mengen beansprucht wurde. Teufel strahlte bei dem Anblick wie ein Honigkuchenpferd, Stephan schnarchte in einem anderen Zimmer, und ich starrte auf die Drogenplantage inmitten des vornehmen Eppendorfs. Auch hier wieder, im Nachhinein betrachtet, blieb mir der Eindruck des Unglaublichen, welches das Ganze zu dem Zeitpunkt, auf mich machte, erhalten. Ich war baff... baff, baff, baff. Teufel war also ein Dealer? Ein Abhängiger? Ein Irrer? Antworten auf meine Fragen bekam ich vorläufig nicht, aber ich konnte warten. Während wir also wieder zurück ins Wohnzimmer gingen, bot Teufel mir etwas Gras an - ich lehnte dankend ab. Mir kam das nach wie vor alles sehr suspekt vor. Abwartend wie Teufel mir die Situation erklären würde, war ich auf alles gefasst. Ich sah Teufel ins Gesicht, doch da war nur Verzweiflung zu erkennen, er war nämlich voll auf Droge - vollkommen abhängig. Er hatte sich nicht im Griff. Die Zigaretten die er während des Interviews geraucht hatte, waren allesamt Joints gewesen. Was in dem Gras noch zusätzlich steckte, wagte ich nicht zu vermuten, aber der Gedanke an Heroin oder Opium, war nicht so ganz abwegig. Da ich unter einer leichten Erkältung litt, war mir der typische, süßliche Geruch vom Cannabis nicht sofort aufgefallen. Reines Hasch war nicht so gefährlich, als dass man davon derartig abhängig werden konnte, das wusste ich. „Ich entziehe vom Koksen,“ sagte mir Teufel plötzlich. „Ich versuche mit Hilfe von Gras/Hasch meinen Kokainentzug selber zu steuern, den Entzug zu überdecken. Ich bin seit Jahren immer mal wieder in Therapie gewesen, aber ich habe es nie geschafft. Anfangs glaubte ich, Stephan wäre eine Hilfe für mich, aber du siehst ja selbst, was mit ihm los ist. Nicht nur dass wir beide pleite sind, wir sind auch so, in jeder Hinsicht, fertig mit dem Leben. Es gab in meinem Leben extrem fette Zeiten, nun ist alles nur noch mager und dürftig, und ich selbst bin „Be-dürftig“. Ich versuche mich mit der Dealerei über Wasser zu halten. Für mich ist dieses Buch über „dich“ die letzte Chance aus dem Teufelskreis auszubrechen. Meine Berühmtheit, mein angebliches Geld, all das ist mehr Schein als sein. Die Öffentlichkeit glaubt mir zwar, dass ich wohlhabend bin, aber dem Finanzamt kann ich nichts vormachen, die wissen am besten Bescheid. Ich hatte in der Vergangenheit zu sehr auf die Tube gedrückt. Thailand, Afrika, Florida, das „war“ alles einmal. Heute freue ich mich schon über einen Wochenendurlaub auf Sylt. Ich bin abgestürzt und komme nur mühsam wieder hoch, aber dank meiner Verbindungen, und meines kleinen Hobbys, sehe ich in eine bessere Zukunft.“ Die Ehrlichkeit von Teufel war erschreckend, sie förderte meinen Argwohn gegen Leute des öffentlichen Lebens. Alles war nur Kulisse, für die, die ein Leben lang - blind rumlaufen, und hier in Eppendorf war es besonders schlimm. Hinter den mit Blumen verzierten Fenstern lag eine Wahrheit, die „ich“ als bedauernswert einstufen würde, aber mein Mitleid hielt sich in Grenzen. Allerdings wurde mir immer klarer, was mit mir geschah. Ein Profijournalist wie Teufel war also am Ende - im journalistischen Sinne, denn sein Geld zum Leben machte er ja mit dem Verkauf von Drogen. Eitelkeit und Erfolgszwang, hatten sich bei ihm zu einer unüblichen Idee entwickelt. Er suchte eine neue Story, um aus dem Sumpf der Erfolglosigkeit wieder empor zu steigen. Gut! Ich spielte die ganze Scheiße bis zu einem gewissen Grad mit, aber Kohle musste bei einer solchen Aktion natürlich auch über den Tisch wachsen. An seiner Drogenplantage war ich nicht sonderlich interessiert, aber an dem zu erwartenden Erfolg des Buches; denn ich war mir sicher, es würde ein Erfolg werden. Ich verschwieg übrigens sehr gekonnt, allerdings nur vorläufig, dass ich meinerseits, ebenfalls an einem Buch arbeitete. Nämlich an dem, welches „Sie“ (die Leser sind gemeint) hier gerade lesen. Teufel ahnte davon noch nichts. Ich behielt es auch für mich, weil ich ihm immer noch nicht hundertprozentig vertraute. Zu viele negative Eindrücke des Gesamten, das Haus, die Fragen, die erstaunliche Hanfplantage, seine angebliche Erfolglosigkeit, das etwas zu schwule Gebaren - all das passte nicht genau zueinander. Die Abstimmung auf den einen oder den anderen Aspekt irritierte mich. Ich war misstrauisch durch und durch, aber ich wollte natürlich nicht meine Chancen in Bezug auf viele schöne Euros versauen, indem ich zu schnippisch in meinen Antworten war. Professionalität und Fingerspitzengefühl waren hier gefragt. Und ein Anscheißer, im elegantesten Sinne, war ich sowieso schon immer gewesen, sonst wäre ich im Leben nicht so weit gekommen. Sicherheitsdenken auf lange Sicht, hatte mich zu dem gemacht, was ich war, aber auch mir waren natürlich Fehler unterlaufen, ein ganz besonderer selbstverständlich, denn sonst hätte mich Teufel ja nicht ertappt, bei dieser verdammten Party, im Funkhaus des Senders. Ich war in der Tat besoffen gewesen, an jenem Abend, und hatte mächtig dick aufgetragen. Teufel hatte als Einziger genau zugehört, was ich lauthals verkündet hatte, und nun hatte ich den Salat. Ich saß in der Patsche. Also, musste ich aus der Situation das Beste machen. Und schon formulierte Teufel die nächste Frage, trotz all meiner Weigerungen, bestand er erneut auf das Thema Drogen... wer, wann, was genommen hatte und vielleicht noch nimmt. Teufel fragte eigentlich nicht, er suchte wiederholt die Bestätigung, das Wissen seiner eigenen Beobachtungen, die er damals gemacht hatte, und heutzutage immer noch macht, weil er im Grunde genommen ein hinterhältiges Schwein ist, der Leute nur anscheißt, um daraus Erfolg und Gewinn zu erzielen. „Nun spuck schon aus,“ sagte er zu mir, „du musst doch auch etwas davon mitbekommen haben, von der ganzen Drogenscheiße?“ Ja, ich hatte sogar etwas „sehr viel“ davon mitbekommen - zwangsläufig. Dennoch nervte mich die Frage einfach ungemein. Es ist nicht meine Art Leute aufgrund ihrer Süchte anzuscheißen, das überlasse ich Leuten wie Bert Teufel. Jeder ist doch selbst für seinen Körper verantwortlich. Und wie stark er ihn (den Körper) fordert, bleibt auch ihm/ihr letzten Endes ganz allein überlassen. Doch Teufel ließ einfach nicht locker. „Gut, gut,“ sagte ich, „ich gebe des Geldes wegen nach. Es gibt mehrere Typen und Schätzchen die ich kennen gelernt habe, die ohne ihre Dröhnung nicht mehr aus dem Hause gingen. Eine samstägliche Sendung, mittlerweile abgesetzt, bestand unter anderem aus einem Moderator, dem der Schnee förmlich aus der Tasche rieselte. Er war immer gut drauf, aber er hatte im Laufe der Zeit die Dosis so stark erhöht, dass er seinen Dienst nicht mehr verrichten konnte. Außerdem stand er im Verdacht HIV-positiv zu sein, weil er auch gelegentlich spritzte. Somit galt er für den betreffenden Sender als untragbar, obwohl die Chefredaktion selber komplett schwul und ebenfalls auf Droge war, schwul und schwul, abhängig und abhängig, ist eben auch beim Fernsehen, und das ist sonderbarerweise und anscheinend, ein Unterschied. Aber der Moderator verfügte über genügend Geld, sowie andere Angebote, von privaten Sendern, um sich von diesem einen öffentlichen rechtlichen Sender beurlauben zu lassen. Er ging nicht im Zorn, sondern sein körperlicher Zerfall machte sich deutlich spürbar, es gab keine andere Möglichkeit, obwohl er sich später, auf wundersame Art und Weise, wieder erholt hatte. Die Maskenbildner taten dabei wohl ihr Übriges, und man könnte ihn, wenn man ihn so sieht, wirklich als neugeboren bezeichnen, trotz der furchtbaren Erkrankung. Der anfängliche Verdacht (HIV/Aids) hatte sich nämlich unglücklicherweise erhärtet, beziehungsweise bestätigt. Und so sieht es bei vielen anderen auch aus. Doch „man“, also die Mehrheit, die Verantwortlichen meine ich, schweigt - bzw. schweigen.“ Teufel sah mich so eigenartig an. War er auch positiv oder vielleicht sogar noch mehr? Oder spielte er seine Rolle so perfekt, dass selbst ich darauf hereinfiel? Teufel war vom Erfolg besessen, er machte alle Modeerscheinungen mit, um immer als erstes die große Kohle einzusacken. Er war nicht allein mit dieser Einstellung, aber er war der Zäheste, niemand konnte ihm das Wasser reichen, wenn er (der teuflische Teufel) zur Höchstform auflief. Ich trank noch ein Bier und erwartete eine Reaktion von Teufel, aber es kam keine, jedenfalls keine die ich erwartet hätte, denn ich dachte, HIV und Aids, sind absolute Tabuthemen, doch allem Anschein nach nicht... Als normal, Sexuell-Veranlagter ist es mir schwer gefallen, das Thema so auf diese Weise anzusprechen. Berührungsängste quälten mich bisweilen. Teufel merkte das. Er wusste Bescheid. „Rede ruhig weiter,“ sagte Teufel zu mir, dabei tippte er weiterhin fleißig in seinen Laptop hinein. Teufel war mittlerweile vom Rauch des erneuten Joints umnebelt und in bester Laune. Er schwebte, gedanklich, durch eine Welt aus Wahnsinn und abstrakter Wirklichkeit, dabei vergaß er allerdings nicht zu tippen. Und ich bemerkte die „Droge“ selbst, „das“ war sein Thema, sie stand noch vor seiner Lieblingsbeschäftigung „SEX“, ich meine einmal abgesehen von Geld und Erfolg. Sex, so wie er ihn verstand ist damit gemeint, sowie all die anderen in der Branche, die so waren wie er. Alle verband etwas, - es war Veranlagung, es war Triebhaftigkeit und immer neues unverbrauchtes Fleisch, um den Trieb, um den sich, allem Anschein nach, alles drehte, ausreichend zu befriedigen. Teufel war der Regisseur in einem Drama, welches seinen eigenen Untergang mit beschrieb. Er (Teufel), ließ sich durch mich, durch meine Beobachtungen, meine Erfahrungen, seine eigene Geschichte erzählen. Die er dann hastig aufschrieb, mit den Worten eines anderen - also mich, Veränderungen waren inbegriffen. Aber da ich von ihm, für meine Aussagen, für meine Erkenntnisse, bezahlt werden sollte, ich selbst war ja ziemlich pleite zu dem Zeitpunkt, aufgrund dessen erzählte ich ihm, was er hören wollte. Nur ich hielt mich gänzlich an die Wahrheit. Die Wahrheit im Nachhinein verschönern, verdrehen, das konnte nur er, denn ich habe niemals (vorläufig) in seinen Laptop hineingesehen, auf den Bildschirm meine ich, den er dauernd, mit einer begierigen Freude voll schrieb. „So ähnlich,“ dachte ich, „könnte es bei der Bildzeitung ablaufen, wenn ich „nur“ (also ausschließlich) lügen würde.“ Und meine Vermutung lag gar nicht so weit entfernt, denn zwischendurch gestand mir Teufel, dass er für die Bildzeitung, in erster Linie, erfundene Artikel über/gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger geschrieben hatte. „Hört, hört.“ Teufel seine gesprochenen Worte wurden deutlicher: „Die Bildzeitung ist wie verrückt, wie verwandelt, wenn es sich um einseitige Hetze gegen sozial Schwache handelt. Sie ist nicht der Anwalt des kleinen Mannes, sondern sein Henker. „Die sexuell Abartigen“ (egal wer damit auch gemeint war!) finden bei der Bildzeitung ein warmes Nest vor, das sie dann nicht mehr missen möchten. So etwas ist auch eine Art von Suchtverhalten, das allerdings einen geringeren Preis hat.“ So sagte es mir Bert Teufel und er hob dabei die Hand wie zum Schwur, „was für eine ergreifende Szene“ schoss es mir durch den Kopf. Es wirkte im ersten Moment dümmlich auf mich, aber der Sinn, im Eigentlichen, war mir nicht entgangen. Warum er aber der Bildzeitung den Rücken gekehrt hatte? Diese Frage ließ er, zur Abwechslung, vorerst einmal unbeantwortet. Er verzögerte eine ehrliche Antwort, er hatte wohl seine Gründe. Also wartete ich ab. Und nach einem unendlich langen Moment, gab er plötzlich, für mich unerwartet, dann doch bereitwillig Auskunft: „Im Oktober 1992 machte der ostdeutsche Bildzeitungsmitarbeiter „Bernd Prawitz“ eine derartig beschissene Fotoreportage über Obdachlose in Hamburg, dass ich mich nur noch mit Grauen zurückerinnere. Auch die Redaktion- und die „Reaktion“ der Bildzeitung war bitterlich enttäuschend gewesen. Man hatte von Bernd Prawitz wohl zu viel erwartet. Bernd Prawitz war eben nur ein drittklassiger Provinzschreiberling, außerdem politisch, linksseitig vorbelastet. Der dringende Verdacht der Stasimitarbeit in der DDR, konnte bei ihm nie so ganz ausgeräumt werden. Er selbst wehrte sich zwar immer gegen solche Vorwürfe, aber seine stammelnden Erklärungsversuche waren eher dürftig, um nicht zu sagen stümperhaft. Prawitz war ein cholerischer Volltrottel, ein Spinner und ein Wichtigtuer. Er hatte sich für seine Reportage als Penner, mit Bierdose, alten Klamotten und einem -Zwanzig-Tage-Bart- auf St. Georg herumgetrieben, um das Leben der Hoffnungslosen hautnah mitzuerleben, leider interessierte das niemanden, weder den Armen und Kranken, mit denen er sich zu solidarisieren versucht hatte, noch die armen Leser jener Zeitung, die sich allen Ernstes für überparteilich hält. Prawitz bekam daraufhin von irgendeinem Vorgesetzten einen gezielten Tritt in seinen ostdeutschen, aufbrausenden Arsch. Aber er verlor seinen gutbezahlten Job nicht, sondern er wurde aus Ost-Mitleid (Gnade vor Recht) mit durchgezogen. Was er heute macht? Prawitz und seine Familie leben in einer zweitklassigen Eigentumswohnung in Ottensen - Holstenring 18. Einsam, und von den Nachbarn argwöhnisch beobachtet. Denn das Auftreten der Familie Prawitz entspricht dem eines wildgewordenen Kampfhundes der nicht zu bändigen ist. Tja, so ist das nun einmal. Sozialromantik, gerade, wenn es sich dabei um Leute wie Familie Prawitz handelt, ist eben nicht immer angebracht, überflüssig ist es ohnehin, und die Bildzeitung tut ihr Übriges. Sie verkauft trotzdem weiterhin das, was die Leute lesen wollen: Erfundene Geschichten mit einer Prise Sex, Koks und auch ein bisschen Schwachsinn, macht sich immer mal wieder gut, gerade in Verbindung mit einem Promi, oder einem erfolgreichen Modedesigner. „Was für Drogenerfahrungen hast du selber gemacht?“ Fragte mich Teufel. „Hast du jemals richtig gehascht, geschnupft oder Tabletten eingeschmissen? Du als Musiker/Komponist und angehender Schriftsteller? Du warst doch auch auf nicht gerade wenigen Partys anzutreffen, und was da so abgeht ist doch hinlänglich bekannt, oder etwa nicht?“ Das war mal wieder typisch, nicht nur typisch für Teufel, sondern für alle, die so behämmert waren, und sind, wie er. Manchmal kotzen mich gewisse Leute mit ihren Scheiß-Fragen einfach nur noch an. Wenn man Musiker ist, oder sich sonst irgendwie künstlerisch betätigt, ist man automatisch für die gesamte Gesellschaft jemand der Drogen nimmt. Oder man ist sonst in irgendeiner Form jemand der exzessiv hervortritt, der „es“ schlicht und ergreifend muss. Doch dazu gleich mehr. Ich deutete, während ich mich im tiefsten Inneren ärgerte, auf die Uhr an der Wand. Noch ein paar Minuten, dann wollte ich gehen, und ich verschob somit die Antwort, die Teufel so sehnsüchtig erwartete, auf einen der nächsten Tage. Teufel war zwar mit einem gequälten Gesichtsausdruck einverstanden gewesen, aber so richtig in den Kram passte ihm mein Aufbruch nicht. Wir verabredeten uns, trotzdem, auf den nächsten Freitag. Dann wollte er mich zum zweiten Mal interviewen. So erhob ich mich, leicht beschwipst, aus meinem Sessel, um zu gehen, so gut es ging. Teufel begleitete mich zur Wohnungstür, und ich schwankte zur naheliegenden U-Bahn Station, um nach Hause zu fahren. Als ich mich in meiner Wohnung auf mein Sofa fallen ließ, fingen meine Gedanken an zu kreisen. Ich dachte an alles Mögliche, außerdem war ich vom Wodka mit O-Saft, und vom Bier reichlich angesoffen, nicht nur beschwipst, wie ich anfangs vermutete, ich war voll. Total voll. Ich brauchte endlich Schlaf. - Als ich am nächsten Morgen aus den Federn fiel, goss ich mir erst einmal ein, oder zwei - oder auch drei Glas Lambrusco ein und duschte danach ausgiebig. So gegen 9:30 Uhr klingelte dann mein Handy - es war Michael Jürf, ein ehemaliger Arbeitskollege und mittlerweile ein mittel-dufter Kumpel - auf den ersten Blick allerdings nur. Jürf lud mich lallend zum Frühschoppen nach „Sonja“ ein, so nannten wir die Altengrab-Kneipe in der Neuen Straße in Hamburg-Harburg. Ich war einverstanden und machte mich auf den Weg. Dort angekommen, saß Michael bereits, vom Kampf gegen den Alkohol gezeichnet, in der äußersten Ecke. Nach einer üblichen „Hallo wie geht’s?“ Begrüßung, bestellte auch ich mir etwas Alkoholisches, trotz des Wodka-Vortages. Anneliese, ehemalige Lebensgefährten meines Cousins „Thomas“, nahm meine Bestellung, mit der für sie so typischen Gleichgültigkeit zur Kenntnis. „Geht gleich los,“ sagte sie. Anneliese brauchte immer eine Weile, bevor sie mir mein Bier und meinen Jägermeister auf den Tisch stellte, so geschah es auch heute. Dann, nach dem Servieren, verließ sie unseren Platz und begab sich Richtung Tresen, um die nächste Bestellung anzunehmen, dabei noch einen giftigen Blick Richtung Tür werfend, falls ein weiterer Gast auftauchen sollte, doch dann setzte sie sich wieder auf ihren Hocker, und rauchte genüsslich eine selbstgestopfte Zigarette. Ich erzählte Michael unterdessen von dem Besuch bei Bert Teufel und der Bewässerungsanlage. Michael hörte, durch gelegentliche, von ihm ausgehende, alkoholbedingte, stotternde Zwischenkommentare unterbrochen, todmüde zu. Ich redete und redete in der Erwartung, er würde meinen Frust verstehen den ich hatte, mit dieser Interview-Geschichte. Jedoch Michael war zu sehr mit seiner Bierflasche beschäftigt, als dass er mir gegenüber wirkliches Interesse zeigte, während ich mit den Händen gestikulierend, das Gespräch am Laufen hielt. Michael machte sich so seine eigenen Gedanken zu dem Thema, obwohl er beim Sprechen, das heißt, beim Kommentieren meiner Erlebnisse starke Ungenauigkeiten hatte, denn der Alkohol hatte bei ihm bereits die Wirkung gezeigt, welche ein Gespräch mit ihm zunehmend erschwerte. Eigentlich war er ja auch nur eine alte, von den Eltern verwöhnte Saufnase, aber der Gedanke, Cannabis in der einen oder auch der anderen Form einmal zu probieren, faszinierte ihn offensichtlich. Er erkundigte sich bei mir ob ich ihm etwas Stoff besorgen könnte, er wollte es mal testen, nur mal so... als ich mir Michael in dem Moment ansah, wie er da saß mit seiner Stirnglatze, seiner uralten, ergrauten Second Hand Jacke, seinen angesoffenen Augen, seinem sichtlich angeschlagenen Bewegungsrhythmus, da dachte ich mir: „Ja, warum sollte Michael, der mich seit meiner Finanzkrise aufopfernd mitdurchschleift - kneipentechnisch gesehen, nicht ruhig einmal Hasch ausprobieren, denn in seinem Gehirn kann man sowieso nicht mehr viel beschädigen.“ Einer wie er, der sein gesamtes Leben den Kneipen in Hamburg und Umgebung gewidmet hat, der braucht etwas Neues zum Genießen. Geld hatte er ja genug. Seine wohlhabenden, etwas einfältigen Eltern versorgten „ihn“ den Dauerarbeitslosen, reichhaltig mit Euros, damit Michael seinen Lebensstandard, trotz so mancher unangenehmer, wirtschaftlichen Krise, aufrecht erhalten konnte. Und er war darüber hinaus immer großzügig, das war auch der einzige Vorzug den er hatte. Ja, ohne überheblich wirken zu wollen muss ich zugeben, dass Michael Jürf, im Gegensatz zu mir, ein gern gesehener Gast in Hamburgs Kneipen war und ist. Er war sympathisch aufgrund seiner Primitivität, er furzte, er rülpste und er benahm sich in jeder Hinsicht wie ein Prolet. Aber Michael hatte die Geldmittel, die ihm ermöglichten, so ein Verhalten immer wieder neu und drastisch zu kompensieren. Das heißt, Michael sucht(e) eigentlich eine Freundin, aber er weiß selbst, dass man mit solchen Suffauftritten, die er sich fast täglich leistete, nicht nur Eindruck im positivsten Sinne macht, sondern, dass man auch zum Kneipenheini mutiert. Ob man dann noch für voll genommen wird, gerade von einer reizenden Frau, ist eher fraglich. Aber nichts desto Trotz, wir waren und sind einander gut bekannt. Wir haben denselben Humor, und uns zieht es immer wieder zur Reeperbahn, ins verruchte St. Pauli, zu den Mädchen der Nacht, zu dem Rotlicht, welches alle Makel und alle düsteren Gedanken überdeckt, und welches außerdem eine Illusion hervorruft, die ich als „wahnsinnig geil“ beschreiben würde. Michael Jürf wurde hier auch regelmäßig wahnsinnig, im krankhaftesten Sinne den man sich vorstellen kann, er war und ist seelengestört. Der Kiez hat zwar seinen eigentlichen Charme verloren, Gewalt und Mord dominieren dort seit Jahren, aber es ist trotzdem immer wieder erlebenswert die Herbertstraße zu durchwandern, um sich dann an den wohlgeformten Körpern der schönen Frauen zu erfreuen, zu ergötzen, und dabei den steif gewordenen Schwanz zu spüren, wie er sich gegen den Reißverschluss der Hose drückt. Man ist wie berauscht von der makellosen Symmetrie der Brüste, der Beine und des knackigen Gesamteindrucks, den diese, von Gott geschaffenen Geschöpfe herzeigen. Eine neue Generation von Frauen ist zurzeit der Anziehungspunkt der allgemeinen Lust. Sie sind ca. 18 bis 25 Jahre alt. Ein Wunder an Sexappeal, und sie sind die wahre Sünde, sie sind die Sünde: Die von den Religionen verteufelt wird, aber es ist eine besondere Sünde, der kein Mann widerstehen kann. Leider sind die Preise dementsprechend hoch. Leider, leider, leider,... Michael und ich planten trotzdem einen etwas größeren Kiezbesuch in ferner Zukunft. Denn der Frühling stand vor der Tür, die Hormone drohten mal wieder verrückt zu spielen, und wir konnten den Anblick der Frauen einfach nicht vergessen. Wir redeten uns gegenseitig heiß. Denn man schwärmt nicht nur vom Kiez, man erlebt ihn, man genießt ihn, man lässt sich führen und man wird letzten Endes verführt. Michael wurde aufgrund dessen, aufgrund meines Erzählens, wieder nüchtern. Er stimmte mir zu, dass wir den nächsten Kiezbummel ausführlicher gestalten sollten, denn beim letzten Besuch der Herbertstraße, war Michael derartig angesoffen gewesen, dass er laut keuchend, stöhnend und einen brumpfenden Hirsch imitierend, durch die dunkle Gasse der sündigen Meile gezogen war, und das direkt an meiner Seite. Ich lachte, alle in der kleinen Straße lachten, nur die Mädchen hinter ihren Fenstern warfen dem dahintorkelnden Michael Jürf einen verächtlichen, kopfschüttelnden Blick zu. Aber das interessierte ihn nicht. Er ignorierte es ganz einfach, weil er nichts mehr merkte. Michael war in seinem Element gewesen, in jenem, vielleicht sogar schon, historischen Moment für ihn. Besoffen, laut, fernab jeden guten Geschmacks, schleppte er sich an den erleuchteten Fenstern, der leicht bekleideten Schönheiten vorbei. Jeder Busen, jeder leicht gebräunte Körper, jedes hübsche, vor allem jedes junge Gesicht, fand seine begeisterte Anerkennung. Die Begeisterung der Mädchen, in Bezug auf Michael, war allerdings sehr verhalten. Sie hielten ihn für einen durchgeknallten, aus der Kontrolle geratenen, Idioten. Und damit lagen sie gar nicht mal so fern - allerdings im erfreulichsten Sinne, muss man hinzufügen. Ich ging daraufhin, etwas Abstand haltend, hinter ihm her... Und so sollte es wieder sein, so lustig, - beim nächsten Mal, nur nüchterner. Dieses und vieles mehr besprachen wir in der Altengrab-Kneipe in Harburg und der Termin rückte in der Tat immer näher. Es war ein Sonntag, an dem wir spontan beschlossen, zum Kiez zu fahren, so geschah es auch. Dort angekommen, stürzte sich Michael heißhungrig auf eine nahegelegene Imbissbude. Michael entschied sich für Fettes und Nahrhaftes vom Grill. Die Bedienung erfolgte prompt. Schinkenwurst und Pommes frites schmatzend, erklärte Michael dem Inhaber des Imbisses, im Groben, die Unterschiede zwischen Frikadelle, Schinkenwurst und Currywurst. Der Besitzer des Imbisses sah mich erstaunt an. Auch ich war durchaus überrascht, was dieser Anfall von Bildung seitens Michael bedeuten sollte. Aber diese Bildungslücke blieb für mich und für den Imbissbudenbesitzer ungeklärt, denn Michael schmatzte lustig, munter weiter, er ersparte uns eine detaillierte Erklärung seiner Analyse. Doch dann, nachdem Michael vorerst gesättigt war, gingen wir weiter zum Silbersack, eine der bekanntesten Kneipen auf St. Pauli. Der durstige Michael bestellte Bier und Korn, um so seinen gedehnten Magen zum Entspannen zu bewegen. Hastig und unkontrolliert ließ er den Alkohol durch seine Kehle fließen. Der Abend verlief ausgesprochen harmonisch. Nicht nur, weil Michael, allen Erwartungen zum Trotz, friedlich, um nicht zu sagen „menschlich“, auftrat, nein, er hatte sich richtig im Griff. Allzu viele Nackenschläge, Verbalentgleisungen und unangenehme Primitivfehltritte in der Vergangenheit, hatten ihre Wirkung gezeigt - von anderen, die ihn zurechtgewiesen hatten. Michael Jürf war auf dem besten Wege, sich zu einem normal trinkenden Zeitgenossen zu entwickeln. Eine begrüßenswerte und vielleicht erfreuliche Tatsache, auch wenn diese Entwicklung letzten Endes bei ihm fehlschlug. - Am darauffolgenden Montag trafen wir uns, zum Nachtrunk, in der etwas schummrigen Bahnhofskneipe von Ingo Wilff. Mitten im Harburger S-Bahnhof gelegen. Klein, dunkel, klebrig, unsauber und ein bisschen gammelig. Das Besondere an dieser Kneipe sind die Angestellten. Mit nur einer Ausnahme arbeiteten hier ausschließlich Menschen die es im Leben zu rein gar „nichts“ gebracht haben. Allen voran eine gewisse Christiana. 46 Jahre alt, ketterauchend, ungepflegt, schlechte Zähne, affenähnliche Gesichtszüge, aggressiv und eine Intrigantin aller erster Güte. Sie sieht aus wie eine ehemalige Heroinabhängige, die es mit Mühe und Not (Methadon-Programm) geschafft hat, in der Gesellschaft der Gestrandeten, dennoch wieder einen Fuß auf die Erde zu setzen. Vielleicht ist sie auch HIV-positiv? Ich will da nichts behaupten, aber aussehen tut sie auf jeden Fall so. Christiana ist asozial, hinterhältig, schleimig und gewöhnlich, im negativsten Bild das man sich vor Augen halten kann. Sie mischt sich in jedes Gespräch ein, und erhebt für sich den Anspruch „etwas Besseres“ zu sein, weil sie es ja aus ihrer Sicht wieder geschafft hat - glücklich ist, wer vergisst. Sie versammelt innerhalb der Bahnhofskneipe, immer mal wieder, in der sogenannten warmen Ecke, „die Männer“ um sich herum, die alleinstehend, und sich, sexuell gesehen, in sogenannten Orientierungsprozessen befinden. Befinden? Was? Oh ja! So mancher Kerl wird auf seine alten Tage schwul, das ist nun mal so. Christiana selbst, die durch ihr maskulines Auftreten, Gehabe und Getue inbegriffen, viel Verständnis für die bestimmten Herren zeigt, fühlt sich in dieser Rolle (als die Verständnisvolle) durchaus wohl. Sie genießt ihre angeborene Zwittrigkeit, sowie ihr stark männliches Gebaren, welches mehr als offensichtlich ist. Es ist ihr eigenartiges Aussehen, das sie aus der Masse des Normalen heraushebt. Ihre alte, runzelige Gesichtshaut ist bereits zu Leder geworden, und ihr Bauch wölbt sich unter einer viel zu engen, sowie, viel zu alten Jeanshose hervor. Die Fingernägel sind brüchig, dreckig, abgekaut und unansehnlich geworden, das Nikotin tut sein Übriges. Auch ihr Friseur hat es allem Anschein nach aufgegeben, ihr eine vernünftige und moderne Frisur zu verpassen, denn zerzaustes, selbst gefärbtes Haar, so wie sie es bevorzugt, sieht nicht bei jeder Altersgruppe gut aus. Und ihre Gesichtszüge entwickeln darüber hinaus immer wieder neue, abstoßende, ekelerregende Variationen. Ääähhh... Im Umgang mit der Kundschaft fällt der schlechte Eindruck den sie macht besonders auf. Ja, es liegt beinah die Vermutung nahe, dass sie wieder voll auf Droge ist - es aber gut verbergen kann. Trotzdem, ihre Augen sind immer leer, unfreundlich, beängstigend, sowie böse und aus medizinischer Sicht gesehen „krankhaft belastet“. Christiana hatte mehrfach, auch in meinem Beisein, Michael Jürf geraten, für mich kein Bier auszugeben. Christiana konnte es nämlich nicht ertragen, dass jemand überhaupt, jemanden etwas schenkt, oder jemanden auch nur hilft, wenn es ihm nicht so gut geht. Ihre angeknackste Psyche ließ so etwas wie Freundschaft und Kumpelei nicht zu, weder unter Frauen noch unter Männern, und Geschenke schon mal gar nicht. Denn sie selbst war immer allein gewesen in einer Welt, die eigentlich freundlich ist, in der die Persönlichkeit zählt, in der Gutes ankommt und nicht Verletzendes, beziehungsweise jenes bereits erwähnte Böse. Leider hat sie weder das eine noch das andere, ich meine von den guten Eigenschaften. Sie ist eine Hexe mit einem Persönlichkeitskonflikt, der ihr das Leben unbewusst zur Qual macht. Den Ausgleich sucht sie, vermutlich, in Alkohol und Drogen. Es würde mich nicht wundern, wenn auch sie über eine Bewässerungsanlage verfügen würde, um ihrer Sucht den notwendigen, zuverlässigen Nährboden zu geben. Was für eine armselige Frau? Selbst die Höllenengel werden ihr eines Tages den Zutritt in das Reich der Finsternis verwehren, weil Christiana auch den Teufel (nicht Bert Teufel ist gemeint) hintergehen und bescheißen könnte. Daran kann man einmal sehen, dass auch die Hölle nicht jeden so ohne weiteres hinein lässt. Und im Fall von Christiana ist das wohl auch ratsam und empfehlenswert. Arme Teufel, alle miteinander.
Die andere Extreme ist die zurzeit schwangere Diane. Ebenfalls bei Ingo Wilff seit Jahren angestellt. Die Angestellten arbeiten in Wechselschichten und der Wechsel macht sich bemerkbar. Diane ist ähnlich wie Christiana eine Intrigantin, aber noch um ein vielfaches bösartiger veranlagt. Sie, die mittlerweile über drei Kinder verfügt, Diane ist gerade mal dreißig, ist tätowiert vom Hacken bis zum Nacken, ein abschreckender und unästhetischer Anblick - kotz, kotz, kotz. Ihre von der Natur fehlproportionierte Figur, war immer wieder bestaunenswert, ich meine, wenn man (also ich) über so etwas schreibt, schreiben muss. Schließlich schreibe ich eine Gesellschaftssatire, auf unterstem, und auch auf höchstem Niveau, sofern mir das möglich ist, denn teilweise tun sich wirklich Abgründe auf - man fasst es nicht. Doch will ich nun auf Diane zurückkommen und nicht abweichen. Diane, optisch betrachtet, tja, - ein bäuerliches Gesicht mit ersten Sorgenfalten, sowie ein üppiger, alles überladender Busen zieht ihren Oberkörper, beim Sitzen und beim Gehen, unweigerlich nach vorne. Ihre Beine - dürr wie Besenstiele, sind ebenfalls mit allerlei Tätowierungen verziert. Man hat bei ihr den Eindruck, dass sich ihr Minderwertigkeitskomplex in skurrilen Formen und Schmerzen (durch das Tätowieren meine ich) geäußert haben muss, damit alle Anwesenden, alle Menschen dieser Welt, etwas davon haben. Geschmack ist eben Geschmackssache, kein Geschmack aber auch. Dianes Charakter? Sie hintergeht gerne Leute, redet viel unsinniges Zeug, um von ihrer Unsicherheit abzulenken. Sie „isst“ nicht wie ein Schwein, nein, sie frisst, und sie ist vom Wesen her eins (ein Schwein), diese Diane, die offensichtlich ohne Schulbildung, ohne Erziehung, sowie ohne Anstand, unsere Erde, ich will sagen, unseren schönen blauen Planeten betreten hat, ist eine widerliche, nach Schweiß und nach billig Parfum riechende Schlampe, die einfach nur zum Abgewöhnen ist. Ich versuche das mal so zu erklären: „Wenn Diane am Nachmittag, während ihres Dienstes, auf einem alten, abgestoßenen Teller Mayonnaise und Ketchup sowie Pommes frites zusammen rührt, anschließend mit einer völlig verbrannten Thüringer-Bratwurst garnieren lässt, und dann alles mit mehren Gläsern eiskalter Cola runterwürgt, ja, dann wird dem stummen Betrachter unweigerlich übel. Auch ihr Zigarettenkonsum ist während ihrer Mahlzeiten außergewöhnlich hoch. Primitiver geht`s nimmer! Ärzte, vermute ich mal, werden eines Tages für sie ganz besonders sorgen, wenn sie nach mehreren Lungenkrebsoperationen, Schlaganfällen und Herzinfarkten, aufgrund von Cholesterinproblemen auf der Intensivstation eines Krankenhauses liegt. Gut, dass es in diesem Zusammenhang gesetzliche Krankenkassen gibt. Diane ist die Schlange aus dem Paradies, aus der Bibel, die Schlange die Eva, zu jener, uns allen bekannten, Untat verführt hat. Sie (Diane) kann vermutlich nur Leute ankacken, um sich dann mit einer perversen, diabolischen Freude, im Innern ihres deformierten Körpers die Seligkeit zu verschaffen, die sie offensichtlich so dringend benötigt, um Anerkennung und Vertrauen zu erwecken. Dass sie dieses Vertrauen permanent missbraucht, in den Schmutz zieht, ist eine Geschichte für sich, die werde „ich“ aber nicht schreiben, weil ich von Diane genug ertragen habe, andere übrigens auch. Man geht dieser Person schlicht und ergreifend aus dem Weg. Wenn Diane eines Tages über Bord springt, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten, werden wahrscheinlich sogar die Fische sie wieder auskotzen, um Cholesterinprobleme von vornherein zu vermeiden. In diesem Sinne – Mahlzeit. Aber in der Kneipe verrichtet auch eine „Christa“ immer mal wieder ihren Dienst. Sie ist eine in Ehren ergraute, blond nachgefärbte, etwas reifere, Lady. Christa ist das Gegenstück zu Christiana und zu Diane. Sie lächelt stets herzlich, gütig und ehrlich, wenn ein Gast die Kneipe betritt. Bei Christa sind alle Menschen gleich. Christa hat den richtigen Charme, die richtige Liebenswürdigkeit, sie geht auf die Leute, offen sowie spontan, und ohne Vorbehalte zu. Bei ihr zählt nicht das Einkommen eines Gastes, nein, es ist das Gespräch, die Person, das Schicksal welches ein Mensch mit sich führt, das interessiert Christa. Sie hilft mit Rat und Tat, aufgrund ihrer Lebenserfahrung so gut es geht, großzügig ist sie sowieso. Sie ist ein Schatz und immer noch hübsch anzusehen. Sie kann in einem Mann immer noch die Leidenschaft entfachen. Ich genieße es immer sehr, wenn sie mich an ihren Busen drückt und mich liebkost. Ich will sie nicht heiliger machen als sie ist, aber eines ist nun mal klar: Die anderen beiden, Diane und Christiana, haben von dieser reizenden Lady nichts gelernt, sich nichts angenommen und nichts begriffen...
Diane und Christiana sind die eigentlichen Verlierer in einer Welt, die von gegenseitiger Aufmerksamkeit, Gutherzigkeit und Toleranz lebt. Sie haben verloren, weil Lady Christa all diese Tugenden automatisch mit sich führt, Christa muss sich keine Freundschaft erkaufen, sie muss nicht heucheln, sie ist eine feine Person die meine Wertschätzung hat und immer haben wird. Dieser Meinung sind all die, die sie einmal kennen gelernt haben. Eine tolle Frau, wer sie dennoch nicht mögen sollte, hat eben selber Schuld. Möge Gott sie uns lange erhalten. Kommen wir nun zum Chef des ganzen Ladens - Ingo Wilff. 58 Jahre alt, hektisch, unruhig sowie stets in Eile. Und dabei immer mal wieder, auf den durchgehend, laufenden Fernseher, über der Musik-Box starrend, wenn er Frühdienst hat. Ingo ist ein Sportfan. Er liebt Tennisturniere. Er liebt es, wenn die jungen Spielerinnen durch die Luft hüpfen, wenn der Rock sich dann hebt, wenn die kurzen knappen Höschen sichtbar werden, wenn die prallen Brüste unter den Tennishemden hin und her wippen, ja dann wird Ingo so unglaublich heiß zu Mute, so völlig losgelöst ist er dann. Er genießt, er betet ihn an, den Anblick von jungem, knackigem Fleisch. Seine weit aufgerissenen Augen verraten es - sie glänzen. Mit halb geöffneten Mund, schwer atmend, Schweißperlen auf der Stirn, steht Ingo dann, in solchen Momenten, am Tresen und verfolgt, sichtlich erregt, das internationale Tennis Match. Immer wieder gleitet seine Hand zum Schritt seiner Hose, um, wenn er sich unbeobachtet fühlt, seine sexuelle Erregung zu befühlen, durch leichten Druck mit dem Zeige- und dem Mittelfinger auf die betreffende Stelle. Ingo ist in solchen Augenblicken in einer anderen Welt, seine Gedanken kreisen dann nur noch um ein Thema: SEX. Sex mit Sportlerinnen, mit jungen Tennisspielerinnen, am besten sofort, gleich hier und jetzt auf der Stelle, oder eben nach dem Match - unter der Dusche! Ingo wäre gerne Trainer geworden, aber ihm fehlte die Selbstbeherrschung, seine Geilheit überwiegte. Schon als Jugendlicher trieb er sich auf Sportveranstaltungen in den Umkleideräumen von jungen Frauen herum - als Trainer getarnt. Er war ein Spanner, aber er hatte, trotzdem, immer mal wieder die Idee gehabt „tatsächlich“ Trainer zu werden. Allerdings, er wusste selbst, dass es nicht nur beim Training mit den Frauen geblieben wäre. Dafür war er zu gierig in seinen An- und seinen Absichten, sowie in seinen Veranlagungen und seiner Bereitschaft für junges Fleisch alles stehen und liegen zu lassen. Sein Sicherheitsdenken hielt ihn von derartigen spontanen Entschlüssen ab. Also genießt er seitdem nur noch das „Visuelle Fleisch“, er genießt, was ihn wirklich antörnt, und das ist das, was ihm der Bildschirm rund um die Uhr liefert - Fleisch, Fleisch, Fleisch. Beim Anschauen, beim geistigen Anfassen des Fleisches findet er einen Teil seiner Befriedigung. Aber Ingo hat auch noch eine andere Seite, denn... Ingo ist der deutsche Spießer schlechthin, schnell beleidigt, keinen großen Sinn für aktuellen Humor. Sprachlich, - nicht selten unverständlich für andere, bei seinen häufig, viel zu schnell hervorsprudelnden Wörtern, die er von sich gibt, wenn er aufgeregt ist - aus welchen Gründen auch immer? Ein bisschen zu neugierig ist er außerdem, allzu gerne hält er seine rote Schnapsnase in die falsche Windrichtung. Er hat ein seltsam, unglückliches Geschick dafür, Sachen (Gespräche anderer Gäste) aufzuschnappen, die ihn gar nicht betreffen. Die er dann allerdings, für sich, also gegen sich - gegen seine Person wertet. Dann, in solch, eigentlich, harmlosen Momenten, wird er säuerlich, pampig und plustert sich auf, ernst, nimmt ihn aufgrund dessen niemand mehr so richtig. Aber er lebt mit diesen Eigentümlichkeiten, diesen Gegensetzen, für sich gesehen, recht gut, so ist der Eindruck den er auf mich, und auf viele andere, nach wie vor, macht. Er ist im „Wesen“ Michael Jürf nicht unähnlich, seltsamerweise kommen beide, trotzdem, miteinander, besonders gut aus. Ein weiterer Dauergast der Kneipe und in der warmen Ecke ist: Jürgen Krohm, hierbei habe ich den Namen aus Gründen von eventuellen rechtlichen Schritten gegen mich, die unsere Gesetze erlauben, vorsichtshalber lieber geändert, schließlich will ich berühmt und reich werden. Jürgen Krohm ist ein alkoholkranker, schwachsinniger, hagerer Kollegenanscheißer, mit verkorksten Ansichten und erschreckenden Bildungslücken, die nicht unerheblich sind. Er sieht mit seinem kreisrunden Bart, der seine wulstigen Lippen deutlich hervorhebt, aus, wie jemand, der die „Verblödung“ (aufgrund von übermäßigen und regelmäßigen Alkoholkonsum) eines Menschen geradezu personifiziert. Der Mann ist krank. Aber „er“ merkt es nur noch im Ansatz, er ignoriert es, weil er durch den Suff regelmäßig betäubt ist. Auch er ist Michael Jürf nicht unähnlich, Ingo würde mir wahrscheinlich recht geben. Ja, Krohm ist ein Schwachkopf durch und durch, er war jahrelang arbeitslos, mittellos, schmarotzend, hintertrieben und bettelte sich so durch den Tag. Immer wieder fielen ihm neue Argumente ein, um sich in der Gesellschaft nicht nützlich machen zu müssen. Faulheit, Desinteresse und Unfähigkeiten seinerseits, machten sein Leben zu einem Teufelskreis. Wohnungsverlust, hervorgerufen durch fehlende Mieteingänge beim Vermieter, ließen ihn zurück zur leiblichen Mutter kehren, die ihr Söhnchen (Krohm) offen in die beharrten Arme schloss. Doch auch seine Mutter konnte ihn nicht allzu lange ertragen. Wer kann das schon? Ist Krohm nur bescheuert? So musste er gehen. Unfreiwillig. Er lebte, nach diesem Zerwürfnis, unter anderem mit einem schwulen Boyfriend in Harburg-Heimfeld zusammen, „allerdings ohne auf die Wünsche des anderen, - des überzeugten Schwulen einzugehen,“ sagte Krohm einmal, mit einem Lächeln, welches mir, und vielen anderen, unvergessen blieb. Bäähh...
Aber er ist darüber hinaus, ich meine trotz gewisser Ausrutscher mit dem gleichen Geschlecht, auch noch verheiratet - mit einer Frau. Seine Ehefrau ist eine imposante, von Fettleibigkeit gestrafte, fresssüchtige, aus einem Rubensbild entsprungene Riesengestalt, deren Zigarette nie ausgeht und die sich in ihrer Haut allem Anschein nach recht wohl fühlt. Sie hat sich im wahrsten Sinne des Wortes ein dickes Fell zugelegt, um die Eigentümlichkeiten ihres Gatten, auch langfristig gesehen, zu ertragen. Es ist schon merkwürdig, dass alle diese Weiber „rauchend“ den Tag bestreiten, verbringen, dahin gehen lassen. Ist die Zigarette vielleicht nur ein Penis-Ersatz, ein Blasen, ein Saugen, vielleicht eine unvermeidliche Tatsache, eine seltsame Art von frustrierter Lebensanschauung? Antworten darauf zerstreuen nur die eigenen Gedanken, also bleibe ich sachlich. Krohm passte, mehr als jeder andere in die warme, intrigante Ecke von Wilffs Bahnhofskneipe. Hier, und nur hier, herrschte, besonders am Freitagabend, eine Atmosphäre so wie es sie nur unter Männern gibt. St. Pauli z. B., in den dunkelsten Ecken überhaupt, lebt von solchen Besuchern. Und in der Mitte des homoerotischen Geschehens bei Wilff - Krohm. Prahlend, peinlich, maßlos übertreibend, schildert/schilderte er seine Tätigkeit bei der Firma „OBI“. Er ist dort im Grunde genommen nur eine Lageraushilfskraft, doch nach seinen, gelogenen, großkotzigen Erzählungen, ist er wesentlich mehr. Er ist der wichtigste Mann dort überhaupt, nach ihm kommt nur noch der liebe Gott, ja, ja... so ist das. Böse Zungen munkeln allerdings: „Krohm dürfe (bei OBI) lediglich die „Scheißhaustür“ für die Stammkundschaft aufhalten, was er auch gerne tut, denn er wird für diese Tätigkeit schließlich entlohnt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, obwohl das Geld ausschließlich für Alkohol und fettes Fleisch, für die Ehefrau, draufgeht. Randbemerkungen sind hier wohl unangebracht. Man denkt oder man schweigt. Wenn er (Krohm) manchmal am Tresen sitzt, sich unbeobachtet fühlt, und wenn sich sein defekter Augendeckel auf und nieder bewegt, dann ist auch er in einer anderen Welt. In einer Welt, wo Schwachsinn, Verwirrtheit, logische Denkunfähigkeit und Kraftmeierei sich einander gerne begegnen... und alles wird von einem warmen, schwülstigen Luftzug begleitet. Krohm der Möchtegern, der Oberspinner, war im Laufe der Zeit, zu einer tragischen Witzfigur geworden, zu der er sich selber hindirigiert hatte. Niemand mochte ihn, mit Ausnahme der Gleichgesinnten, der Gleichbeknackten - man wusste untereinander natürlich Bescheid, wie man mit dem anderen umzugehen hatte. Es war wie im Irrenhaus, wenn die Beknackten: Diane, Christiana, Barbara und allen voran Krohm, sich gegenseitig, in Hassgefühlen weideten, unnatürlich intensiv hochschaukelten, ich meine, immer dann, wenn mir Michael Jürf oder irgendjemand anderes ein Getränk ausgab. Dann gab es für die eben Aufgezählten kein Halten mehr, man wurde wahnsinnig, man wurde neidisch, man registrierte und man analysierte das ausgegebene Geld für das Getränk der dementsprechenden Person. Diane, Krohm, Christiana, sowie auch Barbara litten darunter. Neid, als auch, die damit verbundene Missgunst, steigerten sich ins Krankhafte, ins Unfassbare, ins grenzenlos Schizophrene, tief hinein. Nicht selten blickte ich in ihre: Diane, Christiana, Krohm und Barbaras aschfahlen, hässlichen, abstoßenden Gesichter. Im Innern lachte ich über sie, denn sie taten mir leid und das meine ich ganz ernst. Aber ich hatte hier wohl nichts mehr zu suchen, jedenfalls nicht nach 14 Uhr, denn dann war immer Schichtwechsel und das Schicksal nahm seinen Lauf. Schon das Erscheinen der bereits mehrfach Aufgezählten, veranlasste viele (Stammgäste) einfach zu gehen. Die Stimmung schwenkte dramatisch um, denn es wurde giftig, unrein, unheimlich. Würde es einmal zu einem Mord kommen - an einem unbekannten Fremden,... Krohm, Diane, Christiana sowie Barbara wären wohl die Hauptverdächtigen.
Nun also endlich zu der bereits erwähnten Barbara. Sie ist ein kleiner, kurzhaariger, ebenfalls intriganter, geiziger, trivialer Giftzwerg, der den ganzen Tag darauf wartet, von irgendjemanden eingeladen zu werden (Getränke und Speisen sind gemeint), um so für sich selbst Geld zu sparen. Mit Mitte fünfzig ist sie auf der geistigen Ebene einer elektronischen, ferngesteuerten Spielzeugratte, und so in etwa ist auch ihr ganzes Verhalten. Sie ist ein Spion, welcher seine Ohren, wie zwei Antennen in alle Richtungen ausfährt, um immer auf dem neusten Stand der Dinge zu sein. Es darf ihr einfach nichts entgehen, sie würde sonst vor Neugier platzen und endgültig verrückt werden. Doch dann, wenn sie die neusten Gerüchte sowie Informationen, durch gezieltes Zuhören, durch professionelles Belauschen aufgesogen hat, dann hat ihre Stunde geschlagen. Sie winkt Diane, Christiana oder auch Krohm zu sich, und man überlegt gemeinsam, wie man mit den neusten Informationen am besten umgehen könnte, wie man den oder diejenige denunzieren könnte, nur so, ohne einen sinnvollen Grund. „Spaß an der Freud“ nennt man so etwas. Barbara ist wie eine Spinne, sie ist eine Schlange mit den Fähigkeiten einer Tarantel, die ihr großes Netz immer wieder nachbessert, immer wieder erweitert, immer wieder neu ausrichtet, um so Anerkennung von Krohm, Diane und Christiana zu ernten, weil ja nur das noch bei ihr funktioniert. Denn sie ist eigentlich schon längst tot, bei ihr hat sich der Geist sowie die damit verbundene Bildung vom gesunden Körper rasch, zügig, ohne Umschweife getrennt. Sie wird nicht mehr beachtet und eher gemieden von den normalen Besuchern. Ich weiß warum, aber ich füge dem nichts mehr hinzu. Denn Peinlichkeit lässt sich nicht steigern. Die Gemeinsamkeiten der „vier“ sind, ohne in Übertreibungen zu verfallen: beispiellos, extrem und aufeinander abgestimmt, man ist deshalb durchaus geneigt zu sagen: „Hier geht es mehr, als nur um eine Freundschaft unter Gleichgesinnten, andere Gefühle sind hier stetig am Wirken, dunkelste Urnaturen gehen Hand in Hand an der Schwelle zur kompletten Verdummung, zum Erkrankten, zum nicht Reparablen, auch der bereits erwähnte Michael Jürf weiß davon zu berichten, denn er teilte im Nachhinein ein fast identisches Schicksal. Nicht selten behauptete er: „Ich hätte ihm die Flasche Bier aus der Hand genommen, in der sich noch ein fingerbreiter Rest befunden habe, nur um ihn zu schikanieren und somit aus der Wohnung zu weisen, wenn er, bei mir, einen Sauftag verbracht hatte und dieser sich dem Ende neigte.“ Tags darauf erschien er dann, nachdem er fünf Tassen starken Kaffee getrunken hatte, zitternd, geistig umnachtet, aufgeregt und durchgedreht wieder bei mir, und schilderte mir in den unglaublichsten Geschichten seine Unzufriedenheit mit der Welt, mit seinen Nachbarn, seinen Eltern, seiner Mattigkeit, seinem Leid an dem „ich“ auch mit Schuld habe; er war zu bedauern, und er wollte Anteilnahme an seiner miserablen Situation erwecken, indem er sich der Winselei bediente. Lieber Gott, behüte mich davor, eines Tages genauso abzusacken, in moralischer, geistiger und sozialer Hinsicht wie diese, vorrangig genannten „vier“ apokalyptischen Miniteufel, die es versäumt haben etwas Gutes zu tun, da sie sich jenseits von dem eigentlichen Positiven befinden, und es nicht mehr schaffen dort hinauszukommen, weil sie schlicht und ergreifend zu blöd, zu unvollkommen, zu unreif sind. Mehr ist zu dieser seltsamen Clique wirklich nicht zu sagen. Es fällt mir nicht leicht über etwas weniger schwer Verdauliches zu berichten, bezüglich der Genannten, aber da es sich um die absolute Wahrheit handelt, wäre jede Schönfärberei von meiner Seite aus gesehen - gelogen. Und Lügerei ist für eine Satire, für eine Gesellschaftssatire, auf diesem Niveau, so wie ich sie verfasse und empfinde, alles andere als ehrlich. Wahrheit ist wie eine bittere Medizin die wirken muss, unverdaulich und scheußlich muss sie denen schmecken, die sie stets, und immer wieder gnadenlos missbrauchen. Mögen sie alle daran qualvoll ersticken. - Doch wende ich mich nun, einem meiner Halbfreunde, „Peter Pöda“, und einen, der eher seltenen Gäste, der eigenwilligen Bahnhofskneipe zu. Er gehört nicht in die warme Ecke, er ist zu intelligent, als dass er sich einspannen lassen würde von dem Quartett der Entbehrlichen. Peter, der mit seinen 191 cm, sowieso alles überragt, steht vielleicht aufgrund seiner Größe über den Dingen. Er macht sich nichts aus jenen, an den Haaren herbeigezogenen Gerüchten, die letzten Endes in Schall und Rauch aufgehen. Peter macht sich seinen eigenen Eindruck vor Ort, inmitten der Kneipe, unabhängig von irgendwelchen verwirrten Intriganten, nicht zuletzt deshalb, weil er als Sachbearbeiter auch auf dem Arbeitsamt tätig war. Klares, unabhängiges, logisches Denken ist für ihn also eine Alltäglichkeit, und keine Frage der Einstellung zu der Masse der Unzufriedenen, die den Hals mit Geld, mit Gerüchten, mit Unwahrheiten nicht voll kriegen können. Wahrscheinlich, weil vieles Erlogene, vom Quartett der „vier“, derartig unglaubwürdig wirkte, dass Peter sich Dialoge ersparte. Es nervte ihn. Er suchte in Wilffs Kneipe Frauen und Unterhaltung, ein kühles Bier, etwas Abwechslung, keinen Streit, dabei aß er ab und zu eine Frikadelle mit Brot und Senf. Auch Michael Jürf, wie bereits erwähnt, schätzte die Frikadelle zweifellos, und die „Frikadellen von Wilff“ ungemein, und natürlich besonders, wenn die ganz bestimmte, eben erwähnte Frikadelle, mit Senf sowie Ketchup, durch eine Scheibe Weißbrot erweitert, einem wohlschmeckenden Mahl gleichkam, dem man (Peter und Michael sind gemeint) nicht widerstehen konnte. Und so kam es, vermutlich unerwartet, eines Tages zwischen Michael und Peter zu einer angeregten Unterhaltung zum Thema „Frikadelle“. Beide erwiesen sich als fachkundige Experten auf diesem durchaus vielfältigen „Feld“ und „Gebiet“ des Fastfood. Die Argumente der beiden waren für alle Anwesenden einleuchtend, man war einer Meinung mit den beiden rotnasigen Experten. Nie zuvor wurde derart ausgiebig, sowie leidenschaftlich über „des Deutschen Fleischklops“ gefachsimpelt und bis ins kleinste Detail diskutiert, unglaublich aber wahr, ich war Zeuge, und ich bin immer noch ganz beeindruckt, sowie erstaunt, auch hier wieder, im Nachhinein betrachtet, welche Genies diese beiden versoffenen Imbissjunkies doch sind. Am Ende der Unterhaltung, und nach den zwangsläufig verspeisten Frikadellen, gab man sich feierlich die Hand, und beglückwünschte das unerwartete Wissen des anderen. Michael war überrascht und schwärmerisch beeindruckt. Peter seinerseits, sank ehrfürchtig auf die Knie. Ja, so entstehen Freunde oder zu mindestens Kneipenkumpel. Auch wenn es sich letzten Endes nur um die Frikadelle dreht. Aber auch Polen Peter (sein von ihm nicht geliebter Spitzname) hatte eine extreme, von gelegentlichen Weinkrämpfen gezeichnete, andere Seite. Er war nicht nur der intelligente, sachlich, logisch denkende, ehemalige Mitarbeiter des Arbeitsamtes Hamburg, nein, auch Peter neigte bisweilen zu Eigentümlichkeiten, die sich bis ins Hysterische steigerten, vorwiegend unter starkem Alkoholeinfluss. Es passierte immer wieder, dass er im Delirium, vor den Augen der Öffentlichkeit seine Hose öffnete, und den entsetzten Zeitzeugen der Epoche, seinen Schwanz vor Augen hielt. Die Gäste beschwerten sich dann daraufhin unverzüglich, sowie übel gelaunt, beim Wirt der bestimmten Kneipe, in dem der Vorfall zum Tragen kam. Meistens wurde Peter dann, nach dem Entblößen, also nach solchen Alkoholexzessen, eben aufgrund derartiger Auswüchse, von dem zuständigen, und wie bereits erwähnten Wirt, oder sonstigem Dienstpersonal der betroffenen Kneipe, vor die Tür gesetzt. Man „trat“ den laut protestierenden Peter, der sich trotz solcher Sauereien im Recht fühlte, einfach in den Arsch und schmiss ihn hinaus. Am darauffolgenden Tag schämte sich Peter meistens zu Tode, wenn ihm, bedingt durch den Alkoholentzug, bewusst wurde, was er wieder angerichtet hatte. Er litt, er weinte, er bat untertänigst um Verzeihung, allerdings wandte er sich oft an die falschen Leute. Man (alle die ihn kennen und kannten sind gemeint) war sich nicht mehr sicher, in wie weit Peter noch als „Gesunder“ galt. Denn auch seine häufige Aggressivität wuchs im Laufe der Jahre um ein Vielfaches. Er war immer öfters ohne Kontrolle, ohne Selbstbeherrschung, ohne natürliche Grenzen, die in einem intakten Hirn eigentlich vorhanden sind. Nein, er lernte „nichts“ daraus, aus diesen Fehltritten, im Gegenteil, er soff unglaublich maßlos, rücksichtslos, immer mehr und immer weiter. Und da dieses Verhalten nicht mit normalen Maßstäben zu erklären war, vermuteten er selber und andere, in seinem ausgeprägten Hang zum Alkohol als solches, zu der Menge die er hinunter spülte, die eigentliche Ursache. Sein Trinkverhalten war einzigartig, egal welche Art von Alkohol auf den Tisch kam, Peter schluckte alles in sich hinein - „Hauptsache besoffen“, das war sein Motto. Und dann, wenn in diesen extremen Momenten, eine Frau zugegen war, rastete Peter vollkommen aus. Er schmiss die Runden, „Geld“ spielte keine Rolle mehr, er war der König, der Kneipenkönig bis zum Schluss, also, bis das Lokal oder die Kneipe restlos leer war. Erst dann, von Kotze, und von Ketchupflecken übersät, machte er sich, in seiner abgenutzten, weltberühmten: Gelben Stoffjacke, grölend, ächzend, laut und falsch singend, sowie ganz alleine mit sich und der Welt, auf den Heimweg nach Neuwiedenthal. Glücklich, und das überdurchschnittlich, war er, wenn er besoffen war, mit ziemlicher Sicherheit, das schwöre ich auf jede Bibel. Ich war öfters, staunender Augenzeuge, wenn er seine Anfälle hatte. Und Peter hat sich bis in die aktuelle Gegenwart kaum verändert. Peter und Michael, in ihrer grenzenlosen Haltlosigkeit sehr ähnlich, bilden einen ewig durstigen Schlund, der ständig, durch Alkohol feucht gehalten werden muss. Ja, ich meine das ohne Spott, wenn ich sage: „Beide haben wohl mehr Alkohol in sich hinein gegossen, als irgendjemand sonst, im eigentlich, eher abgelegenen Stadtteil Hamburg-Harburg, welcher für seine harmonische Ruhe bekannt ist.“ Beide suchen (immer noch) im Alkohol mehr als nur Berauschung. Die gewöhnliche, vulgäre Kommunikation, das Fallen der Hemmungen, das Vorgaukeln eines Stärkegefühls und die radikale Benebelung der Psyche, vermischen sich allzu oft zu einem sozial unverträglichen Krankheitsbild, welches irreparabel und konfus erscheint. Denn beide haben, jeder auf seine Art und Weise natürlich, gezeigt, dass sie im Innern ihrer Gefühlswelt, ihrer Herzen, lediglich „Einsamkeit“ verschleiern. Natürlich berauscht sich jeder Mensch für gewisse Zeit, aber, wenn eine angeknackste Seele, eine verletzte Seele, zusätzliche Arbeit leisten muss, um Wahnsinn und Wirklichkeit auseinander zu halten, dann kann es zu Fehlzündungen kommen, und die haben sich in letzter Zeit stark vermehrt bei unseren beiden trinkfreudigen, Fastfood-liebenden Extremisten. Dennoch hoffe ich, dass sie nicht so wegbrechen wie einige andere Gestalten in Wilffs Bahnhofskneipe. Denn bei den ganz heiklen Fällen, die ich bereits geschildert habe, ist Hopfen und Malz für immer und ewig verloren. Jeder, der meine Sicht der Dinge, zwangsläufig, irgendwann einmal, prüfen wird, wird erstaunt feststellen, dass sich nichts verändert hat. Es hat sich eher verschlimmert. Saufen, mal ganz nüchtern betrachtet, kann, jeder weiß das, Sorgen ertränken, aber, wenn eine Grenze, („Ich weiß ich wiederhole mich,“ gez. der Autor), mehrfach überschritten wurde, dann hilft auch kein beten mehr, weil der Wille längst schon gebrochen ist. Innere Organe wissen, was ich meine. Tja, und der Magen, das wichtigste innere Organ eines Trinkers überhaupt, nimmt auch, langfristig gesehen, keine feste Nahrung mehr an, er (der Magen) leidet dann mit seinem Herrn und Meister. Durchfälle werden zu einer unangenehmen Qual. Das Gehirn jedoch schweigt, es wird kurzfristig ausgeschaltet, auf „Stand by“, damit die Wirklichkeit nicht so schmerzt. Der ständige Durst ist nur noch Einbildung, aber es schmeckt eben doch, denn es ist die alltägliche Gewohnheit, die zum Bedürfnis wurde. Auch die sogenannten Wochenendtrinker, besonders bei Wilff, erwecken den Eindruck, dass sie nicht mehr in der Lage sind, klare Gespräche zu führen. Man schreit einfach drauflos, man kreischt einfach mit, man ist befreit, und das ist letzten Endes wichtig, es gehört zum Besoffensein mit dazu. Ein Paradebeispiel ist und bleibt der schwülstige, geistesgestörte Intrigant - Jürgen Krohm. Und wenn man darüber hinaus, einander ein wenig anscheißt, dann macht es besonderen Spaß. Die vier von mir genannten Oberanscheißer, Krohm, Christiana, Diane und Barbara, werden jener These wahrscheinlich begeistert zustimmen, wenn sie diese Zeilen jemals lesen sollten, denn alle vier sind absolute Fachleute auf jenem fragwürdigen Gebiet. Als Bert Teufel mich am Donnerstag Abend anrief, und sich erkundigte, ob es bei dem Termin am Freitag bleiben würde, verneinte ich, ich verschob die zweite Interviewrunde auf den kommenden Montag, ich brauchte eine Pause. Außerdem war ich noch nicht so richtig überzeugt, ob es wirklich sinnvoll war, alles, was ich wusste - zu erzählen. Ich brauchte endlich einmal Geld. Einen Vorschuss, ich dachte so an 1000 Euro, denn meine Festkosten waren fällig geworden. Teufel versprach mir einen Scheck zuzusenden, und der kam auch. Ich war überrascht, der Scheck kam nämlich außergewöhnlich schnell, bald schon regelmäßig. Natürlich war mir bewusst, dass Bert Teufel selber knapp am Limit lebte, einmal abgesehen von den kleinen Nebeneinnahmen mit der unglaublichen Bewässerungsanlage, aber ich war eben „noch mehr“ pleite als er es war, deshalb hatte ich wohlverdienten Anspruch auf einen Vorschuss. Ja, so bin ich in solchen Augenblicken. Geschäftliches hat immer Vorrang. Wenn allerdings, in der Vergangenheit und leider auch noch in der Gegenwart, gar kein Geld aufzutreiben war, wandte ich mich, wie schon des Öfteren, an meine liebe Cordula. Ich muss mich hier an dieser Stelle einmal innigst und herzlichst bei ihr bedanken, bei meiner kleinen treuen Maus. Was wäre ich ohne sie? Ich wäre schon ein paar mal in größte, sowie unangenehme Schwierigkeiten gekommen, ich wäre fast verhungert, verdurstet, gekreuzigt worden, kurz um, ich habe ihr vieles zu verdanken! Darum liebe ich sie. Und eines Tages, werde ich mich bei ihr mit einem Goldgeschenk bedanken, das schwöre ich bei Gott, und allem, was mir sonst noch wichtig und heilig ist. Sicherlich bekam sie ihr Geld von mir immer wieder, aber es ist für niemanden schön, inmitten des Monats die Geldbörse zu öffnen, es fiel- und fällt ihr nicht leicht, in all den Jahren, in denen wir uns kennen, für mich die große Schwester zu sein. Aber sie ließ mich nie hängen, sie verurteilte mein verrücktes Leben nicht, sie ließ mich trotz allem, trotz aller Rückschläge - schreiben, und drückte mir insgeheim, fest und ehrlich beide Daumen, und manchmal glaube ich, es hilft mir tatsächlich. Ist das nicht wundervoll? Also, noch einmal: „Tausenddank, und einen ganz dicken Kuss für dich Cordula.“ Vielleicht schaffe ich es eines Tages, und werde an Kaliforniens sonniger Küste, in einem angemessenen Haus für mich residieren. Umgeben von einer schönen, aufregenden Frau, ein paar Kindern, zwei herumtobenden Hunden, in dem dazugehörenden überdimensionalen Garten, sowie vernünftiges, geschultes, zweisprachiges Hauspersonal, denn es ist das Hauspersonal, die Dienerschaft, welches das Ansehen einer Residenz mit Meeresblick, erst zu dem macht, was es ist: Zu einem Paradies. „Alles nur Träume?“ Höre ich die Kritiker, die Neidischen, die künstlerisch Unbegabten, die Armseeligen, die anständig zur unterbezahlten, und zur unsicheren Arbeit gehenden da sagen. Aber, ihr werdet schon sehen wie es kommt, wie es kommen muss. Denn, ohne Träume wäre die Mondlandung nicht geglückt, gigantische Städte wären nicht entstanden, pferdelose Kutschen (Autos) würden mit Abgasen nicht die Luft verpesten, wahrscheinlich würde nicht einmal Ingo Wilffs Bahnhofskneipe existieren, in der sich jeden (wirklich jeden) Freitagnachmittag, das Harburger Elitegesocks, (die Namen müssten nun bekannt sein), die Klinke in die Hand gibt usw. Beispiele gibt es genug. Die Straßen, jeder Stadt, sind mittlerweile voll von verkrachten Existenzen, von Künstlern, von Arbeitslosen, von Obdachlosen, von Sozialhilfeempfängern, von, wie ich zu sagen pflege: „Opfern dieser korrupten Demokratie, Opfern der verschiedenen sogenannten demokratischen Parteien, deren Führer sich, wohl wissentlich und der Verantwortung bewusst, die Taschen ihres feinen Zwirns, mit Schwarzgeldern voll stopfen, während andere auf der Strecke bleiben und Suppenküchen in Anspruch nehmen müssen, damit sie nicht verhungern.“ - Oh ja, es wird zu einem Knall kommen, zu einem riesengroßen „Big Bang“, aber dann möchte ich eben sehr weit weg sein, weil ich nicht mehr glaube, dass dieses Land zu retten ist, ich selber bin ja mit meiner Masche aufgefallen, gescheitert, ich werde im Grunde genommen von einem Journalisten zur Wahrheit gezwungen. Allerdings, war und ist mein Fall, eher unpolitisch sowie unspektakulär - im Moment jedenfalls noch. Was also wird erst passieren, wenn alle ausnahmslos „alle“, unsere, von uns gewählten Politiker auf den Prüfstand kommen? Ja, ja, dann geht es hier zur Sache, darüber sind sich aber nicht nur alle Spießer, alle ewig Gestrigen, alle ehemaligen APO-Aktivisten, und auch nicht alle Bildzeitungsleser, sowie alle listigen Menschenquäler im Klaren. Man sieht eben zu gerne weg, es geht einem, im Kleinen, im sehr privaten Rahmen, doch eigentlich ganz gut. Man ist doch noch wer, man kann sich den Ausflug an die Elbe in ein Mittelklasse-Restaurant, mit Frau und Kind, doch immer noch so, einigermaßen, gerade mal so, wenn Schwiegermutter die paar Getränke übernimmt, durchaus leisten. Also, wer malt hier schwarz, an den geweißten Wänden der unerschütterlichen deutschen Demokratie? Das Volk? Die Armen? Die Politiker? Die Arbeiter? Die Experten? ... Die „Fachexperten“ sitzen in den Kneipen, bei nur noch einem einzigen oder höchstens zwei Bier beisammen, und reden sich die Welt gegenseitig ideal. „So schlecht wie es aussieht ist es nicht, wer wirklich, und „nur“ wer wirklich im Geringsten arbeiten will, der findet auch welche. Es ist so einfach, so verdammt einfach, wenn man nur wirklich will,“ hört man die, die noch Arbeit haben sagen. Wenn sie allerdings „selbst“ von Armut, Arbeitslosigkeit sowie Ausweglosigkeit betroffen sind, dann scheitern „ihre“ Ehen, zerfallen „ihre“ Selbstwertgefühle, Freunde nehmen großen Abstand, der Alkohol bittet, von einem auf den andern Tag, um mehr Aufmerksamkeit. Der Anfang vom Ende? Nein, Alkohol muss nicht sofort das „Ende“ bedeuten, aber die „Menge“ entscheidet natürlich, „Ich wiederhole mich schon wieder ich weiß,“ gez. der Autor. Aber Baldrian und andere Präparate helfen bei Schlaflosigkeit, Zukunftsängsten und Enttäuschungen, gerade bei Arbeitslosigkeit, genauso gut wie der allabendliche Schlummertrunk, das habe ich schon des Öfteren festgestellt.