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Heiner´s Ratschläge

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Bis tief in den November 1969 hinein lebte die Kommune unter dem Eindruck von Drogen, Alkohol und politischen Parolen. Man registrierte, mehr und mehr, die Gewaltbereitschaft der Studenten, die Umbruchstimmung, und Willy Brandt seinen weltbewegenden Satz: „Wir wollen ein bisschen mehr Demokratie wagen.“ Diese paar besinnlichen Worte hatten alle irgendwie verändert. Brandt war plötzlich der politische Übervater, der „immer“ recht hatte, der ständig zitiert- und für alles Mögliche herhalten musste, wenn die Argumente zu dünn waren, um selber einen Weg zu finden, der annehmbar sowie vertretbar war, in einer politischen Diskussion. Dennoch wurde auch weiterhin kräftig diskutiert, demonstriert und analysiert, vor allem, wenn es zu politischen Abweichungen innerhalb der WG kam. Harry sein Stuhl begann zu wackeln, er hatte den Bogen, mehr als nur einmal, überspannt. Seine ständigen Phrasen, sein ständiges Genörgel, seine ständigen Unterstellungen, dass die, oder der, nicht revolutionär genug sind oder seien, bzw. zu faschistisch sind, nein, diesen Schwachsinn konnte keiner mehr hören. Während Jimmy den ganzen Tag mit seiner Gitarre in seinem Zimmer verbrachte, und alternative, politische Musik schrieb, mussten die Frauen ständig: Putzen, waschen, bügeln sowie einkaufen - und allzeit bereit sein, weil man (also Harry, Jimmy und Sunny) das damals in München so festgelegt hatten, und keinen Grund sahen, dass das geändert werden sollte. Unter diesem Aspekt übernahm kurzerhand Sunny die Führung. Harry lag aufgrund dieser politischen sowie menschlichen Niederlage, wie er sie bezeichnete, meistens mit Heroin vollgepumpt in seinem Bett, hörte Musik oder las irgendetwas über Marx. Das Gemeinschaftszimmer bezeichnete er als: „Brutstätte des Faschismus mit kontra-revolutionären Marionetten, die überhaupt nichts begriffen hätten.“ Seine Mahlzeiten brachte ihm fortan Ina ins Zimmer, denn er wollte mit den anderen nicht mehr an einem Tisch sitzen, weil sie ihm zu spießig, zu kontra-revolutionär und zu faschistisch waren. „Das ist doch völliger Blödsinn, was du da hinter unserem Rücken behauptest,“ hatte Sunny zu ihm gesagt. Aber Harry interessierte die Meinung von Sunny und den anderen nicht mehr, sie hatten bei ihm verschissen. Er war bereits auf einem eigenen Trip, der ihn voll und ganz beherrschte. Neben seinem ausgeprägten Faible für die Schriften von Karl Marx, beschäftigte er sich immer öfters mit fernöstlicher, geheimnisvoller Kultur. - Dass er schon in früheren Zeiten „Indien“ als das wahre Paradies für sich entdeckt hatte, das war bekannt, aber dass er plötzlich nach Indien auswandern wollte, um selber Inder zu werden, das war sogar Ina neu, mit der er, gelegentlich, noch „normal“ redete.

Aufgrund dieser seltsamen Vorgänge entschied Sunny, dass die Kommune Hilfe von außen bräuchte, um wieder im Einklang mit sich selber zu sein. Er lud kurzerhand Heiner Lang-Schwanz ein, der in einer Grundsatzdiskussion, welche sogar Harry aus seinem Zimmer lockte, die Problematik neu, und innovativ, zu konstruieren versuchte. Nachdem Heiner erschienen war, stellte er sich vor das Fenster, ja und dank der Sonneneinstrahlung, in den Gemeinschaftsraum hinein, hatten alle den Eindruck, dass ein Heiliger vor ihnen stehen würde. Es war ein kalkulierter Auftritt von Heiner gewesen. Die Sonne, welche Heiner von hinten beschien, ließ ihn, durch den Lichteffekt, wenn die anderen zu ihm aufsahen, zu einem Wesen, aus einer anderen Welt werden. Die schulterlangen, dunkelblonden Locken, sowie sein komplett weißes Outfit verstärkten diesen Eindruck immens. Seine Jünger hockten mit glasigen Augen, sowie mit einem Joint in den Händen, auf dem Boden sitzend, und schauten zu ihm auf – sie klebten förmlich an seinen Lippen, welche er immer wieder auf einander presste. Heiner sagte, mit einem Hauch fürs Dramatische: „Freunde der Revolution... in einem antifaschistischen Haushalt, welcher sich mit dem Proletariat solidarisieren will, um auf die unübersehbaren Missstände im Kapitalismus hinzuweisen, gehört es sich einfach, dass jeder seine eigene Fähigkeit mit einbringt, so dass ein kollektives Gemeinschaftsgefühl entsteht. So etwas Ähnliches kann man übrigens auch bei Karl Marx nachlesen.“ Es waren (fast) exakt die gleichen Worte, welche Harry einmal verwendet hatte, als es sich um die traditionelle Rolle (putzen, waschen, kochen und die Beine breit machen etc.) der Frau drehte. Harry bewegte, als ihm das bewusst war, erschrocken seinen Kopf zur Seite, denn nach diesen ersten Worten von Heiner, wurde Harry klar, dass nun seine Autorität innerhalb der Kommune, auf den absoluten Nullpunkt gesunken war. Heiner registrierte, ein wenig beunruhigt, dass irgendetwas plötzlich nicht stimmte nach seiner Standart-Einleitung, denn alle sahen, jeweils einmal für sich, nur ganz kurz zu Harry, und verzogen dabei abfällig ihr Gesicht – Harry schämte sich zu Tode. Er rauchte unnormal heftig seinen Joint, trank direkt aus der Wodkaflasche und versuchte Haltung zu bewahren; er war nervös, enttäuscht von sich selber - und verunsichert. Dann fuhr Heiner jedoch fort, er sagte: „Ihr müsst versuchen, wann immer ihr könnt, euch von den kontra-revolutionären sowie faschistischen Vorgaben des Bürgertums zu entfernen, um dann, wenn ihr es geschafft habt, für euch selber eine akzeptable Alternative zu finden. Das fängt bei der täglichen Lektüre bereits an. Des Weiteren ist es aus meiner Sicht der Dinge kontra-revolutionär und faschistisch, wenn ihr euch in eurem Konsumverhalten, an den Werbespots, im Fernsehen orientiert.“ Penny fragte daraufhin: „Das verstehe ich jetzt nicht so ganz, könntest du bitte konkreter werden, Heiner?“ Heiner zog sich etwas Kokain rein, bevor er zu Penny, und zu den anderen lächelnd sagte: „Man muss nicht jeden Scheiß kaufen, nur weil der Werbespot durch schöne Menschen, durch schöne Musik und durch eine schöne Umgebung, einen unterschwelligen Wohlfühleffekt erzeugen soll, oder es bereits, bei einigen von euch, längst geschafft hat. Man muss sich politisch, aus sozialistischer Sicht, dagegen stellen, - alles andere wäre kontra-revolutionär und faschistisch, weil die Werbeindustrie von Leuten gesteuert wird, die lediglich den Sozialismus demontieren wollen, ich wiederhole: Demontieren. Ferner wollen die Sklavenhalter dieses Systems, die sozialistische Idee, den sozialistischen Grundgedanken, so wie ihn einst Karl Marx formuliert und niedergeschrieben hat, radikal und territorial, bekämpfen sowie vernichten. Ja, und dadurch, dann, damit, dem Faschismus die Vorarbeit zu leisten, das wollen sie im Grunde genommen, um erneut die Menschen zu verführen, und um dann, außerdem einen faschistischen Krieg zu führen. Darüber solltet ihr mal nachdenken, wenn ihr euch Abend für Abend vom Fernsehen berieselt lasst.“ „Guckst „du“ eigentlich Fernsehen?“ Fragte Jimmy. Da sagte Heiner: „Ich schaue mal rein, ja sicher, um Leute wie euch zu warnen! Damit sie nicht zu widerstandslosen Konsum-Autisten werden, die sich nicht mehr orientieren können. Ich tue es, angeekelt und mit politischer Abwehr, deshalb, da auch ich, natürlich nicht, durch unpolitische Details zu sehr in ein Spektrum geraten möchte, wo der Konsument sich mit einer Gesellschaft, ohne es zu wissen, anfreundet, die im tiefsten Innern nichts hinzugelernt hat, sondern die nach wie vor einer faschistischen Ideologie unterliegt.“ „Ist es denn generell „faschistisch“ Fernsehen zu schauen? - Ich sehe nämlich „Die Unverbesserlichen“ mit Inge Meisel so gerne, deshalb frage ich,“ sagte Penny. „Es ist, aus meiner alternativen politischen Sicht,“ meinte Heiner, „keine Erblast oder gar Erbschuld, sich auch mal kulturelle Dinge anzusehen, die einen völlig anderen politischen Stellenwert einnehmen, als z. B.: Die Unverbesserlichen, Lassie, Familie Hesselbach, oder eine Fußballweltmeisterschaft, - darum dreht es sich bei mir persönlich auch nicht. Es ist, um es auf den Punkt zu bringen, vielmehr, die Akzeptanz, die politische Akzeptanz wohlgemerkt, in einer klar strukturierten, dem Bürgertum abgewandten sozialistischen Demokratie, die Eckpfeiler für eine neue Epoche, mit sozialistischen und anti-faschistischen Maßstäben generell zu bewerten und dann dementsprechend umzusetzen. Alles andere wäre kontra-revolutionär und faschistisch. Wir müssen, und besonders ihr-, in unserer, bzw. in eurer derzeitigen politischen Stimmung, einen Weg finden, wie wir Gemeinsamkeiten entwickeln, die dann zu einem Anhaltspunkt, und zu einem Gegenpol, der gegebenen reaktionären Stimmungsbilder werden. Damit ihr, in eurer Phase der Intoleranz und Selbstverständlichkeit, trotzdem untereinander entscheiden könnt, und zwar auf einer kommunikativen sowie gemeinsamen, sozialistischen Ebene, was für euch wirklich gut ist... das meine ich damit. Denn darauf kommt es letzten Endes an, dass das Stimmungsbild nicht durch negative Energien in sich selber zerfällt, oder einen kontra-revolutionären Charakter bekommt.“ „Wo ist eigentlich, Uschi?“ Fragte Jimmy zwischendurch. „Uschi ist im Moment, weil „ich ihr“ dazu geraten habe, auf einer Studenten-Demo gegen den aufflammenden Faschismus in der bürgerlichen Mitte, wie er meiner Meinung nach konstruktiv bekämpft werden sollte.“

Und in der Tat, während Heiner, seine Ratschläge, politisch sowie sozialistisch, gut verpackt, zu formulieren wusste, rannte Uschi mit einem Megaphon (und mit mehreren hundert Studenten im Anhang) durch Berlin.

„Könnten wir vielleicht mal eine kleine Pause machen?“ Fragte Sunny. „Ja, gut,“ sagte Heiner, „eine kleine Pause ist OK. Ich hätte jetzt sowieso Lust mit Biggi zu bumsen. Also, erhob sich Biggi und ging zusammen mit Heiner in ihr Zimmer und verschloss die Tür. Nach ungefähr 3 bis 4 Minuten konnten die anderen im Gemeinschaftsraum, Biggi und Heiner ziemlich laut bumsen hören. Biggi schrie wie am Spieß: „Tiefer, fester, hau ihn rein – gibt’s mir, Heiner. Oh, oh, oh... oh mein Gott, ich glaube ich werde wahnsinnig. Heiner! Heiner! Heiner! Oh mein Gott, Heiner!“ Das ging mindestens eine halbe Stunde so, dann spritzte Heiner Lang-Schwanz ganz offensichtlich in Biggi hinein. Er kam laut keuchend, sehr animalisch und fernab jeglichen Anstands. „Vergewaltigt der sie?“ Fragte Sunny in die Runde. Doch keiner traute sich etwas zu sagen. Zu sehr war man über das Triebverhalten von Heiner geschockt, denn nach dem Bums duschten Heiner und Biggi auch noch ausgiebig, bevor beide dann entspannt und gelöst zurück im Gemeinschaftsraum erschienen. Heiner sagte zu Ina: „Du könntest mir, oder uns, mal was zu „fressen“ machen oder holen, denn nach dem Geficke, brauche ich jetzt, was richtig Kräftiges zwischen die Zähne.“ „Darf ich Ina dabei helfen?“ Fragte Penny. „Ja, sicher. Ich hätte jetzt Bock auf ein gutes Mahl, auf guten Wein, besinnliche Musik und vielleicht ein bisschen Gras.“ Augenblicke später verließen Ina sowie Penny die WG, und holten vom Imbiss gegenüber Hähnchen, Pommes Frites, Bier und mehrere Flaschen Wein. Nachdem alle gegessen hatten, wurde Penny, von Heiner, nochmals losgeschickt, um Speiseeis zu kaufen. Heiner bestand beim Nachtisch darauf, dass er auf eine Extra-Portion Eis Anspruch habe. Somit musste einer verzichten – es war Harry, der freiwillig verzichtete.

Nachdem alle (außer Harry) ihren Nachtisch aufgegessen hatten, Heiner hingegen noch seine Porzellan-Schale, mit dem, mittlerweile geschmolzenen Rest-Eis umständlich ausleckte, und bevor er dann die leere Schale samt Löffel, an Penny weiterreichte, sagte zu Harry: „Man muss lernen zu verzichten, auch wenn es einem, wie in deinem Fall, jetzt ganz aktuell, schwer fällt, anderen auch mal den Vorzug zu lassen.“ Daraufhin sagte Harry genervt: „Ich habe doch gar nichts gesagt, oder mich, geschweige denn, in irgendeiner Form, beschwert – Verzicht ist für mich kein Problem.“ „So?“ Sagte Heiner. Und er (Heiner) fügte (ein wenig gehässig) an: „So einfach versuchst du also deinen Verdruss, welcher doch ziemlich offensichtlich ist, zu rechtfertigen, in dem du die These aufstellst, dass du verzichten kannst, ohne Groll gegen mich zu hegen?“ „In bin sowieso auf Diät,“ konterte Harry. „Das wird nicht reichen, um dich aus einem Spektrum zu ziehen, wo du einer Findung zu dir selbst am nächsten bist.“ „Was willst du überhaupt?“ Fragte Harry sichtlich gereizt. Da stand Heiner auf, stellte sich wieder vor das Fenster, ließ von Penny und Ina, zuvor noch den Tisch abräumen (indem er zweimal, unüberhörbar laut, in die Hände klatschte), und sagte dann zu Harry: „Es ist doch klar, wenn du nach Indien gehen willst, dass du auf einer Flucht vor dir selber bist. Ich rate dir hiermit, und selbstverständlich auch den anderen, die politische Bewertung einer Situation als Folge von Frust nicht dazu zu benutzen, um sich selber über andere zu erhöhen. Marx und Engels haben in ihren Werken eindeutig Stellung zum Thema Ausbeutung der Arbeiterklasse bezogen, das kann man nicht so ohne weiteres infrage stellen.“ „Mensch Heiner,“ sagte Sunny mal zur Abwechslung, „das will doch auch niemand. Wir stellen weder Marx, noch Engels, noch dich, noch die Revolution, noch den Kampf gegen den Faschismus, oder was auch immer infrage. Das musst du uns einfach glauben. Was hat das Eine mit dem anderen überhaupt zu tun? Ich verstehe im Moment echt nur Bahnhof.“ Doch Heiner gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden, er schüttelte seine langen Locken erregt hin und her; ging anschließend vor dem Fenster mehrmals unruhig auf und ab – er wirkte verstimmt. Blieb dann jedoch abrupt stehen, sah zu den anderen, die sich zwischenzeitlich wieder auf den Boden gesetzt hatten, und enorme Mengen Hasch rauchten, ja und dann deutete er mit der linken Hand auf den Schrank. Er sagte: „Dort! Was sehe ich dort?“ Alle drehten sich erschrocken zu dem Schrank um, aber sie konnten nichts entdecken, was für Aufregung hätte sorgen können. Mit schnellen Schritten marschierte Heiner zu dem Schrank, riss die Mitteltür (welche aus Glas bestand) wutentbrannt auf, ergriff eine Bildzeitung, rollte diese zusammen, und nahm anschließend (stehend) erneut seinen Platz vor dem Fenster ein. „Was hat diese reaktionäre, kontra-revolutionäre und faschistische Scheiße hier zu suchen? Seid ihr jetzt völlig durchgedreht, oder was? - Antwortet!“ Biggi sagte: „Das haben wir aufgehoben, weil die Berichterstattung von dem Attentat auf Rudi Dutschke darin steht. Wir wollten dich damit nicht provozieren.“ „Sondern?“ „Sondern,“ sagte Biggi, „wir wollten deren Berichterstattung einfach mal festhalten, für die Zukunft, falls die „Bild“ mal wieder eine Gegendarstellung machen sollte. - Bei denen weiß man ja nie.“ Heiner gab sich nach diesen Worten gnädig. Er schob seine Unterlippe gegen die Oberlippe und nickte mehrmals mit dem Kopf. Sekunden später legte er die Zeitung neben sich auf die Fensterbank, beorderte bei Ina ein Glas Rotwein und einen Joint, bevor er fortfuhr mit seinen Ratschlägen.

Er sagte: „Was bei euch sehr deutlich zum Vorschein kommt, ist eine unterschwellige Form von Aggressivität. Wenn ihr morgens in den Spiegel seht, was seht ihr? - Ihr seht euch im Licht der Badezimmer-Atmosphäre... und dieses Licht, ist nicht unbedingt, das Licht der Erkenntnis. Es ist vielmehr, die Öffnung nach innen, die euch fehlt, weil ihr eure Ziele nicht mit eurem Konsumverhalten im Einklang gebracht habt. Ich habe weder hier im Gemeinschaftsraum, noch in irgendeinem Zimmer eine Büste von Karl Marx gesehen – das beunruhigt mich. Es nimmt eurer WG die politische Resonanz, die messbare Bereitschaft eines politischen Umbruchs und das Signal, dass ihr in einer Aufbruchstimmung seid. Ich werde dafür sorgen, dass euch, und jedem Einzelnen von euch, in absehbarer Zeit eine Büste zur Verfügung steht.“ „Mal abgesehen davon,“ fragte Sunny, „aber du warst doch vor kurzem „mal wieder“ in der „DDR“, nicht wahr? Wie ist das da so?“ Daraufhin lehnte Heiner seinen Kopf zurück gegen das Fenster-, er lächelte in Richtung Zimmerdecke; er schloss für einen Moment die Augen, summte die Nationalhymne vom „anderen Deutschland“ vor sich hin, und begann plötzlich, mit den, so schien es, wohlüberlegten Worten: „Ich war nicht nur in der „DDR“, so wie du das, ziemlich respektlos, daher sagst. Ich, Heiner Lang-Schwanz, war im „wahren Deutschland“. Ich habe die Luft des Sozialismus geatmet, die Errungenschaften dessen in Augenschein genommen; es war geradezu unbeschreiblich. Diese Freiheit, diese Übereinstimmung von Volk und Staatsführung, diese Vielfalt an Kultur und wirklichen Reichtümern, welche an riesigen Plakatwänden sich dahin gehend äußern, dass die demokratischen Staatsrats-Vorsitzenden mit ihrem Volk zufrieden sind. Hinzu kommt die klassenlose Ausdrucksform in den gut organisierten Friedensdemonstrationen der FDJ, das ist mehr als nur ein schöner Anblick, das macht ergriffen, das macht in jeder Hinsicht Lust auf mehr – ich habe geweint. Zu gerne wäre ich dort geblieben-, dort, wo Coca Cola keine Chance hat jemals Fuß zu fassen, wo es keine amerikanischen Einflüsse gibt, wo man lediglich vor der Vollendung der literarischen Werke von Marx und Engels steht, im Zusammenhang: Mit einem politischen Hauch von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, nicht zu vergessen all die anderen Helden der Arbeit. Wer noch nie da war, derjenige kann eigentlich gar nicht mitreden. Es war, alles in alles allem, eine Erfahrung, eine kulturpolitische Erfahrung, die ich niemals missen möchte.“ „Hast du irgendetwas, also irgendetwas Handliches eingekauft in Ostdeutschland?“ Fragte Penny. „Ja,“ sagte Heiner, „ich habe eine echte ostdeutsche DDR-Flagge eingekauft, die sind dort viel besser, und einwandfreier, zu bekommen, als die unsrigen, hier, im Westen. Uschi hat sich sehr darüber gefreut. Sie hat mir, „mir ganz allein“ nachdem ihr bewusst war, was ich ihr, und unserer Kommune, da zum Geschenk machen würde, spontan einen geblasen. - Es war somit, durchaus, ein revolutionärer Akt der Hingabe ihrerseits.“ „Aus politischer Sicht?“ Fragte Jimmy etwas ironisch. Heiner beantwortete die Frage mit gleichwertiger Ironie: „Uschi muss nur ab und zu richtig durchgenagelt werden – und, wie du schon sehr gut erkannt hast, Jimmy, - aus politischer Sicht, nur aus politischer Sicht. Uschi möchte nämlich nicht mit irgendwelchen faschistischen Träumereien in einen Topf geworfen werden. Sie hat ihre eigenen Ziele.“

Kaum hatte Heiner diesen Satz beendet, klingelte in der WG das Telefon. Biggi erhob sich und nahm den Hörer ab, sah zu Heiner, und sagte: „Es ist für dich – Uschi.“ Heiner marschierte daraufhin zum Hörer, er sagte: „Ja? - Ach so, ja dann komm doch einfach hierher, nimm am besten ein Taxi. Ja, ein Taxi. OK? Bis gleich. Ich dich auch.“ Dann legte Heiner den Hörer auf, stellte sich mit dem Rücken erneut vor das Fenster, nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas, und schenkte es sich anschließend selber nochmals mit Rotwein voll, welcher ihm sehr zu schmecken schien. „Die kommt gleich hierher, dann kann sie uns ein bisschen was erzählen, wie es heute auf der Demo gegen Bürgertum, Spießertum, für Freiheit, Gerechtigkeit und für einen demokratischen Sozialismus, sowie gegen die kontra-revolutionären Elemente in diesem Deutschland ablief.“ „Da sind wir aber gespannt,“ sagte Harry. Heiner reagierte auf diese kleine rhetorische Spitze von Harry nicht, Heiner war nämlich stramm, er war mit Hasch total zugeraucht, angesoffen und er hatte auch schon wieder Hunger. Ina musste nochmals zum Imbiss runter, um für Heiner eine Currywurst sowie eine große Portion Pommes zu holen, auf Kosten der WG-Gemeinschaftskasse. Während Ina bereits unterwegs war, ließ Heiner sich einen Sessel, von Sunny und Jimmy, vor das Fenster schieben. Dann nahm Heiner Platz, er schloss die Augen und schlief ein. Er fing relativ laut an zu schnarchen. Die anderen waren genervt, besonders Sunny ging das Verhalten von Heiner tierisch auf den Geist, aber er behielt seine Meinung für sich. Nachdem Ina mit der Currywurst und den Pommes erschienen war, und sie Heiner sanft wachgerüttelt hatte, sagte Heiner zu ihr (irgendwie herablassend): „Mensch! Mensch! Mensch! Das hat aber lange gedauert, brauchst du beim Bumsen etwa auch so lange?“ Ina sagte nichts, sie fand Heiner mittlerweile nur peinlich. Sie entzündete sich stattdessen einen Joint und beobachtete Heiner, so wie es alle anderen auch taten, nämlich wie er die Currywurst mit Pommes in sich, nur mit der rechten Hand, reinfrass, dabei fürchterlich schmatzte und sich anschließend die Finger ableckte. Als er damit fertig war, ließ er sich von Penny ein kühles Bier reichen, welches er auf EX aussoff, ja und mit einem lautem Bäuerchen beendete er seine Zwischenmahlzeit. Dann schlief er wieder ein und phantasierte eigenartige Dinge. Die anderen ließen ihn schlafen, die warteten lieber auf Uschi, aber die verspätete sich.

Als Uschi endlich in der WG auftauchte, da war sie, für alle sichtbar, fürchterlich aufgekratzt, nervös und von einer innerlichen Unruhe getrieben. Sie redete wirres Zeug. Von Heiner nahm sie zwar Notiz, aber: Erst ein Joint, eine Valiumtablette und eine Flasche Wein brachten sie ganz allmählich zur Ruhe. „Kann ich heute Nacht hier bei euch pennen?“ Fragte sie Harry. Und Harry sagte: „Von mir aus kannst du hier pennen, aber ich habe hier eigentlich nichts mehr zu sagen, da musst du Sunny um Erlaubnis fragen, wenn du hier pennen willst.“ „Wieso? Was ist hier eigentlich los bei euch?“ Erkundigte sich Uschi (immer noch ein bisschen fahrig und durch den Wind). Da sagte Sunny, ganz ruhig, zu ihr: „Ach, es gab eine Grundsatz-Diskussion – aber, egal, bleibe heute Nacht hier, und was mit Heiner los ist, das siehst du ja. Schau zu ihm rüber.“ „Heiner wollte euch ein paar Ratschläge geben, für eure Kommune, jedenfalls sagte er mir das heute Morgen beim Frühstücken. Und jetzt sitzt er da total besoffen auf einem Sessel und schläft. Was hat das, um alles in der Welt, zu bedeuten?“ „Zuviel „Stoff“ von allem, was du dir so vorstellen kannst,“ sagte Penny daraufhin zu Uschi. Und Uschi verstand. - Gegen 22:00 Uhr legten sich alle, ziemlich stoned, in ihre Betten. Uschi schlief bei Jimmy, der auch gleich zur Sache kam. Ja, und nachdem sie ihm einen geblasen hatte, bumste er sie, in der Missionarstellung, vorsichtig an-, dann allerdings musste sie sich auf allen Vieren vor ihm hinhocken, so dass er sie von hinten nehmen konnte. Jimmy knallte sie wie ein Verrückter, er war unheimlich geil an dem Abend. Als er sich jedoch in sie ergossen hatte, erschienen, durch das Gestöhne aufmerksam geworden, erst Sunny, sowie ganz zum Schluss: Harry-, und besorgten es Uschi, praktisch, nacheinander. Dann schliefen alle ein. Am nächsten Morgen vergnügte sich Biggi „auch noch“ mit Uschi, und zwar unter der Dusche. Ina hatte irgendwann zwischen 8:00 Uhr und 8:30 Uhr für alle Brötchen geholt, Tee gekocht, einige Weinflaschen entkorkt und mehrere Joints vorgebaut. Ferner hatte sie die Fenster im Gemeinschaftsraum geöffnet und für Durchzug gesorgt. Heiner, der im Gemeinschaftsraum, auf dem Sessel die Nacht verbracht hatte, war neben Ina (Biggi und Uschi) der erste der erwachte. Er zog Ina zu sich heran, öffnete seine Hose, Ina hingegen entledigte sich ihres Minirocks und ihres Höschens, und setzte sich, mit dem Gesicht zu Heiner, so dass er an ihren Titten lutschen konnte, auf Heiner seine steinharte Superlatte. Dann begann sie auf ihm zu reiten, Heiner entzündete sich währenddessen einen Joint. Ina war total in Hitze, sie war außer sich, und als Heiner in sie reinspritzte, da biss sie sich im Rausch der Lust, in die rechte Hand, - es gab zwar keine Verletzung, welche einer ärztlichen Hilfe bedurfte, aber die Bissspur war deutlich zu sehen. Biggi und Uschi hatten von dem Ritt eigenartigerweise nichts mitbekommen.

Beim gemeinsamen Frühstück regte sich Uschi über die Demo, und besonders, über einen Polizeibeamten, vom vorherigen Tag auf, mit dem sie sich angelegt hatte. „Das Schwein,“ sagte sie (mit einem Brötchen in der Hand), „den zeige ich an.“ Heiner fragte sie daraufhin: „Was war denn da gestern überhaupt los? Erzähle bitte mir, und auch den anderen, ganz in Ruhe, was die mit dir, bzw. euch, gemacht haben. Bist du so lieb?“ Da sagte Uschi, zu Heiner und den anderen: „Ja, also... das war eigentlich, im Großen und Ganzen, eine ganz normale Demo, gegen: Bürgertum, Spießertum, für Freiheit, für Gerechtigkeit und für einen demokratischen Sozialismus, sowie gegen die kontra-revolutionären Elemente hier in diesem Deutschland. Doch ganz plötzlich sagte so ein reaktionärer Bulle zu mir: Du bist doch die Uschi Untermeier, nicht wahr? Dich kenne ich aus dem Fernsehen. Du müsstet mal richtig gefickt werden, dann bist du auch wieder klar im Kopf. So eine Schlampe wie du, die will es doch gar nicht anders, oder? Wenn du Zeit hast, dann könnten wir uns nach Feierabend in meiner Wohnung treffen, da besorge ich es dir dann. - Ja, und da bin ich dann durchgedreht nach diesem machohaften Angebot. Der spinnt doch. Ich habe ihn als dreckiges Faschisten-Schwein beschimpft, daraufhin hat er mir, ohne Vorwarnung, eine schallende Ohrfeige verpasst, und mich zusätzlich als verwöhnte Schlampe bezeichnet. Ich soll zurück in meine verdreckte „Sekte“ gehen, fügte er noch an... Und zwar zu Heiner Lang-Schwanz soll ich mich verpissen, das ist genauso ein Arsch mit Ohren wie ich, meinte er. - Könnt ihr euch das vorstellen? Den werde ich noch heute, im Laufe des Vormittags, anzeigen, wegen Körperverletzung, Beleidigung und anzüglichem Verhalten einer Dame gegenüber, dieser Scheiß-Bulle.“ Alle mussten nach diesen Worten tierisch lachen, auch Heiner konnte sich kaum noch halten – er bekam einen Hustenanfall. „Wieso lachst ausgerechnet „du“, Heiner?“ Fragte Uschi. Doch Heiner winkte vorerst ab, er musste sich erst mal wieder einkriegen, bevor er sagte: „Ich rate dir „dringend“ von einer Anzeige abzusehen. Das führt nämlich zu nichts.“ „Wieso?“ Fragte Uschi. „Hast du den Namen von dem Beamten?“ „Nein, den habe ich natürlich nicht. Aber den kann man doch feststellen lassen, oder?“ Doch Heiner winkte erneut genervt ab, er sagte zu Uschi: „Selbst wenn du den Namen von dem Bullen rauskriegen solltest: Was würde das bewirken?“ „Ich will, dass der gerecht bestraft wird – das will ich. So ordinär redet nämlich keiner mit mir. Denn, der hat mich doch indirekt als Nutte beschimpft, und eins in die Fresse hat er mir auch noch gehauen.“ Nun mischte sich Harry ins Gespräch zwischen Heiner und Uschi ein, er sagte: „Die Bullen halten gerade in der jetzigen Zeit zusammen, die sind einfach noch nicht so weit, um sich einer sachlichen Diskussion zu stellen, da hast du echt null Chancen, dass irgendein Richter zu deinen Gunsten entscheidet. Auch wenn du sicherlich in irgendeiner Form im Rechten bist. Die Bildzeitung würde das, was mit dir geschehen ist, vermutlich nicht mal unter den Kleinanzeigen auf Seite 17 veröffentlichen, da kannst du einen drauf lassen. Tut mir leid für dich, liebste Uschi. Aber es ist nun mal so. Glaube es mir.“ Uschi ließ sich (schon wieder leicht irritiert und missverstanden) einen Joint und ne Flasche Wodka reichen, aus welcher sie überaus große Schlucke trank. Dann sagte sie in die Runde: „Also, ein bisschen mehr Solidarität hätte ich von euch schon erwartet, gerade, weil es eine ausschließlich politische Demo war, und kein, von Hasch, geschwängertes Happening, wo es sich lediglich ums Bumsen drehte.“ Auch wenn alle Uschi ihre Beweggründe, den Bullen zu verklagen, nachvollziehen konnten, so ging man doch recht bald schon zur Tagesordnung über. Jimmy hatte seine Gitarre geholt, sie gestimmt und dann eines von seinen revolutionären Liedern gesungen:

Komm, komm, komm, - komm mit mit mir,

weiche nicht von meiner Seite.

Schließ´, schließ´, schließ´, – schließ´ diese Tür,

Und betrachte diese Weite.

Lass dich nicht verzerren,

lass dich nicht wegsperren,

lass dich nicht bewegen,

denn du hast nur dieses eine Leben. - Komm, komm, komm... etc.

Uschi fing nach diesen Worten an zu weinen, denn sie bezog den Text, auf ihre Erfahrung mit dem Polizeibeamten, obwohl das natürlich nur Zufall war. Jimmy hatte den Song schon Tage vorher geschrieben... er war zwar noch nicht fertig mit dem Text und der Komposition, aber die Grundstruktur hat durchaus einen erkennbaren Sinn. Jimmy sagte zu den anderen, die ihn fasziniert ansahen: „Musik und Text, ist auch der Ausdruck einer Lebensform, die sich unangepasst, revolutionär und allen Unkenrufen zum Trotz stetig weiterentwickelt. In Karl Marx seinen Schriften finden ich, und viele andere Künstler, immer wieder antifaschistische Verknüpfungspunkte, die es mir intuitiv ermöglichen der Bourgeoisie entgegen zu treten, sofern eine kommunikative Botschaft, aus dem Kontext, heraus, einen Künstler wie mich, dazu auffordert.“ Heiner, der seinen Kopf nach hinten, auf den oberen Rand des Sessels, gelegt hatte und an die Zimmerdecke starrte, sagte dazu: „Ich habe eine Zeitlang „Sitar“ gespielt, jenes mystische Instrument aus Indien, ich kann dir nur beipflichten, Jimmy. Musik ist nicht nur ein zentraler Wert, der sich mit „Erfahrung“ umschreiben lässt, Musik ist auch eine sexuelle Botschaft. - Das wäre gerade für „dich“ wichtig, Harry!“ Harry reagierte sofort, er sagte zu Heiner: „Ich weiß, was du meinst. Aber, ich muss nicht „unbedingt“ nach Indien, denn, wenn, mir, hier, die alles entscheidende Erleuchtung kommt, dann bleibe ich natürlich, wo ich bin. Der politische Kampf gegen den Kapitalismus, gegen den Faschismus und gegen alle Strömungen, die meiner Auffassung nach kontra-revolutionär sind, die gilt es rigoros zu bekämpfen.“ „Brav, Harry,“ sagte Ina, und gab ihm einen dicken Kuss.

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