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Ina und der Fotograf

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Nach endlosen, immer wieder kehrenden, Diskussionen über den Kampf gegen den Kapitalismus, gegen den Faschismus, gegen jede Art von Kontra-Revolution, sagte Heiner gegen Mittag zu Ina: „Du könntest mir, oder uns, mal was zu „fressen“ machen oder holen, denn nach dem Gelaber, brauche ich jetzt was Kräftiges zwischen die Zähne.“ „Darf ich Ina dabei helfen?“ Fragte Penny. „Ja, sicher,“ sagte Heiner. „Ich hätte jetzt Bock auf ein gutes Mahl, auf guten Wein, auf ein kühles Bier, auf besinnliche Musik und vielleicht auf ein bisschen Eis zum Nachtisch.“ Ina nahm, genau wie einen Tag zuvor, das hierfür notwendige Geld aus der Gemeinschaftskasse und ging mit Penny los. Unterwegs fragte Penny: „Warum gibt Heiner eigentlich selber nichts mit hinzu, wenn er schon was „fressen“ will?“ Da sagte Ina: „Geld zu besitzen ist für Heiner faschistisch, kontra-revolutionär und spießig, er hat zu Geld, zu Geld im Allgemeinen, eine sehr politische Einstellung, darum spreche ihn bloß nie darauf an.“ - Auf dem Rückweg vom Einkaufen erblickten beide einen jungen Fotografen, der die gesamte Straße knipste, und die beiden fragte: „Ein Foto gefällig, meine Süßen?“ Ina und Penny willigten ein. Also, schoss der Fotograf die beiden ab, wie es im Fachjargon heißt. Er gab ihnen seine Visitenkarte, und sagte speziell zu Ina: „Wir sollten mal zusammen Essen gehen, du bist herzlich eingeladen – ich zahle natürlich. Na, wie sieht es aus?“ Ina sagte: „Ja, aber nicht heute. Ich ruf dich an. OK?“ „OK!“ Dann schleppten Ina und Penny die eingekauften Sachen nach oben in den vierten Stock. Heiner war bereits ungeduldig, er sagte zu Penny und zu Ina: „Das hat jetzt aber ziemlich lange gedauert. Liegt dafür irgendein Grund vor?“ „Nein, Heiner. Wir haben uns mit einem Fotografen unterhalten.“ „Mit einem Fotografen? - Na, egal,“ sagte Heiner, „bringt mir endlich einen Teller, was zu saufen und dann wird gefressen – ich sterbe fast vor Hunger.“

Gegen Nachmittag verabschiedeten sich Heiner und Uschi. Alle anderen, mit Ausnahme von Ina, saßen im Gemeinschaftsraum und diskutierten über Karl Marx seine Rolle in der Arbeiterschaft, des zu Ende gehenden 19ten Jahrhunderts. Somit hatte Ina Zeit, heimlich den Fotografen anzurufen, der sich mit ihr, für den nächsten Tag, in einem kleinen Café, direkt am Kurfürstendamm verabredete. Tags darauf trafen sich die beiden. Er, Tim Trompete, war Jahrgang 1951, schulterlange schwarz gefärbte Haare, Antifaschist, Abiturient, und er war voller Ideen, außerdem schien Ina ihm außerordentlich gut zu gefallen. Bei Tee, Kuchen, Cognac und 2 Joints kamen sich die beiden näher. „Ich hätte Bock mit dir eine Fotoserie zu machen. Ich und ein Kumpel von mir, haben hier, mitten in Berlin, ein eigenes Fotostudio. Also, wenn du heute noch Zeit hast, dann komm doch einfach mit.“ „Ich habe Zeit, und Lust, habe ich auch.“ „Du bist echt in Ordnung. Aber ich muss dich vorab etwas fragen: Bist du Antifaschistin? Bist du gegen die kontra-revolutionären Strukturen im Kapitalismus? Bist du auch der Meinung, dass die Mauer in Berlin kein Schandmal ist, sondern der antifaschistische Schutzwall?“ „Ich bin in jedem Punkt deiner Meinung, Tim.“ „OK, dann lass uns los.“ Nachdem Tim Trompete bezahlt hatte, fuhren beide mit dem Taxi ins Fotostudio, wo der Kumpel von Tim, Pepe, mit den Kameras, dem Hintergrund und irgendwelchen Scheinwerfern herumhantierte. „Das ist die Ina,“ sagte Tim zu Pepe. Pepe, Jahrgang 1949, mit goldenen Ketten und Schmuck behangen, schulterlange „blond“ gefärbte Haare mit schwarzen Strähnen, Antifaschist, bisexuell, 2 eigene Wohnungen, eine in Berlin und eine in Timmendorf an der Ostsee, fragte Ina, als Tim mal kurz austreten musste: „Ich muss dich vorab etwas fragen, bevor wir zum eigentlichen Shooting kommen: Bist du überzeugte Antifaschistin? Bist du gegen die kontra-revolutionären Strukturen im derzeitigen Kapitalismus? Bist du auch der Meinung, dass die Mauer in Berlin kein Schandmal ist, sondern der antifaschistische Schutzwall, um die, in wirklicher Freiheit lebenden Bürger der DDR, vor den schlechten Einflüssen, der dekadenten westlichen Gesellschaft zu schützen?“ „Ich bin in jedem Punkt mit dir- und natürlich mit Tim einer Meinung.“ „Wieso? Hat Tim dich schon das Gleiche gefragt? Sag mal, Ina: Hat er?“ „Na, ja. So in etwa hat er mich das Gleiche gefragt.“ „Sorry, also, das tut mir jetzt echt leid für dich. Ich wollte dich nicht nerven.“ „Ist schon in Ordnung.“ „Darf ich dir was anbieten, Ina? Wein, Gras, etwas „H“, oder vielleicht ne´ Koks-Line? Sag ruhig, was du möchtest... wir haben nämlich alles da.“ „Ein Joint und ein Glas Wein, das wäre jetzt nicht schlecht.“ Pepe baute in Windeseile 3 Joints, holte 3 Gläser aus der Küche, goss diese mit französischen Rotwein voll, und bald darauf erschien auch schon Tim.

Nachdem alle geraucht und Wein getrunken hatten, musste Ina sich ausziehen, um mit beiden zu bumsen. Tim sagte zu ihr: „Das ist gut für deine fotografische Entwicklung, also nur positiv, denn wir haben große Pläne mit dir vor, Süße.“ Ina zog sich aus, und ließ sich von beiden, in verschiedenen Stellungen heftigst bumsen. Nachdem Tim wie auch Pepe gekommen waren; sich anschließend duschten - zusammen mit Ina, wurde noch ein weiterer Joint geraucht. Dann wurden endlich die Fotos gemacht, vorerst für einen bundesdeutschen Pornoverlag, mit Sitz auf der Reeperbahn in Hamburg. „Du wirst dabei gut verdienen,“ sagte Tim während des Shootings. Ina musste vor einer Palmenkulisse, welche einer karibischen Insel glich, mit einem Dildo in der Hand, oder auch im Mund, nach Absprache, dabei nackend, erotisch posieren; des Weiteren sich das Dildo in den Mund oder in den Arsch stecken. Tim machte unendlich viele Fotos von Ina. Pepe richtete auf Anweisung von Tim, immer wieder die Scheinwerfer neu ein, so dass Ina- und das Dildo, im perfekten Licht erschienen. Und ungefähr nach einer Stunde, sagte Tim: „Das wars! Ich habe alles im Kasten, morgen können wir uns die fertigen Bilder mal etwas genauer betrachten. Du hast doch morgen Zeit, Ina? Oder?“ „Ich könnte nachmittags, gegen 15:00 Uhr, hier sein.“ „Das gefällt mir,“ sagte Tim. Ina zog sich wieder an, trank noch ein Glas Wein, diskutierte mit den beiden über die paradiesischen Zustände in der „DDR“, ja und dann wurde es für sie Zeit zu gehen. - Unterwegs, auf den Weg nach Hause, hörte sie plötzlich furchtbaren Lärm aus einer Seitenstraße. Es war ein Demonstrations-Zug, welcher sich seinen Weg Richtung Berlin Mitte bahnte. Polizeipräsenz war ebenfalls vorhanden, - es kam zu den üblichen Schlägereien, Schreiereien; immer wieder die gleichen Parolen, immer wieder die selben Leute, immer wieder die gleichen Bullen, ja und irgendwie kotzte Ina das alles, von einer, auf die andere Sekunde, nur noch an. Sie drehte durch, sie schlug auf Demonstranten und Polizisten gleichermaßen ein, sie war außer sich. Zwei Beamte nahmen sie in Gewahrsam, Ina wurde in eine Berliner Psychiatrie eingeliefert, - Blut wurde entnommen, Valium verabreicht. Als man sie wieder unter Kontrolle hatte, wurden ihre Personalien aufgenommen. Ein Professor Dr. Dr. Ball (Ende vierzig), nahm sich ihrer Person vorsichtig an. Er diagnostizierte, eine spezifische Art des Erschöpfungssyndroms, sowie eine psychische Störung, in Verbindung mit einer Depression. „Sie brauchen Urlaub, Erholung und eine Aufgabe, sonst kann ich für nichts mehr garantieren. Fürs Erste jedoch, gebe ich Ihnen hier ein paar Tabletten mit.“ Kurz vor Mitternacht wurde Ina, auf eigenen Wunsch entlassen, sie kehrte zurück in die WG. Alle waren noch wach, und diskutierten bei Hasch und Wein über die politische Situation, in welcher sich die Frau, die Frau als solches, nach Ansicht von Karl Marx, Ende des 19ten Jahrhunderts, befunden haben musste, unter dem Aspekt, dass ein Umdenken innerhalb der Gesellschaft stattgefunden haben könnte, wenn man sich, denn, dann, auf historische Fakten berief, die unumgänglich seien. Harry schlug vor, dass dieser besondere Aspekt, auf der nächsten Demo, nicht außer Acht gelassen werden sollte. Penny und Biggi klatschten begeistert in die Hände, bevor sie sich leidenschaftlich küssten; und sich vor den Augen der anderen, untenherum, gegenseitig, dabei laut stöhnend, befriedigten. Ina ihr spätes Erscheinen wurde überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Sie, Ina, schlich vorsichtig in ihr Zimmer, nahm noch eine Valiumtablette ein, und entschwand ins Reich der Träume, wo alles so ganz anders ist, und vielleicht sogar schöner, als die Wirklichkeit.

Am nächsten Morgen erzählte Ina von dem Fotografen, und alle hörten ganz gespannt zu. Harry sagte: „Also, ich finde das gut, dass du von dir Fotos machen lässt. So bekommt die revolutionäre Idee endlich ein eigenes Gesicht.“ Die anderen waren der gleichen Meinung. Durch diesen allgemeinen Zuspruch gestärkt, erschien Ina, kurz vor 15:00 Uhr, bei Tim und Pepe im Fotostudio. Und nachdem sie mit beiden, in verschiedenen Stellungen, geschlafen hatte, besahen sich die drei, die Fotos, welche bereits entwickelt waren. Ina war überwältigt, sie war ganz außer sich vor Freude. Pepe ließ einen Joint kreisen, und Tim sagte zu Ina: „Diese 20 hier, die darfst du behalten, ich habe Kopien davon, und die werde ich alle nach Hamburg zum Pornoverlag schicken. Die restlichen schicke ich an Magazine im: In- und Ausland. Einige Zeitungen werde ich auch anschreiben.“ „Auch die Bildzeitung?“ Fragte Ina. Da sagte Tim: „An die auch, denn die leben ja quasi von dem Mädchen auf Seite 1 – ich habe das alles echt im Griff.“ Am Abend dann, nachdem die drei nochmals miteinander geschlafen hatten, kehrte Ina, zusammen mit den Fotos, welche sich einem Album befanden, zurück in die WG. Doch sie konnte mit niemanden sprechen, geschweige denn die Fotos zeigen, alle waren total stoned, man hatte ganz offensichtlich Heroin gespritzt – und das nicht zu knapp. Ein wenig enttäuscht verzog sich Ina in ihr Zimmer, sie schaltete das Radio ein, und schaute sich nochmals, ganz in Ruhe, die Fotos an... dabei lächelte sie; sie war glücklich und auch ein bisschen stolz auf sich. Als die anderen sich die Fotos am nächsten Tag auch angesehen hatten, wurde erst mal kräftig gesoffen. Denn, die Fotos von Ina, hatten alle fasziniert. „Das ist irgendwie mal was Neues,“ sagte Sunny mit grinsenden Gesicht. Harry sagte: „Ich bekomme einen Steifen beim Anblick der Fotos. Ganz stark von dir, Ina, du bist ein absolutes Naturtalent.“ Jimmy sagte: „Ich muss angesichts deiner Schönheit, Ina, - ein Lied über dich schreiben, ein politisches Lied, mit einem unterschwelligen revolutionären Charakter.“ Penny und Biggi hingegen, busselten Ina immer wieder ab – sie waren geradezu vernarrt in die Bilder, welche so viel Erotik ausstrahlen. Plötzlich jedoch läutete das Telefon, Ina ging ran, es war: Professor Dr. Dr. Ball. „Ich würde Sie gerne noch einmal wieder sehen, Ina.“ Und nachdem beide einen Termin für den nächsten Tag vereinbart hatten, erschien Ina in der Wohnung von Dr. Dr. Ball. „Ah, da ist ja meine Schöne. Möchten Sie ablegen?“ Und Ina legte ab. Die Wohnung von Dr. Dr. Ball war sehr modern, sehr hell und sie wirkte irgendwie futuristisch auf Ina. Dr. Dr. Ball goss für beide Wein in die Gläser, und bot Ina das „Du“ an. Ina lächelte. Dann sagte er: „Ich bin geschieden, mit Vornahmen heiße ich Robert, aber du darfst zu mir „Bob“ sagen, das tun alle meine Freunde. Ich war selber schon mal bei einem Psychiater in Behandlung, als ich besoffen mit dem Auto eine Fußgängerin über den Haufen gefahren habe. Gott sei Dank hat die Alte überlebt, meinen Führerschein habe ich mittlerweile wieder, und meine Sitzungen bei diesem Psycho-Klempner gehören der Vergangenheit an.“ Ina lächelte verschmitzt und nippte an ihren Weinglas. Bob rückte daraufhin näher an sie ran, schob ihr seine Hand unter den Rock und begann sie heftigst zu küssen. Ina spielte mit. Und in Windeseile zogen sich beide aus, und dann trieben sie es wie die Verrückten miteinander, - Bob war außer Kontrolle. Nachdem er in sie reingespritzt hatte, erzählte er ihr: „Ich habe übrigens ein tierisch großes Haus in Timmendorf geerbt, das ist zwar in einem exzellentem Zustand mit zwölf großen Zimmern, 3 Badezimmern, Einbauschränke, Mobiliar, riesiger Garten usw. aber eben unbewohnt, wenn du Bock hast, dann ziehe doch dort mit deiner WG ein, ich mache euch einen sehr guten Preis. Hier sind einige Bilder von dem Haus; Außenansicht und dann die Zimmer plus 2 Küchen. Zeige die mal in der WG herum, was die anderen davon halten, und von mir aus könnt ihr im Frühjahr dort einziehen.“

Ina war hingerissen, die anderen auch, nicht zuletzt deshalb, weil die Miete um die Hälfte billiger war, als die Kosten für die WG in Berlin. Des Weiteren hatten Tim Trompete und Pepe ebenfalls einen Wohnsitz in Timmendorf – ein zweites Fotostudio sozusagen. Im Frühjahr 1970 zog die gesamte WG dann nach Timmendorf. Der Ausblick aufs Meer betörte alle, alle wie sie da waren. Zwischenzeitlich hatte die WG übrigens aufgehört Heroin zu konsumieren; Hasch und Valium war irgendwie angesagter. Gelegentlich brachte Dr. Dr. Ball (Bob) enorme Mengen an Pillen mit, wenn er zu Besuch war, um mit Ina, Biggi und Penny zu schlafen. Sex war für ihn ungeheuer wichtig. Gerne lag er mit den drei Frauen im Bett, und ließ sich seine Wünsche erfüllen, während die anderen, im Garten, bei Hasch und Rotwein, über die: Revolution, Karl Marx und über die paradiesischen Zustände in der „DDR“ lamentierten. Tim Trompete, der ebenso wie Pepe, seinen Wohnsitz endgültig nach Timmendorf verlegt hatte, diese beiden, waren gern gesehene Gäste im Haus „Freiheit“, so wie sich die Kommune in Timmendorf genannt hatte, um ein Zeichen für andere Aussteiger zu setzen, die auf der Suche zu sich selber waren. Harry hatte ferner wieder die Führung innerhalb der WG, für sich, in Anspruch genommen, seine Pläne nach Indien auszuwandern, um dann selber Inder zu werden, diese zwei Faktoren hatte er vorerst auf Eis gelegt. - Er wurde sogar aggressiv, ungehalten und laut, wenn ihn irgendwer darauf ansprach. Jimmy fand Timmendorf zwar zu bürgerlich und zu kontra-revolutionär, und auch ein bisschen zu elitär, aber nachdem er seine ersten Songs im Kasten hatte, wollte er da nie wieder weg. Tim sowie Pepe kamen oft zum Bumsen vorbei, und sie bezahlten die Mädchen sehr gut, so dass die Miete für das Haus, teilweise, schon im Voraus an „Bob“ überwiesen werden konnte.

Ja, es waren die frühen siebziger Jahre, in denen Ina sich, ein wenig von der Kommune entfernte. Die Fototermine wurden mehr, sie wurde auch von anderen Fotografen gebucht, sie spielte in einigen Werbespots mit, sie machte die große Kohle, so dass sie sich in Hamburg und in München jeweils ein Appartement leisten konnte; Eifersucht, seitens der Kommune, gab es erstaunlicherweise nicht. Ina hatte sich eine Art von Prominenten-Status erarbeitet, welcher von allen anerkannt wurde. Politisch war sie nicht mehr so interessiert, sie las sogar heimlich die kontra-revolutionäre Bildzeitung; den Stern, diverse Modezeitschriften und die Bunte, außerdem kokste sie so dann und wann. Den anderen erzählte sie übrigens nichts davon, weil sie keinen Ärger haben wollte. Und Demos ging sie, im Gegensatz zu früher, geschickt aus dem Wege, sie nervte das alles irgendwie. Hatte sie sonst, wie eine Wahnsinnige, die allgemeinen üblichen Parolen geschrien, so war nach dem Vorfall in Berlin, wo sie völlig durchdrehte, eine Form von Frieden und Harmonie auf sie übergegangen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie fast täglich Valium konsumierte. Aus einer Revoluzzerin war ein sehr professionell arbeitendes Fotomodell geworden, die ihre Gefühlsausbrüche durchaus unter Kontrolle hatte. Auch die anderen waren ruhiger, sachlicher und bürgerlicher geworden. Harry verkaufte im Sommer Fischbrötchen an die Touristen am Strand, Sunny arbeitete halbtags in einer Autowerkstadt, Biggi und Penny betrieben gemeinsam einen Kiosk, wo man auch Bratwürstchen kaufen konnte, und Jimmy trat, sehr elegant gekleidet, im Kurpark mit selbst geschriebener, kommerzieller Musik auf. - Übrigens waren es keine revolutionären Lieder, sondern: Seichter Schlager, in welchem es sich, inhaltlich, vorwiegend um die Liebe und um andere schöne Dinge des Lebens drehte. Jimmy war zu einem echten (und zudem) seriösen Künstler geworden, der sogar in Kontakt mit der Hitparade und mit anderen, erz-konversativen, TV Sendungen stand, die er sonst als Brutstätte des Faschismus verunglimpft hatte. Ermöglicht hatte ihm das sein Musikverlag in Hamburg, dass er, um es auf den Punkt zu bringen, seriöser „rüberkam“ als zu anderen Zeiten, wo er er noch ganz anders drauf war. Aber, Tim Trompete und Pepe, waren auch nicht untätig: Sie waren ständig auf Talentsuche, um dann, entweder Fotos mit den Talenten zu machen, oder um die Künstler, ganz generell, zu vermitteln, oder um sie zu fördern, oder um nur mit ihr-, oder mit ihm-, oder mit ihnen gemeinsam zu schlafen.

Im Sommer 1973 tauchte in der Kommune „Freiheit“, plötzlich und völlig unerwartet für alle, Heiner Lang-Schwanz „ohne“ Uschi auf. Heiner erklärte den anderen im Garten, bei reichlich Hasch, Rotwein sowie Kokain: „Uschi macht zurzeit einen Heroinentzug, mit anschließender Psychotherapie, in Kalifornien. Wir hatten telefoniert, und sie sagte mir, dass sie nach dem Entzug und der Therapie in Kalifornien bleiben möchte. Sie will zu sich selber finden, sie will sich von der Revolution, sowie den kontra-revolutionären Kräften, welche sie belasten, und in ihrer subjektiven Wahrnehmung stören, ein für alle mal befreien.“ Nachdem das alle zur Kenntnis genommen hatten, auch Ina, da lobte Heiner - wie man das ja von ihm gewohnt war, und eigentlich nicht mehr hören konnte-, die paradiesischen Zustände in der DDR. Heiner sprach pathetisch von Erich Honecker, dem ersten Staatsrats-Vorsitzenden der „DDR“, Heiner sagte wörtlich: „Seit dem 3. Mai 1971 ist genau das eingetreten, was wir uns alle immer gewünscht haben, nämlich: Der wahre demokratische Sozialismus, unbegrenzte Freiheit, eine Erneuerung des politischen Denkverhaltens und eine gegenseitige Liebe vom Volk zu den Regierenden. - Ich bin manchmal so ergriffen davon, vor allem wenn ich es mir im Fernsehen anschaue, dass ich weinen muss, könnt ich euch das vorstellen?“ Fragte Heiner in die Runde. Alles blickte zu Harry, doch der hielt das Maul – er hatte einfach keinen Bock mehr, sich mit Heiner zu streiten, oder ihm (indirekt) recht zu geben. Und es war ausgerechnet Ina, die, um die allgemeine Spannung zu lösen, sich berufen fühlte, etwas zu sagen. Sie sagte zu Heiner: „Ich freue mich für dich, ganz ehrlich. Es ist ja auch immer dein sehnlichster Wunsch gewesen, dass sich die „DDR“ in gewisser Weise verändert, erneuert vielmehr, das meine ich damit.“ Dann küsste sie Heiner leidenschaftlich auf den Mund. Sie nahm Heiner anschließend an die Hand, ging mit ihm aufs Zimmer, und dann bumsten die beiden, und zwar so laut, dass sich die Nachbarn vom Grundstück nebenan gestört fühlten. Ein etwas älterer Herr grölte besoffen: „Macht die Fenster zu... ihr alten, verkommenen Schweine, sonst knalle ich euch alle ab.“ Aufgrund dessen, schloss Ina ihr Schlafzimmer-Fenster und bumste dann mit Heiner über eine halbe Stunde lang, bis er, in sie, kraftvoll reinspritzte. Danach duschten die beiden, und erschienen wieder im Garten bei den anderen. Jimmy hatte in der Zwischenzeit seine Gitarre geholt, sie gestimmt und dann sang er eine von seinen selbstgeschriebenen Kompositionen. Es war eines von diesen nervtötenden Liebesliedern wie man sie jeden Tag im Radio hören konnte... Ohne jeglichen Bezug zu aktuellen Themen, ohne einen wirklichen Sinn, ohne sentimentalen Tiefgang oder Leidenschaft – einfach nur sinnloses Geplänkel. Das wurde so nervig, dass Heiner ihn freundlich darum bat, mit dem Scheiß aufzuhören. Und Jimmy hörte in der Tat auf, er schaltete das Radio ein, suchte einen Sender mit rockiger Musik, schloss die Augen, sog gedankenverloren an seinem Joint und spielte die beleidigte Leberwurst. Biggi, Ina und Penny tanzten hingegen zur Musik aus dem Radio. Harry und Sunny erfreuten sich an der vierten Flasche Rotwein. Und Heiner? Heiner saß im Gras und meditierte, er war, rein mental, nicht mehr bei den anderen, er hatte sich für Minuten gelöst. Heiner schien ohne Uschi weniger zu sein, als er immer gedacht hatte. Und irgendwie sah man ihm das auch an, er wisperte, kaum verständlich für die anderen, immer wieder: Uschi, Uschi, Uschi... dann schlief er vom Hasch und vom Rotwein total benebelt ein. Die anderen saßen zwar noch so da, aber ganz allmählich, dämmerten auch sie dahin. Erst gegen Mitternacht schleppte sich jeder, für sich, in sein Zimmer, Heiner schlief bei Ina. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages, (Heiner hatte Biggi und Penny bereits zum Brötchen holen abkommandiert) bumste Heiner Ina so aggressiv, so laut und so heftig, dass er, sexuell betrachtet, über sich hinaus wuchs. Ina schrie wie am Spieß, immer wieder bäumte sich ihr Körper, im Rausch der Lust, auf, während Heiner seine Latte, wie ein Wahnsinniger, in sie reinhämmerte, bis es dann zum erlösenden Schrei, seitens Heiner, kam – er hatte abgespritzt. Es war genau in dem Moment als Biggi und Penny vom Brötchen holen kamen, - beide sahen sich erschrocken an.

Ja, und während die anderen in ihre Brötchen bissen, das erste Glas Wein tranken, den ersten Joint rauchten, duschten Heiner und Ina, bevor sie sich dann an den Frühstückstisch im Garten gesellten. Heiner sagte in die Runde: „Es gibt doch nichts Gepflegteres als einen kräftigen Bums am Morgen, frische Brötchen mit Aufschnitt, Käse sowie Marmelade, gut gekühlten Wein, vernünftiges Hasch, die wärmenden Strahlen der Sonne zu spüren, und dann in der Ferne das angenehme Rauschen des Meeres zu hören. Um es kurz zu machen, meine Lieben: Ich möchte gerne hier bei euch bleiben! Ist das OK? Oder muss ich erst noch großartig darum betteln?“ Sunny sah zu Harry und zu Jimmy, bevor er zu Heiner sagte: „Wir-, also wir alle, haben da grundsätzlich nichts gegen.“ „Aber?“ Fragte Heiner, während er gerade in sein Brötchen reinbiss. Da sagte Sunny: „Wir haben nach wie vor eine Gemeinschaftskasse, wo wir auch alle einbezahlen, um uns den täglichen Lebensunterhalt leisten zu können.“ „Ich verstehe nicht,“ sagte Heiner, „wo ist das Problem?“ Jetzt brachte sich Harry, mit zittriger Stimme, ins Gespräch, er sagte: „Du müsstest dich, wenn du hier leben und wohnen möchtest, finanziell beteiligen.“ Nach diesen Worten wurde es ganz still – man konnte nur noch das leise Rauschen der Ostsee hören. Alle erwarteten (fast schon ängstlich) einen Tobsuchtsanfall von Heiner. So in der Art, dass er „alle“ als ewig gestrige Faschisten und als Kontra-Revolutionäre beschimpfen würde, aber dem war nicht so. Heiner kaute ganz lässig sein Brötchen zu Ende, nahm einen Schluck Wein zu sich, spielte dann mit seinem, fertig gebauten, Joint herum, und sagte, so dass alle ihn ansahen: „Das ist das? Also, das Finanzielle? Aber, das ist doch überhaupt gar kein Problem, Kinderchen. Ich bekomme zurzeit Arbeitslosengeld. Außerdem erhalte ich für meine Beratungen Provisionen... an der Kohle sollte mein Umzug hierher, zu euch, also nun wirklich nicht scheitern. Ich bitte euch.“ Alle atmeten erleichtert durch, besonders Ina, die, wie vermutlich auch die anderen, von Heiner seiner Reaktion und seiner Einsichtigkeit, mehr als nur überrascht waren. Harry nickte erlöst in Heiner seine Richtung, und versuchte dabei zu lächeln.

Kurz nach dem Frühstück schlug Heiner vor, dass sich alle, weil es ja Samstag war, an den Nacktbadestrand begeben sollten, um sich: Der Natur zu widmen, und, um sich mit ihr generell zu vereinen. - Und in der Tat, gab es damals einen Nacktbadestrand jenseits von Timmendorf. Biggi sowie Penny wurden von Heiner, nachdem alle zugestimmt hatten, zum Einkaufen geschickt. „Bisschen was zu saufen, bisschen was zu fressen, bisschen was Süßes... und bitte alles in die Tiefkühltaschen, denn bei der Bruthitze vertrage ich nichts Warmes. Alles klar?“ Biggi und Penny gehorchten artig, und rannten wie vom Blitz getroffen zum Kaufmannsladen.

Ferner beorderte Heiner, insbesondere, für sich, einen großen, roten Sonnenschirm, sowie ein kuscheliges Badehandtuch, auf welchem er, das Meer und die Weite, mit all seinen Reizen, genießen wollte. „Deine Gitarre darfst du natürlich mitnehmen, Jimmy, - hörst du?“ Hatte Heiner noch angeordnet, während Sunny, Ina und Harry, die von Heiner aufgelisteten Sachen in den Gemeinschaftsbus einluden. Und als Biggi sowie Penny schwer beladen, die von Heiner erwünschten Lebensmittel sowie Getränke, in den Kühltaschen, samt Kühlboxen verladen hatten, gab Heiner den Befehl an Harry, den Motor zu starten. - Quasi im letzten Moment tauchten Tim und Pepe auf, die sich, auf eigene Kosten, an dem Ausflug beteiligen wollten. – „Um mal rauszukommen“. Heiner stimmte, bestens gelaunt, zu. „Dann müssen wir (mit „wir“ – meinte er ausschließlich die anderen) halt ein wenig zusammenrücken da hinten,“ hatte Heiner den beiden gesagt. Heiner saß während der kurzen Fahrt zum Nacktbadestrand auf dem Beifahrersitz, alle anderen drängelten sich, schwitzend, auf den Rücksitzen, und das, trotz offener Fenster im Wagen. „Nun reißt euch mal ein bisschen zusammen, solange dauert die Fahrt ja nicht, ihr Revolutionäre,“ sagte Heiner sichtlich erfreut und auffallend beschwingt... lässig (macho-mäßig), mit einem Joint im Mundwinkel, den rechten Arm dabei aus dem Fenster baumelnd. Unter dessen schnappten seine „Revolutionäre“ nach Luft, sie keuchten. Harry sagte dazu (seltsamerweise) gar nichts, - er schwieg beharrlich, aber er wunderte sich natürlich darüber, dass Heiner irgendwie, das Ruder (die Führungs-Position) in der WG, durch sein Auftreten, an sich gerissen hatte, und alle plötzlich nach seiner Pfeife tanzten. „Harry! Stell mal das Radio an,“ sagte Heiner ganz unerwartet, „ich habe jetzt Bock auf Rock.“ Harry gehorchte zähneknirschend, und behielt die anderen, die sich auf den Rücksitzen drängten, und endlich zum Nacktbadestrand wollten, um sich abzukühlen, im Auge.

Unterwegs musste Harry allerdings nochmals anhalten, weil Heiner bei einem Straßen-Eishändler unbedingt, und nur für sich alleine, ein Softeis/Vanille haben wollte. Und nachdem Heiner endlich mit seinem Eis im Wagen saß, und es endlich weiterging und es endlich soweit war, dass der Nacktbadestrand in Sichtweite kam, da hielt Harry den Wagen unter einem Baum im Schatten an. Alle stiegen aus, Heiner sagte: „Beeilt euch beim Auspacken mit den Sachen, ich habe hier echt keine Lust in der Sonne zu brutzeln; mein Eis ist bereits stark geschmolzen wie ihr sehen könnt, das muss ja wohl nicht sein, oder?“ Also packten alle kräftig zu, denn keiner hatte Lust mit Heiner, wegen seinem „scheiß Eis“ sowie der unerträglichen Hitze, mit ihm zu diskutieren. Heiner wies, immer wieder: Harry, Jimmy und Sunny genaustens an, wo sie mit „seinem“ Badehandtuch und mit dem roten Sonnenschirm hingehen sollten, damit Heiner nicht der Blick aufs Meer entgehen würde, auf welchen er besonderen Wert legte. Nachdem das, zu Heiner seiner vollsten Befriedigung, geschehen war, entledigte sich Heiner seiner „weißen“ Klamotten, - zum Vorschein kam eine Badehose. Er trug, auf dieser, vorne wie hinten, ein Konterfei von: Ché Guevara. Dann nahm er im Schneidersitz Platz auf dem Badehandtuch, schleckte sein Eis zu Ende, steckte sich einen Joint an, und beobachtete die anderen, wie sie es sich ebenfalls, so nach und nach, gemütlich machten. Allerdings entledigten sie sich ihrer Klamotten komplett - im Gegensatz zu Heiner, denn es war ja „eigentlich“ ein Nacktbadestrand; wieder traute sich keiner dagegen (also gegen Heiner) etwas zu sagen. Und als Ina sich ausgezogen hatte, starrten alle sie so eigenartig, beinah schon lüstern, an, - auch Biggi. Ina elektrisierte alle-, alle wie sie da waren. Heiner sagte zu ihr aufgrund der sexuellen Spannung, die alle erfasste, und die kaum noch zu ertragen war: „Ina, meine Süße, es ist wohl am besten, wenn du dein Badehandtuch hier neben meines legst. (Ina zögerte anfänglich) - Na, komm schon, sei nicht so schüchtern, ich tue dir schon nichts,“ ermutigte sie Heiner. Ina gehorchte daraufhin, doch zuvor warf sie „Harry“ einen etwas verunsicherten Blick zu, doch Harry schwieg erneut, er kuschte einfach vor Heiner seiner Autorität. Tim und Pepe hantierten unterdessen mit den Fotoapparaten und den Fotostativen umständlich herum, weil insbesondere Tim, mit Ina, große Pläne für den Tag am Nacktbadestrand hatte. Biggi und Penny waren die ersten, die nackend im Meer badeten. Jimmy und Sunny sollten folgen. Harry blies, mit hochrotem Kopf, ein Schlauchboot sowie eine Luftmatratze auf. „Das machst du schon sehr gut, Harry,“ hatte Heiner ihm noch gesagt, während er, Heiner, mit Ina herumschäkerte. Ja, und nachdem auch Heiner, Ina sowie Harry sich in den Fluten der Ostsee abgekühlt hatten, machten Tim und Pepe Fotos von Ina am Nacktbadestrand, wo übrigens wenig los war an dem sonnigen Tag. Ina war der Star – und sie genoss es.

Ja, und so, oder so ähnlich, verliefen die Jahre bis zum nächsten, erwähnenswerten, Sommer: 1975! - Mit sehr viel Sex, mit sehr vielen Fotos sowie erotischen Kurz-Filmen von Ina, mit sehr viel politischem Einfluss von Heiner – im Hintergrund wohlgemerkt, wie auch in offensiven sowie aggressiven Diskussionen usw., - diese Faktoren bestimmten den Alltag in der Kommune, die sich langsam begann... aufzulösen.

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