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Die Neuen
ОглавлениеDer eigentliche Anlass für mich, nach langem hin und her, eine erneute Satire zu schreiben, hatte natürlich einen kulturpolitischen Hintergrund, was sonst? Man könnte das auch mit dem Wort: Geldknappheit, von vorneherein auf den Punkt bringen... Ich erwähne das hier an dieser Stelle deshalb, weil ich im Vorwort nicht zu weit in das Maß aller Dinge greifen wollte, schließlich wohne ich mit Bianca und den Kindern immer noch in Ottensen, somit beobachte ich, wenn ich das Gesehene zu Papier bringe - aus der Ferne, aber ich schaffe mir, so wie man das von mir gewohnt ist, auch vor Ort (Hamburg-Harburg), einen natürlichen, direkten Einblick in die Materie „Mensch“... oder, was man sonst so darunter versteht.
Nun denn, um die „neuen Mitglieder“ einer verkorksten Gesellschaft in Harburg näher zu beschreiben, muss man auf die „Altbewerten“ zurückgreifen, z. B. auf Weinbrand-Ossi, der uns allen wohlbekannte, weiß bärtige, sexuell verwirrte, bisweilen hinterhältige Frührentner mit einem Hang zur Eifersucht und zu selbst gestopften Zigaretten. Täglich machte er am Brunnen, der sich im Übrigen im Umbau befand, seine Runde; hierbei die rot gesoffenen Augen mit einem bleichen Schimmer belegt, der nicht mehr zu übersehen war. Seine weltberühmte, schwarze Lederjacke trug er nach wie vor mit Stolz, ebenso seine Jeanshose, die er mehrfach eigenhändig geflickt hatte. Ja, und wenn ihm die Blase drohte zu platzen, nach einer gewissen Menge Alkohol, stellte er sich, wie etliche andere auch, vor irgendein Gebüsch, holte seine Wurzel raus und pisste einfach drauf los; vieles war ihm egal geworden im Laufe der Jahre, er hatte seine Werte minimiert, er hatte darüber hinaus den Lebensabend übergangslos erreicht. Die Neuen verstanden ihn nicht richtig, vermutlich „überhaupt“ nicht, ihn, der ebenso wie Veronika (auch Toiletten-Vera genannt), einer völlig anderen Zeit angehörte, die noch gar nicht so lange her war. Es war kein Generationskonflikt, nein, es war mehr so eine Art von Meeting! „Alkohol“ trifft auf „Alkohol und Droge“. - Nicht leicht zu verstehen für Sie, meine Lieben Leser, nicht wahr? Aber dennoch, wenn man intensiv darüber nachdenkt: Über die Formulierung im vorangegangenen Satz, dann ist es durchaus plausibel „wie es“ gemeint ist, ohne dass man näher darauf eingeht. Da tauchten also am Brunnen plötzlich und unerwartet eine Vielzahl von Menschen auf, die mir unbekannt waren, die man jedoch einschätzen konnte, weil sie nicht nur sich selbst präsentierten, sie sabotierten sich auch gegenseitig. Da waren Leute die mich beinah täglich um 40 Cent anbettelten, damit sie sich mit Billig-Bier versorgen konnten. Es waren Menschen die in staatlichen Unterkünften untergebracht waren, die aber dennoch regelmäßig ihre Zeitungen lasen, um nicht völlig zu verblöden. Hatte bei vielen auch schon so eine Art von Intelligenz- sowie Sozialverhaltens-Rückgang eingesetzt, waren nicht wenige der Meinung: Bin ich auch nicht mehr ein vollwertiges Mitglied der Hartz IV Gesellschaft, so will ich doch zumindest teilhaben an dem Informationsfluss der mich täglich mit Neuigkeiten umspült. Ich will damit sagen, dass nicht „jeder“ Asoziale und Drogenabhängige automatisch an Gehirnschrumpfung litt, nein, es gab Ausnahmen, Ausnahmen die sich in „eigenen Cliquen“ befanden. Die „einen“ soffen bis zum Abwinken, die „anderen“ nahmen harte Drogen sowie Tabletten und sie neigten bisweilen zu einer totalen Verwirrung, vorwiegend, wenn sie auf Entzug waren, ja dann wurden sie unberechenbar, dann kamen alte Hassgefühle in ihnen hoch, oder sie übertrieben in allen Variationen die man sich vorstellen kann, sie verdrängten ihre Minderwertigkeitsgefühle und sie liefen zur Negativ-Hochform auf. Aber mit wem haben wir es denn nun ganz konkret zu tun? Die folgende Kurzbeschreibung wird Ihnen, meine Lieben Leser, einen Einblick verschaffen, so dass Sie schon einmal vorab, für sich selber, entscheiden können, in wie weit der- oder die Genannte sich in eine zweigeteilte Gesellschaft integriert hatten.
Als da wären:
1. Trizi Tütenbrei (Spitzname: Der Wackel-Dackel)
Gebürtige Kielerin, Drogen- u. tablettenabhängig, sie war einst in der Fußgängerzone in Kiel mit einem Küchenmesser, als 14jährige, Amok gelaufen, sie lebt nun nach erfolglosen Psychotherapien in Hamburg. Trizi feiert regelmäßig Joseph Goebbels seinen Geburtstag und schreibt endlose Gedichte über Adolf Hitler sowie Heinrich Himmler. Ihre Ärzte stufen sie als: Unheilbar geistesgestört ein. Sie ist aber, trotz dieser niederschmetternden Diagnose ihrer Ärzte, „gerne“ am Brunnen, sie findet dort den Halt den sie sucht, um sich selber zu verwirklichen - erzählte sie mir einmal. Regelmäßig klaut sie in Harburgs Fußgängerzonen: Handtaschen, Parfum sowie alles andere, was sie unter ihre gierigen, lackierten Finger bekommt.
2. Jens Blatthaus (Spitzname: Der Besamer)
Er trägt seit seinem 16ten Lebensjahr ein Gebiss, das nicht richtig passt und ihn beim Sprechen behindert, darum kann man ihn teilweise kaum- bis gar nicht verstehen, wenn er sich zum aktuellen Zeitgeschehen äußert. Er ist nach eigenen Angaben Vater von 41 Kindern, 10 davon leben, zusammen mit ihm, in seiner 2 1/2 Zimmerwohnung. Die Kinder leiden unter ständigem Läusebefall. Er ist angeblich Hepatitis C geimpft, Jens mag Softpornofilme aus den 70igern und hasst Kreuzworträtsel, weil er nichts mit den Fragen anfangen kann... und warum man in die Kästchen Buchstaben einfügen muss, damit sich ganze Wörter ergeben, auch „das“ begreift er nicht. Zurzeit ist er 1 Euro Jobber, außerdem hilft er ehrenamtlich bei der Harburger Tafel, er stiehlt dort heimlich abgelaufene Lebensmittel und verkauft sie dann an seinen besten Freund: Heiko Sadorowski.
3. Heiko Sadorowski (Spitzname: Der mit der Mütze)
Schwerst-Alkoholiker, Junkie, ständig Hunger auf abgelaufene Lebensmittel die schon so ein bisschen riechen. Er hat zusammen mit Jens Blatthaus seinen Sonderschulabschluss bei einem Bekannten gemacht, der angeblich Lehrer ist. Heiko ist vorbestraft – darunter leidet er, jedenfalls behauptet er das. Vorbestraft ist er u. a. wegen Sodomie und Onanierens vor religiösen Einrichtungen. Auch seine Kinder leiden unter ständigem Läusebefall. Er trägt für gewöhnlich eine Schirmmütze, schulterlange, verfilzte Haare und beginnt jeden Satz mit: Ach, ja, äh...
4. Bahama-Thomas (zweiter Spitzname: Jeans-Jacken-George)
Jeansjacken- und Grob-Cordhosenträger. Er isst zum Frühstück Eiswürfel, die er zuvor mit Kräuterlikör beträufelt hat, ferner mag er Schwarzbrot mit frisch geschlagener Schlagsahne. Darüber hinaus ist er ein ehemaliger: Schildkrötenjäger, Löwenjäger, Türsteher sowie Stereoanlagenverleiher. Außerdem kann er in endlosen Monologen vom Bermuda-Dreieck erzählen, daher auch sein Spitznahme: Bahama-Thomas. Er steht auf Parteitagsfilme von Leni Riefenstahl und ist ein fanatischer Damen-Fußball-Fan. Er trinkt nur eiskaltes Dosenbier, bis er Magenkrämpfe bekommt und anschließend kotzt. Seine Lebensmittel stiehlt er, vorwiegend Cornedbeef, Schwarzbrot und Schlagsahne, regelmäßig im Laden der Eltern von: Martin Wagenknilch.
5. Martin Wagenknilch (Spitzname: Der Kokser)
Abitur mit Auszeichnung bestanden! Nach eigenen Angaben Professor für: Politik, Medizin, Rechtswissenschaften, Physik, Raumfahrt und Erforschung der Kontinentalplattenverschiebung. Darüber hinaus: Von adliger Abstammung, Fremdenlegionär, Kriegsberichterstatter in den beiden Golfkriegen sowie Duzfreund von George Bush, Helmut Kohl, Claudia Roth und Angela Merkel, ferner Sonderbeauftragter der Bundesregierung in außenpolitischen- und sexuellen Fragen. Martin schwört jeden Tag aufs Neue, dass das alles die „volle Wahrheit“ ist.
6. Kai Tee (Spitzname: „KLK, oder auch: Kakerlaken-Konrad“)
Stand mehrfach wegen unerlaubten Riesen-Kakerlaken-Züchtens vor Gericht. Er ist Kokain-, Heroin und Schmelzkäse abhängig. Wuchs in Heimen für verwahrloste Jugendliche auf, bedrohte ständig die Lehrer mit einem gestohlenen Elektroschocker. War immer wieder verwickelt in ungeklärte- sowie unerlaubte: Riesen-Kakerlaken-Züchtungen. Wurde bundesweit, teilweise sogar weltweit deswegen gesucht, gekrallt wurde er jedoch nie, weil er immer wieder Unterschlupf in Zoohandlungen fand.
7. Daimler-Dieter (zweiter Spitzname: Der Hanfpapst)
Klaut Autos in Deutschland und verkauft sie in Polen an Polen. Ferner besorgt er für Jens Blatthaus und Heiko Sadorowski säckeweise Entlausungspulver für deren Kinder, weil das Zeug in Polen billiger ist. Raucht drei Kilo Hasch im Monat, plant eine Beratungsstelle für sexsüchtige Frauen zwischen 18 und 48 am Brunnen in Hamburg-Harburg. Hatte sich vergeblich von der SPD als Bürgermeisterkandidat für Hamburg aufstellen lassen. Daimler-Dieter besitzt eine Wohnung in Amsterdam direkt über einem Coffee-Shop. Außerdem sammelt er Haschpfeifen, die er hegt und pflegt... er soll sogar mit ihnen sprechen und sie abends mit ins Bett nehmen wird behauptet.
8. Gichtkrallen-Bernd (zweiter Spitzname: Hitlers Helfer)
Ehemaliger, ungelernter Maschinenschlosser. 5 mal im Knast wegen Banküberfällen, aber auch wegen auffälligen Triebverhaltens im Alltag. Trinkt bis zu 30 Dosen Bier am Tag. Sein bester Freund: Martin Wagenknilch. Bernd plant die Gründung einer nationalen Partei, weil die rechten Parteien in Deutschland, seiner Meinung nach, zu „lasch“ sind. Er sammelt Video-Dokumentationen von Erwin Rommel, und er behauptet, mit ihm um 8 Ecken verwandt zu sein. Bernd trägt privat gerne NS Abzeichen am Kragen und grüßt nicht selten mit: Heil Hitler. Sein Lieblingslied ist die Deutsche Nationalhymne; manchmal weint er sogar, wenn er sie nur für sich und ganz allein hört.
9. Christa Sadorowski (Spitzname: Die Legehenne)
Mutter von Heiko sowie 7 weiteren unehelichen Kindern, die zu einer organisierten Straßenbande in Harburg gehören und Leute massiv bedrohen, - oder auch zum Monatsanfang überfallen. Die Kinder wurden, auf militärischer Ebene, von Gichtkrallen-Bernd erzogen. Christa war einst die Chefin vom Bordell Blankenese, wo unter anderem Jens Blatthaus und Daimler Dieter sich einen schlimmen Tripper aufsackten. Christa saß wegen Betruges und Unterschlagung von Gemeinschaftsgeldern zweimal im Gefängnis. Ihr Lebensmotto: „Saufen und Klamotten kaufen.“
10. Jacqueline (Spitzname: Wodka-Sternchen)
Jacqueline ist nach einer Selbstauskunft: 33 Jahre alt. Sie könnte aber auch 43, 53 oder 63 sein – selbst „das“ würde man ihr ohne weiteres abnehmen. Kokain, Wodka und kleine Flugzeuge sind ihre große Leidenschaft. Sie ist bösartig, aggressiv und jähzornig, bei einer Größe von 157 cm. Jacqueline, der facettenreiche Giftzwerg mit den glühenden Eierstöcken wird dennoch von vielen akzeptiert, weil sie so „richtig“ irre ist, wenn sie der Wahnsinn packt und sie davon fliegen möchte.
Das war also eine kurze Vorstellung der „Neuen“ am Brunnen, es gibt natürlich noch viel miesere Typen und Tussis in jener Gegend zwischen Harburger Rathaus sowie Harburger S-Bahnhof, so dass einem schon vom bloßen Hingucken der Brechreiz packt und man sich unweigerlich übergeben möchte, dennoch werde ich es fürs Erste bei diesen 10 Dauergästen belassen, ich hoffe man verzeiht mir? - Es war im September 2007 als die deutsche Medienlandschaft plötzlich tief erschüttert wurde, und zwar durch die fristlose Kündigung der bekanntesten- und attraktivsten Blondine eines norddeutschen Radio- und Fernsehsenders. Sie hatte nämlich in einem selbst geschriebenen Buch die Familienpolitik der Nazis im Dritten Reich erwähnt und aufgrund dessen für Aufregung gesorgt. Ihre Kollegen und auch der interessierte Bürger auf der Straße war hierdurch in Sorge, dass so etwas zur Gewohnheit werden könnte. Doch wie muss man sich die Verabschiedung der Blondine in ihrem Büro, an jenem düsteren Tag, einmal vorstellen? Nun, ich vermute sie nahm das Bild des Führers von der Wand, rollte die Hakenkreuzfahne traurig zusammen, streifte sich die Hakenkreuzbinde nachdenklich vom Oberarm, anschließend legte sie: „Mein Kampf“ in Originalausgabe in eine Tasche, ging dann zu ihrem Auto und verließ das Gelände des Senders, ohne sich noch einmal umzudrehen. Als sie dann in den eigenen vier Wänden daheim angekommen war, goss sie sich ein paar Cognacs hinter die Kiemen, legte währenddessen eine DVD mit dem Titel: „Hitler eine Karriere“ in den DVD-Player, und versuchte sich zu entspannen, bis sie sich, plötzlich, weinend vor Ergriffenheit auf den Boden warf, dabei mit den Fäusten in der Luft herumfuchtelte, und dann, bedingt durch den Suff, sanft einschlief. Ja, so enden Karrieren! Zwei Tage nach diesem Ereignis kehrte sie jedoch reumütig zurück vor die Kameras der Journalisten und bedauerte die etwas unzutreffenden Worte in ihrem Buch, die sie „so“ im Übrigen ja auch gar nicht gemeint hatte. Aber, was kam nun? Nun kam ein reges Interesse an dem Buch, die Leute waren wie in Rage und rissen sich gegenseitig die Exemplare aus den Händen, denn man wollte auf dem Laufenden sein, man wollte mitreden können, man wollte so ein Ereignis in sich aufsaugen, weil es so schön war, - dass nun endlich jemand mal die guten Seiten des Dritten Reiches zu Papier gebracht hatte, das hatte man sich schon immer gewünscht. Später dann in der weltberühmten Talkshow, bei dem ebenso weltbekannten: Tante Kerner, wurde die Blondine von dem psychisch labilen, und mit der Situation völlig überforderten, Kerner rausgefeuert, weil Kerner, der schon während des Interviews starke Schweißausbrüche hatte, und sich seine Hose stark kontaminierte, so dass der Geruch unerträglich war... Ich will damit sagen, dass die Blondine anscheinend ohnehin gegangen wäre, da sie die: Kontaminierung Kerners immens störte, wenn nicht sogar anekelte und peinlich berührte. Ja, und auch unsere „Harburger Gang“ vom Brunnen, die ich Ihnen von 1-10 aufgelistet habe, meine Lieben Leser, waren durch die Talkshow in Aufregung versetzt. Man legte für den Kauf einer Blödzeitung zusammen, und dann wurde gelesen sowie heiß erregt: Diskutiert, jeder gab seinen ganz persönlichen Senf dazu. Gichtkrallen-Bernd sprach von: „Einem historischen Ereignis, dass man nicht außer Acht lassen dürfe, denn es gewinnt an Bedeutung. Darum sei es wichtig, dass man darüber spräche.“ Nach diesen Worten stimmte er die Deutsche Nationalhymne an und alle sangen: Begeistert, teilweise sogar ergriffen mit. Viele fleißige Leser, auch die Betroffenen selber, werden sich nun an dieser Stelle der Satire fragen: Aber, da fehlen doch noch ein paar sog.: Neue, die bisher gar nicht in irgendeiner Form aufgetaucht sind? Ja, das ist richtig, darum werde ich jetzt die anderen, die den Brunnen in Hamburg-Harburg ebenso bereicherten, aufzählen, als da wären:
11. Maxl` Wolms (Spitzname: Leberschaden-Ludwig)
Maxl` Wolms dunkle Vergangenheit beruht auf seine Herkunft im: Nachkriegs-Wien. Dort erblickte er im historischen Jahr 1949 das Licht der Welt, irgendwo jenseits des Praters, wo es nicht nur „vornehm“ zuging, - sondern es gab auch seinerzeit Abweichungen in der sozialen Mitte der Gesellschaft, die immer noch unter den Folgen des zweiten Weltkrieges litt. Schon früh bekam Maxl` die Anonymität sowie auch die progressive Offenheit der Großstadt zu spüren, weil er bereits mit 13 Jahren den Heurigen sehr zu schätzen wusste. Maxl` war kein ruhiges Kind, er neigte des Öfteren zu massiven Diebstehlereien und Gewalttätigkeiten, um sich seinen Platz auf der Straße, unter Gleichgesinnten, zu verschaffen. Nicht selten griff ihn die Gendarmerie bei nächtlicher Stunde auf, und brachte ihn anschließend heim zu den besorgten Eltern, die mit ihrem: Aggressiven Sohn völlig überfordert waren, so dass er nach Hamburg in eine Pflegefamilie gegeben wurde, damit aus ihm etwas Anständiges werden sollte. Mit 58 Jahren dann und endlich, fühlte er sich nach eigenen Angaben: „Heimisch und integriert“. Er schlief im Männerwohnheim in Harburg zusammen mit dem seltsamen „Finanzamt-Thomas“, einem seiner besten Freunde.
12. Finanzamt-Thomas (Spitzname: Der Seltsame)
Er war dem gerade erwähnten Leberschaden-Ludwig nicht unähnlich, gemeinsam versoffen sie innerhalb von nur 8 Tagen regelmäßig ihr Hartz IV Geld, pilgerten dann zur Harburger Tafel und versorgten sich mit Lebensmitteln. Finanzamt-Thomas redete wenig, er war immer noch der verbitterte Kleinspießer, den man aus seiner Sicht „Unrecht“ zugefügt hatte. Seine Alkoholexzesse auf dem Amt waren legendär gewesen, aber man hatte ihn eines Tages beim Saufen erwischt, außerdem soll er, während seiner Arbeitszeit: Prostituierte auf Kosten des Amtes belästigt haben, – Telefonsex war sein Element, schon der Gedanke an die Gespräche mit den Liebesdamen versetzte ihn in nicht nachvollziehbare Ekstase. Finanzamt-Thomas sagte einmal, so dass es alle hören konnten am Brunnen: „Die religiöse Ekstase wird in der Mystik als unmittelbare Vereinigung mit dem Göttlichen- sowie auch als „Ergriffen-Sein“ von Gott aufgefasst.“ Zwei Mal täglich ging er ins Porno-Kino, er war sonderbar geworden, sonderbar und fernab jeglicher Realität. Die abendlichen Gespräche mit Leberschaden-Ludwig taten ihm jedoch gut, wahrscheinlich, weil beide „ständig“ zugedröhnt waren und von alten, kriminellen Zeiten schwärmten...
13. Trunkenbold-Tommy (zweiter Spitzname: T.B.T.)
Trunkenbold-Tommy ist einer der wohl engsten Freunde von Leberschaden-Ludwig und Finanzamt-Thomas. Er war immer mal wieder im Knast gewesen, wegen: Hehlerei, Einbruch, Zechprellerei und Ladendiebstahls. Gemeinsam mit seinen beiden (eben genannten) Freunden hatte er einst die Seilerbahn, jene uns allen noch wohlbekannte Kneipe, die in den neunziger Jahren Leberschaden-Ludwig gehörte, in Brand gesteckt. Anschließend, nachdem Leberschaden-Ludwig die fünfstellige Versicherungssumme abkassiert hatte, setzten sich die drei, in einer „Nacht- und Nebelaktion“, nach „Den Haag“ ab, wo sie die ganze Kohle verprassten. Sie versoffen eigentlich alles, und gönnten sich, genau zehn Tage lang, teure Bordellbesuche, gutes Essen, sowie gutes Hasch, - als die Kohle jedoch aufgebraucht war, kehrten sie, enttäuscht von sich selber, zurück nach Hamburg-Harburg und überfielen dort einen Imbiss, allerdings im Vollsuff; während Leberschaden-Ludwig sowie Finanzamt-Thomas noch rechtzeitig abhauen konnten, wurde Trunkenbold-Tommy von den Bullen gekrallt und eingelocht, aber er hielt dicht, und verpfiff seine beiden Kumpels nicht, seit jenen wilden Zeiten sind die drei unzertrennlich.
14. Henry Gatznatz (Spitzname: Der Anscheißer)
Henry Gatznatz, oder auch nur: Der Anscheißer... nun, ja, er ist in Sachen Alkohol eine zeitlose Ausnahmeerscheinung! Nach diversen Entziehungskuren im In- und Ausland, zog es ihn immer wieder, aus Neuwiedenthal kommend, an den Brunnen nach Harburg. - Selten, aber doch gelegentlich, arbeitete er für eine karitative Einrichtung der Kirche, dort bestahl er regelmäßig: Obdachlose, Minderbemittelte und Leute die ehrenamtlich arbeiteten, um auf den Pfad der Tugend zurück zu kehren. Die gestohlenen Sachen wie: Uhren, Jacken, Schuhe, Feuerzeuge, sowie Zigarettenetuis verkaufte er vorwiegend an Leute im Männerwohnheim Harburg, unter anderem an: Leberschaden-Ludwig und Finanzamt-Thomas, denn die beiden konnten in der Regel „alles“ gebrauchen. Henry ging, im Gegensatz zu diesen beiden eben Genannten, einen eigenen Weg - jenseits der Legalität, und zwar: irgendwie, irgendwo und wann immer es ihm möglich war...
15. Huddel und Niko (Spitznamen: Gaga und Hirni)
Die wohl irrsten Typen am Brunnen sind: Huddel und Niko. Beide sind schizophren, beide leben ohne jeglichen Bezug zur Realität und beide sind von Geburt an: Bettnässer! Die auch heute noch, im fortgeschrittenen Alter: Windeln tragen. Huddel und Niko waren, wenn man sie auf eine gemeinsame Person zusammenfassen würde, auf dem geistigen Niveau eines Vollidioten sowie eines unheilbar gestörten Individuums, dessen Gehirn nur noch aus Drogen und Alkohol bestand, - nicht mehr fähig sich sinnvoll, logisch oder gar für „alle“ verständlich zu artikulieren. Es war nur noch so eine Form von: Stammeln, gepaart mit einer unkontrollierten Aggression, die sich gegen die gesamte Umwelt richtete. Und nicht selten klang es in etwa so, wenn sie sprachen: Oh, oh, oh, äh, äh, äh, da, da, da, mmh, mmh, mmh, bäh, bäh, bäh, wa... wa... was? Oder so etwas Ähnliches. Es war, um es dann dabei fairer weise zu belassen, nicht immer leicht der erregten Atmosphäre, die sich zwangsläufig enorm steigerte – bedingt durch Alkohol und Drogen-, mit gewöhnlichem Humor diesen Idioten entgegenzutreten. War es für die Gehirnamputierten ganz normal sich „so“ darzustellen, so suchten andere doch nach einer gewissen Zeit das Weite, nicht nur wegen der eigentümlichen Sprache, sondern auch wegen des, nicht zu ertragenden, Gestanks. Trizi sagte, in Bezug auf die anhaltende Bettnässerei der beiden, einmal zu Huddel und Niko: „Ihr solltet vielleicht mal einen Arzt aufsuchen, eventuell einen Psychiater, denn es könnte doch sein, dass ihr im tiefsten Inneren, Konflikte zu bewältigen habt, die „nur ein Facharzt“ in den Griff bekommt, oder?“ – Huddel schwieg jedoch, ebenso Niko. Niko grinste nur so nichtssagend vor sich hin...
Am 30. Oktober 2007 erschien, plötzlich und unerwartet, unser aller: Jens Blatthaus (Spitzname: Der Besamer) am Brunnen. Er war vom Vortag noch ziemlich besoffen, und fing, nach einem kräftigen Schluck Bohnekamp (aus diesen Miniflaschen) so dermaßen an zu kotzen, dass er nicht nur sein unverdautes Essen von der Harburger Tafel erbrach, nein, er verlor beim Kotzen auch sein Gebiss. „Es ist ja sowieso nur ein Provisorium,“ ließ er, Jens, die geschockten Herumstehenden wissen, welche ihm ängstlich in die verquollenen Augen sahen, denn sein Kopf war so rot wie eine Tomate... durch das Würgen sowie Kotzen und den anschließenden Hustenkrampf, der nicht enden wollte. Trizi sagte zu Jens: „Das hört sich aber gar nicht gut an, du solltest vielleicht mal einen Arzt aufsuchen, eventuell einen Psychiater, denn durch dein Gebiss, könnte es doch sein, dass du im tiefsten Inneren Konflikte zu bewältigen hast, die „nur ein Facharzt“ in den Griff bekommt, oder, was meinst du?“ Jens sagte daraufhin: „Kann sein, kann nicht sein. Auf jeden Fall werde ich in Zukunft die Sachen von der Harburger Tafel vorher braten oder kochen, und nicht immer alles roh- bzw. kalt fressen. „Ich“ weiß nämlich, was sich gehört, ich bin nur im Moment „ein bisschen“ von der Rolle, weil ich schon seit zwei Tagen nicht mehr richtig gevögelt habe. Und... äh, wichsen ist nicht so mein Ding.“ „Du solltest vielleicht mit der „Hepatitis C Kranken“ Susanne Blau eine Beziehung eingehen?“ Sagte Trizi daraufhin. Und sie fügte an: „Die ist doch, so weit ich weiß: Geiler als die hiesige Polizei erlaubt, nicht wahr?“ „Ja, sicher, ey! Aber die „bläst“ so scheiße!“ „Ach, so...“ „Ja, ja, so ist das!“
Ich möchte daraufhin weisen, dass ich mich natürlich nicht von den uns wohlbekannten „anderen Protagonisten“ entfernen werde, aus den vorherigen Gesellschaftssatiren, schon gar nicht von Bianca, meiner treuen, anschmiegsamen Maus, die immer öfters Verständnis zeigte, wenn ich mir „in“ Harburg, also vor Ort, die ein- oder andere Notiz machte, um „mich“ auf dem Laufenden zu halten. Obwohl, einmal sagte Bianca zu mir: „Dass du dich mit einigen, derartig asozialen, minderbemittelten, von Drogen zerfressen Sausäcken „überhaupt“ auf eine Bank setzt, am Brunnen, das finde ich schon abartig. Einige stinken doch nach Scheiße, Pisse, Mist und Dreck, die sind zu blöd, um auch nur einfachste Zusammenhänge zu begreifen, und dennoch schreibst du über diese menschlichen Trümmer, warum tust du das?“ „Ich habe zurzeit kein konkretes Thema für einen neuen Roman, deshalb setze ich auf Altbewährtes.“ „Gut, oder... auch nicht gut. Trotzdem könntest du z. B. auch mal einen schönen Liebesroman schreiben, oder etwas über Tiere oder so, nicht wahr?“ „Ja! Du hast recht, ich sollte mich in Zukunft wirklich einmal mit angenehmeren Dingen beschäftigen.“ Und es war in der Tat so, und da musste ich Bianca „nochmals“ recht geben, (um mit ihr keinen Krach zu haben), obwohl sie keine Ahnung hatte, wer dort in Harburg am Brunnen „überhaupt“ saß. Sicherlich war es recht angenehm, wenn der Regen den Rathausplatz in Hamburg-Harburg auf natürliche Weise reinigte, dennoch war es gelegentlich ein befremdliches Gefühl sich zusammen mit: Drogenabhängigen, Gewalttätern, Durchgeknallten, Selbst-Entstellten und übel anmutenden Kreaturen auf ein- und dieselbe Bank zu setzen, um sie dann in ihrem Lebenstrott zu beobachten wie sie dahinrafften und sich im Mitleid, das immer wieder Mittelpunkt ihrer Diskussionen war, wälzten.
Wie aber war die Lage der Nation, aus politischer- sowie persönlicher Sicht, ausgehend von Ottensen, individuell zu bewerten? Ich fragte diesbezüglich die allwissende Magda um Rat - bei einem Glas Lambrusco etwas Hasch und leiser Musik im Hintergrund, Ralf schlief bereits. „Ja,“ sagte Magda mit einem Joint in der Hand, „sicherlich sollte man deine Recherchen in Harburg, für dein neues Buch, am Brunnen, nicht unbedingt generell mit den gegebenen politischen Umständen in eine ausschließliche Beziehung setzen, dennoch stimme ich dir zu, dass du in Harburg so etwas wie einen Querschnitt der Gesellschaft vorfindest.“ „Für wie repräsentierend hältst du die Leute am Brunnen?“ „Man sollte auf jeden Fall nicht alle durch „eine Tube“ drücken, da jeder ja seine eigene Geschichte zu erzählen hat. Ich würde mich freuen, wenn du mich auf dem Laufenden hältst, denn alles Politische, egal, wo es in unserer Stadt auch passiert, interessiert mich.“ Der Abend bei Magda war sehr schön gewesen, wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über alles, was wichtig war. Auch Ralf sein Alkoholproblem wurde Gegenstand unserer kleinen Diskussion. Magda sagte: „Ralf ist und bleibt eine versoffene Ratte! Er lernt es auch nicht mehr sich nach dem Scheißen oder Pissen die Flossen zu waschen, er ist einfach nur unhygienisch, ich rege mich schon gar nicht mehr darüber auf. Wäschst „du“ dir eigentlich, nach dem „du“ auf Toilette warst, deine Hände?“ „Ja, logisch. Und ich sage dir auch warum! Ich finde es absolut zum Kotzen, wenn sich die Leute im Allgemeinen natürlich nur, nicht die Pfoten waschen, ich denke hierbei an gewisse Imbisse, wo sich Millionen von Bakterien versammeln und mich krank machen können. Aber, was ist mit dir, liebste Magda? Wäschst du denn immer „deine Hände“? „Dir trete ich gleich deinen Schwanz durch den Arsch, du gottverdammter Wichser! Eine Dame fragt man so etwas nicht! Natürlich wasche ich mich, nachdem ich gepisst oder geschissen habe, was für eine Frage überhaupt?“ Nach diesen Worten legte Magda eine CD in den DVD-Player, und wir hörten gemeinsam, von Johann Sebastian Bach, das: „Air“, jene traurige Melodie, die uns beide, im Suff, immer wieder zu Tränen rührte. Und so ging der Abend dann auch zu Ende, irgendwie traurig. Während Magda bereits schlief entschwand ich durch die Wohnungstür. Es war sehr spät geworden, die Kälte schlug mir ins Gesicht, plötzlich vernahm ich klirrende Geräusche. Zwei Vermummte hatten die Fensterscheibe eines Elektro-Ladens eingeschlagen und bedienten sich nun großzügig an den Verkaufsartikeln. Eine Weile sah ich ihnen zu, denn sie kamen mir irgendwie bekannt vor, doch dann ging ich nach Hause und legte mich zu meiner kleinen Maus ins Bett.
Der darauf folgende Morgen war eigenartig, denn als ich erwachte, hatte Bianca sich bereits erhoben, ich hörte ihre Stimme aus dem Wohnzimmer – sie telefonierte mit Patricia Grisham. Noch nicht ganz klar bei Verstand, also ich, musste ich mit anhören, wie sich meine Maus über den Bahnstreik aufregte. Ja, im Herbst des Jahres 2007 wurde bei der Bahn bundesweit kräftig gestreikt, nicht dass mir der Streik als solches egal war, oh nein, aber die Tatsache, dass schon wochenlang die Medien „mich“ mit dem Thema: Bahnstreik, nervten und dann auch noch meine eigene Frau... das war alles zu viel für mich, ich bekam Kopfschmerzen. Gerade wollte ich mich erheben, da hörte ich wie Bianca sich von Patricia Grisham verabschiedete, - anschließend zog sie einen Mantel über und verließ die gemeinsame Wohnung ohne sich von „mir“ zu verabschieden. Ein wenig beunruhigt stieg ich aus dem Bett und inspizierte die vertrauten Räumlichkeiten. Unsere beiden Kinder schliefen noch, der Fußboden in der Küche war eiskalt, das Fenster war gekippt und ich hatte tierischen Nachdurst, so dass ich, um dieses abzuändern, in den neuen Kühlschrank griff... ein wenig Orangennektar – pur, tat mir gut. Ich latschte anschließend ins Bad, klatschte mir Wasser ins Gesicht, trug den Rasierschaum auf, und als ich mit der Rasur fertig war, stellte ich mich unter die Dusche, obwohl das meinem Kreislauf nicht gerade gut tat, also machte ich schnell mit dem Shampoo, - und war froh als ich mir wieder meinen Bademantel überziehen konnte. Dennoch, irgendetwas stimmte nicht, aber was? ... Bier! Ich brauchte dringend ein Bier, ferner einen Gin – nur mit Wasser. Die ersten Schlucke von den eben genannten Getränken beruhigten mich, ich kam wieder zur Besinnung. Ich glaube, ich habe schon in den vorherigen Satiren über meine morgendlichen Eigentümlichkeiten geschrieben? Bin aber im Moment zu faul nachzuschauen, ob dem wirklich so ist, also falls Sie, meine Lieben Leser, sich ein wenig gelangweilt fühlen, oder vielleicht zu sich selber sagen: „Das hat der in einer seiner vorherigen Satiren aber auch schon des Öfteren geschrieben: Wie er sich morgens aus dem Bett erhebt, und dann erst mal, was zu saufen braucht. Hat der keine anderen Probleme?“ Ja, das kann durchaus sein, aber ich bin eben auch nur ein Mensch. Einsam bin ich im Moment, ich sitze hier im Wohnzimmer, habe die Glotze eingeschaltet und lasse mich von den Nachrichten aus aller Welt berieseln.
16. Sandra und Chris (Spitznamen: Elly und Knasty)
Beide organisierten Weihnachtsfeste für Arbeitslose- und Leute, die aus dem sozialen Rahmen gefallen waren. Schon die Vorbereitung im November, für das Weihnachtsfest 2007, war die hellste Aufregung – zumindestens für Sandra. Sandra, die ebenso wie Chris, täglich: Hasch rauchte, Kokain schnupfte und bis zum Abwinken Alkohol in sich rein goss, ferner Heroin spritzte und ganz nebenbei „Subutex“ (eine Ersatzdroge) konsumierte, sie war plötzlich: unruhig, kribbelig und nicht mehr zu bremsen, - der Tatendrang hatte sie in seiner Gewalt. Chris sah den Rummel in der Vorweihnachtszeit etwas entspannter, denn er hatte 2 Tage lang mit dem Saufen aufgehört und fühlte sich „cool“, so sagte er. Aber wie muss man sich die Tätigkeit der beiden im Großen und Ganzen vorstellen? Nun, Chris klaute bereits, wie jedes Jahr, im November, sog. Plastik-Weihnachtsbäume, indem er zu mitternächtlicher Stunde, mit Bahama-Thomas und Martin Wagenknilch, in bekannte, sowie in ganz bestimmte, Hamburger Kaufhäuser einbrach, oder besser gesagt „ausbrach“. Denn alle drei ließen sich immer gegen Feierabend einschließen, wenn das Personal und die Kundschaft fort waren. Sandra wartete draußen, unauffällig und Hasch rauchend, mit einem Lieferwagen, bis sie per Handy ein Zeichen bekam – um dann am Hintereingang unauffällig vorzufahren. Natürlich wurden bei solchen Gelegenheiten auch teure Armbanduhren sowie HiFi Geräte aller Art gestohlen, aber der Kernpunkt der gut durchdachten Aktion waren vorwiegend: Dunkel-grüne, relativ teure, sowie in allen Größen erhältliche, mit einer extra bunten Lichterkette ausgestattete: Plastik-Weihnachtsbäume. Eigenartig, nicht wahr? Aber es war so wie es ist! Aber warum lief alles immer glatt? Weil Sandra, die gelegentlich in den Kaufhäusern als Putzfrau gearbeitet hatte, Zweitschlüssel besaß, welche Bahama-Thomas in einen ebenfalls gestohlenen Tresor, bei sich zuhause, aufbewahrte. Ich erfuhr von diesen Dingen erst im kalten und windigen November 2007. Ja, und nachdem die Aktion erfolgreich gelaufen war, - man hatte insgesamt 100 von diesen Plastik-Weihnachtsbäumen gestohlen-, wurden die Dinger kostenlos an die Bedürftigen verteilt. Schon am 15. November begann Sandra ihren 1,60m großen Weihnachtsbaum zu schmücken, und zwar hängte sie an die einzelnen Zweige: Hartz IV Bescheide, Subutex-Pillen – die sie zuvor mit einem Bindfaden umwickelt hatte, leere Bierdosen und Präser, sowie etliche Bilder von Adolf Hitler, Eva Braun, Emmy- und Hermann Göring. Sandra war in solchen Dingen sehr genau, wenn nicht sogar, historisch betrachtet, penibel. Als Chris dann abends vom Dealen nach Hause kam, präsentierte ihm Sandra den mit Kunstschnee bedeckten Plastik-Weihnachtsbaum. „Echt geil... ey,“ sagte er, „lass uns `ne Tüte reinziehen, ich bin echt gerührt, echt ey, du hast es echt drauf, ey.“ Als Trizi „zufällig“ am selben Abend noch bei Sandra und Chris auftauchte, und dann „verwundert“ sah mit welchen eigentümlichen Dingen Sandra den Plastik-Weihnachtsbaum behängt hatte, da sagte sie, nach einem Schluck aus der Kornpulle: „Ihr solltet vielleicht mal einen Arzt aufsuchen, eventuell einen Psychiater, denn es könnte doch sein, dass ihr im tiefsten Inneren, Konflikte zu bewältigen habt, die „nur ein Facharzt“ in den Griff bekommt, oder?“ „Sag mal: Wie bist du denn drauf?“ Fragte Sandra. „Wir können unseren Weihnachtsbaum doch behängen mit, was „wir wollen“, oder etwa nicht?“ „Genau ey... Trizi ey,“ sagte Chris, „du hängst ja auch immer Mini-Dildos und vorgebaute Joints an „deinen“ Baum. Also: Hast du uns – dich, schon mal deswegen kritisieren hören, oder was, ey?“ „Nein,“ sagte Trizi, und sie hatte es plötzlich sehr eilig – sie wackelte einfach davon. Als sie weg war, sagte Sandra zu Chris: „Vielleicht sollte „Trizi“ mal einen Arzt aufsuchen, eventuell einen Psychiater, denn es könnte doch auch sein, dass „sie“ im tiefsten Inneren, Konflikte zu bewältigen hat, die „nur ein Facharzt“ in den Griff bekommt, oder?“ „Genau, ey,“ sagte Chris, „so wird es wohl auch sein. Was gibt es denn heute eigentlich zu fressen?“ „Dein Lieblingsgericht: Dosenfisch mit Gulaschsuppe!“ „Echt?“ „Ja! Echt!“ „Geil, ey. Füll auf, ey.“ Und so wurde dann also gemütlich Abendbrot gegessen. Schmatzend würgten Sandra und Chris den Dosenfisch samt der dazugehörigen Gulaschsuppe hinunter – ein anschließendes Bäuerchen, ein paar Klare zum Nachspülen und das nie fehlende Bier beendete das Mahl. Anschließend wurde die Glotze eingeschaltet und man erfreute sich an dem neuen Farbfernseher, welcher noch nicht so ganz abbezahlt war.
In den nächsten Tagen kam heraus, dass die bekannte Fernsehjournalistin: Anne Will, sich als bekennende Lesbe geoutet hatte. Anne Will trieb es, laut Medienberichten, mit einer 40ig jährigen. Doch der NDR, jener so tolerante TV- und Radiosender, schlachtete die Meldung nicht großartig aus. Aber, warum nicht? Nun, man wollte sich, zumindest nach außen hin, als: souverän, über den Dingen stehend und großzügig zeigen, obwohl innerhalb des Senders längst schon bekannt war, dass Anne Will mit Männern überhaupt nichts anfangen konnte. Die wilde Anne hatte schon immer ein Faible für Frauen gehabt, es war Teil ihrer Natur gewesen, die sie exzessiv auslebte und das: Ohne wenn und aber. Trizi sagte diesbezüglich zu mir: „Vielleicht sollte sie mal einen Arzt aufsuchen, eventuell einen Psychiater, denn es könnte doch sein, dass sie im tiefsten Inneren, Konflikte zu bewältigen hat, die „nur ein Facharzt“ in den Griff bekommt, oder?“ Ich sagte daraufhin zu Trizi: „Ist das dein Standartsatz? Hast du eigentlich keine anderen Probleme?“ „Leck mich Arsch,“ sagte sie daraufhin zu mir und dackelte davon.
Im windigen, viel zu kalten November 2007, es muss so um die Zeit gewesen sein, als der Weihnachtsmarkt gerade aufgebaut war... gegenüber dem Harburger Rathaus, tauchte plötzlich Rattenkopf-Peter auf, jener nervenkranke, vom Alkohol gezeichnete Psychopath, der sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. - Manchmal, wenn er ganz alleine auf einer Bank saß, führte er Selbstgespräche, und zwar in stotternden Dialogen mit Menschen die ihm einst in seinem Leben begegnet waren. Die geballten Fäuste gegen das Unterkinn gepresst, sowie mit Muskelzuckungen im gesamten Gesichtsbereich, sprach er von: Verrätern, Schweinen, Pennern und politisch unmotivierten Mitbürgern, die man seiner Meinung nach alle aufhängen sollte. Er redete sich teilweise in einen derartigen Hass hinein, so dass niemand es wagte näher auf ihn und seine Probleme einzugehen - da ihn der Wahnsinn in eine andere, in eine für mich unbekannte Dimension mitgenommen hatte. Ich sprach mit Weinbrand-Ossi über Rattenkopf-Peter, der im Übrigen (also Rattenkopf-Peter) seine Haare wieder „normal lang“ trug, ich fragte den, in sich ruhenden, Weinbrand-Ossi direkt: „Wie konnte es mit Rattenkopf-Peter nur so weit kommen?“ Daraufhin räusperte sich Weinbrand-Ossi, bevor er sagte: „Du darfst nicht vergessen, dass er immer alleine ist- und frisst und wichst und säuft, er hat kaum jemanden der ihn für „voll“ nimmt, obwohl er immer „voll“ ist. Rattenkopf-Peter macht schwere, psychische Zeiten durch, er leidet unter Verfolgungswahn, er hört, jedenfalls sagte er mir das einmal so, die Stimmen der Götter, die ihm geheime Botschaften mitteilen – sie ängstigen ihn, er ist total irre und gehört eigentlich in die Klapse.“ „Ist es wirklich so schlimm mit ihm?“ „Ich vermute sogar noch schlimmer!“ „Hört, hört.“ Ich gab mich erschüttert! Ja, der Wahnsinn am Brunnen in Harburg war in der Tat ein Problem geworden, aber wie sollte man sich, also ich, der Situation neutral gegenüberstellen, und das ohne selber in den Strudel des Anormalen mit hinein zu geraten? Viele, - ja auch „das“ erfuhr ich so nach und nach, schrieben Gedichte. Ich habe schon in anderen Satiren drüber berichtet, dass das Schreiben von Gedichten ein fester Bestandteil in der Welt der Verwirrten war und ist. Gedichte vermitteln den Hauch von kulturellem Interesse, wenn nicht sogar von einer idealisierten Welt. Und nicht nur Trizi verfasste eigentümliche, kaum nachvollziehbare sprachliche Akrobatik, nein, auch Kakerlaken-Konrad schrieb mit gieriger Freude über Dinge aller Art, die wie er meinte: „Wichtig waren“. Besonders, wenn er sich im Heroinrausch befand küsste ihn die Muse und er verfasste im Anschluss an den Rausch Unglaubliches über: Kakerlaken, Nacktschnecken und Fäkalien die sich in seiner Wohnung befanden. Er war immer schon ein radikaler Gegner von Wasser und Seife gewesen, und nicht selten war seine graue Satin-Jogginghose mit frischen Blutspritzern übersät, so dass ihn Bahama-Thomas mehrfach auf diese unangenehme Nachlässigkeit aufmerksam machte, bzw. machen musste... Martin Wagenknilch war ihm (KLK) in gewisser Hinsicht ähnlich, wenn man es ganz genau nimmt. Nein, ich muss mich an dieser Stelle korrigieren: Martin Wagenknilch spritzte sich „Kokain“, kein „Heroin“ in die Unterschenkel, er wirkte, wenigstens einmal die Woche: Gepflegter als „KLK“, obwohl auch er stets einen kompletten, weißen Jogginganzug trug, dazu geliehene, ausgelatschte Billig-Turnschuhe und einen schwarzen Schal mit der Aufschrift: I Love Harburg! Er sagte damals zu mir: „Ich habe es nicht nötig einen 1 Euro Job zu machen, bzw. überhaupt irgendwo zu arbeiten. Wenn „ich“ nämlich Kohle brauche, dann gehe ich zu meinem „Alten Herrn“ in unseren weltberühmten Lebensmitteladen in der Baererstraße, ich mache ihm kurz die Situation klar, und im Anschluss daran sacke ich den Hunderter einfach ein - so ist das und nicht anders. Alles klar, oder was, ey?“ „Martin,“ sagte ich, „du hast wie immer recht!“ - Doch zurück nach Ottensen/Altona! Es war exakt am Samstag, dem 24. November. Die Grünen hielten irgendwo in Deutschland ihren Parteitag ab und entdeckten ihr soziales Gewissen, sie forderten nämlich eine Erhöhung des Hartz IV Satzes, da auch sie, nach drei Jahren, erkannt hatten, dass man von 345 Euro nicht leben konnte. Magda sagte zu mir, zu Bianca und zu allen anderen uns wohlbekannten Protagonisten, bei einem gemeinsamen Essen im Hotel Lüders: „Ich kann es kaum glauben, es muss ein Traum sein, denn anders ist diese humane Einsicht der Grünen nicht zu erklären. Claudia Roth ist mir fast schon wieder sympathisch, hoffentlich springt jener gute Gedanke vom Parteitag auch auf die SPD und auf die CDU über.“ Rudolf Lüders gab sich weniger optimistisch, er sagte: „Die Grünen haben nur Bammel, dass ihnen auch noch der letzte Wähler wegläuft, darum zeigen sie sich von ihrer sozialen Seite. Im Grunde genommen ist der Parteiführung völlig egal, was aus einem Hartz IV Empfänger wird. Und es ist doch auch so, gerade jetzt, wo in unserem Land „Kinder“ verhungern, wo die Armut immer offensichtlicher wird, wo immer mehr Menschen in andere Länder auswandern, da machen sich plötzlich auch die Grünen Gedanken, weil sie nämlich durch ihre ehemalige Koalition mit der SPD eine gehörige Mitschuld tragen, dass der angebliche, wirtschaftliche Aufschwung an dem Normalsterblichen vorbei geht.“ Und Rudolf hatte recht. Denn, auch ich und Bianca hatten es in Erwägung gezogen in ein ganz neues Land auszuwandern, nämlich: Australien, ganz genau in den Süden des Landes, nach: Adelaide. Amerika lockte uns nicht mehr, wir träumten einen neuen Traum, natürlich bedingt durch die sog. Auswanderer-Sendungen, welche wöchentlich im Fernsehen zu bestaunen waren und die auf uns gewirkt hatten. Chantal, die im Übrigen ganz allein lebte, und den ganzen Tag vor sich hin malte, war, ähnlich wie wir, fasziniert von dem Gedanken, nach Australien zu gehen. Sie wollte dort die Eingeborenen beim Sex malen und skizzieren. Wörtlich sagte sie zu uns: „Es ist dieser Urgedanke, es mit Menschen zu treiben, die es schon seit Tausenden von Jahren gibt. Und äh... die Vorstellung daran macht mich ganz wild, ich bin dauer-geil, wenn ihr es ganz genau wissen wollt?“ „Immer mit der Ruhe die Dame,“ sagte ich, „wir haben uns für noch nichts Konkretes entschieden, es ist lediglich so eine Art von: Grundgedanke!“
Aber, was trieben eigentlich die anderen, uns wohlbekannten, Protagonisten im „Dezember“ 2007? Ich meine, das ist doch eine berechtigte Frage, wegen Weihnachten und so, nicht wahr?“ Bert Teufel schrieb zusammen mit einem schwulen Blödzeitungs-Journalisten an einem Buch mit dem Titel: Wenn das Salz zur Neige geht! – Es war eine Revue seines eigenen Lebens. Dem zufolge sah man ihn auch nicht allzu oft im Hotel Lüders, und wenn er kam stritt er mit den Grishams über die Politisierung des Theaters im 19. Jh. in Europa, - stundenlang gifteten sich die drei hasserfüllt an. Was bei diesen Gesprächen jedoch neu war, war die Tatsache, dass Patricia eine eigene Position bezog, und nicht ständig ihrem Gatten recht gab – wie sonst immer. Was aber machten Kirstin und die Studentin? Kirstin und die Studentin waren gemeinsam in den Urlaub geflogen, sie wollten es auf Ibiza mal so richtig krachen lassen. Heide, sowie Rudolf Lüders waren hingegen im Hotel geblieben und emotional, wie immer, bester Laune, - sie spielten mit unseren Kindern, kümmerten sich um die Gäste, sowie den Club: „Tahiti“, ja, und sie waren auch sonst guter Dinge. Söllinger, Tommy und Kurt hatten allerdings erneut Scheiße gebaut und saßen gemeinsam in Lübeck im Knast, für volle zwei Jahre, aber diese Tatsache wurde im Hause Lüders ausgeklammert, man sprach einfach nicht darüber. Und Ralf, jener trinkfreudige Aschaffenburger Nordbayer, sowie Magdas schwieriger Gemahl, er, Ralf, befand sich in einer schlimmen Lebenskrise: Alzheimer hieß das Stichwort. Ralf litt unter dieser üblen Krankheit und vergaß immer öfters Dinge die ihn- oder andere betrafen. Magda seine getreue Frau war zwar deprimiert, aber sie sah die Sache auch „nüchtern“ mit einem Hauch von Sarkasmus. Einmal, ich und Bianca waren gerade zu Besuch bei Magda, da imitierte sie ihren Gatten, der bereits besoffen die Matratzen abhorchte, sie imitierte ihn so dermaßen gut, dass wir herzhaft lachen mussten. „Das hat er nun von seinen Alkoholexzessen, es war ja im Grunde genommen auch vorherzusehen, jahrelanger Suff schlägt sich eben aufs Gehirn nieder,“ hörte man Magda sagen. Und in der Tat, wenn man sich mit Ralf unterhielt, hatte man unweigerlich den Eindruck, dass er gar nicht mehr „er“ war, er blickte ins Leere, er strich sich mehrfach die: Dünn gewordenen Haare in die Stirn, hielt sich währenddessen an seiner Flasche Bier fest und führte eigentümliche, bisweilen unheimliche Gespräche. Es war übrigens immer dasselbe Thema: Sein Kumpel Korn-Horst und das Frankenreich. Ralf war seit damals, seit dem Streit über dasselbige, immer noch nicht über den Streit als solches hinweg. Hassgefühle, Rechthaberei, Wutausbrüche sowie Beschuldigungen gegen Amerika und die Nato, wechselten sich mit Phasen der völligen geistigen Umnachtung ab. War Ralf noch zu retten? Ich glaube nein! Denn er war schon zu tief in sich selber versunken... was ich damit meine? Ich weiß es nicht! Es klingt halt so schön. Darum wenden wir uns nun, erneut, den „Neuen“ vom Brunnen in Harburg zu.
17. Mario Huana (Spitzname: Der Irre, mit dem wirren Blick)
Mario war einst der Ehemann von Trizi gewesen, sie hatten sich beim Heroinentzug in Schleswig (an der Schlei) kennen- und lieben gelernt. Im Sommer waren sie öfters gemeinsam, mit anderen Drogenabhängigen, gerne nach Kopperby oder Kappeln direkt an die Schlei gefahren – mit einem Mini-Esel-Wagen. Ja, und am 09.09.1999 heirateten sie dann, unter ärztlicher Aufsicht und in Begleitung ihrer drogenabhängigen, vom Wahnsinn gezeichneten Freunde sowie Mit-Patienten, feierlich, ganz in uringelb, im weltberühmten: St. Petri Dom zu Schleswig. Im Anschluss daran fuhren sie alle, in einem geschlossenen Bus, zurück nach Schleswig in die Psychiatrie. Dass es keinen Alkohol gab auf der Hochzeitsfeier... nun, das müsste jedem klar sein, oder? Stattdessen gab es: Ersatzdrogen, selbstgebackenen Kuchen, H-Milch und Mario spielte auf der Gitarre, für Trizi, ein selbstkomponiertes Lied, an dem er ein volles Jahr gearbeitet hatte, das da hieß:
Ob Hasch ob Opium oder Schnee
Du bist so wie das Meer – die Ostsee
Trizi ich liebe dich ganz doll
Ham` stets gedrückt, warn` hackevoll
Bist mein alles, bist meine Maus
Gleich hole ich meinen Lolli raus
Darfst dran schütteln und dran lecken
Lass es dir ganz einfach schmecken...
Man muss an dieser Stelle, fairer weise, sagen, dass Mario den Titel mehrfach hintereinander spielte, mal langsam, dann wieder etwas schneller, teilweise sogar unverständlich, weil ihm die Stimme versagte. - Ja, ganz genau eine: Volle Stunde lang sang er nur diese beiden Strophen, und zwar bis ihm einer, von den Pflegern in der Klapse, das Instrument, also die Gitarre, mit sanfter Gewalt, gegen Marios Willen, entwenden musste – es ging einfach nicht mehr, Mario hatte die Geduld der Anstaltsleitung zu stark in Anspruch genommen. Nach diesem notwendigen Schritt bekam er, gemeinsam mit Trizi, einen herzergreifenden Weinkrampf, der auf die anderen, psychisch instabilen Hochzeitsgäste, die ebenfalls Patienten in der Psychiatrie waren, spontan übergriff, so dass sofort, seitens der Ärzteschaft, starke Beruhigungsmittel (Diazepam und Bromazanil) verabreicht wurden, um die depressive Gesamtstimmung- sowie Aufregung zu dämpfen. Tränen flossen dennoch, so dass das Ereignis auch heute noch als: Sintflut der Irren bezeichnet wird in Schleswig an der Schlei. Doch all das ist natürlich schon sehr lange her, kaum jemand erinnert sich noch „wirklich“ daran, die Zeit hat die Wunden allmählich geheilt. Beide, Trizi und Mario, leben mittlerweile getrennt, aber glücklich, jedenfalls für ihre Verhältnisse, in Harburg, irgendwo jenseits des Brunnens, wo es am schönsten im Frühjahr ist. Mario arbeitet, wahrscheinlich auch um zu vergessen, schwarz auf dem Bau, um sich sein Hartz IV Geld aufzubessern, und Trizi klaut, wie uns allen bekannt ist, alles, was sie in den Fußgängerzonen unter ihre gierigen, lackierten Finger bekommt.
Im Nachhinein kommt mir die Zeit am Brunnen gegen Ende des Jahres 2007 manchmal wie ein Festival des Wahnsinns vor. Natürlich hatte ich mich schon, rein schriftstellerisch, mit den Durchknallten ganz generell beschäftigt, sie beschrieben, ihren Lebensrhythmus so dargelegt, dass der Leser, also der Leser im Allgemeinen, einen Zugang zu ihnen findet, aber war ich vielleicht nicht selber „auch“ mittlerweile ein Teil dessen geworden? Sollte ich vielleicht mehr so einen innerlichen Abstand halten? Ich fragte Bianca um Rat, und Bianca sagte unmissverständlich zu mir: „Wenn du über das Leben auf der Straße schreibst, es somit direkt in Augenschein nimmst, dann bist du „natürlich irgendwann einmal“ ein Teil der Gesamtmaterie die ohne jeden Zweifel ihren eigenen Lebensrhythmus gefunden hat, weil du dich eben ganz generell mit ihnen beschäftigst, wenn auch nur rein schriftstellerisch! Was für eine Frage überhaupt? Du solltest versuchen, nicht zu sehr auf deren Eitelkeiten einzugehen, halte nicht immer nur „anderen“ den Spiegel vor, sehe auch „selber“ mal hinein, und frage dich dann: Wer bin ich eigentlich? Habe ich das Recht individuell mit den Geschehnissen, die andere betreffen, künstlerisch zu changieren? Verstehst du, was ich meine?“ „Natürlich verstehe ich dich! Du hast ja auch schon so oft recht gehabt, aber ich hole mir gelegentlich gerne Rat bei dir, um auch mal eine andere Meinung zu hören. Die Grishams sind mir stellenweise zu politisch, wenn ich sie frage, sie sehen keinen Unterschied mehr zwischen persönlichen Werten, sondern sie vermischen zwei Welten miteinander.“ „Welten? Was für Welten?“ „Äh, ich meine, so würde „ich“ das sagen, mehr so schriftstellerisch. Ich sehe nicht nur „eine Welt“, ich sehe „Welten“ – die Mehrzahl.“ „Also, von „Welten“ kann ja wohl nicht unbedingt die Rede sein? Schließlich leben wir alle in einem geeinten Europa und es gibt nur „eine“ Welt. Die Grishams sind, und das ist meine Meinung, ein ideales Paar, das den Alltag, auf politischer Ebene, gewissenhaft meistert. Und beide vertreten, Gott sei Dank, eine eigenständige Meinung, sie gehören hierdurch indirekt, mental betrachtet, zu Magda, sie haben die Revolution im Blut, das will ich damit andeuten, aber ich würde die Meinung der beiden nicht unbedingt- und immer auf die Goldwaage legen!“ „Und warum nicht?“ „Weil es ihnen nicht zusteht. Deshalb!“
Exakt am 14. Dezember 2007 schlug eine Schocknachricht in Harburg wie eine Bombe ein: Trizi, die psychisch labile Kielerin, - von den Ärzten längst aufgegeben, war in genau dasselbe Haus eingezogen, nämlich in den ersten Stock, in dem auch Sandra und Chris wohnten. Mit ihren 17 Katzen, 4 Kampfhunden, einem Terrarium für Vogelspinnen sowie mehreren Fledermäusen hatte sie es sich in der Wohnung gemütlich gemacht und wollte dort auch nie wieder ausziehen, weil sie spirituelle Energien verspürte, welche ihrer Psyche gut taten, jedenfalls behauptete sie das. Was in Sandra und Chris vorgegangen sein muss als sie realisierten „wer“ da bei ihnen ins Haus eingezogen war, konnten ich und Bianca sehr gut nachvollziehen, denn uns, speziell mir, kam die Situation irgendwie bekannt vor, es war „mir“ zu einer anderen Zeit und unter etwas anderen Umständen, mit Chantal ähnlich gegangen, auch, wenn sich „bei uns in Ottensen“ alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Doch im Alten Postweg in Harburg-Heimfeld fing nun eine neue Zeitrechnung an, ein gesamter Stadtbezirk begann zu zittern, man befürchtete das Schlimmste – und so kam es auch. Trizi kochte fast jeden Tag Wirsingkohl, dazu gebratenes Fleisch in Knoblauch-Öl, so dass das gesamte Haus, und die einzelnen Wohnungen, auch die von Sandra und Chris, in Mitleidenschaft gezogen wurden, es war einfach nur unerträglich. Darüber hinaus spielte Trizi jeden Morgen von 7:00 bis ca. 10:00 Uhr und jeden Nachmittag von 16:00 bis 22:00 Uhr überlaute Musik der deutschen, immer noch aktiven, Musik-Combo: „Die Flippers“. Jener Schlagergruppe, die ganze Generationen mit ihrer unerträglichen Mucke, in den absoluten Wahnsinn getrieben hatte, weil deren Musik einfach so scheiße war... und nach wie vor ist! Aber wie sollten die Bewohner reagieren? Welche Alternativen boten sich ihnen? Fragen über Fragen machten die Runde. Trizi jedoch kümmerte das recht wenig, sie hatte nämlich einen normalen Hamburger Mietvertrag erhalten und ihn mit ihrer: gierigen, lackierten, rechten Pfote auch sofort unterzeichnet, um abgesichert zu sein. Der Vermieter, wer auch immer das war, wollte lediglich- und das hatte er zur Bedingung gemacht, dass seine Kohle pünktlich, und das jeden Monat, auf seinem Konto einging und mehr nicht. Trizi ließ somit das Geld direkt von der Arge überweisen, denn auch sie war schließlich Hartz IV Empfängerin und hatte keinen Bock auf Stress. Für Trizi war der Bezirk Heimfeld ein Neubeginn, ein individueller Anfang, ganz nach ihrem Geschmack. Die Hausbewohner jedoch waren da völlig anderer Meinung! Nach dem Schock, dass Trizi in dasselbe Haus wie Sandra und Chris eingezogen waren folgte kurz darauf der zweite Schock. Warum? Nun, Trizi hatte per Zeitungsanzeige ein Inserat aufgegeben, aus welchem hervorging, dass man, wer auch immer, in ihrer Wohnung, unentgeltlich, psychischen Beistand erhalten konnte, natürlich auf freiwilliger Basis – Trizi wollte niemanden zwingen. Trizi und Mario Huana, ihr Ex, sie boten gemeinsam Lebenshilfe an. Und ihre etwas gewöhnungsbedürftige Kampagne funktionierte, denn als erstes erschienen zu den Kursen: Huddel und Niko, Maxl` Wolms, Finanzamt-Thomas, sowie Jacqueline, außer den eben Genannten kam auch noch: Starclub-Holger, der Sohn von Veronika. Dass vor Kursbeginn kräftig gesoffen wurde ist selbstverständlich, außerdem standen überall in Trizi ihrer Wohnung: Kleine, mit Wasserfarben aus einem Tuschkasten, selbst angemalene Schalen herum, in denen sich Psycho-Pillen aller Art befanden, - von Subutex, jener Ersatzdroge, bis hin zu starkem Valium, war eigentlich alles vertreten, was eine Psychopathin glücklich macht. Schon bald nach diesen Ereignissen bekam das Haus einen Spitznamen verpasst, nämlich: Bates Hotel, in Anspielung auf den Film mit Anthony Perkins (Psycho-), welcher Anfang der sechziger Jahre den Leuten in den Kinos, weltweit, das Fürchten gelehrt hatte. Doch Trizi störte sich nicht an solchen Vergleichen, sie freute sich, dass sie den ganzen Tag mit ihrer Fledermaus-Zucht intensiv beschäftigt war, natürlich kamen ihre Katzen und ihre Hunde hierbei nicht zu kurz, aber der Dezember 2007 bewirkte, dass Trizi sich selbst zur Fledermaus-Mama ernannte und auch so angesprochen werden wollte.
Der dritte Schock, in jenem Jahr bzw. in jenem Monat, war die plötzliche Rückkehr von: Juan, Biancas Bruder. Trizi, Mario Huana, Sandra und Chris, sowie einige andere Menschen des Alten Postweges trauten ihren Augen nicht. Juan war mit seiner Familie genau im Nebenhaus von Trizi und Co. eingezogen, und zwar kurzfristig bei Nacht und Nebel. Er (Juan) hatte alles an Kohle, was er besaß, einschließlich seines Coffeeshops, in Portugal, verloren, und stand nun vor den Trümmern seiner Träume, ein Neubeginn in Heimfeld schien unumgänglich zu sein. Ja, und seine mittlerweile kaputt gesoffene Leber war zum Problem für ihn geworden. Ich zögerte mit ihm wieder auf direkten Kontakt zu gehen, denn, dass er völlig mittellos war, war offensichtlich. Ich sagte zu Bianca und Chantal: „Wenn ich sicher sein kann, dass er wieder ins Geschäft mit einsteigt, dann kann ich ja mal zu ihm hinfahren? Denn die Qualität seines Hanfes und Kokses, - von, bevor er die Biege machte, steht außer jeden Zweifel.“ Daraufhin sagte Bianca zu mir: „Ich, Teufel und Chantal, wir stehen schon in losem Kontakt mit ihm, aber mit Geld scheint er anscheinend nicht besonders gut umgehen zu können? Und er hatte doch damals kräftig abgesahnt, nicht wahr?“ Chantal meinte hierzu lakonisch: „Na ja, wenn einer wie er sich von heut` auf morgen die Zigarre mit einem Tausender anzündet, und das für lange Zeit, dann dürfen er und seine Familie nicht verwundert sein, dass er aufgrund dessen, irgendwann pleite macht. Er ist ein: abgefucktes, primitives, widerliches Arschloch.“ Sandra und Chris erzählten mir in diesem Zusammenhang, ganz genau Sandra: „Den habe ich schon ein paar mal mit seiner: Viel zu stark geschminkten Frau, seinen Gören, sowie zwei Rottweilern auf der Straße gesehen. Der schreit seine Köter, seine Frau und seine Gören manchmal so dermaßen laut an als wären sie taub, blind oder blöd. Ein richtiger Vater, so wie man es sich vorstellt, ist der nicht. Und ich dachte immer, die Südländer sind in Sachen Familie: Vorbildlich, aber da habe ich mich wohl anscheinend geirrt?“ Chris fügte hinzu: „Ey, Jürgen, ey. Ich habe sogar einmal gesehen wir er, also als er, ins Nebenhaus eingezogen ist, wie er und seine Frau heimlich einige Hanfpflanzen transportierten. Was soll das denn, baut der unter Ausschluss der Öffentlichkeit an, oder, was, ey?“ Um diese etwas delikate Frage ausreichend und detailgetreu zu beantworten, schenkte ich Sandra und Chris die von mir geschriebene- und mehrfach korrigierte Satire: Parcours d`amour, aus der unverblümt hervorgeht, worum es sich bei den mysteriösen Hanf-Pflanzen handelt. Bevor Sie sich jetzt fragen, meine Lieben Leser: Wieso hat der den Roman mehrfach korrigiert? Das stimmt doch was nicht, oder? Nein, es ist im Grunde genommen alles in Ordnung. Ich habe den Roman aus politischen- und privaten Gründen mehrfach korrigiert, weil ich nicht zu weit in „eine Zukunft“ greifen wollte, die mir damals jedenfalls, nur als Vision erschienen war, und demzufolge, eventuell für nachträgliche Aufregung hätte sorgen können, also auf dieser Basis sollte man das verstehen – es ist, um es nochmals zu wiederholen: Alles ist in Ordnung, kein Grund nervös- oder gar unruhig zu werden. Was mich allerdings erstaunte war die Tatsache, dass das gemeinsame Frühstück im Hotel Lüders, kurzfristig, mehr und mehr vernachlässigt wurde. Aber wer war schuld? Ich möchte in diesem Zusammenhang Bianca, meiner treuen Maus, aber auch Heide Lüders, unsere hingebungsvollen Ersatz-Oma, eine gewisse Schuld geben, denn beide waren ständig mit „meinen“ Kindern unterwegs. Ob nun im Kinderwagen oder an der Hand, tagsüber bekam ich mein eigenes Fleisch und Blut kaum- bis gar nicht mehr zu sehen, ich war ein bisschen säuerlich. Patricia Grisham sagte diesbezüglich zu mir: „Äh, auch wenn es mich nichts angeht, aber es könnte doch sein, dass Heide Lüders, ganz bewusst in „deinen“ Kindern so eine Art von Idealisierung von „ihren eigenen Kindern“ sieht, denn Tommy und Kurt sind ja ziemlich daneben geraten, nicht wahr?“ „In der Tat, da könnte was dran sein, aber ich hoffe nicht, dass du mit deiner Vermutung dauerhaft recht hast?“ Und dennoch, als ich bei Möller saß, mir ein paar Apfelkörner genehmigte, dazu mein Bierchen trank, ergriff mich die Vermutung von Patricia Grisham, - ich dachte darüber nach. Doris fiel meine geistige Abwesenheit sofort auf, sie fragte mich: „Sag mal, stimmt irgendetwas nicht? Schmeckt dir der Alkohol heute nicht? Was ist dir über die Leber gelaufen? Spuck es aus!“ „Ach,“ sagte ich, „es ist wegen meiner beiden Kinder. Ich sehe sie eigentlich nur noch abends und dann schlafen sie bereits.“ „Vielleicht solltest „du“ früher nach Hause kommen? So ein Leben wie „du“ es führst ist nicht gerade vorbildhaft, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf?“ „Mensch Doris... das hat doch damit nichts zu tun wie „ich“ lebe!“ „Natürlich hat es etwas damit zu tun, du willst es dir nur nicht eingestehen, weil du den bequemen Weg gehst, so ist das nämlich „immer“ bei euch Kerlen.“ „Ich möchte zahlen.“ „Zahlen? So plötzlich? Jürgen, Jürgen, Jürgen... ich bin dir doch wohl nicht etwa auf den Schlips getreten, oder? Oder wie ist dein hastiger Aufbruch zu verstehen?“ „Nein, es ist alles paletti! Tschüss, Doris, bis zum nächsten Mal.“ Während ich raus ging, hörte ich Doris noch zu Mona sagen: „Die Kerle sind doch alle empfindlich, kaum sagt man ihnen mal die Wahrheit ins Gesicht, schon spielen sie die beleidigte Leberwurst!“ Mona die schon voll wie Hacke war, und sich am Tresen festhielt, sagte daraufhin: „Ja, genau! Dieser Jürgen ist z. B. so einer! Der lebt auch wie „er“ will! Ohne Rücksicht auf die Familie zu nehmen!“ - Mona hatte offenbar gar nicht mitbekommen, dass ich noch Sekunden vorher einen Meter weit von ihr entfernt gesessen hatte... eine bedauerliche Person diese Mona.