Читать книгу Die Große Mango - Jake Needham - Страница 11
Sieben
Оглавление„Er hat sich als Mr. Rupert vorgestellt“ flüsterte Joshua. „Marinus Rupert.“
„Und, stimmt das?“
„Woher soll ich das denn wissen? Letzte Woche hattest du einen Termin mit einem Chinesen, der behauptete er wäre O.J. Simpson.“
„Wissen wir denn schon, was Mr. Marinus von uns will?“ fragte Eddie vorsichtig weiter.
„Mr. Rupert. Marinus ist der Vorname.“
„Auch gut. Hauptsache er kommt damit klar. Also, was will er?“
Joshua bedachte Eddie mit einem verständnislosen Blick und wandte sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren wieder seinem Bildschirm zu. Also atmete Eddie einmal tief durch und öffnete die Tür zu seinem Büro.
Der Besucher, den er dort vorfand, entsprach ganz und gar nicht Eddies Erwartungen, allerdings, das musste er sich später gestehen, war sich Eddie gar nicht sicher, wen er an diesem Morgen eigentlich in seinem Büro erwartet hatte.
Marinus Rupert sah aus wie Anfang fünfzig, aber Eddie vermutete, dass er deutlich älter war. Er war gut aussehend, gepflegt und ausgesprochen teuer gekleidet. Eddie dachte, so ähnlich hätte wohl John F. Kennedy ausgesehen, sofern dieser je Mr. Ruperts Alter erreicht hätte. Jedenfalls sah Mr. Rupert nicht so aus wie jemand, der falsche Namen benutzt.
„Vielen Dank, dass sie mich ohne Termin empfangen, Mr. Dare.“
Eddie bot ihm die Hand zur Begrüßung an und sagte „Kein Problem, Mr. Rupert.“
Die Stimme des Mannes war tief und geschmeidig und besaß eine natürliche Autorität. Mr. Rupert sprach mit einem etwas seltsamen britischen Akzent, der vermutlich aus irgendwelchen Kolonien stammte.
Während die beiden Männer sich eine Weile über Belanglosigkeiten unterhielten nutzte Eddie die Zeit, sich Mr. Rupert etwas genauer anzusehen. Vor allem sah er reich aus. Der Anzug war auf jeden Fall maßgeschneidert, an den Manschetten seines blütenweißen Hemdes funkelten goldene Knöpfe. Seine Armbanduhr war von einer dieser ganz exklusiven Marken, deren Name sich Normalsterbliche gar nicht erst merken mussten. Akkurat frisiertes schwarzes Haar, das an den Schläfen in perfekter Symmetrie ergraute.
„Was kann ich denn nun für Sie tun, Mr. Rupert?“ fragte Eddie, als es offensichtlich wurde, dass genügend Höflichkeiten ausgetauscht waren.
„Sicher ist ihnen bewusst, Mr. Dare, dass Rupert nicht mein wirklicher Name ist. Wie auch immer, wir sollten diesen Namen für eine Weile benutzen. Nur zwischen uns.“ Der Mann schaute dabei ein wenig vergnügt.
Das war interessant, dachte Eddie und war zugleich etwas enttäuscht über seinen Mangel an Menschenkenntnis.
Etwas trotzig antwortete er „Sie hingegen können weiterhin Eddie Dare zu mir sagen, denn das ist mein Name.“
Der Mann lächelte breit, so als fände er Eddies Antwort ausgesprochen geistreich.
„Nein, das ist er nicht. Rupert Edward Dare ist ihr wirklicher Name. Eddie ist lediglich eine durchaus charmante und daher weit verbreitete Verniedlichung ihres zweiten Vornamens. Sie begannen sich so zu nennen, als sie sich zum Sprachrohr der kriminellen Klasse empor schwangen. Ihre Klientel mag das möglicherweise nett finden, ich hingegen gehöre ihr aber eindeutig nicht an, oder?“
„Soso“ sagte Eddie, in dem langsam etwas Wut über die Arroganz seines Besuchers aufstieg.
„Deshalb habe ich Rupert als Nachname gewählt. Eine Reminiszenz, wenn Sie so wollen. Ich dachte, das amüsiert sie.“
„Ja, ich bin unglaublich amüsiert. Und was ist mit Marinus?“
„Das ist der Mädchenname meiner Mutter.“
„Tatsächlich?“
„Tatsächlich… nicht.“
Der Mann lächelte wieder für einen Augenblick. Dieses Lächeln schien eine Art Automatismus zu sein, der nichts mit seinen tatsächlichen Empfindungen zu tun hatte. Ziemlich schroff fuhr er fort:
„Ich weiß eine ganze Menge von ihnen, Mr. Dare.“
„Nun, dann sind sie schon wieder im Vorteil, denn ich weiß nichts von ihnen“ antwortete Eddie, der langsam die Geduld verlor.
„Und daran wird sich auch nichts ändern. Außer, wenn ich es so will. Sonst nicht.“
Eddie sah den Mann an und wartete darauf, dass er endlich fort fuhr, aber er schien es nicht sonderlich eilig zu haben. Er saß einfach ruhig da und lächelte.
Jetzt reichte es Eddie. Er machte es sich in seinem Stuhl auffällig bequem, verschränkte die Arme vor der Brust und legte die Beine hoch, überkreuzt auf die Ecke seines Schreibtisches. „Okay mein Freund, Sie haben es geschafft. Was wollen Sie? Die Bühne gehört ihnen.“
Rupert nickte zufrieden, so, als hätte er auf genau diese Reaktion nur gewartet. Er erhob sich von seinem Stuhl, ging ans Fenster und blickte hinaus auf die Grant Street, Eddie dabei den Rücken zugewandt.
„Ich benötige ihre Hilfe zur die Widerbeschaffung gewisser Werte, Eddie. Ich darf sie doch Eddie nennen?“
Eddie schwieg.
„Gut“, fuhr der Mann fort, noch immer aus dem Fenster schauend „es handelt sich übrigens ausgesprochen große Werte.“
Eddie fragte sich, ob der Mann irgendetwas Bestimmtes auf der Straße beobachte oder ob seine Augen nur ziellos über das geschäftige Treiben der Leute auf der Grant Street unter ihm schweiften. Sah er aus demselben Fenster, erinnerte ihn das Straßenbild meist ein wenig an Hongkong: Ein großer Schwarm meist etwas älterer Chinesen bevölkerte die Gehwege auf beiden Seiten der Grant Street, ungeduldig drängelnd und schubsend und irgendwann auf die Fahrbahn ausweichend, wenn auf dem Gehweg absolut kein Vorankommen mehr war.
„Vermissen sie eigentlich die guten alten Tage bei Wren & Simon, Eddie?
Diese Frage kam für Eddie völlig unerwartet und sie traf ihn wie eine Ohrfeige. Eddie war sofort klar, dass Rupert genau diesen Effekt erzielen wollte.
„Das geht sie nichts an“ schnappte er zurück, aggressiver, als er es eigentlich vorgehabt hatte.
„Erinnern sie sich noch an diese beiden großen Geldwäscheskandale, mit denen Wren & Simon damals befasst war? Wann war das nochmal… in '87, oder?“
„1988“
„Ja, richtig. Damals hatte es wirklich so ausgesehen, als würden sie Karriere machen.“
„Damals habe ich Karriere gemacht.“
„Selbstverständlich“ amüsierte sich Rupert und drehte sich ruckartig um. „Selbstverständlich, Eddie“.
Er ging zurück und setzte sich wieder auf einen der Stühle vor Eddies Schreibtisch. Dabei nahm er sich sehr viel Zeit um die richtige Position zu finden. Als er schließlich bequem saß, begann er, sich mit dem Zeigefinger langsam gegen die Wange zu klopfen. Die Geste wirkte sehr einstudiert, sie sollte Eddie wohl vermitteln, dass er nachdachte. Eddie fand das einfach nur albern.
„Die hätten sie damals niemals rauswerfen dürfen, wissen sie das?“
„Was soll das?“
„Sie taten ihr Bestes um einen ziemlich gierigen und zudem noch ausgesprochen dummen Banker vor dem Knast zu bewahren. Für welche Bank hat der nochmal gearbeitet? Warten Sie…“
Eddie sagte nichts. Er spürte, dass der Mann ohnehin keine Antwort von ihm erwartete.
„…ach, das ist auch alles nicht wirklich wichtig.“ fuhr der Mann fort. „Sie taten, was gute Anwälte immer machen, nicht wahr, Eddie? Gute Anwälte versuchen immer, das denkbar Beste für ihre Mandanten heraus zu holen, ungeachtet ihrer Taten. Das ist völlig verständlich. Leider machen sie sich dabei manchmal selbst die Hände ein wenig schmutzig.“
„Ich habe mir die Hände nicht schmutzig gemacht.“
„Das haben einige ihrer damaligen Partner wohl etwas anders gesehen.“
„Sie hatten Unrecht.“
Eddie nahm ruckartig die Füße vom Schreibtisch und beugte sich mit dem Oberkörper in Richtung des Mannes, die Hände auf der Schreibtischplatte abgestützt.
„Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Sie haben jetzt die Wahl. Entweder Sie wechseln das Thema und sagen mir auf der Stelle, was sie von mir wollen, oder Sie verschwinden jetzt aus meinem Büro. Mir ist es egal, wozu Sie sich entscheiden. Haben Sie das verstanden?“
Rupert hob beide Hände in einer beschwichtigenden Geste. „Entschuldigen Sie vielmals, Eddie. Das war nicht böse gemeint. Ich bin doch auf ihrer Seite.“
„Schön, dann sind wir da schon zu zweit. Also, das ist mein letzter Versuch, was wollen sie?“
„In Ordnung.“ Rupert nickte freundlich „Ich möchte ihr Mandant werden.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das möchte“ entgegnete Eddie brüsk.
„Das denke ich schon. Ich bin nämlich ein ziemlich interessanter Fall.“
Eddie suchte in dem Blick des Mannes nach irgendwelchen Hinweisen, in welche Richtung diese Konversation führen könnte, fand aber keine.
„Wie gesagt, es geht um die Widerbeschaffung gewisser Werte. Zu dem Rest kommen wir später.“
Der Mann machte ein Theater, als ging es darum, dem Papst zu erklären, dass er mit den Zahlungen seiner Alimente im Rückstand ist.
Ging es um größere Mengen Schwarzgeld? Wie ein Geldwäscher der Drogenmafia sah er eigentlich nicht aus. Aber wie sah er eigentlich aus? Eddie war sich nicht sicher. Die meisten seiner Klienten waren auf jeden Fall ein ganzes Stück weiter unten in der Futterkette im Vergleich zu dem Mann, der da jetzt vor ihm saß. Veruntreuung vielleicht? Erpressung? Waffenschmuggel?
„Bei den erwähnten Werten handelt es sich um eine Größenordnung von ungefähr 400 Millionen US Dollar.“
Manche Menschen glaubten fest daran, dass der Zufall die alles im Leben bestimmende Größe ist, andere taten das nicht. Eddie hatte sich dazu bisher keine nennenswerten Gedanken gemacht. Zumindest nicht bis zu diesem Augenblick.
Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass es sich hierbei um einen Zufall handeln konnte? Zwei Besuche in seinem Büro von unterschiedlichen Personen innerhalb weniger Tage. Und in beiden Fällen ging es um 400 Millionen US Dollar. Eddie Dare wusste wirklich nicht viel von Wahrscheinlichkeitsrechnung, das Ergebnis dieser Berechnung hatte er aber trotzdem sofort vor Augen.
Null.
Schweigend betrachtete er den Mann für eine Weile. Rupert lächelte routiniert sein maskenhaftes Lächeln.
„Ich weiß nichts von dem Geld, über das sie da sprechen“ sagte Eddie schließlich.
„Wenn das so ist, woher wissen sie dann, wovon ich spreche?“
„Am vergangenen Freitag hatte ich Besuch von einer ganzen Horde Secret Service Agenten. Die waren ebenfalls auf der Suche nach 400 Millionen Dollar. Sie haben mir sogar eine kleine Geschichte dazu erzählt. Gerade genug, damit ich denen dasselbe sagen konnte, was ich jetzt ihnen gesagt habe. Nämlich, dass ich nichts weiß und dass ich ihnen nicht helfen kann.“
Eddie hatte das Gefühl, einen Anflug von Unsicherheit in den Augen des Mannes zu erkennen. Deshalb setzte er nach.
„Und wo wir gerade dabei sind, was sollte das mit den Fotos, die sie mir geschickt haben?“
„Fotos?“
Was auch immer Eddie in den Augen des Mannes zu sehen geglaubt hatte, jetzt war es verschwunden. Die Stimme des Mannes war wieder sicher und fest wie zuvor, nur ein bisschen Verwunderung hatte sich dazu gemischt als er fragte:
„Von welchen Fotos sprechen Sie, Eddie?“
„Vergessen Sie’s.“ Eddie hätte sich ohrfeigen können. Warum hatte er diesen Trumpf ohne Not aus der Hand gegeben? Er war aufgeregt und handelte unüberlegt, das war nicht gut. „Nicht so wichtig.“
Rupert nickte leicht und wirkte dabei so geistesabwesend, als würde er an etwas völlig anderes denken. Zu Eddies Erleichterung fuhr er dann fort, ohne die Fotos noch einmal zu erwähnen:
„Was genau haben sie dem Secret Service erzählt?“ fragte er stattdessen.
„Nur, dass ich ihnen nicht helfen kann.“
„Sonst noch etwas?“ Dem Mann schien es zunehmen schwer zu fallen entspannt zu wirken, worauf er offenbar Wert legte.
„Ich sagte ihnen, dass ich 1975 in Saigon war und bei der Evakuierung mitgeholfen habe. Und ich sagte ihnen, dass ich in der ganzen Zeit in Saigon nichts, aber auch gar nichts, mit der Bank of Vietnam zu tun hatte, oder dem Geld, nach dem sie suchen.“
Rupert blieb reglos auf seinem Stuhl sitzen und sagte nichts. Sein Lächeln war verschwunden und Eddie fragte sich, ob das irgendetwas zu bedeuten hatte.
„Ich war Beifahrer im letzten Konvoi aus Tan Son Nhut, bevor dort die nordvietnamesischen Granaten einschlugen. Als es damit los ging wurde der Flugverkehr sofort eingestellt“ fügte Eddie hinzu. „Danach gab es nur noch Hubschrauberflüge vom Dach der Botschaft. Als ich dieses Dach verlassen habe, hatte ich keine 400 Millionen Dollar bei mir und soweit ich mich erinnern kann, auch keiner der Anderen, die sonst noch dort gewesen sind. Sie sehen, ich kann ihnen nicht helfen.“
Rupert begann wieder zustimmend zu nicken, so wie ein Lehrer nickt, der versucht einem besonders begriffsstutzigen Schüler die richtige Antwort aus der Nase zu ziehen.
„Wir haben sie natürlich überprüft, Eddie. Wir wissen sehr genau, dass sie nicht haben wonach wir suchen.“
„Wenn sie das schon wissen, was wollen sie dann von mir?“
„Sie sind derjenige, der uns bei der Wiederbeschaffung der 400 Millionen helfen kann. Das ist so, auch, wenn Sie es selbst nicht glauben wollen.“
„Wir? Uns? Von wem zum Donnerwetter sprechen Sie?“
„Wir machen ihnen einen Vorschlag.“ Rupert beugte sich vor, er sprach jetzt sehr leise, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gab. „Wir wissen, dass sie und ihr damaliger Vorgesetzter bei den Marines ein sehr gutes Verhältnis zueinander hatten. Alles, was wir wollen, ist, dass sie mit Hauptmann Austin sprechen. Sonst nichts. Nur ein kleines Treffen und eine kurze Unterhaltung.“
Mein lieber Schwan, dachte Eddie, der ist immer für eine Überraschung gut. Er sagte aber nichts.
„Wir glauben, dass Harry Austin das Geld hat. Zumindest weiß er, wo es geblieben ist. Weiterhin haben wir Anlass zu der Vermutung, dass er den größten Teil des Geldes bis heute nicht angerührt hat.“
„Wie kommen sie zu dieser Vermutung?“ fragte Eddie.
„Es wäre aufgefallen. Um eine solche Menge Geld unauffällig in Umlauf zu bringen, braucht man die Hilfe und das Wissen ganz spezieller Kreise in der Finanzbranche. Diese aber hat Austin nie versucht in Anspruch zu nehmen.“
Eddie nickte nur.
„Wir wollen Austin einen Handel vorschlagen. Wir haben die Möglichkeiten, das Kapital völlig legal und unauffällig in Umlauf zu bringen. Keiner wird etwas merken. Austin hätte uneingeschränkten Zugriff und brauchte keine Angst mehr zu haben, entdeckt zu werden. Natürlich müsste er uns dazu erst einmal als Partner akzeptieren.“
„Sie wollen 400 Millionen Dollar waschen.“ fasste Eddie das gesagte zusammen.
„Ja“ nickte der Mann, der sich Marinus Rupert nannte.
„Dann brauchen Sie eine verdammt große Waschmaschine.“
„Die größte.“
„Warum fragen Sie Austin nicht selbst?“
„Weil wir dann ein unkalkulierbares Risiko eingehen würden. Versetzten sie sich in Austins Lage. Da ruft ein völlig Unbekannter an und erklärt ihm ‚Wir glauben, dass Sie im Besitz von zehn Tonnen Geld sind, das früher einmal der Bank of Vietnam gehört hat. Jetzt fragen wir uns, ob wir das nicht für Sie waschen und in Umlauf bringen dürften‘. Was meinen Sie? Wie würden Sie an seiner Stelle reagieren? Wenn er in Panik gerät und untertaucht, finden wir ihn vielleicht nie wieder. Dieses Risiko wollen wir minimieren. Deshalb sollte jemand mit ihm sprechen, den er kennt und dem er vertraut. Dafür, Eddie, sind Sie genau der Richtige.“
Die Geschichte des Mannes der sich Rupert nannte, ergab einiges an Sinn, das musste sich Eddie eingestehen. Sie hätte vielleicht sogar funktionieren können – wenn Austin noch am Leben wäre. Komisch, dass Rupert bei all seinen Recherchen dieses wesentliche Detail entgangen war.
„Ich biete ihnen 100,000 Dollar dafür an, dass sie mit Austin Kontakt aufnehmen und ein Gespräch in unserem Sinne mit ihm führen. Wir zahlen im Voraus. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass Austin nicht interessiert oder der falsche Mann ist, können sie ihr Honorar behalten. Was haben Sie zu verlieren?“
100,000 Mäuse!
In Eddies Kopf drehten sich alle möglichen Gedanken wild durcheinander. Wenn er Rupert jetzt sagen würde, dass Austin längst tot ist, wäre das Geschäft geplatzt. Warum also nicht zusagen, ein wenig herumwursteln und dann mit der traurigen Neuigkeit nach Hause kommen, dass Austin auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Das wäre leicht verdientes Geld. Egal, wie es ausginge, das Honorar bliebe. Das hatte der Kerl gerade gesagt.
Andererseits war das ein glatter Betrug.
Bevor Eddie mit seinen Überlegungen zu einem Ergebnis gelangen konnte, fuhr der Mann der sich Rupert nannte fort:
„Weiterhin werden wir ihnen für den Fall, dass Austin dem Handel zustimmt, ein Erfolgshonorar in Höhe von einer Million Dollar zahlen.“
Einen Moment lang glaubte Eddie, sich verhört zu haben.
„Wie viel?“
„Eine Million.“
Eddie drückte sich mit beiden Armen aus seinem Stuhl hoch. Jetzt war es für ihn an der Zeit, aus dem Fenster zu sehen. Wie oft im Leben passiert es wohl, dass jemand durch die Tür kommt und einem eine Million Dollar für einen relativ einfachen und überschaubaren Auftrag anbietet? Einfach zumindest, wenn Austin noch am Leben wäre. Andererseits, nicht so einfach mit einem toten Hauptmann.
Die vor ihm liegende Grant Street war voller Menschen und Eddie fragte sich, wo all diese Leute nur hin hasteten und was sie wohl als nächstes vorhatten. Was war es, das sie antrieb?
Jeden Augenblick konnte irgendetwas Unvorhergesehenes passieren. Jedem Einzelnen. Im nächsten Moment konnte einer über den Bordstein stolpern, sich das Bein brechen und alle Pläne, die eben noch so wichtig schienen, waren durchkreuzt. Oder ein Anderer könnte für einen einzigen kurzen Moment unaufmerksam sein, wird vom Bus überfahren und kommt gar nicht mehr nach Hause. Wieder ein Anderer könnte in eine schäbige Anwaltskanzlei kommen und dem Anwalt einen Eimer voll Geld anbieten, was sein gesamtes zukünftiges Leben verändern würde. Vielleicht würde aber auch gar nichts von alldem passieren.
„Da ist etwas, das sie wissen sollten“ sagte Eddie, als er zu seinem Schreibtisch zurück ging und sich wieder setzte.
„Was ist das?“ fragte Rupert, die Anspannung war jetzt aus seiner Stimme gewichen.
„Austin ist tot.“
Seltsamerweise schien der Mann nicht sonderlich überrascht oder beunruhigt zu sein über diese Information. Nicht gerade die Reaktion, die Eddie erwartet hatte.
„Nun, das macht die Dinge natürlich etwas komplizierter.“
Rupert erhob sich plötzlich aus seinem Stuhl. Er zog einen großen braunen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und legte ihn vor Eddie auf den Schreibtisch.
„Dennoch halte ich mein Angebot an Sie aufrecht. Wenn Sie es annehmen wollen, müssen Sie umgehend nach Bangkok fliegen. In dem Umschlag befinden sich ein Flugticket, eine Hotelbuchung und ein Bargeldbetrag, der ihre Spesen abdecken dürfte. Einen Tag nach ihrer Ankunft in Bangkok wird ihr Honorar auf ein Bankkonto ihrer Wahl überwiesen.“
Plötzlich fiel die steife Fassade des Mannes, der sich Rupert nannte und ein überraschend warmes Lächeln trat an deren Stelle. „Ich hoffe inständig, Sie nehmen mein Angebot an, Eddie. Bangkok kann ausgesprochen anregend sein, wissen sie…“
Er hob die Hand zu einem kurzen Gruß, drehte sich um öffnete die Tür und war verschwunden.
Was in drei Teufels Namen was das denn?
Erst will der Kerl, dass man Austin für ihn findet und ein Geldwäsche-Geschäft einfädelt. Dann, als er erfuhr, dass Austin tot ist, war’s ihm fast egal und sein Angebot blieb bestehen. Dabei sollte der Umstand, dass der Delinquent noch unter den Lebenden ist, eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Geschäftes sein, oder nicht?
Bangkok. Eddie fühlte sich ein wenig wie in einer Zeitkapsel. Damals, während der Zeit des Krieges in Vietnam, hatte allein der Name der Stadt eine geradezu magische Anziehungskraft entwickelt, der sich keiner zu entziehen vermochte. Bangkok stand für alles, was Vietnam nicht war: Frieden, Vergnügen, Freiheit. Damals war ein Ticket nach Bangkok für eine Woche Erholungsurlaub wie ein Sechser im Lotto gewesen. Eine Woche ohne Krieg. Hier lag ein Ticket nach Bangkok vor Eddie auf dem Schreibtisch und selbst nach zwanzig Jahren verspürte Eddie wieder die Magie.
Dann war da noch der fast bühnenreife Abgang des Mannes, der sich Rupert nannte, aus Eddies Büro. Fast hätte er laut losgelacht. Die Szene erinnerte ihn an ein altes Weihnachtsgedicht
Hob den Finger zur Nase,
nickte mir zu,
kroch in den Kamin
und war fort im Nu!
Eddie hätte einiges darum gegeben zu erfahren, wer der Mann, der sich Rupert nannte, wirklich war.