Читать книгу Die Große Mango - Jake Needham - Страница 9
Fünf
ОглавлениеLangsam ging Eddie die Market Street hinunter, als ihn das Telefon aus seinen Gedanken über die Begegnung mit Kelly Wuntz riss. Er hasste diese elektronischen Pfeifftöne. Jedes Mal, wenn er sie hörte fragte er sich, warum sich die meisten Mobiltelefone anhören mussten wie Kanarienvögel mit Blähungen.
„Komm sofort zurück ins Büro!“ Joshua wartete nicht einmal Eddies ‚Hallo‘ ab und seine Stimme ließ keinen Zweifel an der Dringlichkeit seines Anliegens aufkommen, was immer das war.
„Hi Josh, wie geht’s?“
„Du sollst ins Büro kommen, sofort.“
„Das habe ich verstanden.“
Er wartete einen Moment aber die Leitung blieb stumm.
„Brennt das Haus, oder was ist los?“
„Es sind ein paar Männer hier, die dich sehen wollen, jetzt.“
Joshuas Stimme klang seltsam nachdrücklich.
„Für heute Nachmittag habe ich keine Termine gemacht.“
„Eddie, ich sage dir, du sollst jetzt ins Büro kommen. Hier sind Leute die mit dir sprechen wollen, jetzt!“
„Leute, Joshua? Ich dachte du sagtest Männer. Was nun? Weißt du, das ist ein ziemlicher Unterschied und vielleicht ausschlaggebend für meine Entscheidung ins Büro zu kommen oder nicht, weil – “
„Männer, Leute,… Eddie, hör‘ jetzt sofort auf mit dem Scheiß und komm hier her!“ Die Leitung war tot.
Eddie erwartete, Joshua gefesselt und geknebelt auf seinem Stuhl vorzufinden, als er einige Minuten später das Vorzimmer seiner Kanzlei betrat, aber alles sah aus wie immer. Joshua nickte in Richtung der geschlossenen Tür von Eddies Büro und wandte sich wieder seinem Computer zu wie er es immer tat. Wortlos durchquerte Eddie den Raum und öffnete die Tür zu seinem Büro.
Dort wartete bereits ein in der Tat beeindruckendes Empfangskomitee auf ihn. Drei Männer und eine Frau brachten Eddies kleines Büro an die Grenze seiner Kapazität. Er hatte nur zwei einfache Besucherstühle, auf denen einer der Männer und die Frau Platz genommen hatten. Die beiden anderen lehnten an der Wand. Der gelangweilte und etwas verächtliche Gesichtsausdruck, den alle vier gemeinsam hatten, wies sie eindeutig als Polizisten aus, zumindest für jemand wie Eddie, der tagtäglich mit den Gesetzeshütern zu tun hatte.
Eddie fragte sich, was dieses massive Aufgebot an Staatsmacht in seinem Büro bedeuten könnte und versuchte seine Autorität zu demonstrieren, indem er sich ruhig und ohne Hast hinter seinem Schreibtisch in Position brachte. Niemand sagte ein Wort, Eddie studierte die Männer und die Frau und wartete darauf, dass etwas geschah.
Den Chef der Abordnung hatte Eddie sofort ausgemacht. Der Mann auf dem Stuhl trug denselben Anzug wie A-Hörnchen und B-Hörnchen, die an der Wand lehnten, aber er war um einiges älter und sein Gesicht strahlte eine unübersehbare Autorität aus. Mit seinen militärisch kurz geschnittenen Haaren, dem drahtigen Körper und der rahmenlosen Brille sah er aus wie ein pensionierter Astronaut, der jetzt einen Gebrauchtwagenhandel betrieb.
Die Frau neben ihm hatte kurz geschnittene blonde Haare und ein etwas rötliches Gesicht. Bestimmt irische Abstammung, aber gar nicht schlecht, für einen Cop zumindest. Dann bemerkte Eddie etwas wirklich Interessantes an der Frau mit dem rötlichen Teint. Mit ihren Brüsten hätte sie problemlos einen Güterzug zum Entgleisen bringen können.
Eddie erinnerte sich an eine Kommilitonin, die behauptet hatte, es sei eine Bürde, mit großen Brüsten zu leben. Die Männer würden Frauen mit wirklich großer Oberweite nicht ernst nehmen. Eddie hatte daraufhin versucht, sie zu trösten und ihr zu erklärt, wie falsch sie doch mit ihrer Meinung lag. Natürlich hätte er ihr alles erzählt, was seine Hände in ihre Bluse gebracht hätte. Jetzt fragte er sich, ob einer Frau so ein gewaltiger Vorbau tatsächlich in die Quere kommen könnte. Rein beruflich, natürlich.
Als sonst niemand das Schweigen brach fragte er schließlich „Was kann ich denn für die Kommissare tun?“
„Wir sind nicht von der Polizei, Mr. Dare.“ Der Mann auf dem Stuhl hatte gesprochen ohne seine Mine dabei zu verziehen.
Oh-Oh.
Er holte eine dünne schwarze Brieftasche aus der Innentasche seiner Jacke und legte sie aufgeklappt vor Eddie auf den Schreibtisch.
„Ich bin Agent Reidy, United States Secret Service“ Seine zwei Begleiter und die Frau stellte er durch leichte Kopfbewegungen vor, die so ökonomisch waren, dass es Eddie irgendwie unheimlich wurde. „Das sind die Agenten Booth, Evans und Sanchez.“
Reidy steckte seinen Ausweis wieder ein und musterte Eddie eindringlich. „Wissen sie, Dare, sie erinnern mich an jemanden.“
Oh Himmel, das jetzt nicht auch noch!
„Genau, sie sehen aus wie – “
Eddie hob abwehrend beide Hände, mit den Handflächen nach vorn.
„Ja, ja, sicher. Und draußen an der Schreibmaschine sitzt Julia Roberts.“ Eddie lächelte, sonst lächelte niemand im Raum.
„Wir untersuchen einen Vorfall, Mr. Dare“ sagte Agentin große Hupen mit einer Stimme, die wie eine Computeransage klang, „und wir denken, sie können uns dabei helfen.“
Eddie versuchte nach Kräften, ihr in die Augen zu blicken, als er antwortete
„Das ist ein interessanter Ausdruck.“
Reidy und seine Kollegin sahen einander kurz an.
„Was genau meinen sie, Mr. Dare?“ fragte die Agentin, wieder an Eddie gewandt.
„Vorfall. Ich meine den Begriff Vorfall.“
„Und was bitte schön finden sie daran so interessant?“
Eddie merkte, dass es ihm nicht gelang, die Konversation in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken. Also machte er ein nettes unverbindliches Gesicht, hielt den Mund und wartete ab. Nach einem weiteren Blickwechsel zwischen den beiden Agenten übernahm Reidy wieder die Wortführung.
„Könnte es sein, dass sie bereits wissen, warum wir hier sind, Mr. Dare?“
Reidy war ein anderes Kaliber als Agentin große Hupen, dachte sich Eddie. Er wurde vorsichtig.
„Vielleicht sollten wir dieses Gespräch noch einmal von vorn beginnen.“ Eddie versuchte seiner Entschuldigung mit einem verbindlichen Lächeln den gebotenen Nachdruck zu verleihen. Keine Reaktion. Deshalb fuhr er fort „Nein, ich weiß nicht warum Sie hier sind. Vermutlich haben Sie Probleme mit irgendeinem meiner Klienten. Dann werde ich ihnen jetzt das Lied von der anwaltlichen Schweigepflicht vorsingen müssen, aber das kennen sie ja bereits. Ich könnte ihnen dann noch ein paar nette Sätze aus der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika zitieren und zum Abschluss wünschen wir uns alle gegenseitig noch einen schönen Tag.“
Reidys Augen verengten sich zu Schlitzen und er beugte sich ganz leicht vor.
„Sie sind ein sehr guter Redner, Mr. Dare. Ich frage mich, ob sie auch genauso gut zuhören können.“
„Das kann ich auch.“
„Sehr gut.“ Reidy nickte ernst. „Dann darf ich jetzt mal für ein paar Minuten um deine ungeteilte Aufmerksamkeit bitten, Eddie.“
Da ging er hin, der ‚Mr. Dare‘. Kein gutes Zeichen, wenn man die geballte Staatsmacht vor sich hatte.
„Ich höre.“
„Dann kommen wir jetzt endlich zur Sache.“ Reidy sah seine Kollegen an, nickte leicht mit dem Kopf und verzog den Mund zu einem Grinsen, etwa so, als hätte er etwas sehr lustiges von sich gegeben. Wie auf Kommando grinsten alle zurück. Danach richtete er sein ganzes Augenmerk wieder auf Eddie.
„Du warst bei der Marineinfantrie, Eddie, nicht wahr?“
„Wollten sie mir nicht sagen, worum es geht?“
Eddie war schon etliche Male vernommen worden, aber diese vier Komiker hielten sich einfach nicht an die Spielregeln.
„Du warst in Vietnam, 1975 im April?“
Eddie sah Reidy schweigend an, fest entschlossen die Sache auszusitzen.
„Ja. Im April 1975 warst du in Vietnam. In Saigon, um etwas präziser zu sein. So viel wissen wir.“
„Warum fragen sie mich dann?“
„Was waren deine Aufgaben?“
„Das wissen Sie doch sicher auch schon.“
„Wofür warst du zuständig?“
Allmählich ging dieser Reidy ihm gehörig auf die Nerven. „Ich habe bei den Barmädchen Abstriche genommen.“
Eine Gefühlsregung beim Agent große Hupen. Eddie hatte es genau gesehen. Nur ein leichtes Zucken um die Augen, mehr nicht. Reidy fuhr einfach fort.
„Du warst als Technischer Feldwebel bei der Kompanie A im Fünften Bataillon. Du hattest den Auftrag, die Evakuierung der amerikanischen Botschaft in Saigon zu unterstützen. Du hast das Botschaftsgelände mit einem der letzten Hubschrauber verlassen.“
Eddie spürte, wie die Angst wieder in ihm aufstieg. Bisher war er nur etwas verwirrt gewesen über diesen unerwarteten Besuch. Allmählich aber fügten sich die einzelnen Ereignisse zu einem Gesamtbild zusammen. Erst die beiden Fotos in der Post, dann der Zeitungsartikel über den entsetzlich zugerichteten Harry Austin, und jetzt das hier. Die Zusammenhänge wurden unübersehbar.
„Was weißt du noch über die Operation Voltaire, Eddie?“
Ehrliche Ahnungslosigkeit. „Operation was?“
„Dein letzter Auftrag vor deiner Evakuierung aus Saigon, Eddie. Erinnerst du dich nicht mehr?“
„Von einer Operation Voltaire habe ich in meinem ganzen Leben noch nie ein Wort gehört. Während meiner gesamten Militärzeit habe ich an keiner einzigen Operation teilgenommen, die einen halbwegs intelligenten Namen hatte. Unsere Operationen hießen ‚Maiglöckchen‘ oder ‚Karpfen Fünf‘ oder so etwas Ähnliches.“
Reidy machte eine abwiegelnde Geste.
„Du warst jedenfalls zur Operation Voltaire eingeteilt, Eddie. Lass mich deinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge helfen. Es ging darum, die Gold- und Währungsreserven der Bank of Vietnam vor dem Vietcong in Sicherheit zu bringen.“
Über was um alles auf der Welt redet dieser Kerl?
Eddie wählte seine Worte jetzt sehr vorsichtig: „Stimmt, wir haben das Botschaftsgelände abgesichert und die Evakuierung der Leute überwacht.“ Sämtliche Alarmglocken in seinem Kopf läuteten, aber er wusste wirklich nicht, was er sonst hätte sagen sollen. „Das ist wirklich alles, woran ich mich erinnern kann.“
Eddies Antwort gefiel Reidy offenbar ganz und gar nicht. Schließlich legte er die Karten auf den Tisch.
„Das gesamte verbliebene südvietnamesische Staatsvermögen ist während der Evakuierung Saigons verschwunden. Wir suchen es.“
Das war natürlich in der Tat eine interessante Geschichte, die den Einsatz des Secret Service erklärte. Leider verstand Eddie noch immer nicht, was das alles mit ihm zu tun hatte.
„Oje, wieviel ist denn weggekommen?“ erkundigte sich Eddie mit geheuchelter Betroffenheit.
„Nach heutiger Schätzung etwa 400 Millionen US Dollar.“
Jetzt konnte Eddie nicht mehr anders, er musste laut loslachen. Seine Besucher hingegen konnten sich einmal mehr gar nicht amüsieren.
Herrgott im Himmel nochmal. Meinten die das alles wirklich ernst?
„Und jetzt, nach über 20 Jahren, sind irgendwelche Leute morgens aufgewacht und haben festgestellt, dass die ganze Kohle fehlt?“
„Allgemein wurde angenommen, dass die Kohle, wie du es nennst, in dem Durcheinander der Evakuierung zurückgelassen wurde und den Nordvietnamesen in die Hände gefallen war.“
Reidy grinste ein wenig als er sprach und das verstärkte Eddies Unwohlsein erheblich.
„Nachdem die diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Vietnam im vergangenen Jahr wieder aufgenommen wurden, stellten wir jedoch fest, dass die Vietnamesen völlig ahnungslos waren. Das Finanzministerium hat daraufhin eine Sonderkommission gebildet, die sich jetzt um diese Angelegenheit kümmert.“
Eddie machte mit der Hand eine ausschweifende Geste durch sein schäbiges Büro „Naja, Sie können sich gern bei mir umschauen. Wenn Sie glauben, hier irgendwo 400 Millionen Dollar zu finden, dann wird Sie bei ihrer Suche jetzt wirklich das Glück verlassen.“
„Vielleicht auch nicht.“ Reidy lehnte sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf Eddies Schreibtisch. „Das Pentagon hat bestätigt, dass du am 27. April 1975 von Hauptmann Harry Austin zum Offizier vom Wachdienst vergattert worden bist. Deine Aufgabe war es, zwei Straßen entfernt von der Botschaft ein Lagerhaus zu bewachen. Und genau in diesem Lagerhaus hatte Austin das vietnamesische Geld verpackt und fertig zum Abtransport untergebracht.“
Reidy beugte sich jetzt so weit zu Eddie vor, dass er das Pfefferminzbonbon in seinem Atem roch, das er kurz vor seinem großen Auftritt noch gegessen haben musste.
„Von den letzten Soldaten, die ihren Dienst an diesem Lagerhaus versehen haben, warst du der ranghöchste, Eddie“ sagte er.
Reily ließ sich abrupt in seinen Stuhl zurück fallen, breitete die Arme aus und grinste breit.
Eddie versuchte fieberhaft, all diese Informationen mit seinen eigenen spärlichen Erinnerungen an Saigon in Einklang zu bringen.
„Sag uns doch einfach, was du damals mit der Kohle gemacht hast, Eddie Dare.“