Читать книгу Vom Bundeshaus ins Passantenheim - Jakob Wampfler - Страница 5
1. Plötzlich im Rampenlicht
ОглавлениеMeine Geschichte sollte also in Kürze als Buch veröffentlicht werden. Es würde den Titel «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» tragen, was in etwa die Zusammenfassung meiner bisherigen «Karriere» war. Eigentlich hatte ich es bis anhin nicht sonderlich weit gebracht. Nach 23 Jahren Alkoholsucht war ich endlich frei von sämtlichen Suchtmitteln und in der Lage, mein Leben unter Kontrolle zu halten. Aber eigentlich müsste ich korrekter sagen: Jesus Christus hat mein Leben unter Kontrolle gebracht. Er allein ist der Grund, weshalb ich noch immer lebe. Und er war auch der einzige Grund, weshalb meine Lebensgeschichte in Kürze in Buchform erscheinen sollte. Ohne Jesus gäbe es da nämlich keine Geschichte zu erzählen. Höchstens eine Tragödie.
Der grosse Tag der Veröffentlichung kam immer näher. Und meine Nervosität wuchs immer mehr. Mein Verleger und Ghostwriter hielt mich ständig über den Produktionsfortschritt auf dem Laufenden. Oft schien mir, als würde ich neben mir stehen und das Geschehen als unbeteiligter Beobachter verfolgen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, weshalb 1‘000 Exemplare des Buches an meinen damaligen Arbeitsplatz geliefert wurden. Irgendwelche Überlegungen mochten dahintergesteckt haben, aber in all meiner Aufregung habe ich wohl jedem Einfall, den irgendjemand hatte, einfach zugestimmt. Wie auch immer: Am 17. April 2005 wurden 1‘000 Bücher im Bundeshaus abgeliefert. «Zuhanden Jakob Wampfler». In einem Vorraum fand ich genügend Platz, um die Bücher zu deponieren.
«Diese Bücher müssen aber schnell wieder weg!», protestierte mein Chef.
Er war wenig begeistert über diese Aktion. Und ich, ehrlich gesagt, etwas überfordert. Auf mein Versichern, meine Arbeit pflichtbewusst zu verrichten und die Bücher umgehend zu mir nach Hause zu transportieren, beruhigte er sich wieder.
Für denselben Abend konnte ich einen Freund engagieren, der die Fracht zu mir nach Hause brachte. Damit war das Buch an meinem Arbeitsplatz aber bereits zum ersten Mal das Gesprächsthema – wenn auch aus einem speziellen Grund.
Um meinen Vorgesetzten doch noch eine Freude zu machen, überreichte ich ihnen am selben Tag eine visierte Ausgabe meines Buches. Auch wenn einzelne Personen gegenüber dem Buch negativ eingestellt blieben, konnte doch der grösste Ärger abgewandt werden. Ja, die meisten freuten sich sogar über mein Werk.
Davon, was durch eine Buchveröffentlichung auf mich zukommen konnte, hatte ich keine Ahnung. Im Vorfeld kontaktierte ich einmal Lukas Hartmann und bat um einige Tipps. Er ist ein bekannter Schweizer Buchautor und Ehemann der Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Mit ihm verbindet mich eine jahrelange Freundschaft und er war gerne bereit, einmal einen Blick auf mein Manuskript zu werfen. In der Folge erhielt ich von ihm eine grandiose Beratung über vieles, das es rund um eine Buchveröffentlichung zu wissen galt. Bis dahin hatte ich keine Ahnung davon, welche Rolle die Medien spielen konnten, was genau ein Rezensionsexemplar ist und wohin ein solches idealerweise geschickt wird. Lukas Hartmann stellte mir sogar eine ganze Liste von geeigneten Medien zusammen, welche ich mit Rezensionsexemplaren versorgen konnte.
Die Veröffentlichung von «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» meldete ich auch in verschiedenen Buchhandlungen in Bern an. Während sich einige Verkäuferinnen und Verkäufer zurückhaltend zeigten, fand ich im christlichen Bücherladen Vivace offene Türen. Am offiziellen Erscheinungstag des Buches, das war der 20. April 2005, verbrachte ich den ganzen Tag im Vivace, wo ich Bücher unterzeichnete und vor allem auch viele gute und tiefe Gespräche führte.
Ein Freund aus dem Bundeshaus arrangierte für mich einen kleinen Auftritt im Schweizer Fernsehen. So tauchte an besagtem Tag auch ein Filmteam auf, um einige Aufnahmen von mir zu machen. Das Material würde dann zu einem Beitrag von wenigen Minuten zusammengeschnitten und zu einem späteren Zeitpunkt in der Sendung «Schweiz aktuell» gezeigt werden. Mit solchen Möglichkeiten hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Schon in den darauffolgenden Tagen gab es viele Reaktionen. Im Bundeshaus sprachen mich Leute an und fragten, was denn der Inhalt sei. Solche Momente waren für mich besondere Gelegenheiten, um Menschen von dem zu erzählen, was ich erlebt hatte: Jesus Christus hatte mich frei gemacht. Nachdem ich ein wirklich harter Säufer war, kiffte und auch sonst einen äusserst ungesunden Lebensstil pflegte, war ich jetzt frei. Und dies schon seit 1999. Zu damaligem Zeitpunkt waren es sechs Jahre. In dieser Zeit wurde ich sporadisch mal in Kirchen und andere Gruppen eingeladen, um meine Geschichte zu erzählen. Das tat ich immer gerne. Durch das Buch hatte ich jetzt ganz neue Gelegenheiten, Menschen zu erzählen, wie Jesus mich frei gemacht hatte.
Der Rummel nahm sehr schnell zu – mehr als ich erwartet hatte. Und wieder einmal kümmerte sich Prof. Dr. Heinrich Koller um mich. Als Direktor des Bundesamtes für Justiz war er schon derjenige gewesen, der mir im Jahr 1992 die Chance eines Arbeitsplatzes im Bundeshaus gegeben hatte. In den sieben folgenden Jahren hatte ich mir manchen Blödsinn geleistet, der zu einer Kündigung hätte führen können. Herr Koller stand aber die ganze Zeit hinter mir. Als ich 1999 in angetrunkenem Zustand und im Besitz vertraulicher Bundesratsakten in einer Wirtschaft aufgefunden wurde, lehnte er sich weit aus dem Fenster und gab mir noch einmal eine Chance. Er setzte sich allen entgegen, die mich sofort entlassen wollten. Doch dann folgte ein sehr ernstes Gespräch unter vier Augen.
«Herr Wampfler, ich gebe Ihnen jetzt noch eine Chance – das ist ihre letzte!» Der Ernst in Herrn Kollers Augen war nicht zu übersehen.
«Sie haben Ihre Grenzen mehr als ausgelotet. Wenn Sie noch einmal in angetrunkenem Zustand zur Arbeit kommen oder sich aufgrund von Suchtmittelkonsum einen Lapsus leisten, sind Sie Ihren Job los. Haben Sie mich verstanden?»
Ich nickte. Inzwischen war sogar mir klar, dass ich mit keiner Sonderbehandlung mehr rechnen durfte. Doch Herr Koller sah mich weiterhin eindringlich an und sagte mit fester Stimme:
«Was ist denn eigentlich mit Ihrem Glauben an Gott, Herr Wampfler? Hilft Ihnen denn dieser Glaube nichts?»
Das sass!
Ich war derart getroffen, dass ich noch dort, auf dem Stuhl sitzend, innerlich zu Gott zu schreien begann. Unbedingt brauchte ich eine Veränderung in meinem Leben!
In diesem Moment hatte ich keine Erwiderung bereit. Es ist traurig, wenn man sich als Christ ausgibt, jedoch ein mieses Doppelleben führt. Und genau ein solcher Mensch war ich – das wusste ich in diesem Augenblick ganz genau.
Dann änderte sich Kollers Stimme, während er mir eine Karte über den Tisch schob.
«Hier ist meine Karte», sagte er, und sah mich freundlich an. «Auf dieser Karte finden Sie meine Natelnummer. Sollten Sie jemals den Drang verspüren, irgendetwas zu konsumieren, dann rufen Sie mich an! Ich bin 24 Stunden am Tag für Sie da!»
Dankbar nahm ich die Karte entgegen.
«Das ist Ihre letzte Chance, Herr Wampfler», hielt Herr Koller noch einmal fest. «Es liegt jetzt an Ihnen, eine ernsthafte Entscheidung zu treffen. Ich frage mich nur: Sind Sie zu 100-prozentiger Abstinenz bereit? Nehmen Sie heute Nachmittag frei und überlegen Sie sich, wie Sie sich Ihr weiteres Leben vorstellen. Ich erwarte Ihre Antwort morgen.»
Es folgte ein kurzer Moment des Schweigens.
«Das ist Ihre letzte Chance. Nehmen Sie diese Chance wahr! Ich werde für Sie beten!»
«Ja, das werde ich!», erwiderte ich, bevor ich sein Büro verliess. Irgendwie war ich wach geworden. Endlich verstand ich die Ernsthaftigkeit meiner Lage.
Aufgerüttelt verliess ich das Bundeshaus. Die vergangenen sieben Jahre hatte ich ein Leben der Kompromisse geführt. Natürlich wollte ich frei sein von Alkohol und Drogen. Ich wollte auch ernsthaft ein Leben als Christ führen. Trotzdem bildete ich mir immer wieder ein, dass ein bisschen Alkohol oder ein einziger Joint schon nicht so schlimm sei. In der Folge führte diese Einstellung zu vielen Problemen.
Vor dem Bundeshaus wartete mein Freund Heinz Hügli auf mich.
«Jetzt ist nicht Zeit zum Diskutieren», wies er mich an. «Gehen wir spazieren!»
Wir schlenderten der Aare entlang. Es war der 19. August 1999. Ich traf den Entscheid, ganze Sache zu machen, und betete ernst – ja, verzweifelt.
In der Offenbarung lesen wir, wie Jesus sich an den Gemeindeleiter in Laodizea richtet und folgende Worte sagt: «Weil du lau bist und weder kalt noch heiss, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund.»1
Damals, im Jahr 1999, entsprach meine eigene Temperatur mit Sicherheit dem «lau», welches Jesus letztlich ausspeien wird. Er hasst dieses scheinbar Christliche, welches sich zwar zu ihm bekennt, letztlich aber voller Kompromisse und Halbheiten ist.
«Jesus Christus», betete ich. «Es tut mir leid, dass ich dich immer und immer wieder betrogen habe und eigene Wege gegangen bin. Vergib mir meinen Eigensinn und meinen Stolz! Bitte vergib mir meine Sünden, meine Kompromisse und mein Denken, alles besser zu wissen! Von heute an will ich dir gehorsam sein und meine Hände von allen Suchtmitteln lassen. Bitte hilf mir dabei!»
Und dann sagte ich den vielleicht wichtigsten Satz meines ganzen Lebens:
«Ich will aufhören zu ‹bescheissen›2!»
Das war der Tag, an dem sich Jesus über mich erbarmte. Es war der Tag, an dem ich von meinen Süchten befreit wurde. An diesem Tag verschwanden all mein Alkohol, alle Drogen und Tabletten aus meinem Leben. Und Jesus hat mich tatsächlich und nachhaltig frei gemacht. In der Folge wurde ich nicht müde zu bezeugen, was Jesus Christus an mir getan hatte.
Dieser Tag lag nun schon sechs Jahre zurück. Jetzt hatten wir 2005 und meine Geschichte war gerade dabei, in Form eines Buches einiges an Sand aufzuwirbeln. In all dieser Zeit war ich Herrn Koller immer dankbar geblieben, dass er mich nicht fallengelassen hatte. Für mich war es eine besondere Ehre, als sich Herr Koller sogar bereit erklärte, das Vorwort in «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» zu schreiben.
Wahrscheinlich war ihm meine Dankbarkeit sehr wohl bewusst. Auf jeden Fall blieb er jetzt als Unterstützer an meiner Seite. Gerade in dieser hektischen Zeit der Buchveröffentlichung war ich äusserst froh, jemanden an meiner Seite zu haben, der mich am Arbeitsplatz etwas abschirmte und Grenzen setzte.
Herr Koller wurde zuweilen von Vertretern der Medien aufgesucht. Eine besonders brisante Frage wurde ihm sowohl vom Zürcher Tagesanzeiger wie auch vom «Fenster zum Sonntag» gestellt. «Herr Koller, weshalb haben Sie Herrn Wampfler immer wieder eine Chance gegeben, obwohl er Sie so oft enttäuschte?»
Die Antwort von Herrn Koller war erstaunlich. Er sagte: «Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Irgendwie musste ich einfach so handeln.»
Einmal sagte eine Journalistin zu Herrn Koller: «Jetzt haben Sie viele Jahre wie ein Vater ins Leben von Jakob Wampfler investiert. Ihr Aufwand hat sich nun ausbezahlt gemacht. Er ist stabil und hat sogar ein Buch veröffentlicht.» Die Worte sollten ein Lob an Herrn Koller sein. Aber dieser intervenierte sehr schnell.
«Nein, nein! Meine Aufgabe an Herrn Wampfler ist noch nicht vorbei. Noch immer bete ich jeden Tag für ihn. Und noch immer bin ich für ihn da.»
Diese Worte berührten mich sehr.
Eines Tages wurde ich unerwartet ins Büro des damaligen EJPD3-Generalsekretärs gerufen. Er hatte mein Buch gelesen und bat mich um eine Widmung.
«Und wie ist es eigentlich mit unserem Chef, Herrn Blocher?», fragte er. «Ist er schon im Besitz ihres Buches?»
«Keine Ahnung!»
«Das wollen wir doch gerade herausfinden», sagte er und griff zum Telefon. Während er wählte, hängte er noch an: «Vielleicht hat er ja gerade einen Moment Zeit für Sie?»
Tatsächlich wurde ich ins Büro von Bundesrat Blocher gerufen.
Ich war höchst überrascht, dass er sich für mich interessierte. Trotzdem hielt sich meine Freude in Grenzen. Herr Blocher hatte sich nämlich kurze Zeit zuvor darüber beschwert, wie Bundesangestellte ihrer Arbeit in Birkenstöcken nachgingen. «Das ist keine angemessene Bekleidung!», meinte er. Natürlich trug ich zu besagtem Zeitpunkt Birkenstöcke. Doch was sollte ich tun? Die Einladung ausschlagen war sicher keine gute Option.
Nach einer kurzen Begrüssung sagte Herr Blocher mit einem Augenzwinkern: «Jetzt will ich doch auch einmal ein paar Worte mit dem bekanntesten Mitarbeiter der Bundesverwaltung wechseln.»
Eigentlich hatte ich schon eine Bemerkung auf der Zunge, dass er bezüglich Bekanntheit wohl kaum etwas zu klagen hätte –, aber ich zwang mich, für einmal den Mund zu halten. War vielleicht besser so.
Herr Blocher lud mich ein, auf einem Polstersessel Platz zu nehmen. Er setzte sich zu mir und er sprach zwanzig Minuten mit mir über ganz verschiedene Themen. In seiner früheren Firma habe er sich auch oft um Mitarbeiter mit Alkoholproblemen gekümmert.
Schliesslich schien der Bundesrat das Gespräch langsam zum Abschluss bringen zu wollen.
«So, Herr Wampfler, sagen Sie mir jetzt nur noch: wie viel kostet Ihr Buch?»
«Es kostet 20 Franken, Herr Blocher», erwiderte ich.
«Dann nehme ich eines. Aber bitte mit Widmung. Schreiben Sie doch einfach ‹Für Silvia und Christoph Blocher ›.»
Auf einem echten Marmortisch schrieb ich die Widmung und überreichte das Buch ganz feierlich dem neuen Besitzer. Dieser öffnete seine Geldbörse und nahm einen grossen Geldschein hervor. Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen: Herr Blocher streckte mir tatsächlich eine 1000er-Note entgegen.
«Hier ist etwas für Ihr Buch und jetzt wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag!»
Damit war der Besuch zu Ende und ich verliess das Büro mit einer Tausendernote in meiner Hand – und Birkenstöcken an meinen Füssen.
Doch nicht nur im Bundeshaus wurde ich oft auf «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» angesprochen. Es dauerte nicht lange, bis sich die Medien bei mir meldeten. Ich hatte einen grossen Aufwand betrieben, Zeitungen, Radiosender und Magazine anzuschreiben und Rezensionsexemplare zu verschicken. Diese Arbeit schien sich bezahlt zu machen. Zuerst meldete sich die BernerZeitung, kurz darauf der Bund, der Berner Oberländer, Radio 24 und zahlreiche andere. Das öffentliche Interesse an meiner Lebensgeschichte überraschte mich sehr.
Schnell sah ich mich von Medienterminen und persönlichen Gesprächen in Beschlag genommen. Noch immer befand ich mich in einem sonderbaren Zustand – es war mir nicht möglich, all das Geschehene richtig zu verarbeiten. Kaum war ein Interview mit einer Zeitung vorbei, stand auch schon das nächste an.
Mehrere Wochen nach Veröffentlichung wurde ich aber doch noch einmal überrascht. Mein Handy klingelte.
«Wampfler», meldete ich mich zu Wort.
«Guten Tag, Herr Wampfler», tönte es mir entgegen. «Mein Name ist Patrick Rohr vom Schweizer Fernsehen.»
«Hoppla», dachte ich bei mir selbst. «Was will denn der ‹Rohr› von mir?» Seine Sendung ‹Quer› hatte ich schon oft und gerne gesehen. Nach kurzen einführenden Worten kam er auf den Punkt.
«Herr Wampfler, wären Sie bereit in meiner Sendung als Querkopf aufzutreten?»
«Ja, das mache ich gerne. Für mich ist das eine grosse Ehre», erwiderte ich ohne langes Nachdenken. Und schon stand ein weiterer Termin fest – und sogar ein grösserer Auftritt beim Schweizer Fernsehen. Der kurze Beitrag, der bereits für «Schweiz aktuell» gedreht worden war, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgestrahlt worden.
Eine kleine Sache musste Patrick Rohr dann aber doch noch loswerden.
«In unserer Sendung wurde noch nie jemand als Querkopf eingeladen, der eine so geringe Bekanntheit hat wie Sie», führte er aus. Und ja: darüber hatte ich mich auch schon gewundert. Das «Problem» sollte dann einfach so gelöst werden, dass vorgängig eine kurze Reportage über mein Leben gedreht werden sollte. Auf diese Weise konnte ich den Zuschauern kurz vorgestellt werden. Ich war gerne bereit, einem Filmteam Einblick in mein Leben zu gewähren.
Einige Zeit später kam ein dreiköpfiges Filmteam zu mir nach Bern. Jemand führte die Interviews, während die anderen zwei die Kameras bedienten. Sie stellten mir viele Fragen über meine Vergangenheit. Um dem Zuschauer einen Einblick in mein früheres Leben als Alkoholiker geben zu können, suchten wir die Plätze auf, wo ich damals verkehrt hatte. Dort wurde ich wiederholt von unterschiedlichen Menschen erkannt, die sofort grüssend auf mich zukamen. Es ergaben sich einige ungestellte Szenen, welche das Filmteam festhalten konnte.
Einige Szenen wurden aber auch bewusst inszeniert. Beim Besuch der stadtbekannten Kneipe «Traube» musste ich mich an den Stammtisch setzen und meinen früheren Saufkumpanen mit einem Glas Cola zuprosten. Gleichzeitig beantwortete ich Fragen des Reporters.
Wir machten auch einen kleinen Abstecher zum Stauffacher, der Buchhandlung der Stadt Bern. Eine Verkäuferin hatte «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» gelesen und war hell begeistert. Daraufhin versuchte sie, das Buch bestmöglich zu bewerben. Was wir dann im Geschäft antrafen, war auch für mich eine Überraschung. Mein Buch wurde gross angepriesen. In vielen hohen Stapeln wurde es dem Käufer präsentiert und sogar in der aktuellen Stauffacher-Bestsellerliste war es aufgeführt. Auf Rang 8.
So stand ich also in diesem Buchgeschäft, sah mich auf der Bestsellerliste, während mein Buch intensiv beworben wurde. Begleitet war ich von einem Filmteam, welches davon überzeugt war, dass meine Geschichte sogar für den Zuschauer im Schweizer Fernsehen interessant war. Ganz ehrlich: Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt keine Ahnung, was mit mir geschah. Mit solchen Dingen hatte ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich hatte dies niemand.
Irgendwie ergab es sich dann so, dass mein Kurzporträt in «Schweiz aktuell» und mein Auftritt in der Sendung «Quer» am selben Abend ausgestrahlt werden sollten. Ich kann mir bis heute nicht vorstellen, wie es dazu kam.
An diesem Abend war ich sehr aufgeregt. Live im Fernsehen aufzutreten war für mich schon eine ganz grosse Sache. Vorbereitend wurde ich geschminkt und sorgsam auf die Sendung vorbereitet.
Bruder Klaus Wampfler
Die Show selbst war ziemlich schrill. Zumindest in meinen Augen – den Augen eines Diemtigtalers. Die damalige Miss Schweiz wurde in eine Flüssigkeit eingelegt, wo sie während der ganzen Sendung bleiben musste. Erst am Ende wurde sie herausgehoben. Das war irgendeine Veranschaulichung zum Thema des Abends: «Fröhliche Wissenschaft».
Es gab sehr viele Eindrücke, die auf mich einprasselten. Das Schönste war, als ich Jesus Christus als denjenigen bezeugen konnte, der mich freigemacht hatte. Aber auch die Anwesenheit von mir nahestehenden Personen im Studiopublikum bedeutete mir sehr viel. Dass sogar mein Bruder Klaus, der unter meinem Suchtverhalten jahrelang leiden musste, nach Leutschenbach (Zürich) gefahren war, berührte mich sehr. Er hatte den Weg auf sich genommen, um meinen Auftritt live mitzuerleben.
Als wir nach der Sendung in den Räumlichkeiten des Schweizer Fernsehens noch beim Essen zusammensassen, konnte ich mich endlich entspannen. Die vergangenen Wochen waren derart hektisch gewesen, dass ich kaum Zeit und Gelegenheit gefunden hatte, innerlich zur Ruhe zu kommen und das Ganze zu verdauen.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht, dass der ganze Rummel um mein Buch und auch um meine Person nach dem Abend im Schweizer Fernsehen noch einmal stark zunehmen würde. Bevor ich aber weiter von diesen Erlebnissen berichte, möchte ich erst den Menschen vorstellen, der mir in all diesen Erlebnissen am nächsten stand.
1 Offenbarung 3,16
2 Schweizerdeutsches Wort für mogeln oder schwindeln
3 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartment