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KAPITEL I: Das Franko-Amerikanische Korps

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Es war ein kühler, sternenklarer Abend im frühen September des Jahres 1916, als ich Drew aus Massachusetts erstmals traf und mein Abenteuer als angehendes Mitglied der Escadrille Américaine seinen Anfang nahm. Wir hatten New York an Bord desselben Schiffes verlassen, hatten, ohne um die Existenz des jeweils Anderen zu wissen, am selben Tag um Aufnahme in der Fremdenlegion ersucht und, während wir in Paris auf unsere Aufnahmepapiere warteten, jeden Abend unser Nachtmahl im selben geräumigen, jedoch trostlos verwaisten Restaurant unweit der Seine eingenommen.

Was dieses Restaurant betrifft, so kann ich versichern, dass wir es nicht wegen der Qualität seines Essens aufsuchten. Andernorts hätten wir sowohl besser als auch preiswerter speisen können. Das Etablissement strahlte jedoch eine Aura verblasster Glorie und ehemaliger Größe aus, die uns in der Hauptstadt einer kriegführenden Nation wie magisch anzog. Abend für Abend wurden die Tische mit blütenweißen Tischtüchern und blankpoliertem Silberbesteck gedeckt. Die Weingläser fingen in kleinen funkelnden, Lichtpunkten die Strahlen der stumpfgewordenen Kronleuchter ein. Zur Abendessenszeit nahmen ein halbes Dutzend altehrwürdige Bedienstete schweigend ihre Plätze im Speisesaal ein. Außer dem gelegentlichen Hupen eines fernen Automobils und dem gedämpften Klappern des Geschirrs aus der Küche war kein Laut zu hören. Das Personal und selbst die Tische und die leeren Stühle schienen lauernd zu horchen und auf Gäste zu warten, die nicht kamen. Im Laufe eines Abends verirrten sich selten mehr als ein Dutzend auswärts Speisende hierher. Die übermäßig sorgfältigen Vorbereitungen hatten etwas Unergründliches und überaus Vornehmes an sich. Man musste unweigerlich an die vergangenen Tage denken, als dieser Saal von Gelächter, strahlenden Lichtern und Musik erfüllt war und der Champagner ebenso prickelnd war wie die Gespräche, wobei man sich eines Gefühls der Traurigkeit nicht erwehren konnte. All diese Spaßmacher hatte sich vor mehr oder minder langer Zeit der Krieg geholt.

An jenem Abend ergab es sich, dass Drew und ich an benachbarten Tischen saßen. Unsere gemeinsame Staatsbürgerschaft brach das Eis und nach fünf Minuten angeregter Unterhaltung wurde der gemeinsame Grund unseres Aufenthaltes in Frankreich offenbar. Nach dieser Entdeckung müssen wir wohl unser Abendmahl eingenommen haben. Ich meine mich vage zu erinnern, dass unser alter Kellner auf seinem Weg zu und von der Küche an einer langen Reihe leerer Tische vorbeihinkte. Wenn wir unser Essen an diesem Abend überhaupt beachteten, dann lediglich in seiner Eigenschaft als Nährstofflieferant.

Drew kann mit Wörtern umgehen - bei Gott, kann dieser Mann mit Wörtern umgehen! - und er hat die Begabung, die alltäglichsten Geschehnisse in den Mantel des romantischen Abenteuers zu hüllen. Tatsächlich entspringen jene Schwierigkeiten, die ich bei der Niederschrift dieser Erinnerungen zweifelsohne haben werde, größtenteils dem romantisierenden Einfluss, den er auf mich hatte. Ich hätte es wohl vermocht, eine einfache Erzählung zu Papier zu bringen, da ich tagtäglich gewissenhaft mein Tagebuch führe und unsere Abenteuer folglich ebenso exakt wie wahrheitsgetreu schildern kann. Allerdings hat mich Drew mit einem Fluch belegt. Er selbst ist sich dessen nicht bewusst, aber er ist ein Hexer und ich stehe dermaßen in seinem Bann, dass ich an meiner Fähigkeit zweifle, unsere Erfahrungen so nüchtern wiederzugeben, wie sie unseren Kameraden vom Franko-Amerikanischen Korps wohl in Erinnerung sind, die sich ihrer rein sachlich entsinnen.

Ich bin mir sicher, dass nicht einer dieser Männer einen so seltsamen und unvermittelten Grund für seinen Beitritt zum Fliegerkorps nennen könnte, wie ihn mit Drew anvertraute, während wir am Abend unseres ersten Treffens über Kaffee und Zigaretten beisammensaßen. Er sei mit der Absicht nach Frankreich gekommen, so sagte er, sich der Légion Étrangère als Infanterist anzuschließen. Allerdings änderte er wenige Tage nach seiner Ankunft in Paris seine Pläne, als er Jackson von der Amerikanischen Fliegerstaffel traf, der sich nach sechs Monaten an der Front auf Urlaub befand.

Es begann alles mit der Art und Weise, wie Jackson einen türkischen Teppich betrachtete. Er erzählte Drew auf vollkommen unprätentiöse Weise von seinen Abenteuern. Keine Heldentaten, nicht die geringste Aufschneiderei. Er sagte mir, Jackson habe nicht die mindeste Ausschmückung hinzugefügt. Er habe jedoch auf eine Weise den Boden angestarrt, die Drew "unwiderstehlich" fand und die ihm "eine lebhafte Vorstellung von den luftigen Höhen vermittelte". Er konnte förmlich die Städtchen, Dörfer, Grabensysteme und auf den sich dahinschlängelnden Straßen marschierenden winzigen Soldatenkolonnen erkennen - alles in den Mustern eines türkischen Teppichs. Schon am nächsten Tag suchte er das Hauptquartier des Franko-Amerikanischen Korps in der Champs-Élysées auf, um um seine Aufnahme zu ersuchen.

Es mutet seltsam an, dass wir beide nach Frankreich gekommen waren, ohne über Grundkenntnisse über das Korps, dessen Aufnahmebedingungen oder auch nur die Anforderungen der Fliegerei zu verfügen. Unser gesamtes Wissen bestand zum Zeitpunkt unseres Aufbruchs aus nicht mehr als dem Inhalt einiger Zeitungsartikel. Mag sein, dass es notwendig war, das Korps in Amerika nicht offiziell anzuerkennen und sein weiteres Anwachsen nicht zu ermutigen, uns erschien es damals jedoch, als sei der Regierung in Washington daran gelegen, den Beitritt von US-Bürgern aktiv zu unterbinden. Was auch immer tatsächlich der Fall gewesen sein mag, wir fragten uns, ob auch andere den vagen Hinweisen nachspürten und den gedämpften Lockruf vernahmen.

Diese Gedanken veranlassten uns, unsere Befähigung für die Fliegerei zu hinterfragen und dabei machten wir beide einige beruhigende Entdeckungen über uns. Es ist wohl schicklich, diese nun zu enthüllen, da sie anderen Begeisterten als Ermutigung dienen mögen, die sich, ebenso wie wir beiden zu jener Zeit, ihrer Unzulänglichkeiten bewusst und überzeugt sind, nicht über die notwendigen Eigenschaften zum erfolgreichen Flieger zu verfügen. Drew war nie weiter vom Boden entfernt gewesen als auf dem Dach des Woolworth-Gebäudes. Ich hatte ein einziges Mal einen Ausflug in einem eroberten Beobachtungsballon unternommen. Drew hatte nicht die geringste Ahnung von Motoren und sein Wissen über Mechanik reichte gerade so weit, dass er eine Taschenuhr aufziehen konnte, ohne dass sie ihm in der Hand auseinanderfiel. Meine Ignoranz in diesen Dingen stand der seinen in nichts nach.

Ein weiteres Hindernis auf unserem Weg, uns in den Dienst Frankreichs zu stellen, bestand in unserer Unkenntnis der Sprache. Tatsächlich war dies das größte Problem, das wir zu überwinden hatten. Alle unsere anderen Defizite schienen zu meistern zu sein, wenn wir nur erst eine gute Kenntnis der Sprache erworben hätten. Ohne diese sahen wir keine Möglichkeit, uns das technische Wissen anzueignen, das unserer Meinung nach die unabdingbare Grundlage für die Ausbildung zum Militärflieger bilden musste. Diesbezüglich sahen wir beiden uns also von Anfang an enormen Schwierigkeiten gegenüber. Wir mussten unter Gefahr für Leib und Leben durch praktische Erfahrung all das lernen, was viele unserer Kameraden, Franzosen ebenso wie Amerikaner, bereits wussten, ehe sie sich erstmals hinter einen Steuerknüppel setzten. Man muss allerdings sagen, dass sich zahlreiche Männer zu äußerst bemerkenswerten Piloten entwickelten, ohne viel von den technischen Aspekten ihres Handwerks zu verstehen.

Soweit es Drew und meine Wenigkeit betraf, so wollten wir die Lösung dieser Probleme getrost der Zukunft überlassen. Vorerst waren wir einfach damit zufrieden, dass man unseren Aufnahmeersuchen stattgegeben hatte und dass wir uns am nächsten Tag auf den Weg zur École d'Aviation Militaire machen würden, um unsere Pilotenausbildung zu beginnen. So verließen wir also nach einem langen Abend anregender Gespräche und in noch anregenderer Erwartung künftiger Ereignisse unser Restaurant und schlenderten gemeinsam die verlassenen Straßen entlang zum Place de la Concorde. Der weitläufige, vom Wind umspielte Platz war nahezu menschenleer. Die Denkmäler für die verlorenen Regionen erhoben sich mächtig im Dämmerlicht der Straßenlaternen. Zwei Kriegsversehrte humpelten über die Brücke und verschwanden auf einer Allee im nächtlichen Dunkel. Sie hatten bereits vor Monaten ihren Dienst geleistet und ihr Opfer gebracht. Sie mochten sich von der Gesellschaft im Stich gelassen fühlen und denken, ihre Anstrengungen seien vergebens gewesen.

Unsere Abenteuer hingegen lagen noch vor uns. Unsere Herzen waren leicht und unsere Hoffnungen groß. Während wir beim Obelisken standen und unsere morgigen Pläne erörterten, vernahmen wir hoch über uns das schwache Brummen von Motoren und sahen zwei Lichter, ein grünes und ein rotes, die schnell durch den Himmel sausten. Kurz darauf begann der lange, dürre Finger eines Suchscheinwerfers, die im Himmel hängenden Wolkenfetzen abzutasten, um sich schließlich mit einem weit geschwungenen Bogen an den deutlich sichtbaren Umriss eines riesigen Doppeldeckerflugzeugs zu heften, das über der schlafenden Stadt kreiste. Es war eine Maschine der Nachtwache von Paris.

Am folgenden Morgen standen wir mit unserem Gepäck auf dem Gare des Invalides, eine gute halbe Stunde vor der Abfahrt unseres Zuges. Unser Gepäck war geradezu lächerlich sperrig. Drew hatte zwei riesige Koffer und eine Reisetasche bei sich, ich einen Schrankkoffer und einen Reisekoffer, der für die Habseligkeiten einer ganzen Familie ausgereicht hätte. Wie sahen dermaßen wie typische amerikanische Touristen aus, dass wir uns schämten; nicht für unsere Nationalität, wohlgemerkt, sondern für die Deutlichkeit, mit der wir vor aller Welt unsere militärische Unbedarftheit zur Schau stellten. Fünfzig Jahre der selbstgewählten Isolation in Neutralität und der Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Landesverteidigung hatten uns ihren Stempel aufgedrückt. Was diese Situation im Nachhinein so amüsant macht, ist die Tatsache, dass wir mit unseren Militärpässen in der dritten Klasse reisten, wie es unserem Rang als élève-pilotes und Soldaten der deuxième classe zukam.

Zu unserer großen Verlegenheit boten sich einige poilus an, unser Gepäck an Bord des Zuges zu wuchten. Wir zwängten uns in ein Abteil der dritten Klasse, das überquoll vor Soldaten - permissionaires, blessés, réformés - Männern aus allen Winkeln Frankreichs und seiner Kolonien. Ihre Uniformen waren durch den langen Frontaufenthalt ausgebleicht und von allen möglichen Witterungseinflüssen in Mitleidenschaft gezogen. Die Schäfte ihrer Gewehre waren durch ständigen Gebrauch glattgerieben und blankgewetzt und ihre Tornister schmiegten sich perfekt an ihre Rücken.

Drew und ich fühlten uns in unserer geckenhaften Zivilkleidung sehr unwohl. Wir sahen zu verweichlicht, zu gepflegt, ja vollkommen "fabrikneu" aus. Wir fühlten uns, als gehörten wir nicht hierher. Im Flüsterton trösteten wir uns jedoch gegenseitig, dass, sollte Amerika jemals den ihm bestimmten Platz an der Seite der Entente-Mächte einnehmen, es keine sechs Monate dauern würde, bis hunderttausende von amerikanischen Jungs ihre Tornister und Gewehre mit ebensolcher Selbstverständlichkeit herumschleppen würden, wie es diese französischen poilus taten. Sie würden ebenso gute Soldaten werden und bald würden sie mit ihren Waffengefährten all jene gemeinsamen Erfahrungen von Gefahren und Entbehrungen teilen, welche aus Menschen in Wort und Tat Kameraden und Brüder machen.

Als wir unseren Bestimmungsort erreichten, hatten wir uns bereits in einen gelasseneren Gemütszustand geredet. Hier nahmen wir eine Kraftdroschke in Beschlag und holperten über eine lange, sonnenbeschienene Kopfsteinpflasterstraße in Richtung Buc. Es war spät an jenem milden Nachmittag, als wir unser auf einer Hochebene gelegenes Ziel erreichten und vor uns die Baracken und Hangars der École d'Aviation erblickten. Kein Lüftchen regte sich. Die Sonne war im Begriff, hinter den tiefroten Wolken zu versinken. Auf dem Boden breiteten sich bereits die abendlichen Schatten aus, aber hoch über uns reflektierten die Tragflächen der umherfliegenden Schwärme von avions das Licht, wodurch sie wie polierte Bronze oder Silber glänzten. Wir sahen große Formationen von Blériot-Eindeckern, die wie riesige Libellen wirkten und deren wunderbarer Anblick das Herz erfreute. Weiter links konnten wir einige Farman-Doppeldecker ausmachen, welche im Vergleich zu den Blériots schwebende Schlachtschiffe zu sein schienen. Ferner erspähten wir zweimotorige Caudrons, die von allen Flugzeugen die anmutigsten und wendigsten waren.

Doch dann sahen wir etwas, das uns in noch höherem Maße erstaunte, ein seltsames, neuartiges avion: Es war ein kleiner, schnittiger Doppeldecker mit einem fischähnlichen Rumpf. Wer diese Maschine am Himmel beobachtete, konnte unmöglich länger daran zweifeln, dass der Mensch die Lüfte erobert und die Vögel in deren eigenem Element überflügelt hatte. Keine Schwalbe vollzog je mit größerer Sicherheit ihre Kunststückchen am Himmel und kein Adler schwang sich je dermaßen kühn und schnell in die Höhe. Drew und ich starrten in stummer Bewunderung nach oben. Wir hatten unsere Oberkörper durch die Seitenfenster der Kraftdroschke gezwängt und unsere Köpfe so weit nach oben gereckt, wie es uns nur irgend möglich war. Wir wurden erst aus unseren Tagträumen gerissen, als unser klapperiges, an Mutter Erde gefesseltes Gefährt mit einem heftigen Ruck zum Stehen kam und wir uns vor einem Tor mit der Aufschrift "École d'Aviation Militaire de Buc" wiederfanden.

Nachdem wir den Fahrer bezahlt hatten, standen wir etwas hilflos auf der Straße, umgeben von unseren aufgetürmten Gepäckstücken und darauf wartend, dass irgendetwas passieren möge. Sogleich flog ein Fenster des Verwaltungsgebäudes auf und zu unserer Begrüßung erschallte ebenso laut wie unmelodisch: "Oh, say, can you see by the dawn's early light …" Die Misstöne entfleuchten der Kehle eines in Leder gekleideten Burschen, der gleich darauf die Einfahrt entlang gestürmt kam, um uns willkommen zu heißen.

"Wusste toute suite, was ich von euch zu halten habe" rief er. "Uns Amerikaner erkennt man auf einen halben Kilometer an unseren Hüten. Wie läuft's denn so in den Staaten? Denkt ihr, wir fangen bald mal an, mitzumischen?" Wir deckten ihn mit den neuesten Nachrichten von Zuhause ein und er bot uns eine Führung durch die Baracken an. Als er unser Gepäck sah, verzog sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen: "Meine Güte, ihr seid ja auf alle Eventualitäten vorbereitet! Attendez un peu, während ich ein Bataillon Annamiten auftreibe, um uns tragen zu helfen und dann können wir uns auf den Weg machen." Die Annamiten aus Indochina dienen im Lager als Wachtpersonal und Träger und er etwa 20 von ihnen eingesammelt hatte, brach unsere lange Kolonne in Richtung der Baracken auf. In der Folgezeit bereitete es uns stets ein hämisches Vergnügen, unsere amerikanischen Neuzugänge zu beobachten, denn in neun von zehn Fällen waren sie ebenso gnadenlos überladen wie wir bei unserer Ankunft.

Unsere Baracke, die nach dem gleichen Bauplan wie die anderen Militärgebäude zusammengezimmert worden war, war eine langgezogene, niedrige Holzhütte, die an der Außenseite verwittert, innen jedoch blitzeblankgebohnert war. Sie konnte etwa 40 Feldbetten beherbergen. Das eine Ende des Schlafsaals war offensichtlich von den Amerikanern belegt. Ein Phonograph stand auf dem Tisch, in einer Ecke türmte sich Baseballausrüstung und die Wände waren mit aus amerikanischen Zeitschriften ausgeschnittenen Karikaturen und Photographien bedeckt. Das andere Ende gehörte augenscheinlich den Franzosen, denn es war in ihrer typischen spartanischen und ordentlichen Weise eingerichtet. Der amerikanische Bereich wirkte häuslicher, der französische hingegen militärischer. In der Mitte des Saales, wo die beiden Kulturen aufeinandertrafen, vermischten sich ihre Eigenheiten auf die harmonischste Weise. Drew und ich waren entzückt von diesem Arrangement. Wir waren froh, nicht in einer rein amerikanischen Baracke untergebracht zu sein, denn wir wollten die französische Sprache erlernen. Noch wichtiger war uns allerdings, mit unseren französischen Lagerkumpanen eine enge, persönliche Kameradschaft aufzubauen.

Als wir unsere Papiere auf der Schreibstube des Captains abgegeben und die recht oberflächliche Voruntersuchung des Lagerarztes überstanden hatten, war es bereits dunkel geworden. Der Flugbetrieb war für den Rest des Tages eingestellt und aus den Fenstern der Baracken strahlte einladend der Schein der Lampen. Während wir die Lagerstraße entlang schritten, vernahmen wir die Klänge von "Waiting for the Robert E. Lee", die mit Instrumentalbegleitung von einem Grammophon aus dem chambre des Américains drangen:

"See them shuffle along,

Oh, ma honey babe,

Hear that music and song."

Wir fühlten uns sofort in die Heimat versetzt. Franzosen und Amerikaner sangen gemeinsam, die Franzosen in sehr drolligem Englisch, aber sie trafen die Synkopen so sicher, als hätten sie sie ebenso mit der Muttermilch eingesogen wie wir Amerikaner.

In einem entlegenen Winkel hielten zwei Grüppchen eine improvisierte Unterrichtsstunde in französischer und englischer Aussprache ab. Anscheinend standen für die heutige Sitzung Zungenbrecher auf dem Lehrplan. Die von den Franzosen gestellte Aufgabe lautete "heureux" und unter den zahlreichen mehr oder minder desaströsen Nachahmungen der Amerikaner kam "uruu" der Sache noch am nächsten. Ein Amerikaner, dem aufgefallen war, welche Schwierigkeiten es den Franzosen bereitet, die Zunge zwischen die Zähne zu stecken, konterte mit dem Satz "Father, you are withered with age." Wie zu erwarten gewesen war, resultierten die Bemühungen der Franzosen in einer Kakophonie von Zischlauten, welche bei den Amerikanern auf belustigtes Hohngelächter stießen. Wo immer sich eine Sitzgelegenheit bot, hatten sich kleine Gruppen von zwei oder drei Burschen niedergelassen, die sich in einem französisch-englischen Mischmasch miteinander verständigten, der wohl sämtliche verstorbenen Sprachwissenschaftler in ihren Gräbern rotieren ließ. All diese frühabendliche Heiterkeit verströmte jenen Geist herzlicher Kameradschaft, welcher meines Wissens bei jedem Aufeinandertreffen von Franzosen und Amerikanern spürbar ist.

Für gewöhnlich versammelten sich zur Abendessenszeit sämtliche élève-pilotes der Schule, mit Ausnahme der Unteroffiziere, die ihr eigenes Kasino haben. Unerfahrenen Neuankömmlingen aus dem fernen Amerika wie Drew und mir bot sich hier ein faszinierender Anblick. Insgesamt tummelten sich im Speisesaal etwa 125 Flugschüler, darunter 18 Amerikaner. Die überwiegende Mehrheit der Franzosen hatte zuvor bereits in einer anderen Waffengattung an der Front gedient. Wir sahen ehemalige Artilleristen, Infanteristen, Marinesoldaten (die für den Dienst in den Luftstreitkräften der Marine ausgebildet wurden) sowie Kavalleristen und sie alle trugen die Uniformen ihrer alten Waffengattungen. Kein einziger trug Kleidung, die ihn als einen Piloten ausgewiesen hätte und als wir uns danach erkundigten, erfuhren wir, dass das Fliegerkorps über keine eigene Uniformierung verfügte. Während seiner Ausbildung und selbst nach Erhalt seines Militärranges trägt ein Pilot weiterhin seine alte Uniform, lediglich ergänzt um die Flügel am Kragen und das Abzeichen mit Stern und Flügeln auf der rechten Brust. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass unsere Piloten nicht den schneidigen, uniformen Anblick der Männer des britischen Royal Flying Corps bieten, aber unser farbenfrohes Erscheinungsbild hat seinen ganz eigenen Charme. Wie wir später erfuhren, folgen die Amerikaner dabei ihrem individuellen Geschmack. Diejenigen mit einer Vorliebe für auffällige Farben begrüßten jeden neuen Tag in den roten Hosen und der schwarzen Bluse eines Artilleristen. Andere bevorzugten gedecktere Farben, wie die verschiedenen Blautöne einiger französischer Uniformen, mit dem dünnen, orangefarbenen Streifen des Fliegerkorps, der den Hosensaum entlanglief. All dies bezieht sich natürlich auf die Ausgehuniform. Im Lager tragen die meisten Männer Leder oder eine Kombination aus Leder und der graublauen Uniform des französischen poilu, die an alle Amerikaner bei ihrer Musterung ausgegeben wird.

Unser ausgezeichnetes Abendmahl bestand aus Suppe und einem saftigen Bratenstück mit Kartoffelpüree und Linsen. Anschließend wurden Käse und Bier aufgefahren. Mir wurde etwas mulmig zumute, als ich erfuhr, dass unser Braten aus Pferdefleisch bestand, aber Drew überzeugte mich, dass es kindisch sei, sich von anerzogenen Skrupeln den Appetit verderben zu lassen. Im Jahre 1870 stürzten sich die Bewohner von Paris begierig auf ragoût de chat. Zudem war der Braten dermaßen schmackhaft und einem erlesenen Rindersteak so ähnlich, dass es einem nicht schwerfiel, sich einzureden, es handele sich tatsächlich um Rindfleisch.

Nach der Mahlzeit begannen zu unserer großen Überraschung alle, ihr Essgeschirr mit riesigen Brotstücken auszuwischen. In einem Land, dessen Küsten bereits seit drei Jahren von feindlichen U-Booten belagert wurden, erschien uns diese Art von Verschwendung geradezu kriminell, zumal es für die Erzeugung seiner Nahrungsmittel inzwischen größtenteils auf die Feldarbeit von Frauen und Kindern angewiesen war. Es hätte uns nicht einmal verblüfft, dass die Amerikaner sich zu dieser verdammenswerten Art der Geschirreinigung herabließen, aber die Franzosen taten es ebenfalls. Als ich einen meiner amerikanischen Kameraden darauf ansprach, meldete sich ein mir gegenübersitzender Franzose zu Wort: "Pardon, Monsieur, aber ich muss Ihnen etwas über uns Franzosen erklären. Wir sind sehr sparsam, wenn es unsere Familien und unser eigenes Geld betrifft. Wenn aber die Regierung die Kosten trägt, sorgen wir uns nicht mehr darum. Wir müssen die Dinge nicht bezahlen, also verschwenden wir sie und werfen sie beim geringsten Anlass fort. Unser ganzes Leben lang sparen wir für unsere Familien so gut es nur geht, also bereitet uns diese Zeit der Verschwendung großes Vergnügen." Seitdem wurde mir diese Einstellung von so vielen Franzosen bestätigt, dass ich nicht umhin kann, sie für wahr zu halten.

Nach dem Abendessen begaben sich die Amerikaner für eine Tasse Kaffee zu Ciret's, einem kleinen Café in dem Dörfchen, das in der Nähe des Lagers zwischen den Hügeln schlummert. Das Café glich den tausenden weiteren provinziellen Gaststätten in Frankreich. Es bestand aus einem großen, etwas schäbigen Raum mit einem sandbestreuten Backsteinboden und verblassten Papiergirlanden in den Nationalfarben, die in seltsamen Mustern von der rauchgeschwärzten Decke hingen. Die Küche war reinlich es entströmte ihr der verführerische Duft gekonnt zubereiteter Speisen. Dem Speisesaal schloss sich ein Innenraum an und M. Ciret, der beleibte, liebenswürdige patron versicherte uns, er sei "toujours réservé à mes Américains." In ihm versammelten wir uns um einen großen, runden Tisch, zündeten unsere Pfeifen und Zigaretten an und während die anderen sich unterhielten, lauschten Drew und ich ihren Worten und sogen all die Eindrücke in uns auf.

Eine Zeit lang blieb die Unterhaltung auf kleinere Grüppchen beschränkt und von allen Seiten wurde hin und wieder eine Bemerkung eingestreut. Dann wandte sich das Gespräch den Gründen zu, die die Mitglieder unserer Gruppe zum Aufbruch nach Frankreich veranlasst hatten. Dieses Thema war für Drew und mich besonders interessant. Während ich zuhörte, gewann ich den Eindruck, als glichen wir Amerikaner den Briten sehr in unserer Furcht, unsere zarteren Gefühlsregungen preiszugeben. Wir werden wohl niemals lernen, unsere eigenen Emotionen offen und ehrlich zu ergründen. Wenn die lieblichen Seiten des menschlichen Wesens den Impuls für unsere Handlungen geben, so sind wir peinlich darauf bedacht, dass dies niemand erfahren möge. Und so geschah es auch, dass alle erdenklichen Gründe vorgebracht wurden, die uns dazu bewogen hatten, Frankreich Waffenhilfe zu leisten, außer dem wichtigsten und edelsten. Selbst als er schließlich doch eingestanden wurde, geschah dies mit beinahe beschämter Zurückhaltung. Es gab an diesem Tische keinen einzigen Mann, der nicht bereit gewesen wäre, nötigenfalls für die Sache der Entente zu sterben, da dieser Sache unsere leidenschaftliche Liebe galt, aber jeder von uns hätte sich wohl eher vierteilen lassen, als dies laut zu äußern.

Der Wunsch nach einem abenteuerlichen Leben und die Faszination, die von gefährlichen Wagnissen ausging - all dies konnte hingegen freimütig erörtert werden und die Männer sprachen mit einer Bereitwilligkeit darüber, die Drew und mir sehr gefiel und unsere Neugierde auf Einzelheiten des uns bevorstehenden Lebens befriedigte. Der Enthusiasmus ihrer neuen Erfahrungen hatte sie alle mit sich gerissen. Ihre Vorstellungen von Entfernung und Geschwindigkeit wurden täglich aufs Neue über den Haufen geworfen. Sie sprachen eine neue Sprache und entwickelten eine neue Geisteshaltung. Sie waren wie Kinder, die über Nacht plötzlich erwachsen geworden waren; der gesamte Horizont ihrer Wahrnehmungen hatte sich binnen eines Wimpernschlages ins Immense gesteigert. Noch waren sie sich des Zeitenwandels, den sie durchlebten, durchaus bewusst, denn ihr Pilotendasein stak noch in den Kinderschuhen. Sie breiteten erst zaghaft ihre Schwingen aus. Während ich ihnen lauschte, dachte ich jedoch an eine Zukunft, die unausweichlich kommen musste, in der die Lüfte, gleich den Meeren, mit enormen Gefährten gefüllt sein würden und dass die Luftfahrt ihren eigenen Schlag von Männern hervorbringen würde, die dereinst ihren eigenen Regeln und Traditionen verpflichtet sein würden.

Während wir über die holperige Dorfstraße zurück zu unserem Lager liefen, versuchte ich Drew etwas von jenen fantastischen Vorahnungen zu vermitteln, die mich im Laufe des Abends überkommen hatten. Ich glühte förmlich vor Begeisterung und hoffte, ein Funke meines Enthusiasmus könne auf ihn überspringen. Doch alle meine Gedanken und Empfindungen hatte er selbst bereits lange vor mir durchlebt. Ich bin mir sicher, dass er in seiner Vorstellung schon jeden Nervenkitzel, jede überschäumende Freude und jeden jähen Moment lähmender Furcht, die dieses Leben für ihn bereithalten mochte, ausgekostet hatte. Aus diesem Grunde verzieh ich ihm auch, dass er auf meinen Eifer recht gelangweilt reagierte und meine Indignation erlosch vollends, als er von einer seltsamen Illusion zu reden begann, die er in dem Café gehabt hatte. In einem kurzen Moment der Stille hatte er von der Dorfstraße her das rasche Klappern galoppierender Hufe vernommen (auch ich hatte sie gehört; jemand musste in größter Eile an dem Café vorbeigejagt sein.) Nun, Drew vertraute mir an, er sei beinahe von seinem Stuhl aufgesprungen und er habe fest damit gerechnet, dass M. Ciret jeden Moment die Türe aufreißen und schreien würde: "Die Briten kommen!" Für eine Sekunde wähnte Drew sich tatsächlich im Jahre 1775 als Gast einer kleinen Herberge am Wegesrand in Massachusetts. Er versicherte mir, die Illusion sei vollkommen gewesen.

Was genau es hiermit auf sich hatte und so weiter und so fort, hätte mich normalerweise brennend interessiert, aber angesichts der fantastischen Richtung, in die sich unsere Realität zu entwickeln begann, vermochte ich keine besondere Begeisterung für Illusionen aufzubringen. Trotzdem wäre ich wohl dazu verdammt gewesen, weiter seinen endlosen Phantastereien zu lauschen, hätten die folgenden Geschehnisse nicht jegliche Konversation jäh im Keim erstickt und unserem ersten Tag an der École d'Aviation ein spektakuläres Ende bereitet.

Wir hörten plötzlich direkt über den Baracken das Dröhnen von Motoren und zeitgleich ertönte das langgezogene Alarmgeheul der Sirenen. Ein verspäteter Pilot befand sich noch immer in der Luft. Während wir zum Flugfeld eilten, wurden Signalfackeln entzündet und in Form eines riesigen "T" in die Erde gerammt, wobei der horizontale Strich in jene Richtung wies, aus welcher der Wind wehte. Inzwischen waren in der Ferne noch weitere Motoren hörbar, die sich stetig näherten und bald enthüllte der Feuerschein die Form einer Maschine, die über der piste enge Kreise zog. Ich beobachtete dermaßen gebannt ihre Versuche, sich in eine günstige Landeposition zu manövrieren, dass ich nicht bemerkte, wie die Menge um mich herum in Deckung rannte. Schließlich drangen ihre zahlreichen hastigen Warnrufe zu mir durch und ich nahm die Beine in die Hand, allerdings stolperte ich in meiner Aufregung direkt in den Weg des Landeanfluges der Maschine. Ich konnte hören, wie der Wind durch die Verbindungsdrähte der Stützstreben pfiff (ein für den Neuling furchterregendes Geräusch) und als ich einen raschen Blick über meine Schulter riskierte, erspähte ich knapp über mir ihren gigantischen Umriss, der sie wie ein enormes Ungeheuer erscheinen ließ, das im Begriff war, über mich herzufallen. Es sauste in weniger als drei Metern Höhe über meinen Kopf hinweg und setzte in einigen Metern Entfernung auf der Erde auf.

Als ich nach diesem ereignisreichen Tag endlich einschlafen konnte, verfolgte mich in einem furchtbaren Albtraum Paul Revere erbarmungslos durch einen Irrgarten. Ich war zu Fuß unterwegs und trug Stiefel mit bleiernen Sohlen. Paul steuerte eine riesige, zweimotorige Caudron und jagte in wenigen Metern Höhe hinter mir her. Ich sehe ihn noch immer vor mir, wie er sich über die Motorhaube des Flugzeugs weit nach vorne lehnt, seine gepuderte Perücke unter der schräg auf seinem Kopf sitzenden Fliegerhaube hervorlinst und seine Augen hinter der Pilotenbrille wie rotglühende Kohlen leuchten. Er schwenkte zwei brennende Fackeln und brüllte: "Die Briten kommen! Die Briten kommen!" in einer Stimme, die der von Drew auf sonderbare Weise glich.


Zwischen Himmel und Hölle mit der Escadrille Lafayette

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