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DDR-Deutsch Ein abgeschlossenes Sammelgebiet

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Philatelisten schätzen abgeschlossene Sammelgebiete. Die dahingegangene DDR ist ein solches. Auch für Linguisten?

Die Sprache des kleinen Landes hatte im Verlauf von vier Jahrzehnten eine gewisse Eigendynamik entwickelt und unterschied sich in vielerlei Hinsicht vom Deutsch der restlichen Welt. Der Wortschatz konservierte Altväterliches aus Partei-, Amts- und Diplomatensprache, dazu kamen Anleihen aus der offiziell verpönten Sprache des Nationalsozialismus und beim Sowjet-Neusprech und schließlich die Einbeziehung oder umständliche Übersetzung von Begriffen der modernen Technik und Lebenswelt. Herkömmliche Wörter veränderten ihre Bedeutung oder erstarrten zu bloßen Worthülsen. Neben der zum Feierlich-Pathetischen wie zum semantischen Leerlauf neigenden Sprache der Diktatur mit ihren auffälligen Substantivierungen und Genitivhäufungen sorgte eine vermeintliche, weil zumeist falsch verstandene

»Verwissenschaftlichung« dafür, dass die einfachsten Begriffe zu buchstabenreichen Unwörtern aufgebläht wurden. Eigenschöpfungen ersetzten gebräuchliche oder ideologisch anrüchige Wortbedeutungen, die grassierende Abkürzungswut drang weit in den Alltag vor. Aus Arbeitern und Angestellten wurden erst Berufstätige, dann Werktätige und schließlich die Rechengröße Vollbeschäftigteneinheit (VbE).

Dabei war die eigenwillige Sprache jenes zänkischen Bergvolks am Rande des Großchinesischen Reiches, wie ein in der DDR weitverbreiteter Witz die Landesbewohner charakterisierte, keineswegs ein einheitliches Verständigungsmittel. Dazu unterschied sich der salbungsvoll-schwülstige Duktus des offiziellen Partei- und Staatsjargons mit seiner gestelzten Wortwahl und den gewollt volkstümlichen Ausuferungen allzu beträchtlich von der ironisch-gewitzten, vom Volksmund wie von Satirikern und Kabarettisten ständig ergänzten tatsächlichen Umgangssprache – vom zunehmend westlich beeinflussten Idiom der Jugend ganz abgesehen.

Dieses kleine Buch, das weder einen sprachwissenschaftlichen noch den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, soll einen Eindruck vom – zu Recht? – fast vergessenen Sprachkonglomerat DDR-Deutsch mit seinen differierenden und divergierenden Aspekten vermitteln, ohne dem nostalgischen wie dem verwunderten Leser einen Schrecken einzujagen. Dass dem Verfasser manche subjektive Bewertung unterläuft, mag man ihm ankreiden – erfunden hat er die Begriffe und Formulierungen nicht.

Vielleicht, und das ist die größte Hoffnung des Autors, regt der Text dazu an, über gegenwärtige Sprachsünden nachzudenken. Die Wörter und Unwörter, die jedes Jahr gewählt werden, laden dazu ein.

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