Читать книгу Stephen Crane, Die rote Tapferkeitsauszeichnung. - Jan Moewes - Страница 5

II

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Am nächsten Morgen erkannte der Junge, dass sein hochgewachsener Kamerad der reitende Kurier einer Falschmeldung gewesen war. Viele von denen, die gestern seine Ansicht entschieden verteidigt hatten, machten sich nun über ihn lustig, während jene, die dem Gerücht nie Glauben geschenkt hatte, ihn jetzt offen verspotteten. Einen Mann aus Chatfield Corners verprügelte der Lange nach Strich und Faden.

Der Junge hingegen fühlte, dass seine Zweifel keineswegs geringer geworden waren. Ganz im Gegenteil schob er sie nur vor sich her. Die Ansprache hatte ihn dazu gebracht, sehr gründlich über sich nachzudenken. Nun, da dieser neue Zweifel an ihm nagte, fühlte er sich verdammt, wieder seinen alten Platz als Rädchen in der blauen Maschinerie einzunehmen.

Tagelang verlor er sich in endlosen Betrachtungen, aber seltsamerweise kam er zu keinem befriedigenden Ergebnis. Er begriff, dass er zu keiner endgültigen Aussage imstande war. Letztlich kam er zu dem Schluss, dass er nur einen Weg gab, sich zu beweisen. Er musste in die Feuertaufe gehen und dann, im wahrsten Sinne des Wortes, seine Beine im Auge behalten, um ihre Stärken und Schwächen zu entdecken. Ihm wurde klar, dass er nicht dasitzen und die Antwort durch Abhaken einer Liste im Kopf finden konnte. Um die zu bekommen, benötigte er Feuer, Blut und Gefahr, genau wie ein Chemiker dies, das und jenes braucht. So bangte er nun seiner Gelegenheit entgegen.

Bis dahin versuchte er ständig, sich an seinen Kameraden zu messen. Der lange Soldat zum Beispiel gab ihm Sicherheit. Die schlichte Unbekümmertheit dieses Mannes ließ sein Selbstvertrauen wachsen, denn er hatte ihn von Kindesbeinen an gekannt, und obwohl er ihn so gut kannte, fiel ihm nichts ein, wozu jener fähig gewesen wäre, was er, der Junge, sich selbst nicht zugetraut hätte. Dennoch dachte er auch daran, dass sein Kamerad sich vielleicht selbst überschätzte. Oder dass er möglicherweise bis dahin zu Friedfertigkeit und Zurückhaltung erzogen, in Wirklichkeit jedoch dafür bestimmt war, sich im Krieg hervorzutun.

Gerne hätte der Junge noch jemand gefunden, der ähnliche Zweifel hatte wie er. Ein freundschaftlicher Gedankenaustausch wäre genau das Richtige für ihn gewesen.

Manchmal bemühte er sich, einen Kameraden mit mehrdeutigen Bemerkungen aus der Reserve zu locken. Er schaute sich nach Männern in entsprechender Stimmung um. Doch schlugen all seine Versuche fehl, irgendeine Aussage zu provozieren, die auch nur ein bisschen nach einem Bekenntnis jener Zweifel geklungen hätte, mit denen er sich insgeheim herumschlug. Er wagte es nicht, offen über seine Probleme zu sprechen, weil er fürchtete, ein verantwortungsloser Mitwisser könnte eine allzu klare Information nutzen, um ihn der Lächerlichkeit preiszugeben.

Bei der Einschätzung seiner Mitstreiter schwankte er zwischen zwei Ansichten, je nach Stimmung. Manchmal war er geneigt, sie sich alle als Helden vorzustellen. Tatsächlich gestand er im Stillen normalerweise allen anderen die besseren Charaktereigenschaften zu. Er konnte sich Männer vorstellen, die völlig unauffällig durch die Gegend liefen und dabei einen enormen Sack ungeahnter Tugenden mit sich schleppten; und selbst wenn er viele seiner Kameraden seit der Kindheit kannte, fürchtete er nun, dass er sich vielleicht in ihnen getäuscht hatte. In anderen Momenten fand er diese Gedanken albern und war sich sicher, dass auch all die anderen Jungs im Stillen zweifelten und zitterten.

Derart widersprüchliche Empfindungen sorgten dafür, dass er sich in der Gesellschaft von Männern unbehaglich fühlte, die so angeregt über die bevorstehende Schlacht sprachen, als seien sie im Begriff, ins Theater zu gehen, wobei sich in ihren Gesichtern nur Neugier und Vorfreude spiegelte. Nicht selten hatte er den Verdacht, dass sie alle Lügner waren.

Doch dann verurteilte er sich selbst entschieden für diese Art von Gedanken. Bisweilen quälte er sich mit heftigen Selbstvorwürfen. Dann betrachtete er sich selbst als großen Sünder vor den Göttern des Althergebrachten.

Sein banges Herz, das sich in Erwartung verzehrte, verzweifelte zusehends, was er der unerträglichen Langsamkeit der Generäle zuschrieb. Ihnen schien das Ausruhen am Flussufer zu gefallen und dabei ließen sie ihn unter der Bürde seiner großen Not zusammenbrechen. Er wollte es jetzt wissen. Diese Last konnte er nicht länger schleppen, fand er. Ein paar mal erreichte seine Wut auf die Kommandierenden einen solchen Grad, dass er im Lager herumlief und wie ein Altgedienter schimpfte.

Eines Morgens jedoch fand er sich in den Reihen des angetretenen Regiments wieder. Flüsternd sprachen die Männer über ihre Vermutungen und die alten Gerüchte kamen neu auf. Im Dunkel der ersten Morgendämmerung schimmerten ihre Uniformen in dunklem Rot. Vom anderen Ufer blinzelten noch die glühenden Augen über den Fluss. Im Osten erschien ein gelber Fetzen am Himmel wie eine vor den Füßen der aufgehenden Sonne ausgelegte Fußmatte; und davor, wie ein schwarzer Schattenriss, die riesige Figur des Obersten auf seinem riesigen Pferd.

Aus dem Dunkel klang das das Getrampel vieler Füße herüber. Manchmal konnte der Junge flüchtig schwarze Schatten wie Gespenster vorbeihuschen sehen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, während das Regiment wartend dastand. Der Junge wurde ungeduldig. Es war nicht auszuhalten, wie das hier organisiert war. Er fragte sich, wie lange sie noch warten sollten.

Während er sich umschaute und über das seltsame Licht nachdachte, beschlich ihn das Gefühl, dass die unheilvolle Ferne jeden Moment auflodern könnte und das Getöse der Schlacht über ihn hereinbrechen würde. Einmal, als er auf die roten Augen am anderen Ufer starrte, hatte er den Eindruck, dass sie größer wurden wie die feurigen Augen angreifender Drachen. Er drehte sich zum Oberst um, aber der hob seinen riesigen Arm und strich ruhig seinen Schnurrbart glatt.

Endlich hörte er von der Strasse unterhalb des Hügels den Hufschlag eines galoppierenden Pferdes. Das musste die Ankunft der Befehle sein. Er beugte sich vor und vergaß fast das Atmen. Das erregende Hufgetrappel verschmolz mit seinem Herzschlag, als es lauter und lauter wurde. Schon zügelte ein Reiter, dessen Ausrüstung wild schepperte, sein Pferd direkt vor dem Befehlshaber des Regiments. Die beiden wechselten ein paar kurze, heftige Worte. Die Männer in den vorderen Reihen reckten die Hälse.

Als der Reiter das Pferd wendete und davon galoppierte, blickte er über die Schulter zurück und rief: „Vergessen Sie die Kiste Zigarren nicht!“. Der Oberst grummelte eine Antwort. Der Junge fragte sich, was eine Kiste Zigarren mit dem Krieg zu tun hatte.

Kurz darauf verschwand das Regiment nach und nach in der Dunkelheit.

Es glich nun einem jener schlängelnden Monster, die sich auf zahllosen Füßen fortbewegen. Die Luft war dick und voll von kaltem Dunst. Das dichte, nasse Gras raschelte unter den marschierenden Siefeln wie Seide.

Auf dem Rücken all dieser enormen Kriechtiere blitzte dann und wann das Gleißen und Glimmern von Stahl auf. Von der Straße hörte man Quietschen und Knarren, als ein paar sperrige Kanonen weggeschleppt wurden.

Die Männer stolperten vorwärts. Immer noch murmelten sie miteinander über ihre Vermutungen. Es gab eine gedämpft geführte Diskussion. Einmal stürzte ein Mann, und als er nach seinem Gewehr greifen wollte, trat ihm ein Kamerad, der ihn nicht gesehen hatte, unglücklich auf die Hand. Der mit den verletzten Fingern verfluchte ihn laut und bitter. Ein kurzes, unterdrücktes Lachen ging durch die Reihen seiner Kameraden.

Plötzlich erreichten sie einen breiten Weg und kamen nun mit lockeren Schritten voran. Vor ihnen bewegte sich der Schatten eines anderen Regiments und auch von hinten kam das Klappern der Ausrüstung auf dem Rücken marschierender Männer.

Dort hinter ihnen wurde auch das Gelb des beginnenden Tages immer heller. Als die Sonnenstrahlen schließlich die Erde in ihr sanftes Licht hüllten, sah der Junge, dass zwei lange dünne schwarze Streifen die Landschaft durchzogen, die vor ihm auf dem Rücken eines Hügels verschwanden und sich hinter ihm im Wald verloren. Sie sahen aus wie zwei riesige Schlangen, die aus der nächtlichen Höhle krochen.

Der Fluss war nicht zu sehen. Der lange Soldat konnte einen Lobgesang auf seinen vermeintlichen Durchblick nicht zurückhalten. Einige seiner Kameraden schrien laut, dass auch sie zu diesem Schluss gekommen waren, und sie waren genau so stolz. Aber es gab auch welche, die steif und fest behaupteten, dass der Plan des Langen gar nicht der Wahrheit entspräche und beharrten auf anderen Überlegungen. Diesmal war die Diskussion weniger zurückhaltend.

Der Junge nahm nicht an ihr teil. Er war in seine ewige eigene Debatte vertieft, während er mühelos im Glied marschierte. Er konnte nicht vermeiden, sich damit zu beschäftigen. Bedrückt und missmutig warf er verstohlene Blicke nach allen Seiten. Von vorne erwartete er jeden Moment das Rattern des Feuers der Vorhut. Doch die endlosen Schlangen krochen langsam und ohne jeden Pulverdampf von Hügel zu Hügel. Eine fahlgelbe Staubwolke wehte nach rechts davon. Der Himmel über ihnen strahlte ungewöhnlich blau.

Der Junge studierte die Gesichter seiner Begleiter, immer auf der Suche nach verwandten Gefühlen. Er wurde enttäuscht. Es lag eine Begeisterung in der Luft, die von den frohgemut marschierenden Veteranentrupps auf das ganze neue Regiment übergriff. Am liebsten hätten sie gesungen. Die Männer redeten vom Sieg, als seien sie nichts anderes gewöhnt. Sogar der lange Gefreite bekam seine Anerkennung. Offensichtlich waren sie dabei, einen Bogen zu schlagen, um dem Feind in den Rücken zu fallen. Lauthals wurde der Teil der Truppe bedauert, den sie am Flussufer zurückgelassen hatten; sich selbst dagegen, die sie Teil dieses explosiven Ereignisses sein durften, priesen sie glücklich.

Den Jungen, der sich ausgeschlossen sah, machten die unbekümmerten und frohen Worte, die von Mund zu Mund eilten, nur immer trauriger. Die Witzbolde der Kompanien gaben ihr Bestes und das Regiment marschierte im Takt des Gelächters.

Immer wieder brachte der streitlustige Soldat mit seinem beißenden Spott, der für den Langen bestimmt war, ganze Reihen aus dem Schritt.

Viel fehlte nicht mehr, dass all die Männer ihr eigentliches Vorhaben vergessen zu haben schienen. Ganze Brigaden wieherten einstimmig und Regimenter schüttelten sich vor Lachen.

Ein ziemlich fetter Soldat versuchte, ein draußen angebundenes Pferd mitgehen zu lassen. Er wollte ihm das Gepäck aufladen. Er war schon fast mit seiner Beute verschwunden, als ein junges Mädchen aus dem Haus raste und das Pferd bei seiner Mähne packte. Es gab ein Gerangel. Mit geröteten Wangen und blitzenden Augen hielt das Mädchen wie eine unbewegliche Statue stand.

Das am Weg rastende Regiment, das alles beobachtet hatte, schrie auf wie ein Mann und war einhellig auf Seiten des Mädchens. So sehr waren die Männer mit dieser Geschichte beschäftigt, dass sie ihren eigenen langen Krieg nun vollständig vergessen hatten. Sie buhten den freibeuternden Gefreiten aus, weideten sich an all seinen Schönheitsfehlern und unterstützten mit wilder Begeisterung das Mädchen.

Einer gab ihr von weit her den gut gemeinten Rat: „Gibs ihm mit nem Knüppel!“

Als er sich dann ohne das Pferd zurückzog, hagelte es Schreie und Pfiffe. Das Regiment genoss seine Niederlage. Laut und überschwenglich wurden dem Mädchen gratuliert, das schnaubend dastand und die Truppe misstrauisch betrachtete.

Am späten Abend löste sich die marschierende Kolonne in einzelne Regimenter auf, die sich zum Lagern ins Gelände verteilten. Zelte wuchsen aus dem Boden wie seltene Pflanzen. Lagerfeuer besprenkelten die Nacht wie bizarre rote Blüten.

Der Junge vermied die Unterhaltung mit seinen Kameraden so gut es die Umstände erlaubten. Sobald er konnte, entfernte er sich ein paar Schritte ins Dunkel. Die vielen Feuer, vor deren rötlichem Schein die schwarzen Schatten der Männer hin und her huschten, wirkten auf diese kurze Entfernung teuflisch und bedrohlich.

Er legte sich ins Gras. Die Halme schmiegten sich an seine Wange. Der Mond leuchtete, als sei er in den Wipfel eines Baumes gehängt. Die feuchte Kälte der Nacht, die ihn umfing, erfüllte ihn mit einem unbestimmten Selbstmitleid. Der sanfte Wind streichelte ihn, und die Stimmung in der Dunkelheit passte sehr gut zu seiner Trostlosigkeit, fand er.

Er wünschte sich sehnlichst, wieder zu Hause zu sein, und die endlose Runde vom Haus zum Heuschober zu machen, von dort aufs Feld, vom Feld zum Schober und vom Schober wieder nach Hause. Er dachte daran, wie oft er die gescheckte Kuh und die anderen angebrüllt und manchmal sogar den Melkschemel nach ihnen geworfen hatte. Aber in seiner jetzigen Stimmung sah er einen beglückenden Heiligenschein um jeden ihrer Köpfe, und er hätte alle Messingknöpfe der Erde dafür gegeben, wieder zu ihnen zurückkehren zu können. Er sagte sich, dass er nicht zum Soldaten geboren war. Und er dachte lange über den gewaltigen Unterschied zwischen sich und den Männern nach, die wie böse Buben um die Feuer sprangen.

Da unterbrach ihn das Rascheln von Gras, und als er hochschaute, sah er den vorlauten Soldaten. „Ach, Wilson“, sprach er ihn an.

Der kam näher und schaute herab. „Oh, hallo Henry, du bists. Was machs dun hier?“

„Nichts, ich denke nach“, sagte der Junge.

Der Andere setzte sich und zündete sich bedächtig die Pfeife an. „Du siehst bedrückt aus, mein Junge. Du machs ´en verdammt traurijen Eindruck. Was zum Teufel is los mit dir?“

„Gar nichts“, sagte der Junge.

Da kam der Laute auf den bevorstehenden Kampf zu sprechen. „Ja, jetzt ham wir se!“ Sein Kindergesicht verzog sich zu einem fröhlichen Lachen und in seiner Stimme schwang Begeisterung mit. „Jetzt ham wir se. Endlich wern wir es ihnen richtich jeben, zum Donnerwetter.“

„Um die Wahrheit zu sagen“, fuhr er schon etwas ernster fort, „bis jetzt ham sie et uns jedesma jegeben; aber diesma, diesma wern wir et ihn´ richtich besorgen.“

„Ich dachte, du wärst gerade noch gegen diesen Marsch gewesen“, widersprach der Junge ungerührt.

„Nee, so war et ooch nich“, erklärte der Andere. „Ick hab nix jegens Marschieren, wenn et darum jeht, am Ende zu kämpfen. Wat ick hasse, is det hin und her jeschickt wern, ohne dattabei wat rauskommt, soweit ick sehn kann, außer durchjelatschte Füße und verdammt knappe Rationen.“

„Naja, Jim Conklin sagt, dass es diesmal richtig rundgehen soll.“

„Da hat er wohl einma recht, denk icke, obwohl ick noch nich sehen kann, wiet losjehn soll. Diesma wirz ne heiße Schlacht jehm, und wir ham die besseren Karten, janz sicher. Mein lieber Mann, wern wir die fertich machen!“

Er sprang auf und lief erregt hin und her. Seine Schritte federten kraftvoll vor Begeisterung. Er war beschwingt, entschlossen und glaubte unerschütterlich an den Erfolg. Mit leuchtenden Augen sah er stolz in die Zukunft und redete mit der Sicherheit eines erfahrenen Soldaten.

Der Junge beobachtete ihn eine Weile schweigend. Seine Stimme klang bitter, als er schließlich sprach. „Nu, du hast wohl Großes vor, scheint mir.“

Nachdenklich blies der laute Soldat den Rauch seiner Pfeife in die Luft. „Nee, det weeß ick nich,“ sagte er ruhig, „det weeß ick nich. Ick meen, ick werds so jut machen wie die And´ren. Ick will meen Bestet versuchen.“ Die Bescheidenheit seiner Aussage schien ihm offensichtlich zu gefallen.

„Woher weißt du, dass du nicht abhauen wirst, wenn es soweit ist?“ fragte der Junge.

„Abhauen?“ staunte der Laute, „Abhauen? Uf keen Fall!“ Er lachte.

„Naja“, gab der Junge zu bedenken, „ ne Menge brauchbarer Männer haben vor dem Kampf gedacht, sie würden Heldentaten vollbringen, aber als es soweit war, sind sie flitzen gegangen.“

„Ja, dat is wohl wahr,“ erwiderte der Andere, „aber ick werd nich flitzen jehn. Jeder, der auf mein Abhauen wettet, wird sein Jeld verlieren, mehr sach ick nich.“ Er nickte voller Zuversicht.

„Verdammt nochmal;“ warf der Junge ein, „du bist wohl der tapferste Mann der Welt, oder was?“

„Nee, bin ick nich,“ rief der Laute verärgert aus, „und ick hab ooch nich jesacht, det ick der mutichste Mann aufe Welt bin. Ick hab jesacht, det ick det Meene in diesem Kampf tun werde – det hab ick jesacht. Und det werd ick ooch, bestimmt. Und überhaupt, wer bist denn du. Du sprichst, als würdest du dich für Napoleon Bonaparte halten.“ Er starrte den Jungen einen Moment lang wütend an, dann verschwand er.

Missmutig schrie der Junge seinem Kameraden nach: „Musst ja nich gleich durchdrehn deswegen!“ Aber der Andere ging wortlos weiter.

Als sein Kamerad beleidigt verschwunden war, fühlte er sich mutterseelenallein. Seine Unfähigkeit, auch nur die geringste Gemeinsamkeit in ihren Anschauungen zu entdecken, machte ihn noch erbärmlicher als vorher. Es sah so aus, als ob niemand sonst mit einem so schrecklichen Zwiespalt zu kämpfen hatte. Er war ein psychischer Sonderfall.

Langsam ging er zum Zelt zurück und streckte sich auf dem Laken neben dem langen Soldaten aus, der bereits schnarchte. Im Dunkeln beschlich ihn die Ahnung einer natternzüngigen Furcht, die seinen Rücken hochkroch und ihn zur Flucht trieb, während Andere ungerührt ihren Dienst fürs Vaterland taten. Er fürchtete, dass jeder einzelne seiner Nerven diesem Ungeheuer sein Ohr leihen würde, die anderen Männer dagegen taub dafür waren und unbeeindruckbar.

Und während er unter der Bürde derartiger Gedanken schwitzte, hörte er gemurmelte, ruhige Worte: „Ich setze Fünf.“ „Tu einen drauf.“ „Sieben.“ „Sieben zum Sehn.“ Er starrte den roten, flackernden Schein des Feuers auf der hellen Plane seines Zelts an, bis er einschlief, krank und zermürbt von der Eintönigkeit seiner Grübeleien.

Stephen Crane, Die rote Tapferkeitsauszeichnung.

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