Читать книгу Stephen Crane, Die rote Tapferkeitsauszeichnung. - Jan Moewes - Страница 6

III

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In der nächsten Nacht wurden die Marschkolonnen zu violetten Streifen, die sich über zwei Pontonbrücken hinzogen. Ein loderndes Feuer gab dem Wasser des Flusses die Farbe von Rotwein. Sein flackernder Schein schmückte die endlose Schnur der Soldaten mit silbernem und goldenem Gefunkel. Am gegenüberliegenden Ufer zeichnete sich dunkel und bedrohlich die Wellenform der Hügel gegen den Himmel ab. Der Chor der nächtlichen Insekten klang schwermütig herüber.

Am anderen Ufer angekommen, war dem Junge klar, dass sie jeden Augenblick gnadenlos und ohne jede Vorwarnung aus den Höhlen des düsteren Waldes angegriffen werden konnten. Mit weit offenen Augen starrte er in das Dunkel.

Doch sein Regiment erreichte den Lagerplatz ohne Zwischenfälle und die Soldaten fielen in den tiefen Schlaf erschöpfter Männer. Früh am Morgen wurden sie aufgescheucht und über einen schmalen Weg tief in den Wald geführt.

Bei diesem Eilmarsch legte das Regiment einiges von dem ab, was sie sofort als Neulinge erkennen ließ.

Die Männer hatten angefangen, die Meilen an den Fingern abzuzählen und sie wurden müde. „Wunde Füße und knappe Rationen, dat isset“, sagte der Vorlaute. Sie schwitzten und fluchten. Nach einer Weile rissen sie sich die Tornister runter. Einige warfen sie einfach weg, andre versteckten sie sorgfältig und machten Pläne, sie bei der ersten Gelegenheit zurückzuholen. Dicke Hemden wurden sich vom Leib gerissen. Bald schleppte kaum noch jemand mehr als das Nötigste an Kleidung mit, eine Decke, Brotbeutel, Feldflasche, sowie Waffen und Munition. „Wennde essen und schießen kannz“, sagte der Lange zu dem Jungen, „haste alles, wasse brauchs.“

Der Übergang von der schweren Infanterie der Ausbildung zur leichten und schnellen Infanterie im Feld ging erstaunlich schnell vonstatten. Derart von ihrer Last befreit, gewann die Truppe neuen Schwung. Aber sie hatte auch eine Menge brauchbaren Gepäcks und wirklich guter Hemden verloren.

Dennoch machte das Regiment keineswegs den Eindruck erfahrener Kämpfer. Normalerweise erkennt man in der Armee die Altgedienten daran, dass sie eher wie kleine Grüppchen wirken. Ein paar herumstreunende Veteranen, die über die langen Kolonnen staunten, als die endlich im Feld ankamen, begrüßten sie deshalb mit den Worten: „Hallo Jungs, was seid Ihr denn für´ne Brigade?“ Und als sie zur Antwort bekamen, dass es sich nicht um eine Brigade handele sondern um ein Regiment, hatten die älteren Soldaten gelacht und ausgerufen: „Oh Gottegott!“

Außerdem waren sich die Kopfbedeckungen allzu ähnlich. Die Kappen eines Regiments bezeugten meist sehr genau die Entwicklung des Kopfschmucks über mehrere Jahre. Zu allem Überfluss war der Glanz der goldenen Buchstaben auf ihren Feldzeichen kein bisschen verblasst. Sie waren neu und blitzblank, und die Träger hatten die Fahnenstangen frisch poliert.

Kurz darauf rastete die Truppe erneut und hatte Zeit zum Nachdenken. Der Duft der friedlichen Pinien stieg ihnen in die Nase. Regelmäßige Axthiebe schallten durch den Wald, und die Insekten, die im Geäst krabbelten, lärmten wie alte Frauen. Der Junge beschäftigte sich wieder mit seiner Theorie der blauen Demonstration.

Doch eines grauen Morgens stieß ihn der lange Soldat an, und bevor er noch richtig wach war, sah er sich inmitten von Männern, die bald vor Anstrengung keuchten, einen Waldweg hinab rennen. Seine Feldflasche klapperte rhythmisch gegen sein Bein und der Brotbeutel schlingerte hin und her. Sein Gewehr hüpfte bei jedem Schritt von der Schulter und drohte, ihm die Kappe vom Kopf zu stoßen.

Er hörte die Männer kurze Sätze keuchen. „Sachma - was soll das alles?“ „Was zum – Donnerwetter - rennen – wir hier lang?“ „Willi – tritt mir nich – aufe Füsse – du Trampeltier!“ Auch die schrille Stimme des Schreihalses war zu hören: „Wat zum Teufel – ham die et – so eilich?“

Der Junge hatte den Eindruck, dass die rennende Menschenmenge den dichten Morgennebel aufscheuchte. In der Ferne knatterten plötzlich Schüsse.

Er war verwirrt. Während er mit den Kameraden rannte, versuchte er nachzudenken, aber er begriff, dass die hinter ihm Kommenden über ihn hinwegtrampeln würden, falls er stürzen sollte. Er brauchte wirklich all seine Sinne, um die Hindernisse zu überspringen oder ihnen auszuweichen. Ihm war, als würde er von der Horde mitgerissen.

Die Sonne schickte ihre enthüllenden Strahlen aus und ein Regiment nach dem anderen wurde sichtbar, als ob die bewaffneten Männer gerade aus der Erde wuchsen. Dem Jungen wurde klar, dass der Moment gekommen war. Nun musste er sich beweisen. Im Angesicht dieser großen Prüfung fühlte er sich wie ein Kleinkind, und sein Herz schien offen zu liegen. Er nahm sich die Zeit für einen abwägenden Blick rundum.

Sofort sah er, dass es ihm nicht möglich sein würde, dem Regiment zu entkommen. Es schloss ihn ein. Nach allen Seiten war er umringt von ehernen Regeln und einer Tradition, die Gesetz war. Er war in einer beweglichen Kiste eingesperrt. Als er das erkannte, fühlte er, dass es nie sein Wunsch gewesen war, in den Krieg zu ziehen. Er hatte sich nicht aus freier Entscheidung gemeldet. Ein unbarmherziges Regime hatte ihn mitgrissen. Und nun schickten sie ihn los, um sich schlachten zu lassen.

Das Regiment rutschte einen Abhang hinunter und watete durch ein Flüsschen. Die klägliche Strömung gluckerte langsam weiter und aus dem schwarzen Schatten des Wassers schauten weisse Luftbläschen den Männern nach. Als sie das andere Ufer bestiegen, setzte das Donnern der Artillerie ein. Da vergaß der Junge alles andere und kroch, von Neugier übermannt, den Hang so schnell hinauf, dass der Blutrünstigste ihn nicht überholt hätte. Er erwartete ein Schlachtenbild.

Was er sah, waren ein paar kleine Felder, von Hecken begrenzt und vom Wald eingeschlossen. Über das Grün und zwischen den Baumstümpfen verstreut konnte er Grüppchen und wogende Reihen von Kämpfenden erkennen, die von hier nach dort rannten und in die Gegend feuerten. Eine dunkle Frontlinie zog sich im strahlenden Sonnenschein quer über eine Lichtung. Eine Fahne flatterte im Wind.

Weitere Regimenter drängelten die Uferböschung hoch. Die Brigade hatte sich in Schlachtordnung formiert und rückte nach einer Pause langsam zwischen den Bäumen vor, den zurückweichenden Feinden nach, die immer wieder von der Bildfläche verschwanden, um etwas weiter hinten wieder aufzutauchen. Sie waren emsig wie die Bienen, jeder in seine eigene kleine Schlacht vertieft.

Der Junge war bemüht, sich nichts entgehen zu lassen. Er vergaß, Bäumen und Ästen auszuweichen, und seine unachtsamen Füße stießen ständig gegen Steine oder sie verfingen sich im Gestrüpp. Das Durcheinander der Batallione sah aus wie leuchtend rotes Flechtwerk im weichen Teppich aus sanftem Grün und Braun. Als Schlachtfeld schien es ihm kein passender Ort zu sein. Die vorrückenden Kämpfer faszinierten ihn. Ihre Schüsse ins Dickicht und auf weit entfernte, große Bäume erzählten von verborgenen, unbegreiflichen und feierlichen Tragödien.

Auf einmal stieß die Linie auf einen gefallenen Soldaten. Er lag auf dem Rücken und starrte in den Himmel. Er trug eine ungewöhnliche beigebraune Uniform. Der Junge sah, dass die Sohlen seines Schuhwerks abgetragen waren wie dünnes Pergament, und aus einem großen Loch schaute der tote Fuß trostlos hervor. Es war, als hätte sein Schicksal ihn betrogen. Im Tod zeigte es seinen Feinden die Armut, die er seinen Freunden im Leben wahrscheinlich verborgen hatte.

Verstohlen öffnete sich die Linie, um dem Leichnam auszuweichen. Der unangreifbare Tote bahnte sich seinen Weg. Aufmerksam musterte der Junge das aschgraue Gesicht. Der Wind spielte in seinem blonden Bart. Es sah aus, als würde eine Hand ihn kraulen. Am liebsten hätte er ihn von allen Seiten betrachtet; der Versuch des Lebenden, in den toten Augen die Antwort auf seine Fragen zu lesen.

Die Zuversicht, die der Junge gewonnen hatte, bevor er das Schlachtfeld erblickte, löste sich in nichts auf. Seine Neugier war schnell befriedigt. Hätte ihn eine überwältigende Szene gefesselt, als er auf der Höhe der Uferböschung ankam, wäre er vielleicht tollkühn vorangestürmt, aber das Vorrücken in dieser Landschaft war zu beschaulich. Er konnte nachdenken. Er hatte die Zeit, sich selbst zu befragen und seine Eindrücke zu ordnen. Verrückte Einfälle schossen ihm durch den Kopf. Ihm war, als mochte er die Landschaft nicht. Sie bedrohte ihn. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und auf einmal hatte er das Gefühl, dass seine Hosen ganz und gar nicht an seine Beine passten.

Ein Haus, das friedlich auf einem fernen Feld stand, schien ihm ein bedrohliches Aussehen zu haben. Die Schatten der Bäume waren unheimlich. Er war sicher, dass in seinem Blickfeld feindliche Raubtieraugen lauerten. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass die Generäle keine Ahnung hatten, was sie taten. Das alles war eine Falle. Jeden Moment konnten diese Wälder mit einer Unzahl von Gewehren gespickt sein. Unerbittliche Brigaden würden aus dem Hinterhalt auftauchen. Sie alle würden geopfert werden. Die Generäle waren Dummköpfe. Gleich würde der Feind die ganze Truppe verschlingen. Erbost schaute er sich um, sicher, seinen Tod heranschleichen zu sehen.

Er fand, dass er aus der Linie ausbrechen und seine Kameraden warnen sollte. Sie sollten nicht alle wie Schweine geschlachtet werden, und er war sicher, dass es so kommen würde, falls er sie nicht auf die Gefahr aufmerksam machen würde. Die Generale waren Idioten, sie in einen so offensichtlichen Hinterhalt zu schicken. Im ganzen Korps gab es nicht mehr als ein einziges Paar Augen. Er musste vortreten und eine Rede halten. Klare und eindringliche Worte lagen ihm auf den Lippen.

Die Frontlinie, durch das Gelände in kleine bewegliche Gruppen zerrissen, rückte langsam durch Wäldchen und über freie Felder vor. Der Junge betrachtete die Männer in seiner Nähe und sah vor allem gespannte Gesichter, als ob sie etwas aufklären wollten, was ihr Interesse geweckt hatte. Einer oder zwei bewegten sich, als sei der Krieg etwas alltägliches für sie. Andere gingen vorsichtig wie auf dünnem Eis. Der Großteil der unerfahrenen Männer schien ruhig und in Gedanken versunken. Sie waren im Begriff, einen Blick auf den Krieg zu werfen, das rote Tier – Krieg, der mit Blut gestillte Gott. Und sie waren völlig in ihren Vormarsch vertieft.

Als er das sah, blieb ihm ein Aufschrei in der Kehle stecken. Er erkannte, dass die Männer, selbst wenn einige nur zögernd voran schritten, über seine Warnung nur lachen würden. Sie würden ihn verspotten und möglicherweise sogar mit Steinen nach ihm werfen. Vielleicht irrte er sich ja wirklich, und dann würde seine verzweifelte Ansprache ihn für die anderen zu einem erbärmlichen Würmchen machen.

Deshalb verhielt er sich wie einer, der wusste, dass er mit seiner selbst gewählten Verantwortlichkeit allein gelassen war. Verzweifelte Blicke zum Himmel werfend ließ er sich zurückfallen.

Da überraschte ihn sein junger Kompanieführer, der ihn kräftig mit dem Griff seines Säbels schubste und mit mit zorniger Stimme schrie: „Los jetzt, junger Mann, sieh zu, daß du an deinen Platz kommst. Hier gibts kein Bummeln“. Er beschleunigte seine Schritte. Und er hasste den Leutnant, der einen Feingeist nicht zu würdigen wusste. Ein richtiger Rohling war das.

Nach einer Weile machte die Brigade Halt im Sonnenschein einer Lichtung. Das Feuer der Kämpfenden war immer noch zu hören. In den Lücken zwischen den Bäumen konnte man die Rauchwolken ihrer Schüsse sehen. Manchmal erschienen sie wie kleine Bällchen, dicht und weiß.

Während dieser Rast begannen viele Männer des Regiments notdürftige Wälle vor sich anzuhäufen. Sie benutzten Steine, Äste, Erde und alles wovon sie dachten, es könnte eine Kugel aufhalten. Einige bauten vergleichsweise lange, während andere mit kleinen Häufchen zufrieden zu sein schienen.

Dieses Unterfangen führte zu Streitgesprächen zwischen ihnen. Ein paar wollten wie Duellanten kämpfen und meinten, das Richtige sei, aufrecht zu stehen und von Kopf bis Fuß sichtbar zu sein. Sie sagten, dass sie die Vorkehrungen der Vorsichtigen albern fanden. Andere dagegen lachten sie aus und verwiesen auf die Veteranen nebenan, die den Boden wie Terrier aufwühlten. Nach kurzer Zeit gab es fast sowas wie einen Schutzwall entlang der Frontlinie des Regiments. Doch im nächsten Moment erhielten sie den Befehl, die Stellung zu wechseln. Das verblüffte den Jungen. Der Aufbruch unterbrach seine Bemühungen.

„Also sachma, warum ham sie uns denn erst hierher gebracht?“ wollte er von dem langen Soldaten wissen. Voll ruhiger Zuversicht begann der Angesprochene mit einer umständlichen Erklärung, obwohl auch er nun gezwungen war, den kleinen Schutzwall aus Steinen und Dreck zu verlassen, auf den er so viel Mühe und Sorgfalt verwandt hatte.

Als das Regiment seine neue Stellung bezogen hatte, sorgte die allgemeine Verunsicherung der Männer für eine neue Linie kleiner Befestigungen. Das Mittagessen nahmen sie hinter einem dritten Wall ein. Auch von diesem wurden sie abgezogen. Offensichtlich ziellos wurden sie von einem Ort zum anderen verlegt.

Man hatte dem Jungen beigebracht, dass der Krieg einen anderen Mann aus einem machte. In diesem Wandel sah er seine Rettung. Deshalb war das Warten eine Prüfung für ihn. Er fieberte vor Ungeduld. Seiner Meinung nach war das Fehlen eines klaren Plans auf Seiten der Generäle deutlich zu erkennen. Er fing an, sich bei dem Langen darüber zu beklagen. „Lange halte ich das nicht mehr aus“, meckerte er, „ich kann nicht verstehen, was das bringt, uns von einem Platz zum andern zu schleppen.“ Er wollte ins Lager zurück, wohl wissend, dass es um nichts als eine blaue Schau ging; oder er wollte in die Schlacht ziehen und herausfinden, dass er ein Dummkopf gewesen war mit seinen Zweifeln, und in Wirklichkeit seinen Mann stand wie jeder andere. Den gegenwärtigen Ablauf des Geschehens empfand er als unerträglich.

Der abgeklärte Lange schmierte sich eine Stulle mit Schweinefleisch und verzehrte sie gleichgültig. „Ach, ich denke, wir müssen die ganze Gegend auskundschaften, um sie nich zu nah´ rankommen zu lassen, oder sie auseinander zu ziehen oder sonstwas.“

„Oho! schrie der Vorlaute.

„Also“, rief der Junge, „ich würd alles lieber machen als den ganzen Tag rumlatschen ohne irgendwas Vernünftiges zu tun und mich bloß kaputt zu machen.“

„Dat jeht mir jenau so.“ sagte der Schreihals. „Dat is nich in O´dnung. Ick sach dir, wenn irjendwer mit Jrips diese Armee führen würde, dann..“

„Jetzt halts Maul!“ brüllte der lange Gefreite. „Du armer Schwachkopf. Du verdammter blöder Esel. Du has diese Jacke und die Hose ma gerade sechs Monate und du redest, als ob de..“

„Naja, ick will auf jeden Fall ma kämpfen.“ unterbrach ihn der Andere. „Ick bin nich hierher jekomm´, um bloß rumzulaufen. Ick hätt jenau so jut nach Hause jehn und immer ummen Stall rumlaufen können, wenn ick bloß rumlaufen wollte.“

Der Lange aß sein nächstes Brot, als ob er vor Verzweiflung Gift nähme. Aber, während er kaute, wurde sein Gesichtsausdruck wieder ruhig und zufrieden. Er konnte sich nicht wütend rumstreiten bei solchen Broten. Wenn er aß, war es immer, als erforschte er glücklich jeden Bissen, bevor er ihn schluckte. Sein Geist schien sich dann mit der Nahrung zu vereinen. Jede neue Umgebung, jeden Umstand nahm er gelassen hin und nutzte die Gelegenheit, sich seinem Brotbeutel zu widmen. Auf dem Marsch bewegte er sich wie ein Jäger und weder das Tempo noch die Entfernung beeindruckten ihn. Er hatte kein Wort gesagt, als er dreimal weiter gescheucht worden war, nachdem er einen Schutzwall aus Steinen und Erde gebaut hatte, der so hervorragend gebaut war, dass er ihn seiner Großmutter hätte widmen können.

Am Nachmittag kamen sie wieder an dem Platz an, den sie am Morgen erreicht hatten. Da beunruhigte die Landschaft den Jungen nicht mehr. Da er sie schon durchquert hatte, war sie ihm vertraut.

Als sie jedoch in ein unbekanntes Gebiet kamen, befielen ihn erneut seine alten Sorgen über Dummheit und Versagen, aber diesmal war er entschlossen, sie nicht zu beachten. Sein Problem ließ ihn nicht los, und in seiner Verzweiflung redete er sich ein, dass die Dummheit nicht das Schlimmste sei.

Dann wiederum kam er zu dem Schluss, dass es das Beste wäre, direkt getötet zu werden, und so seiner Not ein Ende zu setzen. So betrachtet schien ihm der Tod nichts als eine unendliche Rast, und für eine Weile kam es ihm wirklich erstaunlich vor, wie sehr ihn die ganz alltägliche Möglichkeit, getötet zu werden, beunruhigt hatte. Er würde sterben; er würde dorthin gehen, wo man ihn verstehen würde. Es hatte keinerlei Sinn, Mitgefühl für seine tiefen und feinen Empfindungen von jemand wie dem Leutnant zu erwarten. Nur im Grab konnte er Verständnis erwarten.

Das Feuer der Kämpfenden steigerte sich zu anhaltendem Geknatter.

Dazwischen mischten sich entfernte Anfeuerungsschreie. Eine Batterie brüllte auf.

Bald sollte der Junge die Kämpfer rennen sehen. Musketenfeuer verfolgte sie. Dann wurde das heiße, gefährliche Aufblitzen des Mündungsfeuers sichtbar. Rauchwolken zogen unverschämt langsam über das Feld wie beobachtende Gespenster. Der Lärm schwoll an wie das Donnern eines näher kommenden Zuges.

Auf der rechten Seite vor ihnen trat eine Brigade mit Mark und Bein erschütterndem Geschrei in Aktion. Es war, als explodierte sie. Und kurz darauf lag sie auseinandergezogen in der Entfernung hinter einer langen grauen Mauer, die man erst, wenn man zweimal hinschaute, als Pulverdampf erkannte.

Der Junge vergaß seinen schönen Plan, sich töten zu lassen, und starrte gebannt auf das Geschehen. Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen verfolgte er angestrengt das Durcheinander vor sich. Da fühlte er plötzlich eine bedeutungsschwere Hand auf seiner Schulter. Aus seiner Trance erwacht, drehte er sich um und sah den Schreihals.

„Dat is mein erster und mein letzter Kampf, Alter“, sagte der mit eindringlichem Blick. Er war blass und seine Lippen zitterten.

„He?“ murmelte der Junge erstaunt.

„Dat is mein erster und letzter Kampf, Alter“, wiederholte der Andere. „Irjendwat sacht mir...“

„Waas?“

„Mit mir iss´ aus, gleich diesma - und ick mö – möchte, dass du diese Sachen hier – zu – meinen- Leuten bringst.“ Er endete mit einem gequälten Schluchzer. Dann gab er dem Jungen ein kleines, gelb eingewickeltes Päckchen.

„Aber, was zum Teufel..“, begann der Junge noch einmal.

Aber der Andere warf ihm einen Blick wie aus dem Grabe zu, erhob bedeutungsvoll seine schlaffe Hand und wandte sich um.

Stephen Crane, Die rote Tapferkeitsauszeichnung.

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