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Margot Fleischmann macht sich hübsch
Оглавление„Ich bin fett und schön“, sagte Margot Fleischmann, betrachtete sich zufrieden im Spiegel und zog ihre Augenbrauen mit Kajal nach, damit diese zumindest für eine kurze Weile von ihrem Doppelkinn und den Hängebacken ablenken würden. Sie war verabredet, verabredet mit Hugo Bollhammer, dem Mann, den die dicke Margot seit Jahren anschmachtete, für den sie die Sterne vom Himmel risse, wenn er sie bloß endlich einmal darum bäte. Jetzt nur noch der Lippenstift. Dunkelrot – kräftigst aufgetragen natürlich. Sie zog eine Schnute. Margot hätte sich sofort genommen. Was war sie doch ein scharfes Geschoss für ihr Alter! Wahnsinn!
„Du bist einfach geil, Margot, supergeil“, brummte sie mit ihrer tiefen Stimme, die im Winkelrother Kirchenchor stets herauszuhören war und lachte. Wenn Hugo heute nicht anbeißen würde, dann wüsste sie es auch nicht. Heute hätte sie ihn sicher! Noch ein bisschen Parfüm, ruhig etwas mehr, konnte ja nicht schaden, falls sie draußen säßen.
„Du bist ‘ne Wucht, Margot“, bestätigte sie ihrem Spiegelbild. „Einfach eine Wucht!“
Sie spürte, wie sie bereits nervös wurde, wie jedes Mal, wenn sie wusste, dass sie auf Hugo träfe. Eigentlich – so hatte sie gedacht – müsste das doch irgendwann einmal rum sein, diese Aufgeregtheit, dieses komisch-angenehme Gefühl im Bauch, das nicht von ihren sporadischen Blähungen kam. Sie war schließlich keine zwanzig mehr! Sie fühlte sich zwar ebenfalls noch nicht wie zweiundsechzig – das war laut allen amtlichen Dokumenten ihr tatsächliches Alter, und, wenn man manch anderen fragte, zum Beispiel Hugo Bollhammer, auch mindestens das Alter ihres Aussehens –, aber zwanzig, nein, zwanzig war sie nun wirklich keine mehr.
Bevor sie das Haus verließ, warf sie ein letztes Mal einen prüfenden Blick in den Garderobenspiegel. Sie strich sich über ihre – passend zum Lippenstift – dunkelrote Bluse mit weißen Herzchen. Dabei beschlich sie das dumpfe Gefühl, dass das gute Stück beim letzten Waschen eingelaufen sein musste, da sie nicht davon ausging, zugenommen zu haben. Herrje, was saß die Bluse spack! Andererseits kam so natürlich ihre Figur besser zur Geltung. Man sollte stets das Positive sehen und was ihre Figur anging, war Margot bereits ein Leben lang Optimistin.
Gerade als sie mit einem beinahe schmerzhaften Stöhnen die massigen Füße in ihre besten Riemchenpumps zwängen wollte, klingelte das Telefon. Sie stöhnte erneut, doch nun klang es genervter und weniger schmerzvoll. Eilig trampelte sie ins Wohnzimmer.
„Ja, wat gibt et“, dröhnte ihre sonore Stimme. „Ich bin aufm Sprung!“
„Doch, bin ich…“
„Aber sicher kann ich springen…“
„Schieß los, Rosi, zwei Minuten gebe ich dir.“
„Nein, was du nicht sagst!“
„Heute Morgen?“
„Dat gibt et ja nicht!“
„Nein! Die Ärmste! Das stelle ich mir ja schrecklich vor!“
„Und das bei uns… Man ist nirgendwo mehr sicher.“
„Genau, du sagst es, nicht mal in Winkelroth.“
„Tu das, Rosi.“
„Ich auch.“
„Ja, tschöö.“
Margot legte auf. Das müsste sie unbedingt Hugo erzählen! Das würde ihn sicher interessieren. Aber bei Hugo wusste man nie. Sie würde sich auch nicht wundern, wenn er längst über alles im Bilde wäre. Der tat immer so zurückgezogen und knurrig, war allerdings meistens über alles bestens informiert, was sich um ihn herum ereignete. Im Flur harrte ihrer unterdessen hämisch grinsend das Paar Pumps.
„Scheißdinger“, brummte Margot und suchte nach den Flipflops vom letzten Urlaub. Hugo würde ihr ja nicht auf die Füße schauen, dachte sie, und jauchzte innerlich, als sie die beiden fand. Erleichtert schlappte sie aus dem Haus.