Читать книгу Das Buch von der höchsten Wahrheit - Jan van Ruysbroeck - Страница 4

VORREDE

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Der Prophet Samuel beweinte den König Saul, obschon er wußte, daß Gott ihn verschmäht und verworfen hatte, ihn und die Zeit seines Königtums in Israel. Das war wegen seiner Hoffart, und weil er Gott ungehorsam war und jenem Propheten an Gottes statt.

- Man liest aber auch in den Evangelien, dass die Jünger den Herrn baten für das heidnische Weib aus Kanaan, dass er sie entließe, d. h. dass er ihr Begehren erfülle, weil sie nach ihm rief. - So möchte auch ich sagen, dass wir alle die betrogenen Menschen beweinen müssen, die sich einbilden Könige zu sein in Israel, weil es ihnen dünkt, sie seien über andere gute Menschen erhaben durch ein hohes schauendes Leben, und die dabei doch hoffärtig sind und mit Wissen und Willen Gott, dem Gesetz, der heiligen Kirche, und allen Tugenden ungehorsam sind.

Und so wie Saul den Mantel des Propheten Samuel abriss, so bemühen sie sich, die Einheit des christlichen Glaubens, aller wahrhaften Lehren und tugendhaften Lebens zu zerreißen. Verharren sie dabei, so werden sie geschieden und ausgeschlossen von dem Reich des ewigen Schauens, gerade so wie Saul vom Reiche Israel. Das demütige Weiblein von Kanaan aber, obschon sie eine Heidin und Fremde war, glaubte und hoffte auf Gott, bekannte und beichtete seine Kleinheit vor Christus und seinen Aposteln: und deshalb empfing sie Gnade, Gesundheit, und was sie begehrte. Denn den Demütigen erhebt Gott und erfüllt ihn mit allen Tugenden; und dem Hoffärtigen steht Gott entgegen, und ein solcher bleibt leer von allem Guten.

Kurze Wiederholung der höchsten Lehren.

Seht, ich habe also gesagt: daß der schauende Liebhaber Gottes mit Gott vereinigt sei durch Mittel, und auch ohne Mittel, und drittens ohne Differenz oder Unterschied. Und das finde ich in der Natur, in der Gnade, und auch in der Glorie. Ich habe ferner gesagt, dass keine Kreatur so heilig sein und werden könne, dass sie ihre Geschaffenheit verlöre und Gott würde. Auch die Seele unseres Herrn Jesus Christus wird ewig Kreatur bleiben und ein ande¬res als Gott. Nichts desto weniger müssen wir alle über uns selbst in Gott erhoben sein und ein Geist mit Gott in Minne, wenn wir selig sein sollen. Merkt euch darum meine Worte und meine Meinung und verstehet recht wohl, wie die Weise und der Zugang zu unserer ewigen Seligkeit ist.

Einigung durch Mittel.

Ich sage nun zunächst, dass alle guten Menschen mit Gott durch Mittel vereint sind. Dieses Mittel ist die Gnade Gottes und die Sakramente der heiligen Kirche, die göttlichen Tugenden, Glaube Hoffnung und Liebe, und ein tugendhaftes Leben gemäß den Geboten Gottes; dazu gehört, dass man den Sünden und der Welt absterbe, wie auch aller ungeordneten Lust der Natur. Dadurch bleiben wir der heiligen Kirche, d. i. allen guten Menschen vereint, und mit diesen sind wir Gott gehorsam und eines Willens mit ihm, gleichsam wie ein richtiges Kloster mit seinem Vorsteher vereint ist. Ohne diese Vereinigung aber kann niemand Gott wohlgefallen, noch erhalten bleiben. Wer diese Einigung durch die genannten Mittel bis zum Ende seines Lebens behält, von dem spricht Christus im Evangelium Johannis zu seinem himmlischen Vater: „Vater, das ist mein Verlangen, dass wo ich bin auch mein Diener sei, damit er sehen möge die Herrlichkeit, die du mir gegeben.“ Und an einer anderen Stelle sagt er, dass seine Diener sitzen sollen bei dem Gastmahl (d. h. im Reichtum und der Fülle der Tugenden, die sie gewirkt haben), und er werde von einem zum anderen gehen und sie bedienen mit seiner Glorie, die er errungen hat. Die Glorie wird er freiwillig allen seinen Lieben schenken und offenbaren, und jedem einzelnen besonders (mehr oder weniger, je nachdem er dessen würdig ist und es fassen kann) die Erhabenheit seiner Glorie und seiner Ehre, die er allein durch das Verdienst seines Lebens und seines Todes verdient hat.

Und Christus wird, seiner Menschheit nach, über allen Heiligen und über allen Engeln stehen, als ein Fürst aller Glorie und Ehre, die seiner Menschheit allein über allen Kreaturen gebührt. Seht, nun werdet ihr verstehen, dass wir mit Gott durch Mittel vereinigt sind, sowohl hier in der Gnade als auch dort in der Glorie. Es ist aber großer Unterschied und Verschiedenheit in diesen Mitteln; das gilt sowohl vom Leben als auch von der Belohnung, wie ich euch gesagt habe. Sankt Paulus verstand dieses wohl, da er bat und verlangte, seines Leibes entledigt und mit Christo vereinigt zu sein; er sagte aber nicht, dass er selbst Christus oder Gott sein wolle, wie manche ungläubige, verkehrte Leute tuen, welche behaupten, sie hätten keinen Gott, sondern seien sich selber so abgestorben und mit Gott vereint dass sie Gott geworden seien.

Von verkehrten müssigen Menschen.

Sehet, solche Leute sind vermittelst simpler Vereinfachung und natürlicher Neigung in die Nacktheit ihrer Wesenheit eingekehrt, und infolgedessen dünkt es ihnen, daß das ewige Leben nichts anderes sei, als ein bestehender seliger Zustand, ohne Unterschied in Ordnung, Heiligkeit oder Lohn. Ja, manche sind so irr, daß sie sagen, dass die Personen in der Gottheit vergehen werden und in der Ewigkeit nichts anderes bleiben werde, als die wesentliche Substanz der Gottheit; daß alle seligen Geister so einfach mit Gott in die einfache Seligkeit eingekehrt sein werden, daß sonst nichts mehr bleiben werde, weder Wollen noch Wirken, noch unterscheidende Erkenntnis von etwas Kreatürlichem. Sehet, diese Menschen sind in der unthätigen, blinden Einfachheit ihres eigenen Wesens verirrt, und suchen das SeIigsein in der bloßen Natur.

Sie sind dermaßen einfach und unthätig mit dem nackten Wesen ihrer Seele (welchem ja Gott von Natur aus stets innewohnt) verbunden, daß sie weder Eifer noch Streben zu Gott haben, sei es von außen oder von innen. In dem höchsten Teil jedoch, wo sie sich eingekehrt halten, fühlen sie nur die, in Gottes Wesen bedingte, Einfachheit ihrer eigenen Wesenheit. Und die simple Einfachheit, die sie da besitzen, halten sie für Gott, weil sie darin natürliche Ruhe finden. Und deshalb meinen sie, daß sie im Grunde ihrer Einfachheit Gott seien, derweil ihnen wahrer Glaube, Hoffnung und Liebe fehlen; und wegen der nackten ledigen Untätigkeit, die sie fühlen und besitzen, sagen sie, sie seien ohne Kenntnis, ohne Minne und unbeeinflusst von Tugend. Sie bemuühen sich demgemäß zu leben, ohne auf das Gewissen zu achten, ob sie gleich Böses tun.

Sie achten nicht auf die Sakramente, auf keine Tugend und auf keine kirchliche Uebung, und vermeinen, das alles nicht nötig zu haben, im Wahne, darüber hinaus zu sein. Nur unvollkommene Menschen, sagen sie, brauchten solches. Manche Menschen sind in dieser Vereinfältigung so eingerostet und eingelebt, dass sie so wenig wissen und beachten wollen, welche Werke Gott je vollbracht und was alle Schriften lehren, als wenn- nie eine Zeile geschrieben worden wäre. Sie meinen eben, dasjenige gefunden zu haben und zu besitzen, um dessentwillen alle Schriften geschrieben seien, nämlich ihre blinde wesentliche Ruhe, die sie fühlen.

In der That haben sie aber Gott verloren und alle Wege, die zu ihm führen können, denn sie haben ja nicht mehr Innerlichkeit und Andacht und heilige Übung als ein totes Tier. Es kommt aber auch vor, dass sie zu den Sak¬ramenten gehen, und Stellen aus der heiligen Schrift anführen, um sich desto besser beschönigen und decken zu können; dazu wählen sie aber aus der Schrift dunkle Worte, die sie fälschlich in ihrem Sinne drehen können, um anderen Menschen zu gefallen, und diese auf die Seite der falschen Ledigkeit zu ziehen, die sie fühlen.

Sehet, diese Leute meinen scharfsinniger und weiser zu sein, als irgend jemand anders, und trotzdem sind sie die plumpsten und rohesten die leben; denn was selbst Heiden und Juden und schlechte Christen, gelehrte und ungelehrte, durch natürliche Vernunft finden und verstehen, nicht einmal dazu können und wollen diese elenden Menschen kommen. - Vor dem Teufel könnt ihr das Kreuz machen, aber hütet euch ernstlich vor diesen verkehrten Menschen, und beobachtet sie scharf in ihren Worten und Werken.

Sie wollen lehren und von niemand Lehre annehmen, tadeln und von niemand getadelt sein, befehlen und niemand gehorchen. Sie wollen andere drücken, aber von niemandem gedrückt sein, wollen reden, was sie Lust haben, aber keine Widerrede dulden; sie kennen nur den eigenen Willen und sind niemandem unterthan: und das halten sie für geistliche Freiheit. Sie üben Freiheit des Fleisches, denn sie gewähren dem Leib, ewas ihm gelüstet; und das halten sie für Freiheit der Natur. Sie haben sich geeint in einer blinden dunklen Ledigkeit ihres eigenen Wesens, und meinen daselbst mit Gott eins zu sein, und halten das für die ewige Seligkeit. Dahin sind sie eingekehrt und das haben sie mit Eigenwillen und natürlicher Neigung in Besitz genommen, und um dessentwillen meinen sie über dem Gesetz, über den Geboten Gottes und der heiligen Kirche zu stehen. Sie fühlen ja über der wesentlichen Ruhe, die sie besitzen, nichts von Gott noch von Anderheit, da sich das göttliche Licht nicht in ihrem Dunkel zeigt. Es zeigt sich aber deshalb nicht, weil sie es nicht durch tätige Minne doch durch übernatürliche Freiheit gesucht haben.

Und darum sind sie von der Wahrheit und jeder Tugend in eine verkehrte Unähnlichkeit abgekommen, weil sie dahin die höchste Heiligkeit verlegen: dass der Mensch in jeder Hinsicht seiner Natur folge und ohne Zwang sei, auf dass er mit geneigtem Geiste in Ledigkeit wohnen könne, und daß er hinsichtlich der Lust des Fleisches bei jeder Bewegung nach außen kehren dürfe, um dem Fleisch genug zu tun und, schnell des Bildes gleichgültig geworden, ungehindert in die nackte Ledigkeit des Geistes wieder einkehren zu können. Seht, das ist eine höllische Frucht, die aus ihrem Unglauben erwächst, und damit wird der Unglaube genährt bis in den Tod.

Denn wenn die Zeit kommt, dass ihre Natur mit bitterem Weh und Todesangst beladen ist, dann werden sie voll von Bildern und friedlos und erschreckt von innen; dann verlassen sie ihre ledige Einkehr in die Ruhe und fallen in solche Hoffnungslosigkeit, dass niemand sie trösten kann; und da sterben sie wie tolle Hunde.

Ihrer Ledigkeit, der wird kein Lohn; wer aber böse Werke getan hat und darin stirbt, der gehört dem ewigen Feuer; - so lehrt unser Glaube. Ich habe euch nun das Böse gezeigt neben dem Guten, damit ihr das Gute umso besser verstehen und vor dem Bösen behütet werden möget. Solche Leute sollt ihr fliehen als die Todfeinde eurer Seelen, wie heilig sie auch erscheinen mögen in ihrem Gebaren, in ihren Werken, in ihrem Tun oder lassen. Denn sie sind der Boden des Teufels, und sind die gefährlichsten, die jetzt leben unter schlichten, ungelehrten und gutwilligen Menschen. Ich lasse es dabei bewenden und will wieder zu meiner Abhandlung zurückkommen, womit ich erst begonnen habe.

Einigung ohne Mittel.

Ihr erinnert euch, dass ich vorhin zeigte, wie alle Heiligen und alle guten Menschen mit Gott durch Mittel vereinigt sind. Nun will ich weiter erklären, wie sie alle mit Gott ohne Mittel geeinigt sind. Wenige sind es in diesem Leben, die dazu geeignet und genügend erleuchtet sind, um es fühlen und verstehen zu können. Wer daher die drei Einigungen, von denen ich spreche, in sich fühlen und erkennen soll, der muss vollständig und mit seinem ganzen Sein Gott leben, indem er der Gnade und den Antrieben Gottes in allen Tugenden und innerlichen Übungen genügt und folgsam ist.

Durch die Minne muss er erhoben werden, und in Gott sich und all seinem Thun ersterben; und zwar so, dass er selbst mit allen seinen Kräften weicht, und die Umgestaltung seitens der unbegreiflichen Wahrheit, die Gott selbst ist, sich vollziehen lässt. Dazu ist es nötig, dass er lebend ausgehe in Tugenden, und sterbend eingehe in Gott; in diesem beiden liegt sein vollkommenes Leben, und beides ist in ihm zusammengefügt wie Materie und Form, wie Seele und Leib. Und weil er sich hierin übt, so hat er klares, an Verständnis reiches und überströmendes Gefühl, denn er ist Gott hingegeben mit aufgerichteten Kräften, rechter Meinung, herzlicher Begierde, unablässiger Lust und mit lebendigem Ernste seines Geistes und seiner Natur.

Und weil er sich so übt und in Gottes Gegenwart hält, so überwältigt ihn die Minne, und, wie auch immer sie ihn bewege, er wächst fortwährend in Minne und allen Tugenden. Die Minne aber bewegt allzeit, dem Nutzen und der Tauglichkeit eines jeden entsprechend.

Von himmlischem Wohl und höllischem Weh.

Die nutzbringendsten Antriebe, die ein solcher Mensch fühlen kann, und zu denen er sich eignet, sind himmlisches Wohl und höllisches Weh, und die Fähigkeit, beiden zu antworten mit den entsprechenden Werken, die dazu gehören. Das himmlische Wohlsein erhebt den Menschen über alle Dinge in das freie Vermögen, Gott zu leben, und ihn zu minnen auf jede Weise, nach welcher Herz und Seele begehrt. Dann kommt die höllische Qual und beugt den Menschen nieder in ein Elend und in ein Entbehrender Labung und des Trostes, die er je vorher empfand.

In diesem Elend zeigt sich bisweilen das Wohl und bringt eine Hoffnung mit sich, die niemand leugnen kann. Und darauf fällt man wieder in eine Hoffnungslosigkeit, in der es keinen Trost gibt.

Wenn der Mensch Gott in sich fühlt mit reicher, voller Gnade, das nenne ich himmlisches Wohlsein oder himmlische Gesundheit, denn dann ist der Mensch weise und klar bei Verstand, überfließend von himmlischer Beleh¬rung, heiß und mild in Liebe, überfließend und trunken vor Freude, stark im Gefühl, kühn und schnell bereit zu allem was er weiß, das Gott wohlgefällt, und vieles derart, was nur die wissen können, die es fühlen. Wenn aber die Wagschale der Minne sinkt, wenn Gott sich mit all seiner Gnade verbirgt, dann fällt der Mensch wieder in Trostlosigkeit, in Qual und dunkles Elend, als ob er nimmermehr genesen sollte; dann fühlt er sich nicht anders als ein armer Sünder, der von Gott wenig oder nichts weiß. Aller Trost von Seite der Kreaturen ist ihm ein Verdruss; Geschmack und Trost von Gott wird ihm nicht. Und dann spricht seine Vernunft in ihm: wo ist nun dein Gott? Wohin ist alles gekommen, was du je von Gott fühltest?

Dann werden Tränen seine Speise bei Tag und Nacht, wie der Prophet sagt. Soll nun der Mensch von dieser Qual genesen, so muss er betrachten und empfinden, dass er nicht sich angehört, sondern Gott; und so muss er in freiem Willen Gottes den Selbstwillen vernichten und mit dem Verstand zu Gott hinwenden, in Zeit und Ewigkeit. Sobald der Mensch das ohne Betrübnis des Herzens, mit freiem Geiste tuen kann: sofort wird er gesund, und fühlt

den Himmel in die Hölle und die Hölle in den Himmel. Wie immer die Wagschale auf und niedergehe, er bleibt im Gleichgewicht. Was auch die Minne giebt oder nimmt, - wer sich selbst verleugnet, und Gott minnt, findet den Frieden. Wer im Leid ohne Widerwillen lebt, dessen Geist bleibt frei und unbewegt und er ist im stan¬de, unvermittelte Einheit mit Gott zu fühlen.

Denn die Einigung durch Mittel, die hat er erreicht im Reichtum der Tugend. Und deshalb fühlt er wenn er einträchtig und eines Willens mit Gott ist, Gott in sich samt der Fülle seiner Gnade, als eine lebendige Gesundheit eines Zustandes und seines Wirkens.

Warum nicht alle guten Menschen dahin gelangen.

Ihr könntet mich nun fragen, warum nicht alle guten Menschen dahin gelangen, daß sie dies fühlen. Nun hört, ich will euch die Ursache und das Warum mitteilen. Sie antworten nicht dem Antriebe Gottes mit einem Verleugnen ihrer selbst, deshalb stehen sie nicht mit lebendigem Ernste vor der Gegenwart Gottes‘ auch sind sie nicht sorgfältig in innerer Selbsterforschung. Deshalb bleiben sie stets mehr äußerlich und mannigfaltig, als Innerlich und einheitlich, und sie tun ihre Werke mehr aus guter Gewohnheit, als aus innigem Gefühl. Sie achten ehr auf besondere Weise, auf Größe und Mannigfaltigkeit guter Werke, als auf Meinen und Minnen Gottes. so bleiben sie äußerlich und vermannig -faltigt im Herzen, um werden nicht gewahr, wie Gott mit der Fülle der Gnade in ihnen lebt.

Übung um mit Gott ohne Mittel vereint zu werden.

Wie sich nun ein innerlicher Mensch, der neben aller Qual doch Gesundheit genießst, mit Gott ohne Mittel eins fühlen soll, das will ich euch sagen. – Wenn sich ein solcher lebendiger Mensch mit seinem ganzen Sein und mit allen seinen Kräften aufrichtet, und sich an Gott anlehnt mit lebendiger werktätiger Minne, so fühlt er, dass sei¬ne Minne in ihrem Grunde, wo sie beginnt und endet, genießend und ohne Grund ist. Will er nun vorandringen mit seiner wirkenden Minne in die genießende Minne, so müssen alle Kräfte seiner Seele weichen, und müssen die durchdringende Wahrheit und Güte, die Gott selbst ist, tragen und über sich ergehen lassen. So wird die Luft durchdrungen von der Wärme und Helligkeit der Sonne, und so wird das Eisen durchdrungen von dem Feuer, so daß es mit dem Feuer Feuers Werke wirkt, indem es brennt und leuchtet wie das Feuer.

Und so sage ich auch von der Luft; denn wenn die Luft Verstand hätte, so spräche sie: ich erleuchte und belichte die ganze Welt. Ein jedes aber behält seine eigene Natur, denn das Feuer wird nicht zu Eisen, noch das Eisen zu Feuer aber die Einigung geschieht ohne Vermittlung, denn das Eisen ist im Feuer drin und das Feuer im Eisen.

So auch ist die Luft im Lichte der Sonne und das Sonnenlicht in der Luft. So ähnlicherweise ist Gott jederzeit in dem Wesen der Seele, und wenn die obersten Kräfte nach innen kehren mit wirkender Minne, so werden sie mit Gott vereinigt ohne Mittel, in einem einfachen Wissen aller Wahrheit und in einem wesentlichen Fühlen und Schmecken alles Guten. Dies einfache Fühlen und Wissen Gottes wird erreicht durch wesentliche Minne , und wird geübt und erhalten durch thätige Minne; darum fällt es den Kräften zu durch die sterbende Einkehr in die Minne es ist aber der Wesenheit wesentlich zugehörig und verbleibt immer in der Wesenheit.

Deshalb müssen wir immer wieder aufs neue in die Minne einkehren, wenn wir die Minne durch die Minne auffinden wollen. Und das lehrt uns Sankt Johannes, da er sagt: „Wer in der Minne wohnt, der wohnt in Gott, und Gott in ihm.“ Obgleich nun diese Einigung zwischen dem minnenden Geist und Gott eine unmittelbare ist, so ist dennoch ein großer Unterschied, denn die Kreatur wird nicht Gott, noch wird Gott Kreatur, ähnlich wie ich dies vorhin an dem Beispiel vom Eisen und von der Luft erläutert habe. Und wie sich so schon materielle Dinge, die Gott gemacht hat, ohne Mittel vereinigen können, um wieviel mehr kann sich Gott selbst vereinigen mit seinen Geminnten, so er es will, und so diese sich mittels seiner Gnade dazu schicken und bereit machen. Deshalb steht auch (wenn Gott einen solchen innerlichen Menschen mit Tugenden geschmückt, und über diese hinaus in das schauende Leben erhoben hat) bei seiner höchsten Einkehr nichts mehr als Mittleres zwischen ihm und Gott, als nur seine erleuchtete Vernunft und seine tätige Minne. Vermittelst dieser beiden aber hat er einen Zusammenhang mit Gott, und das ist das „Einswerden mit Gott“, wie Sankt Bernhard es nennt.

Aber über der Vernunft und über der tätigen Minne ist er in ein nacktes Schauen erhoben, und ist ohne Tätigkeit in wesentlicher Minne; und da ist er ein Geist und eine Minne mit Gott, wie ich vorhin sagte. In dieser wesentlichen Minne ist er durch die Einheit, die er wesentlich mit Gott hat, unendlich über seinen Verstand erhöht, und das ist ein den schauenden Menschen gemeinsames Leben.

In dieser Erhabenheit ist der Mensch dazu befähigt (falls Gott es ihm zeigen will), in einem Gesichte alle Kreaturen im Himmel und auf der Erde, mit ihrem Unterschieden sein durch Leben und Lohn zu erkennen. - Aber der Unendlichkeit Gottes der muss er weichen und muss ihr wesentlich und ohne Ende nachfolgen; denn diese vermag keine Kreatur zu begreifen noch zu erreichen, selbst die Seele unseres Herrn Jesu Christi nicht, die doch über allen Kreaturen die höchste Vereinigung erlangt hat.

Von inneren Wirkungen der Gnade Gottes.

Seht diese ewige Minne, die in Gott lebt, und mit welcher dieser unmittelbar vereinigt ist, teilt ihr Licht und ihre Gnade allen Kräften der Seele mit, und wird dadurch zur Ursache aller Tugend. Denn die Gnade Gottes berührt die obersten Kräfte, und daraus entspringt die Liebe und die Erkenntnis der Wahrheit, Liebe zu aller Gerechtigkeit, Übung gemäß dem Rate Gottes in Bescheidenheit, bildlose Freiheit, die Überwindung aller Dinge ohne Anstrengung, und das Entgeisten in der Einheit vermittelst der Minne. So lange der Mensch in dieser Übung verbleibt, ist er fähig zu schauen und die Einigung unmittelbar zu fühlen; er fühlt die Berührung Gottes in sich, die eine Erneuerung der Gnade lind all seiner Tugenden ist. Ihr müßt nämlich wissen, daß die Gnade Gottes auch bis in die niederen Kräfte eindringt und des Menschen Herz berührt; daraus entsteht denn eine herzliche Liebe und fühlbare Freude an Gott; Liebe und Lust dringt durch Herz und Sinn, durch Fleisch und Blut und die ganze leibliche Natur, und verursacht einen Druck und eine Ungeduld am Leibe, dass der Mensch sich oft nicht zu helfen weiß; ihm wird zu Mute wie einem Trunkenen, der nicht mehr Herr über sich ist. Daher kommt denn mancher seltsame Zustand, in welchem Menschen von weichem Herzen sich nicht wohl beherrschen können.

Manchmal erheben sie ihr Haupt und schauen mit offenen Augen in den Himmel vor ungeduldigem Verlangen; jetzt lustig, jetzt Tränen, jetzt singen und schreien, bald wohl, bald wehe, oft beides zusammen; springen, laufen, in die Hände klatschen, knien, sich verbeugen; und viele derartige Erscheinungen stellen sich da ein. So lange der Mensch dabei bleibt, und sich mit offenem Herzen aufrichtet zu dem Reichtum Gottes, der in seinem Geiste lebt, dann fühlt er neuen Antrieb von Gott und neue Ungeduld der Liebe, und dann wiederholen sich alle diese Dinge.

Darum muss der Mensch vermittelst dieser sinnlichen Gefühle bisweilen durchgehen in ein geistiges Gefühl, das vernunftgemäß ist, und vermittelst dieses geistigen Gefühles weitergehen in ein göttliches Gefühl, das über der Vernunft steht, - und dann weiter vermittelst dieses göttlichen Gefühles sich selbst entsinken in ein unbe¬wegliches, seliges Fühlen. Dieses Fühlen ist unsere überwesentliche Seligkeit im Genießen Gottes und all seiner Geminnten; und diese Seligkeit ist die dunkle Stille, die allzeit leer steht; sie ist Gott wesentlich und der Kreatur überwesentlich. Und da kann man wahrnehmen, dass die Personen weichen, und verwehen in der wesentlichen Minne, d. i. in der genießenden Einheit, und dennoch immer bestehen bleiben nach persönlicher Art, in den Werken der Freiheit.

Vom Wohlgefallen der göttlichen Personen, und vom Wohlgefallen zwischen Gott und den guten Menschen.

Und so könnt ihr ersehen, dass die göttliche Natur ewig wirkt nach persönlicher Weise, und dass sie ewig tatlos besteht und weise los nach der Einheitlichkeit ihres Wesens. Wen darum Gott mit ewiger persönlicher Minne erwählt und ergriffen hat, den hat er wesentlich schon genießend besessen mit wesentlicher Minne der Einheit. Denn die göttlichen Personen umfangen sich gegenseitig in ewigem Wohlgefallen, in unergründlicher tätiger Minne in der Einheit. Und das erneuert sich fortwährend im lebendigen Leben der Dreifaltigkeit, denn da findet ein fortwährendes Neugebären in neuem Erkennen statt, neues Wohlgefallen und neu es Aushauchen in neuer Umarmung, mit neuer Flut von ewiger Minne.

In diesem Wohlgefallen sind alle auserkorenen Engel und Menschen eingeschlossen, vom ersten bis zum letzten.· Ohne dieses Wohlgefallen hätten Himmel und Erde, Leben, Wesen, Werk und Erhaltung aller Kreaturen nur allein den Hang zur Abkehr von Gott in der Sünde:

Das kommt von der eigenwilligen blinden Bosheit der Kreatur. Aus dem Behagen Gottes strömt Gnade und Glorie und alle Gaben auf den Himmel und auf die Erde und auf jedes Geschöpf besonders, gemäß seinem Bedürfnis und seiner Empfänglichkeit; denn Gottes Gnade ist für alle Menschen bereit und erwartet die Umkehr eines jeden Sünders; und wenn dieser, infolge des Antriebes der Gnade, sein Selbst verlassen und Gott mit Vertrauen anrufen will, so findet er stets Verzeihung.

Und so jemand, infolge der Gnade, mit minnelichcm Gefallen sich zurückwendet zu dem ewigen Gefallen Gottes, so wird er umfangen und umarmt in der unergründlichen Minne, die Gott selbst ist. Und er wird dadurch erneut in Minne und Tugenden, denn zwischen unserem Wohlgefallen an Gott, und Gottes Wohlgefallen an uns, findet eine Übung der Minne und des ewigen Lebens statt. Gott aber hat uns ewiglich geminnt und dies bestätigt in seinem Wohlgefallen, und wenn wir das recht bedächten, so würde unsere Minne und unser Wohlgefallen stets neu erwachen.

Da, in der gegenseitigen Beziehung der Personen in der Gottheit, erneuert sich fortwährend das Wohlgefallen durch neues Ergießen der Minne bei immer neuem Umarmen in der Einheit. Und das findet statt ohne Zeit, ohne vor und nach in ewigem „Jetzt“. Denn in diesem Umarmen in der Einheit sind alle Dinge vollendet, und in dem Ergusse der Minne wird alles gewirkt. Und in der lebendigen fruchtbaren Natur liegt die Möglichkeit des Geschehens von Allem, denn hier ist der Sohn in dem Vater und der Vater im Sohne und der Heilige Geist in ihnen beiden, und ‚sie ist eine lebendige fruchtbare Einheit, die Stätte und der Beginn alles Lebens und Entstehens.

Und darum sind darin alle Kreaturen, ohne sich, als in ihrer ewigen Ursache, ein Wesen und ein Leben mit Gott. Aber in dem unterschiedenen Ausgehen der Personen, da ist der Sohn vom Vater und der Heilige Geist von beiden. Und darin hat Gott alle Kreaturen gemacht und in ihr eigentümliches Wesen geordnet. Und den Menschen hat Gott wiedererschaffen durch seine Gnade und seinen Tod, soweit es an ihm liegt. Und er hat die Seinen mit Minne und Tugenden geziert und durch sich zu ihrem Beginn zurückgelenkt.

Dort ist der Vater mit dem Sohne und allen Geminnten umschlossen und umfangen im Band der Minne, d. i. in der Einigung des Heiligen Geistes. Und das ist dieselbe Einigung, die fruchtbar ist hinsichtlich des Auswirkens der Personen und hinsichtlich des Zurückwendens ein ewiges Minneband bildet, das niemals gelöst wird. Alle die sich so verbunden wissen, müssen ewig selig bleiben, sind reich an Tugend, klar im Schauen, und einheitlich im Genuss der Ruhe; denn in ihrer Einkehr offenbart sich die Gottesminne ausströmend mit allen Gütern, hinein-ziehend in die Einheit, und überwesentlich und weise los in ewiger Ruhe.

Deshalb sind sie alle mit Gott vereinigt durch Mittel, ohne Mittel und ohne Unterscheidung .

Wie den Guten in ihrem Schauen die Minne Gottes vorschwebt und wie sie zu Gott erhoben werden.

Die Gottesminne schwebt ihnen in ihrem inneren Sehen vor als ein allgemeines Gut, welches im Himmel und auf Erden ausströmt; und die heilige Dreifaltigkeit fühlen sie zu sich und in sich geneigt mit voller Gnade.

Darum sind sie mit allen Tugenden und mit heiligen und guten Werken innerlich und äußerlich geziert. So sind sie mit Gott vereinigt durch das Mittel der göttlichen Gnade und ihres heiligen Lebens. Und weil sie sich an Gott hingegeben haben im Tuen, im Lassen und im Erleiden, so haben sie steten Frieden und innere Freude, Trost und Sättigung, die der Welt nicht zu teil werden können, noch einer heuchelnden Kreatur, noch auch einem Menschen, der sich selbst mehr sucht und meint als die Ehre Gottes. Denselben innerlichen, erleuchteten Men¬schen schwebt außerdem in ihrem inneren Sehen, sobald sie wollen, die Gottesminne vor, als hineinziehend oder einladend in die Einheit, denn sie sehen und fühlen, dass der Vater mit dem Sohne und allen Auserwählten sich durch den Heiligen Geist umarmt halten, und mit ewiger Minne in die Einheit ihrer Natur zurückgewendet sind. Alles was aus ihr natürlicherweise oder durch die Gnade geboren ist, das zieht diese Einheit an sich und lädt es zu sich ein. Deshalb sind auch die erleuchteten Menschen mit freiem Gemüt über die Vernunft erhoben in ein nacktes, bildloses Sehen, woselbst das ewige Einladen der Einheit Gottes lebt, und mit bildlosem, nackten Verstehen gehen sie durch alle Werke lind Übungen und alle Dinge, bis in das oberste ihres Geistes.

Dort wird ihr nackter Verstand durchdrungen von ewiger Klarheit, ähnlich wie die Luft vom Sonnenlichte durchdrungen wird. Und der nackte, erhobene Wille wird übergestaltet und durchdrungen von unergründlicher Minne, ähnlich wie das Eisen vom Feuer durchdrungen wird. Und das nackte, erhobene Gedächtnis fühlt sich umgeben und gefestigt von einer unergründlichen Bildlosigkeit. Somit ist das geschaffene Bild über der Vernunft auf dreifache Weise mit seinem ewigen Urbilde geeint, welches der Ursprung seines Lebens und Wesens ist.

Und der Ursprung wird erhalten und besessen, wesentlich und ewig, durch ein einfaches Schauen in bildloser Freiheit; und so ist man über der Vernunft dreifältig in die Einheit und einfältig in die Dreiheit erhoben.

Trotzdem wird aber die Kreatur nicht Gott, denn die Einigung ist in Gott durch die Gnade und unsere hingewendete Minne. Deshalb fühlt die Kreatur Unterschied und Andersheit zwischen sich und Gott in ihrem innerlichen Hinsehen; und wenn auch die Einigung eine unmittelbare ist, so bleibt doch das mannigfache Wirken Gottes im Himmel und auf Erden dem Geiste verborgen.

Wenngleich sich Gott gibt wie er ist, klar und unterscheidbar, so gibt er sich doch in dem Wesen der Seele, wo die Kräfte der Seele über der Vernunft vereinheitlicht sind, und wo die Seelenkräfte die Überformung durch Gott einfach erleiden.

Dort ist alles Fülle und überfließend, denn der Geist fühlt sich als eine Wahrheit, ein Reichtum und eine Einheit mit Gott. Aber noch ist da ein wesentliches Vorwärtsneigen, und dieses ist ein wesentlicher Unterschied zwi¬schen dem Wesen der Seele und dem Wesen Gottes. Das aber ist der höchste und feinste Unterschied, den man zu fühlen vermag.

Von der höchsten Einigung ohne Differenz oder Unterscheidung.

Hiernach folgt die Einigung ohne Unterscheidung. Die Minne Gottes ist nämlich nicht nur als ausströmend mit allem Guten anzusehen und als hinein-ziehend in die Einheit, sondern sie ist auch über allem Unterschied ein wesentliches Genießen oder Nutznießen,. bezüglich des nackten Wesens der Gottheit. Infolgedessen haben erleuchtete Menschen ein wesentliches Hinstarren gefunden, das über der Vernunft und ohne Vernunft ist, ein genießendes Hinneigen, das durch jegliche Weise und die ganze Wesenheit strömt, indem jene Erleuchteten sich selber entsinken in einen weiselosen Abgrund grundloser Seligkeit, wo die Dreiheit der Personen ihre Natur in der wesentlichen Einheit inne hat. Seht, dort ist die Seligkeit so einfach und so weiselos, dass alles wesentliche Starren, Hinneigen und kreatürliche Unterscheiden darin aufhört und vergeht.

Alle erhobenen Geister nämlich verschmelzen und vernichten durch das Genießen in Gottes Wesen, das aller Wesenheiten Überwesenheit ist. Sie entfallen sich selber in eine Verlorenheit und ein Unwissen ohne Grund, wo alle Klarheit umgewandt ist in Finsternis, wo die drei Personen der wesentlichen Einheit weichen und unun-terschieden im Genusse der wesentlichen Seligkeit weilen. Diese Seligkeit ist Gott wesentlich und allen Geistern überwesentlich, denn kein geschaffenes Wesen kann mit Gottes Wesen Eins werden und an sich vergehen.

Denn so würde die Kreatur Gott, was unmöglich ist, weil Gottes Wesenheit sich nicht mindert noch mehrt, weder zunimmt noch abnimmt. Jedoch sind alle minnenden Geister ein Genießen und eine Seligkeit mit Gott ohne einen Unterschied; denn der selige Zustand, dessen Gott und alle seine Lieben genießen, ist so einfach ein¬heitlich, dass das weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist ist nach persönlichem Unterschied, noch auch irgend eine Kreatur. Vielmehr sind alle erleuchteten Geister über sich erhoben in ein weiseloses Genießen, welches ein Überfluss ist, über alle Fülle hinaus, die irgendeine Kreatur je empfing noch jemals empfangen kann. Denn alle erhobenen Geister sind da in ihrer Überwesenheit ein Genießen und eine Seligkeit mit Gott, ohne Unterschei¬dung; und die Seligkeit ist da so einheitlich, daß sie von keinem Unterschied berührt wird.

Und darum bat Christus, als er zu seinem himmlischen Vater betete, dass alle seine Geliebten eins würden, so wie er eins ist mit seinem Vater im Genießen durch den Heiligen Geist. Ebenso möge (darum bat und betete er) er in uns und wir in ihm und seinem himmlischen Vater eins werden im Genießen durch den Heiligen Geist.

Und das erscheint mir das minnlichste Gebet, das Christus für unsere Seligkeit gesprochen hat.

Von Christi dreifachem Gebet, dass wir eins mit Gott werden möchten.

Ihr sollt aber auch beachten, dass sein Gebet (wie es Sankt Johannes in demselben Evangelium beschreibt) ein Dreifaches war. Denn er bat, dass wir bei ihm sollten sein, damit wir die Klarheit schauen möchten, die ihm sein himmlischer Vater gegeben. Und darum sagte ich schon anfangs, dass alle guten Menschen mit Gott geeint seien durch die Vermittlung der Gnade und ihr tugendhaftes Leben. Die Minne Gottes fließt nämlich immerwährend in uns ein mit neuen Gaben, und wer dessen gewahr wird, der wird erfüllt mit neuen Tugenden, heiligen Übungen, und mit allen Gütern, wie ich schon sagte.

Diese Einigung durch die Fülle der Gnade und Glorie, mit Leib und Seele, die beginnt hienieden und dauert fort ewiglich. Des Weiteren bat Christus, dass er in uns sein möge und wir in ihm. Das finden wir in den Evangelien an vielen Stellen. Und das ist die Einigung ohne Mittel. Die Minne Gottes ist nämlich nicht nur ausströmend, sondern sie zieht uns auch nach innen in die Einheit.

Die dieses. Fühlen und wahrnehmen, werden innerliche, erleuchtete Menschen, und ihre obersten Kräfte werden, über all ihren Übungen, in die Nacktheit ihres Wesens erhoben: und da werden die Kräfte über der Vernunft in ihr Wesen vereinfacht, und darum sind sie voll und überfließend.

Denn in der Einfachheit findet sich der Geist mit Gott unmittelbar geeinigt; und diese Einigung, mit der dazu gehörigen Übung, wird ewiglich dauern, so wie ich vorhin gesagt habe. Ferner sprach Christus die höchste Bitte aus, nämlich, dass alle seine Geminnten vollkommen eins wurden, wie er eins ist mit dem Vater: nicht so eins, wie er mit dem Vater eine einzige göttliche Substanz ist, denn das ist unmöglich, - aber eins und in gleicher Einheit so, wie er mit dem Vater in wesentlicher Minne ein Genießen und eine Seligkeit ist. - Die so mit Gott dreifacherweise vereinigt sind, in denen ist Christi Bitte erfüllt.

Sie werden mit Gott ebben und fluten und allzeit im Besitzen und Genießen müßig stehen. Sie werden wirken und ertragen, und in der Überwesenheit ruhen, ohne Furcht. Sie werden ausgehen und eingehen, und Speise fin¬den hier und dort. Sie sind von Minne trunken und in einer dunklen Klarheit in Gott entschlafen. Noch vieles möchte ich hier sagen, aber die bis hierher gelangt sind bedürfen dessen nicht, und denen es gezeigt wird und die mit Minne an der Minne hangen, denen wird die Minne die volle Wahrheit wohl lehren.

Die aber nach außen gehen und von äußeren Dingen getröstet werden können, die fühlen‘s doch nicht, weil sie es nicht erfahren, und wenn ich auch viel davon sagte,. sie würden‘s doch nicht verstehen. Denn die sich vollständig in das äußere Wirken begeben, oder die werklos sind in innerer Untätigkeit, die können es nicht verstehen.

Obgleich nun die Vernunft und alles materielle Fühlen unterbleiben und dem Glauben und Hinstarren des Geistes weichen muss, wie auch den Dingen die über Vernunft sind: so bleibt dennoch die Vernunft, untätig, in der Beanlagung bestehen, und auch das sinnliche Leben; und sie können nicht vergehen, so wenig wie die Natur des Menschen vergehen kann. Und obschon ferner das Hinstarren und Hinneigen des Geistes zu Gott dem Genießen der Einheit weichen muss, so bleibt dennoch das Starren und Neigen bestehen in seinem Habitus. Denn es ist das innerliche Leben des Geistes, und bei einem erleuchteten, aufwärts steigenden Menschen ist das sinnliche Leben dem Geiste anhangend. Darum sind dessen Gefühlskräfte mit herzlicher Liebe zu Gott gefügt, und seine Natur ist mit allem Guten erfüllt; und er fühlt, daß sein geistiges Leben unmittelbar an Gott hängt. Und deshalb sind seine obersten Kräfte zu Gott erhoben mit ewiger Minne, und von göttlicher Wahrheit durchdrungen und gefestigt in bildloser Freiheit. Und somit ist er Gottes voll und überströmend ohne Maß. In dem Überströmen geschieht das wesentliche Entfließen oder Entsinken in die überwesentliche Einheit, und da ist die unterschiedlose Einigung, wie ich schon öfter gesagt habe.

Denn in der Überwesenheit enden all unsere Wege. Wollen wir mit Gott die hohen Wege der Minne gehen, dann werden wir mit ihm ewiglich ohne Ende ruhen; und demgemäß sollen wir ewiglich hintreten, eingehen, und rasten in Gott.

Ich kann euch nun für diesmal meine Meinung nicht klarer auseinandersetzen.

In allem, was ich verstehe, fühle, oder geschrieben habe, unterwerfe ich mich dem Gutachten der Heiligen und der heiligen Kirche; denn ich will leben und sterben als Christi Knecht, im christlichen Glauben, und verlange, mit der Gnade Gottes ein lebendiges Glied der heiligen Kirche zu sein.

Und so sollt auch ihr euch, wie ich schon sagte, vor den betrogenen Menschen hüten, die mit Hilfe ihrer untätigen Bildlosigkeit, mit ihrem nackten einfachen Sehen auf natürliche Weise, in sich das Wesen Gottes gefunden haben und mit Gott eins sein wollen, ohne Gottes Gnade, ohne Übung von Tugend, und ungehorsam Gott und der heiligen Kirche. Sie wollen mit all dem verkehrten Leben, das ich schilderte, Eins sein mit Gottes Sohn von Natur. Da aber der Fürst der Engel aus dem Himmel geworfen wurde, als er sich vermaß und Gott gleich sein wollte, und da der erste Mensch aus dem Paradies vertrieben wurde, weil er Gott gleich sein wollte: wie soll denn da der erbärmliche Sünder (d. i. der ungläubige Christ, der selber Gott sein will, ohne Ähnlichkeit an Gnade und Tugend) von der Erde in den Himmel kommen?

Durch eigene Kraft steigt niemand auf in den Himmel, als nur des Menschen Sohn Jesus Christus. Darum müs¬sen wir uns mit ihm vereinigen durch Gnade, Tugend und christlichen Glauben; dann werden wir mit ihm dahin aufsteigen wohin er vorangegangen ist.

Denn am jüngsten Tage werden wir alle auferstehen, jeglicher mit seinem eigenen Leichnam, und dann werden die, so gute Werke vollbracht haben, in das ewige Leben eingehen, und die schlechte Werke vollbracht haben, die gehen in das ewige Feuer.

Das sind zwei ungleiche Enden, die sich nie vereinigen können, weil eines stets vor dem anderen flieht. Betet für den, der dies verfasst und geschrieben hat, dass Gott sich· seiner erbarme, dass sein armer Anfang, seine und unser aller elende Mitte, zu einem seligen Ende gebracht werde; das verleiht uns allen Jesus Christus,der lebendige Sohn Gottes.

„Amen“.

Hört ihr eine Predigt oder gute Lehre, so merket sie euch wohl; aber mehr des Lebens als des Wissens wegen:

Denn wer viel weiß und nicht danach lebt, der verliert seine Zeit.

Das Buch von der höchsten Wahrheit

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