Читать книгу Treacherous Love - Jana Reeds - Страница 10

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Marli

Na, großartig! Genau so hatte diese Besprechung nicht ausfallen sollen. Mein persönlicher Worst Case war eingetroffen, dabei hatte ich mir ganz fest vorgenommen, mich nicht von meinen Gefühlen beeinflussen zu lassen. Und nun stand ich hier und wusste nicht, ob ich schreien sollte oder doch lieber heulen oder etwas kaputtschlagen. Wut ballte sich brodelnd in meinem Bauch zusammen, meine Brust fühlte sich viel zu eng an und nahm mir den Atem. Ich hatte das Gefühl, mir tat alles weh vor lauter Anspannung, und auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, am schlimmsten zog es im Herzen. Wir hatten alles kaputtgemacht. Wir beide.

Früher einmal war Dylan ein Freund gewesen, fast als wäre er auch mein großer Bruder. Er hatte nicht nur auf Lou aufgepasst, sondern auch auf mich. Er war immer für uns da gewesen, und in der einen oder anderen Situation war es wirklich cool gewesen, einen Bodyguard wie Dylan zu haben. Alles war perfekt, bis zu dieser Party am 4. Juli. Die Tauchschule blieb am Unabhängigkeitstag natürlich geschlossen, wir schauten uns gemeinsam mit ein paar Freunden die Parade an und kehrten dann in einer Cocktailbar ein. Von da an fing alles an, aus dem Ruder zu laufen, und mittlerweile waren wir nicht einmal mehr in der Lage, uns über das aktuelle Wetter zu unterhalten.

Seitdem Tyler mir erklärt hatte, dass ich hauptsächlich mit Dylan arbeiten würde, hatte ich mir fest vorgenommen, zumindest ein gutes professionelles Verhältnis zu ihm aufzubauen und für ein paar Monate, solange die Bergung hier dauerte, alles zu vergessen, was geschehen war. Anfangs war mir das tatsächlich geglückt, ich hatte Dylan sachlich erklärt, warum das Vorgehen mit diesem komischen Staubsauger aus archäologischer Sicht absolut indiskutabel war. Aber dann … Sein ironisches Grinsen, die Art, wie er mit mir sprach, wie er meine Bedenken lächerlich machte, seine ganze Körperhaltung … Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, das von seinem Lehrer zurechtgewiesen wurde. Setzen, sechs. Durchgefallen. Dabei hatte ich sämtliche Fakten auf meiner Seite. Was ich forderte, sollte selbst für Dylan, der anscheinend dem Schatzsucher-Virus verfallen war, nachvollziehbar sein. Ich wollte doch nur, dass die Artefakte, egal, welcher Art, erhalten blieben und nicht unter der Kraft dieses Saugers zerstört wurden. Wenn ich mir vorstellte, dass eine zarte Teetasse angesaugt wurde – so filigran gearbeitet, aus feinstem Porzellan und liebevoll per Hand bemalt. Es musste ja wohl verständlich sein, dass so eine Tasse es nicht überleben würde. Oder war es Dylan egal, da er eh nur an den wertvolleren Dingen interessiert war, die man teuer verkaufen oder eintauschen konnte? Goldmünzen, silberne Lüster, Schmuck, wertvolle Gemälde … Was kümmerte ihn da eine zarte, kleine Teetasse?

In meinem Bauch ballte sich ein Kloß zusammen und verursachte mir Übelkeit; Tränen stiegen mir in die Augen, als ich aus dem Besprechungsraum stürzte. Gerade rechtzeitig, denn das Letzte, was ich wollte, war, ausgerechnet vor Dylan in Tränen auszubrechen. Gedankenfragmente wirbelten in meinem Kopf durcheinander wie Blätter in einem heftigen Herbststurm. Ich war nicht in der Lage, auch nur einen von ihnen zu fassen. Halb blind stolperte ich durch die Gänge der Jacht, bis ich an eine Treppe kam. Die war vorhin noch nicht hier gewesen. Oder irrte ich mich? Ich wischte mir über die Augen und schaute mich um. Nein, nicht diese Treppe war neu, ich hatte mich auf der großen Jacht verlaufen. Auch der Flur war hier viel schmaler, und alles wirkte beengter als in dem Bereich, wo meine Kabine lag.

„Hey, suchst du was? Kann ich dir helfen?“

Ich drehte mich um und entdeckte den Mann, mit dem Dylan sich gestern beim Abendessen angelegt hatte. Ich hatte nicht hören können, worum es in ihrem Streit gegangen war, doch anscheinend war der Mann vor mir ebenso schlecht auf Dylan zu sprechen wie ich.

„Entschuldige, ich glaube, wir haben uns noch nicht kennengelernt. Ich bin Marli.“ Ich streckte dem Mann die Hand hin und er ergriff sie. Mit einer angedeuteten Verbeugung und einem freundlichen Lächeln erwiderte er: „Wie schön, dich kennenzulernen, Marli. Ich bin Juan, ich gehöre zum Tauchteam. Herzlich willkommen auf der Seawind.“

„Danke.“ Dieser Juan schien wirklich charmant zu sein. Ein angenehmer Kontrast zu Dylans ungehobeltem Verhalten in unserem Meeting eben.

„Suchst du was?“, fragte Juan. „Deine Kabine liegt doch am Bug, oder nicht?“

„Ähm … Ja, eigentlich schon. Ich glaube, ich habe mich auf dem Weg vom Besprechungsraum verlaufen. Irgendwie …“ Fahrig wedelte ich mit der Hand in die Richtung, aus der ich gekommen war. „Eigentlich wollte ich … Also …“ Noch immer brodelten die Emotionen in mir, und es fiel mir schwer, mich zu sammeln.

„Ist alles gut? Du bist ein bisschen blass um die Nase. Du wirst doch nicht etwa seekrank?“

„Nein, ich …“ Ich schüttelte den Kopf. Obwohl mir durchaus weiterhin übel war, schob ich dieses Unwohlsein auf Dylan. „Ich glaube, ich brauche nur ein wenig frische Luft.“

„Alles klar, da kann ich behilflich sein. Señorita …“ Galant hielt er mir seinen Arm hin, damit ich mich einhaken konnte. Dann führte er mich durch das Labyrinth an Gängen zu einer weiteren Treppe, an deren oberen Absatz ich eine Glastür erkennen konnte, durch die das Tageslicht schien.

„Vielen Dank! Ich glaube, von hier aus finde ich mich allein zurecht.“ Ich wollte meinen Arm unter dem von Juan herausziehen, aber er legte sanft seine Hand auf meine und schaute mir tief in die Augen. „Nichts da, du glaubst doch nicht, dass ich dich so gehen lasse.“ Er lächelte sanft, sein Blick wanderte über mein Gesicht und blieb für einen Moment an meinen Lippen hängen. Huch? Ich schluckte nervös. Wollte dieser Juan etwa mit mir flirten? Hatte ich womöglich irgendwelche falschen Signale ausgesendet? Meine Unsicherheit verschwand sofort, als Juan weitersprach.

„Du bist wirklich verdammt blass. Komm, ich bringe dich an Deck. Wenn du tatsächlich seekrank bist, ist frische Luft das Beste.“

Da ich noch immer reichlich aufgewühlt war, genoss ich es, dass Juan sich so lieb um mich kümmerte, und ließ mich von ihm an Deck führen.

„Setz dich auf eine der Liegen dort, ich hole dir ein Glas Wasser. Und versuch, den Blick auf den Horizont zu richten, das hilft.“ Juan deutete zu ein paar Sonnenliegen, die unter einem Baldachin standen, doch ich schaute mich erst einmal um. Auf diesem Deck war ich bisher nicht gewesen. Es sah aus wie eine Art Café. Eine Bar befand sich unter einer Überdachung, vor dem Tresen eine Reihe Barhocker. Mehrere kleinere und größere Tische mit Stühlen drumherum standen auf den glänzenden Schiffsbohlen verteilt und an der Bugseite befand sich eine Art Sonnenterrasse. Das Mobiliar wirkte – wie alles hier an Bord – teuer und erlesen. Ein Luxus, den ich bisher nicht kannte. Ich fühlte mich ein wenig eingeschüchtert von so viel Geld. Aber so toll es auch sein musste, in solchem Luxus zu leben, für mich war das nichts. Ich hatte lieber meine Ruhe, las ein gutes Buch und backte Kuchen.

Ich ließ mich auf eine der Teakholzliegen fallen und legte meine Unterlagen auf das kleine Tischchen daneben. Wieder kehrte die Besprechung von eben in meine Gedanken zurück, und ich spürte, dass der Kloß in meinem Magen sich noch mehr zusammenballte.

Niemals hätte ich gedacht, dass Dylan sich so verhalten könnte. Ich kannte ihn von klein auf und ich hatte ihn schon immer bewundert. Dylan war beliebt, selbstbewusst, er zog die Blicke auf sich mit seinen dunklen Haaren und Augen. Dazu der vom Tauchen durchtrainierte Körper … Bereits zu Schulzeiten flogen ihm die Mädchenherzen zu, er hätte jedes Wochenende eine andere haben können. Später, als er die Tauchschule seiner Eltern übernommen hatte, ging es ebenso weiter. Immer wieder sah ich Touristinnen, die sich ihm an den Hals warfen. Frauen, die Tauchkurse bei ihm buchten und sich extra dämlich anstellten, damit er Hilfestellung leistete. Bei manchen von ihnen sah man noch den Abdruck des Eheringes am Finger – vermutlich hatten sie ihn extra abgelegt.

Aber Dylan nutzte seinen Schlag bei Frauen nicht aus. Anstatt jede Woche eine andere mit ins Bett zu nehmen, hielt er sich von ihnen fern. Er blieb immer professionell und freundlich, ging jedoch nie auf die Avancen ein, die sie ihm machten. Ich konnte mich in all den Jahren nur an wenige Beziehungen erinnern, die er geführt hatte. Vielleicht lag es daran, dass er nach dem Tod der Eltern seine kleine Schwester allein großziehen musste. Doch selbst als Lou erwachsen war, änderte sich nichts. Ich hatte immer das Gefühl, Dylan wartete auf die eine besondere Frau. Er hatte kein Interesse an Abenteuern und One-Night-Stands, er wollte eine feste Beziehung. Zumindest war es das, was ich bis vor Kurzem gedacht hatte … Tja, mittlerweile musste ich schmerzhaft erfahren, dass er sehr wohl für One-Night-Stands zu haben war. Auf jeden Fall, wenn er genug Alkohol intus hatte.

„Hier, trink einen Schluck. Das wird dir helfen.“ Ich erschrak, als Juan mich ansprach und mir ein Glas mit einer hellen Flüssigkeit hinhielt.

„Was ist das?“, fragte ich und nahm das Getränk entgegen, während er sich neben mir gegenüber auf eine Sonnenliege setzte.

„Wasser mit ein paar Tropfen meiner Geheimmischung. Keine Sorge, nur ein Haufen Kräuter und so ein Zeug. Das hilft gegen die Übelkeit.“

Ich sparte mir, ihm zu erklären, dass ich keinesfalls seekrank war. Immerhin lebte ich von Geburt an auf den Florida Keys, wo gefühlt die Hälfte des Lebens auf Booten jeglicher Größe stattfand. Wenn man dort wohnte, hatte man keine Chance, nicht seefest zu sein. Aber was würde es bringen, ihm das zu erklären? Daher nahm ich das Glas und trank einen Schluck. Seine Kräutermischung schmeckte gar nicht so furchtbar, wie ich befürchtet hatte.

„Hm … Was ist da alles drin? Das schmeckt tatsächlich gut.“

Juan legte einen Finger auf die Lippen und grinste. „Das wird nicht verraten.“ Einen Moment lang musterte er mich, während ich noch einen Schluck nahm.

„Es geht mich vielleicht nichts an, aber … Solltest du nicht gerade deine Besprechung mit Dylan haben?“, fragte er dann.

Ich zuckte zusammen, denn damit hatte ich nicht gerechnet. „Hm … Ja, schon.“ Den Blick auf das Glas gerichtet, versuchte ich angestrengt, die Emotionen zu kontrollieren, die bei seiner Frage sofort wieder aufgeflammt waren.

„Nicht so gut gelaufen, was?“

Noch immer starrte ich in das Kräuterwasser, als würde alle Weisheit der Welt darin schwimmen. Als könnte ich dort eine Lösung für mein Problem mit Dylan finden.

Erst als Juan mir eine Hand auf den Arm legte, schaute ich auf.

„Nimm es dir nicht so zu Herzen. Dylan ist manchmal echt ein bisschen … schwierig.“ Er zwinkerte mir zu. „Lass dich von ihm bloß nicht verunsichern. Ich bin mir absolut sicher, du weißt, was du tust. Du musst eine verdammt gute Archäologin sein, denn Tyler stellt immer die Besten ein. Aber du bist nicht nur schlau, du bist noch dazu auch eine wunderschöne Frau. Eine umwerfende Kombination, ich liebe hübsche Frauen, die auch etwas im Köpfchen haben. Wir sollten uns unbedingt mal näher unterhalten, ich würde dich gern besser kennenlernen.“

Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung hinter Juan wahr und schaute an ihm vorbei. Für eine Sekunde erkannte ich Dylan, der in der offenen Glastür zum Sonnendeck stand. Er verzog keine Miene, sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, während er Juan und mich musterte, wie wir hier saßen.

Als Juan merkte, dass etwas meine Aufmerksamkeit erregte, drehte er sich um. Eine Sekunde später verschwand Dylan unter Deck. Täuschte ich mich, oder hatte er ziemlich wütend ausgesehen?

Treacherous Love

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