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Julians Geständnis

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2127, Keller

Zu gerne würde ich mehr erfahren, aber die Tür geht endlich wieder auf und Julian kommt rein. Er sieht kurz zu mir, ehe er zu Oliver tritt und seine Hände fesselt.

»Hey, Moment, hör auf«, sage ich und gehe näher.

»Kleine Fee«, spricht er und in seiner Stimme schwingt etwas mit, das ich nicht einordnen kann. Vor wenigen Wochen wirkte er noch knallhart und tough.

»Melanie, für dich ist nicht viel Zeit vergangen, aber vielleicht für Julian?« Erinnert er mich und ja, er hat ja Recht. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrichen ist. Doch, warum sagt er es laut? Weiß Oliver doch mehr, als er zugibt?

Seine Hände sind nun gefesselt und er soll sich hinsetzen. Warum macht er das?

»Wir müssen reden, kleine Fee.«

»Wieso hast du ihn gefesselt?«, möchte ich zuerst wissen und verschränke meine Arme vor der Brust. Mein komplettes Outfit hab ich noch immer an, denn es ist echt kalt hier drin.

»Ich muss mit dir reden!«

Ich seufze und blicke zu Oliver 2. Er nickt. Trotzdem ist es unnötig, ihn zu fesseln, die Tür wird doch eh abgeschlossen. Was hat er nur vor?

»Einverstanden.«

»Ohne dieses Ding im Ohr. Nur wir zwei«, flüstert er so leise, dass nur ich es verstehen kann. Dabei spüre ich seinen Atem so deutlich auf meiner Haut, dass ich eine Gänsehaut bekomme.

›Melanie, mach das nicht.‹

»Einverstanden. Sorry, Oliver.«

Julian schließt die Tür wieder ab, nachdem wir den Raum verlassen haben. Oliver kann nichts geschehen. Bevor ich gegangen bin, habe ich ihm meine Wasserflasche dagelassen und ein paar Schokoriegel, die ich ebenfalls eingepackt hatte. Könnte natürlich schwierig werden, wenn die Hände verbunden sind ... ›Wirklich sehr schlau von dir, Mel‹, rüge ich mich selbst und könnte mir glatt mit der Hand gegen die Stirn schlagen.

Julian und ich gehen eine Weile stumm nebeneinander her und ich warte, was er sagen will. Niemand scheint hier zu sein, aber ich traue dem nicht. Wir gehen weiter und weiter und ich hoffe, er weiß, was er macht.

Er hält an, überprüft die Klinke einer Tür und als sie sich öffnet, treten wir in einen ziemlich engen Raum ein. Er verschließt die Tür hinter uns. Plötzlich bin ich Julian so nah wie nie zu vor.

»Hier sind wir ungestört«, flüstert er. Sein Atem erzeugt abermals eine Gänsehaut auf meiner Haut.

»Okay. Was hast du vor?«

»Ich muss mit dir reden, alleine. Nur wir zwei. Draußen sind überall Kameras und manche zeichnen wirklich alles auf.«

»Verstehe. Julian ... Was ist los?«, möchte ich wissen. Er sieht verzweifelt zu mir runter und ich weiß nicht, ob ich ihm trauen kann oder darf. Aber ich würde es so gerne. Irgendwas geht in ihm vor. Ich spüre richtig, wie sein Atem immer schneller geht. Fast so wie meiner. Mein Herz rast wie verrückt.

»Kleine Fee«, beginnt er und verstummt wieder. Er fährt sich mit seiner Hand durch sein strubbeliges Haar und sieht mich so unfassbar traurig an. »Das wollte ich alles nicht, glaube mir.«

»Julian, was ist los mit dir? Wir waren doch mal so etwas wie Freunde, oder?«

»Ich habe dich doch nur ausgenutzt, das war nicht echt.«

Nein, das glaube ich ihm nicht.

»Bitte, rede mit mir! Ich höre dir zu und werde es verstehen.«

»Was willst du verstehen? Was glaubst du, ist denn los?«

Ich atme ein. Ich atme aus. Der Raum ist so eng, dass wir uns kaum drehen können. Noch immer sieht er mich nur an, sagt aber nichts weiter.

»Gut, gib mir ein paar Sekunden, um dir meine Gedanken mitzuteilen, okay?« Er nickt und ich fahre fort. »Penelope hat herausgefunden, dass du schwul bist und mit wem du eine Beziehung führst. Sie hat dich nun mit irgendwas in der Hand. Vermutlich droht sie dir.«

Er lächelt und nimmt meine Hände in seine. Wir halten uns ganz fest und endlich spricht er:

»Das, was ich dir erzähle, wird sich total verrückt anhören. Aber ich kann es beweisen, okay?« Nun bin ich es, die nickt. Ich möchte nichts verpassen. »Penelope ist seit vielen Jahren immer und überall unterwegs. Sie kennt unseren gesamten Werdegang. Sie wusste, dass du @marinettesbookland bist, bevor du selbst auf die Idee mit Instagram gekommen bist. Dann hat sie herausgefunden, dass ich schwul bin und einen Freund habe. Wenn es nur das gewesen wäre und sie mich rausgeschmissen hätte, wäre es mir egal gewesen, wirklich. Aber sie hat erfahren, dass ich gegen sie ermittel. Gegen meine eigene Mutter. Wegen all der Straftaten, die sie begangen hat. Irgendwie weiß sie, dass ich seit 10 Jahren für deinen Vater arbeite und somit auch für einen Oliver aus einer anderen Zeit.«

»Was?« Ich starre ihn an und glaube nicht, dass er das gesagt hat. »Du arbeitest für die Organisation. Schon vergessen?«

»Ich sollte auf dich aufpassen.« Er runzelt die Stirn. »Ja, offiziell arbeite ich für die Organisation.«

»Wie bitte?«, sage ich nun etwas schroffer.

»Kleine Fee, du weißt das. Du weißt, dass ich dich immer mal getroffen habe.«

»Ja, aber ...«

»Penelope hat all das herausgefunden und ...« Er verstummt und wird ganz blass. Sofort nehme ich ihn in die Arme.

»Sie hat deinen Freund umgebracht, in der Zukunft, richtig? Und damit es verhindert wird, erpresst sie dich.«

Er nickt. Soll ich ihm glauben? Mein Gefühl sagt mir ja, aber er hat mich schon mal hintergangen. Er holt sein Handy hervor. Ich wusste gar nicht, dass es auch hier funktioniert.

»Sie hat mir dieses Bild geschickt.«

Er zeigt mir ein Foto, auf dem ein junger Mann abgebildet ist, der ... Tränen steigen in mir hoch und ich kann mich nicht zurückhalten.

»Sie hat ihn umgebracht, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, damit du dich mit mir anfreundest?« Auch wenn es sehr schmerzt, muss ich realistisch bleiben. »Julian ... Woher weiß ich, dass du wirklich die Wahrheit sagst und ich dir vertrauen kann?«

Er seufzt und beginnt an seiner Hose herum zu fummeln.

»Äh, was wird das?«

»Vertraue mir, kleine Fee.«

»Das hast du früher schon mal gesagt und mich dann fertig gemacht«, murmle ich, beobachte aber weiter, was er macht. Nervös beiße ich mir auf die Unterlippe. ›Vertrauen‹, sage ich mir stumm. Er dreht sich von mir weg und zeigt mir seinen Po, ja wirklich. Nach dem ersten Schock registriere ich, dass da etwas tätowiert ist.

»PO 323«, sage ich erschrocken und hätte die Stelle fast berührt, so überrascht bin ich. Er richtet sich wieder auf, zieht seine Unterhose hoch, aber schließt nicht die Hose.

»Genau, Olivers Code.«

»Das ist unmöglich! Durch diesen Code hatte Oliver damals meinem Dad geglaubt, dass er ihm vertrauen kann.«

»Nichts ist unmöglich, kleine Fee«, sagt er und lächelt mich an. »Ich brauche deine Hilfe. Ich darf Edward nicht verlieren!«

»Edward«, sage ich und muss schmunzeln.

»Er ist auf unserer Seite und wollte mit mir die Organisation stürzen. Deshalb hatte ich mich zu Oliver in die Zukunft geschrieben, damit er uns hilft.«

»Natürlich helfe ich dir«, sage ich und wundere mich über diese eigenartige Wendung. In einem Buch würde man jetzt von einem Plot twist sprechen. Bücher. Unsere gemeinsame Leidenschaft. »Ich habe dich vermisst«, gestehe ich und umarme ihn noch einmal.

»Ich dich auch. Es darf niemand von dem hier erfahren, okay?«

»Was ist mit den Olivern?«

»Nutze das Gedankenübertragungsgerät für dein Ohr. Nur so könnt ihr ungestört reden! In dem Raum sind Mikrophone! Du musst dir also was einfallen lassen.«

»Okay. In Ordnung. Keine Kameras?«

»Nein, versprochen. Ihr habt eure Privatsphäre. Darauf habe ich bestanden.«

»Gut, danke. Wo ist die Königin?«

»Ich weiß es nicht, wirklich. Meine Aufgabe war es, dich abzulenken, damit Penelope Oliver ... ähm, wie hast du sie kategorisiert? Oliver 1 entführen konnte.«

»Das ist alles so verrückt. Es sind doch gerade einmal ein paar Wochen vergangen. Vor weniger als einem Monat habe ich dich zum ersten Mal ohne Maske gesehen. Es passiert alles so schnell.«

»Ich weiß. Dein erster Kuss, mein Outing, die Sache mit der Zeitreise. Oliver und dann dein Vater, der Königin Victoria geheiratet hatte. Was empfindest du für Oliver?«

»Keine Ahnung«, gebe ich zu und wundere mich, wie gut er alles aufzählen kann. Woher weiß er all das? »Es ist unmöglich. Er ist mein Stiefbruder«, sage ich und wische mir eine Träne weg.

»Aber du hast ihn gerne?«

»Ja, irgendwie schon. Oliver 2 hat mich versehentlich Schatz genannt, was ja irgendwie bedeutet, dass da etwas in dieser Zeit mit uns ist. Aber ...«

»Kleine süße unschuldige Fee, du bist komplett verunsichert. Zuerst küsst du Justin, der später deine Mutter heiratet. Dann stellst du fest, dass ich dich angelogen habe und schließlich das mit Oliver. Während du früher unsichtbar warst, bist du es mittlerweile ganz sicher nicht mehr.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Du bist im Grunde auch meine Stiefschwester. Oder wie nennt man das, wenn der Bruder mit der Mutter der Freundin verheiratet ist?«

»Du bist mein ich-bekomme-Kopfschmerzen-wenn-ich-weiter-darüber-nachdenke«, meine ich stirnrunzelnd und Julian muss schmunzeln.

Zu gerne würde ich wissen, wieso er sich so viel Zeit für all das hier nimmt. Droht keine Gefahr von außen?

»Rede mit Oliver über deine Gefühle. Offen und ehrlich«, sagt er nun sanft.

»Nein, zuerst die Mission. Wir können nicht zusammenkommen. Verdammt, er ist der zukünftige König. Wenn ich die Einzige bin, die in der Zeit reisen kann, weil der Stift nur auf meine und Dads DNA reagiert, wäre ich eine tickende Zeitbombe und könnte in der Zeit steckenbleiben.«

»Das muss nicht so sein«, sagt er sanft und greift wieder nach meiner Hand. Ich glaube, wir genießen beide den Augenblick. Wir sehen uns nur an und brauchen diese kleine Auszeit.

Doch dann ist es vorbei. Er kramt in seiner Hosentasche und holt etwas hervor.

»Du hast auch so ein Knopfdings?«

Er lächelt. »Ja, aber es funktioniert nicht mit deinen Gedanken. Wenn du meinen Namen denkst, wird es nicht gleich aktiviert. Du drückst diesen kleinen Knopf hier und schon sind wir verbunden«, erklärt er mir und zeigt mir seinen Knopf im Ohr.

»Und niemand sonst bekommt es mit? Dann geht es trotzdem per Gedankenübertragen?«

»Eigentlich ist es eher wie ein Bluetooth Headset, es ist eine ältere Generation und kaum jemand sollte dies in dieser Zeit mehr kennen oder gar nutzen.«

»Damit kann ich ausnahmsweise was anfangen. Also hörst du nicht einfach so meine Gedanken?«

»Nein. Macht das Oliver?«

»Ständig. Vorhin ... Oh Mann! Das war so peinlich. Ich hab ihn beobachtet und mir sind da ein paar Sachen durch den Kopf gegangen ...«

»Oh, Mist. Das ist nicht fair.« Julian blickt mich mitleidig an, als würde er verstehen, was ich meine und fühle.

»Genau, ich wäre am liebsten im Boden versunken, als ich es mitbekommen habe. Zurück zum Headset. Reicht die Reichweite auch aus und die Batterie?«

»Unendlich.« Er betrachtet mich von oben bis unten und seufzt kurz. »Okay, und nun ziehe dich aus.«

»Sorry?«

Er schmunzelt. »Wir sind seit einer Ewigkeit hier drin. Was glaubst du, wird passieren, wenn wir nicht so aussehen, als hätten wir gerade hemmungslosen Sex gehabt? Die Leute hier wissen nichts von Edward. Das war eine andere Zeit. Alles, was sie glauben zu wissen, ist, dass wir einst etwas am laufen hatten. Die sind so eingeschränkt, dass sie denken, wir hätten nichts anderes im Kopf, als direkt übereinander herzufallen, obwohl du mich hasst, weil ich dich gefangen genommen habe ... «

Ich schlucke und spüre, wie ich rot werde.

»Süß. Komm schon, hilf mir.« Langsam nicke ich und lasse mir von ihm die Hose öffnen, ziehe die Jacke aus und er zerzaust mir die Haare.

»Und? Sehen wir so aus, als hätten wir gerade hemmungslosen Sex gehabt? In der Besenkammer?«, sage ich und wir fangen beide an zu lachen.

»Ich glaube nicht.«

Wir hören von draußen Schritte und jemand fummelt an der Tür. Ich atme tief durch, gehe noch näher zu ihm.

»Was wird das?«, fragt er überrascht.

»Jetzt musst du mir vertrauen«, flüstere ich, lege meine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn zu mir. »Entschuldige«, hauche ich und küsse ihn. Zunächst nur vorsichtig, doch dann heftiger. Ich presse mich so eng, es geht, an ihn und alles wird irgendwie eigenartig. Seine Hand führe ich dabei unter mein Shirt.

»Hey, Julian, mache die Tür auf. Wir wissen, dass du da mit der Gefangenen drin bist«, sagt jemand und hämmert gegen die Tür.

Er dreht am Knauf der Tür, als sie nicht aufgeht, hören wir einen Schlüssel und schon steht sie offen.

»Was geht hier vor?«

»Wonach sieht es denn für dich aus, Grin.«

»Deine Mutter wird außer sich sein! Du und die hier ... Pass ja auf, dass niemand glaubt, du würdest mit dem Feind gemeinsame Sache machen.«

»Ich wollte sie nur verhören, ohne dass der Schnösel zuhört und dann ist eins zum anderen gekommen. Was solls.«

Der Typ sieht uns so eindringlich an, dass ich Angst bekomme. Doch Julian schlägt die Tür wieder zu und ruft ihm noch hinterher, dass er sich um seinen eigenen Mist kümmern soll.

»Glückwunsch, wir hatten gerade offiziell Sex.«

»War’s wenigstens gut?«, möchte ich wissen und richte mich etwas her.

»Der Beste überhaupt.« Er streichelt mir über den Rücken und hält mich noch einmal kurz fest.

»Das darf alles echt nicht sein«, meine ich und fahre mir mit der Hand durchs Haar. »Mein erstes Mal ist nicht einmal echt gewesen.«

»Mach dir nichts draus, das kommt noch.«

»Wenn ich den Jungs alles erzählen darf, warum sollte ich das Knopfding nicht drin behalten?«

»Weil es eine Szene geben muss, ganz einfach. Meine Mutter soll wissen, was los war und was wir gemacht haben.«

»Das ist so seltsam. Ich check es nicht. Aber ist okay, ich spiele mit.«

»Lass uns rausgehen.«

Der Kerl ist noch in Hörweite. Mir wird bewusst, dass er es auch hätte ausnutzen können.

Vor der Zelle bleiben wir stehen.

»Wir müssen jetzt so tun, als hätten wir nicht gerade ...«, sagt er so laut, dass auch alle es hören. Na super!

»Du Mistkerl, du wirst nie damit durchkommen. Wir werden einen Weg finden, hörst du?« Ich fummle etwas an mir herum und richte meine Kleidung wieder zurecht. Julian tut es mir gleich.

»Oh nein! Wirst du nicht. Früher oder später brechen sie alle ein«, sagt er, während er die Tür öffnet.

Oliver 2 starrt uns an.

»Endlich, Mensch Melanie, du warst echt lange weg. Ist alles in Ordnung?«

Das Geheimnis des Stiftes 2

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