Читать книгу Das Geheimnis des Stiftes 2 - Janine Zachariae - Страница 9

Missionen in der Nacht

Оглавление

Überall in der Zeit

Julian hat also meinen Vater im Auftrag von Penelope umgebracht, weil er vorher ihren Stift verschwinden ließ. Sie aber hatte vorgesorgt und eine Kopie anfertigen lassen. Doch hat diese Nachahmung bewirkt, dass sie krank wurde. Nun ... So krank sah sie gar nicht aus, wenn wir mal ehrlich sind.

›Kleine Fee‹, wagt sich Julian vor.

›Ich weiß.‹

Ich reibe mir die Augen und sehe Oliver an. Er wirkt verzweifelt und lächelt zaghaft.

Niemand sagt mehr etwas. Worte sind genug gesprochen worden. Es gibt nichts mehr zu erzählen. Es spielt keine Rolle. Mein Vater, den ich zehn Jahre gesucht habe und nicht einmal vier Wochen für mich hatte, ist jetzt tot. Natürlich gibt es noch das Datum, an dem wir uns alle treffen. Aber ob wir den Ort vorfinden, zu dem wir hinwollen, bezweifle ich.

Oliver hält mich immer noch. Vertraut und doch befremdlich. Er ist nicht mein Oliver. Er ist die Version, die schon alles erlebt hat, was Cute-Oli noch erleben muss und ist es nicht spannend, zu sehen, wie jemand zu genau dieser Person wird, die einfach die bestmögliche Version von einem sein kann? Deshalb wächst doch jede Partnerschaft zu einer Einheit zusammen, weil man keinen Schritt ausfallen lässt.

Niemand sagt etwas zu meinen seltsamen Gedanken, aber ich weiß, dass sie es gehört haben. Alles.

Irgendwann entknotet sich Oliver wieder von mir, gibt mir einen Kuss auf die Stirn und legt sich hin. Ich bin erledigt, komplett im Eimer und versuche nun endlich zu schlafen, aber meine Gedanken fahren Achterbahn.

»Aufwachen!«, hören wir die Stimme einer Frau. Licht geht an, und alles scheint erdrückend hell zu sein.

Ich reibe mir die Augen, muss aber gegen das Licht mehrfach blinzeln, und fahre mit der Hand durch meine Haare.

»Penelope, was machst du hier?«

»Komm, steh auf. Wir haben Wichtiges zu tun. Zieh das an«, befielt sie und schmeißt mir ein Bündel mit Kleidung zu. Sie geht raus. Ich blicke mir die Sachen an. Alles schwarz. Das passt ja. Ohne groß nachzudenken, ziehe ich mich um: Enge Hose und T-Shirt, mehr nicht. Automatisch dreht sich Oliver weg und wartet, bis Penelope wieder reinkommt. Zufrieden nickt sie.

»Gut, du schreibst dich hierhin«, sagt sie fordernd und reicht mir einen Zettel. Stirnrunzelnd lese ich, was darauf steht, und fahre zusammen, als ich Oliver meinen Namen rufen höre. Ich drehe mich zu ihm und entdecke, dass jemand mit einem Messer bei ihm steht. Mein Blick wandert zu einer Ecke im Raum und ich sehe eine zweite Person, die eine Pistole in der Hand hält und damit auf ihn zielt.

»Also gut.« Schnell hole ich meinen Stift hervor und Penelope gibt mir noch einen Brief, den ich aber erst »vor Ort« öffnen darf. Seltsam, wie ist es mir plötzlich möglich, mit dem Stift zu schreiben? Warum konnte ich es vorhin noch nicht? Hat sie etwas geändert?

Ich darf nicht zu viel nachdenken.

Registriere nicht mal, die Zahlen und den Ort. Ein eigenartiges Ziehen nimmt Besitz von mir, als ich zwischen Raum und Zeit bin. Es ist anders, als das, was ich bisher gespürt und gesehen habe. Möglicherweise liegt es daran, dass ich nicht vorwärts, sondern rückwärts in der Zeit reise. Vielleicht ist es dieser Butterfly Effect, der mich schon vorwarnt, ehe ich wirklich einen Schmetterling zertrete.

Vergangenheit. Irgendwann 1813. Wo? Kanada. Die Worte verschwimmen vor meinen Augen. Ich muss blinzeln und erinnere mich an den anderen Brief. Mir ist schwindelig und schlecht, aber ich möchte nicht länger verweilen, als nötig. Mir ist unheimlich zumute und alles wirkt hier so grau und trist, farblos und ohne Liebe.

Ich öffne den Brief und entdecke zwei Karten, die nummeriert sind.

Karte 1:

»Du solltest jetzt ein Haus sehen,

nicht weit von dir entfernt. Du kannst es nicht verfehlen, denn es gibt nur dieses eine hier. Geh hinein und mach, was auf Karte 2 steht. Solltest du schummeln oder die Aufgabe nicht vollständig erfüllen, werde ich es erfahren.«

Stirnrunzelnd drehe ich mich um und erspähe tatsächlich ein Haus nicht weit von mir. Es ist noch trister anzusehen, als die gesamte Umgebung. Selbst die Bäume scheinen in Dunkelheit gehüllt.

Langsam nähere ich mich dem Gebäude und stelle fest, dass die Fenster verrammelt sind. Holzbretter sind von außen an gebracht worden. Seltsam. Denn die Tür ist, wie ich direkt feststelle, als ich den Knauf berühre und umdrehe, nicht abgeschlossen. Ergibt doch gar keinen Sinn.

Bevor ich hinein gehe, öffne ich die zweite Karte.

»Im Boden ist etwas versteckt. Bring es mit.«

Abgestandene Luft kommt mir entgegen, so, als wäre wochenlang nicht gelüftet worden. Viele Spinnenweben registriere ich und in einer Ecke kann ich sogar eine richtig große Spinne erkennen.

Der Boden ist mit Dielenbrettern ausgelegt, ansonsten ist der Raum komplett leer. Das Haus scheint aus nur einem einzigen Zimmer zu bestehen. Während ich mir die Bretter anschaue und mit meinem Fuß eine lose Stelle versuche auszumachen, wird die Luft, je weiter ich von der Tür weggehe, immer dünner und stickiger. Endlich höre ich ein Knirschen im Boden, ich bücke mich und kontrolliere, ob das Brett wirklich locker genug ist, um etwas zu verstecken. Zum Glück lässt es sich ganz leicht anheben und ich versuche, nicht panisch zu werden. Licht erhalte ich nur durch die offene Tür, aber es ist zu wenig, um zu erkennen, was sich im Boden verbirgt. Eine Taschenlampe wäre jetzt wirklich hilfreich. Augen zu und durch, oder? Okay. Vorsichtig und langsam schiebe ich meine Hand durch den Spalt und tauche dabei direkt in Spinnenweben ein. Zum Glück habe ich keine Phobie oder dergleichen, ansonsten wäre es echt die Hölle. Trotzdem muss ich tief durchatmen, was mich zum Husten bringt. Mein Hals fühlt sich an, als hätte ich gerade Spinnweben eingeatmet. Ich taste mich weiter vor und kann endlich etwas fühlen. Vor Schreck zucke ich zurück und lande dabei unglücklich auf meinem Hintern. Okay, okay. Was auch immer das ist. Es kann mir nicht wehtun.

Nun, da ich weiß wo es genau ist, greife ich, so schnell ich kann, hinein und ziehe es hinaus. Eine Tasche kommt zum Vorschein. Puh. Keine Leiche. Sollte ich vielleicht hineinsehen? Nein, das wird zum Test zählen. Und ich bin mir sicher, dass dies einer ist. Warum sonst sollte ich hier sein?

Knall.

Dunkelheit.

Schlüssel dreht sich.

Stille.

»Verdammt«, rufe ich aus und stehe auf. Es dringt kein Licht zu mir durch. Nicht ein Brett an den Fenstern ist irgendwie schief. Meine Augen beginnen zu brennen, den Stift habe ich sicher verwahrt aber bei der Dunkelheit etwas zu schreiben, wird beinahe unmöglich sein.

Ich ertaste mir den Türknauf, drehe, drücke, rüttele. Nichts. Mit voller Kraft stemme ich mich dagegen, renne davor, will die Tür eintreten. Schreie laut.

›Hört mich wer?‹, frage ich verzweifelt, denn die Knopfhördinger hab ich noch im Ohr. ›Bitte, hört mich jemand? Julian? Oliver?‹

Nichts. Langsam habe ich das Gefühl, dass mich die Luft erdrückt, so stickig ist es. Als würde sie meine Lunge festhalten und keine Luft durchdringen lassen. Wenn ich tief durchatme, muss ich direkt husten. Nachdenken. Eine Lösung muss her! Ganz schnell! Ich blicke mich in der Dunkelheit um und versuche mich zu orientieren. Vielleicht gehen die Bretter an den Fenstern auf? Die sind von außen befestigt, ich weiß. Aber wenn ich dagegen schlage? So fest, ich kann? Ich stehe im Zimmer und versuche, die Panik zu unterdrücken, damit ich mich daran erinnere, wo ein Fenster ist. Gerade aus. Ich gehe vorsichtig und mit ausgestreckten Händen nach vorn, darauf bedacht, nicht versehentlich in das Loch zu treten, wo ich gerade eben noch das Brett entfernt habe. Spinnenweben überall. Die Luft ist stickig und stinkt einfach fürchterlich. War der Geruch eben schon so verfault? Nein, so schlimm war es nicht. Es ist warm hier. Mit meinem Fuß ertaste ich das Dielenstück und hebe es auf, das könnte nützlich sein. Ich konzentriere mich auf das Fenster. Schritt für Schritt. Endlich kann ich die Wand fühlen und taste mich zum Glas vor. Okay, da ist es. Meine Augen haben sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt und ich kann Umrisse erkennen, aber nicht wirklich viel. Mit dem Ende des Holzstücks schlage ich gegen die Scheibe. Es knackst leicht. Mehr Kraft und Druck und tatsächlich, es geht zu Bruch. Überall fliegen die Glasscherben, meine Augen habe ich geschlossen, aber die Splitter verfehlen mich dennoch nicht. Nachdem das Geräusch verklungen ist, beruhige ich mich etwas und öffne wieder meine Augen. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und so langsam hab ich das Gefühl, meine Übelkeit nicht mehr lange unter Kontrolle halten zu können. Aber als ich schwer schlucke, steigt eine Bitterkeit in mir hoch, die noch widerlicher ist.

Die Dunkelheit ist so erdrückend und dumpf, dass es sich eigenartig anfühlt. Wer hat nur die Tür verschlossen? Warum? Niemand weiß, dass ich hier bin. Verflucht! Es war eine Falle. Ich hätte es wissen müssen. Penelope ist mir gefolgt und hat mich hier eingeschlossen. Wer sonst? Aber wieso?

Das Brett, das vor dem Fenster befestigt ist, bekomme ich nicht zerstört. Ich hätte es mir denken können, schließlich habe ich es vorhin noch gesehen. Es ist so groß, dass es schon fast die halbe Wand eingenommen hat.

Was mache ich jetzt? Ich hole meinen Stift und einen Zettel hervor und schnappe mir die Tasche, die schwerer ist, als gedacht. Dabei fasse ich so ungeschickt in eine Glasscherbe, dass ich mir die Hand aufreiße. Egal. Die Tasche halte ich mit meiner kaputten Hand, während ich mit der rechten – mit der ich nicht schreiben kann – den Stift halte. Der Zettel fliegt mir runter, mitten in die Scherben. Es knirscht unter meinen Füßen und ich bin mir sicher, dass meine Schuhe das nicht so gut vertragen. Schulterzuckend schreibe ich einfach an die Wand.

»Bringe mich zu Penelope, 2127, Kellerraum, wo auch Oliver ist!«

Was für ein Satzbau, aber ich hoffe, der Stift und das Universum, wissen, was ich meine.

Hustend komme ich an und falle zu Boden, es ist so hell hier. Meine Augen brennen richtig und ich bekomme keine Luft.

»Melanie, atme, du musst atmen«, höre ich eine bekannte Stimme.

»Oliver?« Ich blinzle und reibe mir die Augen. Es hat geklappt.

»Bravo, Melanie, du hast den Test mit Bravour bestanden. Schneller als gedacht.«

»Noch langsamer und ich wäre erstickt. Was sollte das Penelope? Warum hast du die Tür abgeschlossen?« Ich renne zum Klo und muss mich übergeben.

»Damit du die Lektion lernst«, sagt sie unberührt. Ich zittere, erbreche erneut, frage aber nicht nach. »Du kannst den Stift immer benutzen, du brauchst kein Licht.«

»Besten Dank«, sage ich keuchend, denn ich bin unglaublich erschöpft.

»Sehr gerne.«

Ich spüre Olivers Gegenwart, aber ich fühle mich so eklig, dass ich es nicht ertrage, wenn er mich sieht. Ich rappele mich auf und wasche mein Gesicht und den Mund aus. Das Wasser ist kalt, aber das tut gut.

»Was ist in der Tasche?«, möchte Oliver hören.

»Oh, schön, dass ihr fragt. Kommt beide her und blickt hinein.«

Mittlerweile habe ich eine Vermutung. Aber ich möchte es nicht wahrhaben. Penelope öffnet den Reißverschluss, aber nicht ganz. Ich erkenne Haare und ...

Vermutlich habt ihr es schon herausgefunden.

Es befindet sich allerdings nicht nur ein Kopf darin und ich muss mich erneut übergeben.

»Der Stiftemacher«, erklärt Penelope. »Er hätte Julian den Stift nicht machen dürfen.«

»Du hast ihn umgebracht?«, stoße ich hervor.

»Ja, weil er mich verraten hat. Er hatte mir eine Kopie von meinem Stift erstellen sollen, hat aber irgendwas verpfuscht. Er hätte nicht Julian helfen dürfen, denn dadurch waren seine Ressourcen aufgebraucht und er konnte nur noch minderwertige Ware anfertigen. Als ich es festgestellt habe, habe ich ihn natürlich direkt umgebracht.«

»Wie konntest du ihn finden? Ressource?«

»Ach, liebe Melanie, ich finde immer einen Weg, zu bekommen, was ich will. Ja, weißt du es denn nicht? Sag mal, hat dir dein Vater gar nichts erklärt? Der Stift besteht aus verschiedenen Elementen. Das mit dem Blut weißt du ja. Allerdings hat der Stiftemacher noch Geheimzutaten, die sonst niemand kennt – damit nicht weitere Stifte erschaffen werden vermutlich. Tja und nach dem Julian seinen hat machen lassen, war nicht mehr genug vorhanden.« Sie benutzt so viele Worte, dass ich absolut keinen Schimmer habe, was sie eigentlich sagen möchte. Mein Herz rast so schnell in meiner Brust, dass ich befürchte, es zerbricht gleich. Vielleicht ... Vielleicht, wenn ich meine Augen schließe und alles ausblende ... Vielleicht werde ich dann weggebeamt oder der Stift handelt von sich aus. Aber nein, er reagiert nur, wenn ich ihn benutze. Wenn ich mit ihm schreibe. Nicht durch meine Gedanken, sondern durch die Berührung und das Führen der Mine wird er aktiv.

Sie blickt mich nun erwartungsvoll an und ich bekomme es mit der Angst zu tun. Sie wird die Tasche öffnen und meine Welt zerbricht. Ich starre sie an, meine Augen brennen, aber ich weiß, dass sie immer größer werden. Langsam schüttel ich den Kopf, doch sie zuckt die Schultern, geht etwas in die Hocke und reißt die Tasche gänzlich auf ...

Schwarz. Alles fühlt sich plötzlich so trübe und taub an. Die Schwärze, die mich umgibt, ist willkommen. So muss ich nichts denken. Ich möchte nicht mehr aufwachen. Aber eine Stimme umhüllt meine Sinne und lässt mich doch wieder zurückkommen. Mein Gesicht ist nass, aber ich weiß nicht, warum oder von was. Sind es Tränen? Oliver sagt etwas. Welcher Oliver ist es, der mit mir redet, als sei ich ein verletztes Rehkitz? Meine Augen wollen, dass ich sie öffne, dass ich wieder in die Realität zurückfinde. Aber ich will nichts sehen, nichts von dem, was vor mir ist.

Ich dachte immer, man könnte Penelope doch noch zur Vernunft bringen. Sie aber ist ein Monster, durch und durch. So ein schwarzes Herz, wie sie hat, würde niemand überleben.

Penelope.

»Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh.«

Ich fass mir an meinen Hals, ist das Geräusch gerade von mir gekommen? Habe ich so geschrien?

»Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh.«

Penelope hat mir meinen Vater gezeigt.

›Es tut mir so leid‹, höre ich eine weitere Stimme in meine Gedanken flüstern.

›Hör auf Julian. Lass es einfach gut sein.‹

Bevor ich meine Augen wieder öffne, kneife ich sie fest zusammen. Das Licht brennt, aber ich lasse sie nun geöffnet. Meine verletzte Hand hat einen Verband darum bekommen und ich drehe sie hin und her. Hoffentlich kann ich trotzdem mit ihr schreiben.

»Na, endlich. Drama-Queen«, sagt Penelope theatralisch, während sie gelangweilt ihre Fingernägel feilt.

»Ach, halt die Klappe«, motzt Oliver sie an. Doch sie lässt sich nicht beirren.

Verdammt. Mein Vater liegt verrottet in einer Tasche, zumindest der Kopf.

›Denk nach, Mel‹, höre ich den 2117er Oliver in meine Gedanken sagen und ich weiß, dass es eine Lösung gibt.

›Natürlich, ich habe den Zeitreise-Stift, aber kann ich es wirklich korrigieren? Kann ich das, was Julian tun musste, um seine Loyalität zu beweisen, tatsächlich zunichtemachen? Riskiere ich dann nicht das Leben von Edward und allgemein, dass von Julian? Welche Konsequenzen entstehen, wenn ich das, was er getan hat, rückgängig mache? Kann man den Tod meines Vaters vortäuschen? Vortäuschen? Ist es das? Führt alles daraufhin zurück? Marty hatte Doc ebenfalls gewarnt und dadurch sein Leben gerettet.‹

›Äh, Zurück in die Zukunft?‹, will Cute-Oli gedanklich wissen?

Mein Kopf dröhnt. Penelope beobachtet mich argwöhnisch, auch wenn es nicht danach aussehen soll. Aber ich bin nicht so blöd, wie sie glaubt.

»Was muss ich machen, damit du meinen Vater verschonst?«

»Du bist gar nicht so dumm, wie ich dachte. Es gibt tatsächlich einiges, was du tun kannst.«

»Wenn ich mache, was du sagst, wirst du dann in die Vergangenheit reisen, der jungen Penelope davon berichten, Julian verschonen und auch seinen Freund Edward daraus halten?«

»Du weißt doch gar nicht, was ich will.«

»Regel Nummer 1: Ich bringe niemanden um oder foltere eine Person. Alles klar?!«

»Du bist nicht in der Position Forderungen zu verlangen.«

»Oh, doch. Du willst etwas, kannst es aber selbst nicht mehr machen. Julian soll etwas anderes für dich erledigen, oder? Du bist krank, richtig?«

Sie verdreht genervt die Augen und ein Grollen tönt aus ihrem Rachen.

»Du weißt gar nichts über mich!« Sie stemmt ihre Hände in die Hüften und funkelt mich an.

»Wie krank bist du?«

»Ich habe hier mehrere Briefe mit Anweisungen«, sagt sie, ignoriert dabei meine Frage und reicht sie mir. Auf jedem steht eine Nummer drauf. »Immer erst öffnen, wenn du die aktuelle Aufgabe erledigt hast«, weist sie mich an und ich schlucke. In meinem Kopf reden alle drei durcheinander. Sie wollen mich davon abhalten. Aber keine Chance. Wenn ich meinen Vater retten kann, bin ich an Bord.

Sofort mache ich mich daran, den ersten Brief zu öffnen. Es ist mir absolut egal, wie ich gerade aussehe. Zerzaust, mit Spinnenweben im Haar und verstaubten Klamotten. Ehrlich gesagt achte ich nicht darauf, wohin ich muss. Ich schreibe das Datum und die Uhrzeit mit der verletzten Hand und den Ort ab und bin auch schon da.

»Vor dir befindet sich eine Bank,

nimm so viel Geld mit, wie du tragen kannst – aber es sollte viel sein.«

Ich blicke mich um und entdecke einen Laden, der Taschen verkauft. Das Schwindelgefühl ignoriere ich dabei. Alles, was ich möchte, ist, die Sache hinter mich zu bringen. Also schreibe ich mich in dessen Lager und von dort in die Bank, zum Geld. Da ich keine Ahnung habe, was genau ich aufschreiben soll, wird mein Satzbau erneut sehr abenteuerlich, doch es klappt, und ich bin umgeben von Geld, aus dem Jahr 1980, England. Ich packe die Tasche, so schnell es geht voll und wundere mich, warum noch niemand auf mich aufmerksam geworden ist, doch dann realisiere ich, dass es mitten in der Nacht ist.

Mit der Tasche voller Geld, komme ich wieder bei Penelope und Narben-Oli an, um den dritten Brief zu öffnen. Ich gehe davon aus, dass ich weitere Banken ausrauben muss, weil Geld die Lösung aller Probleme zu sein scheint.

Mein Körper versucht, dem standzuhalten, aber ich glaube, lange werde ich nicht mehr funktionieren. Ich bin hinüber. Sechs Banken habe ich in dieser einen Nacht ausgeraubt. Einmal wäre ich fast geschnappt worden, aber ich konnte mich schnell wegschreiben und somit in Sicherheit bringen. Kameras habe ich zudem in einigen Tresoren entdeckt gehabt und ich bin mir absolut sicher, auf vielen Fahndungsbildern von Scotland Yard zu sein. »Das unbekannte Mädchen, welches in jedem Jahrhundert Banken ausgeraubt hat«, ist vermutlich die Headline.

Ich werde so was von Schwierigkeiten bekommen, wenn ich in eine andere Zeit gelange. Zum Beispiel zurück ins Jahr 2117.

Mir kommt ein absolut absurder Gedanke: Wollte meine Tante Hayley deshalb nicht, dass ich mich in der Öffentlichkeit zeige? Hat man mich deshalb vergessen, weil sich sonst wieder einmal eines dieser Paradoxen aufgetan hätte?

Als ich mir Gedanken über ein Pseudonym gemacht hatte, kam mir genau dies in den Sinn: ›... nicht weil ich gesucht werde oder so. Mich würde niemand suchen ...‹ War ich damals schon so nahe an all dem, was mir heute passiert ist?

Fokus. Ich muss mich konzentrieren. Noch ist die Königin verschwunden, die Zukunfts-Mel scheint auch vom Erdboden verschluckt zu sein, nicht zu vergessen Edward und mein Vater.

›Was kümmert dich Edward?‹, höre ich Julians sanfte Stimme in mein Ohr dringen.

›Ich glaube, du bist ein besserer Mensch mit ihm. Es ist gut, für jemanden da sein zu müssen.‹

›Ich habe Paul umgebracht, verdammt!‹

Keine Ahnung, was Oliver die gesamte Zeit über hier im Keller macht, aber er ist immerhin sauber. Sauberer als ich zumindest. Denn während all der Zeitsprünge konnte ich mich nur sporadisch waschen. Zu mehr fehlte mir auch die Kraft und die Lust, wenn ich ehrlich bin.

Allerdings bin ich 1973 von einem Regenschauer total nass geworden, was zumindest meine Haare wieder von all dem Dreck befreien konnte.

Es ist mir eigentlich egal, wie ich aussehe. Darüber möchte ich mir keine Gedanken machen, sondern öffne den nächsten Brief und lasse ihn überrascht fallen. Hebe ihn wieder auf und glaube einfach nicht, was ich hier steht ...

Das Geheimnis des Stiftes 2

Подняться наверх