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Der Schriftsteller lebt nicht nur für die oder von der Literatur allein

NOTIZ ZUM BUCH

Die österreichische Literatur hat einige Dichterinnen und Dichter, Epiker, Hörspielautoren, Lyriker oder Dramatiker mit „ziviler“ beziehungsweise „bürgerlich-geordneter“ Ausbildung hervorgebracht. Nicht jeder Dichter hat oder konnte immer als freier Schriftsteller leben. Vom Dichterjuristen im engeren Sinn, der sein Studium abschloss, wie Franz Kafka, bis zur Autorin-Übersetzerin, beispielsweise Barbara Frischmuth, gibt es einige Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die auch in einem „zivilen“ Beruf reüssierten oder vielmehr sehr erfolgreich waren. Seit Goethes Zeiten waren freilich die meisten Doppelbegabungen als Dichterjuristen tätig.

Naturgemäß haben viele Schreibende auf Wunsch und wohl auch wegen der Sorge ihrer Eltern eine Lehre oder ein Studium, etwas „Anständiges“, wie landläufig gesagt wird, begonnen. Nach dem Ende der Ausbildung und der Etablierung im Beruf erlangt das „Schreiben“, nämlich das Verfassen von Dramen, Gedichten oder Romanen, bei vielen wieder verstärkte Bedeutung. Fiktionales Schreiben steht dabei entweder neben der beruflichen Tätigkeit oder tritt – bei entsprechendem Erfolg – ganz an seine Stelle.

In diesem Buch sollen anhand wichtiger österreichischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus der Vergangenheit und Gegenwart gezeigt werden, dass sich zwei Karrieren, meist beide erfolgreich, verbinden lassen. Der Autor weiß, worüber er schreibt, er ist selber als Jurist, Lehrender und Schriftsteller tätig, was er wohl auch einem seiner Lehrer zu verdanken hat. Er ist ein freier Schriftsteller, aber ein freischaffender war er nie.

Vermutlich halte ich an dieser Stelle zum ersten Mal schriftlich fest, das heißt, ich bekunde und dokumentiere, dass mein verehrter Deutschlehrer, der wusste, dass ich „schreibe“, zwei oder drei Jahre vor der Matura begonnen hat, an mich geradezu zu appellieren, ein Studium zu absolvieren, sozusagen einen Brotberuf zu erlernen, und erst „neben“ diesem als Schriftsteller tätig zu sein. Heute bin ich dem promovierten Germanisten Anton Feinig für seine Ratschläge dankbar. Er war, nebenbei bemerkt, ein weiser Mann, dessen Lebenselixier die Musik war. Auch denke ich immer wieder an ein Motto meines friulanischen Dichterfreunds Hans Kitzmüller, der einmal gemeint hat: Wir leben nicht von der Literatur, sondern für sie.

Eines ist mir besonders unter die Haut gegangen: Als Student habe ich für ein literaturaffines Wiener Monatsmagazin ein Interview mit dem großartigen österreichischen Schriftsteller Bernhard Hüttenegger geführt, der betont hat, man könne nur in Würde schreiben, wozu die nötigen finanziellen Mittel unabdingbar seien. Meine spätere unumstößliche Erfahrung war, dass einem der erste Beruf die Würde für den zweiten verschafft und umgekehrt. Jedenfalls den nötigen Unterhalt, um – auch – für die Literatur leben zu können.

Und etwas geradezu Anekdotisches möchte ich ebenso aufschreiben: Matej Acceto, heute Professor an der Juridischen Fakultät der Universität Ljubljana, der auch schon zu einer Gastprofessur nach Harvard eingeladen war, studierte in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts an seiner Stammuniversität. In einem Blogspot berichtete er am 16. September 2006 über die Anfänge als Student, als er in den Gängen seiner Fakultät ein Plakat entdeckte, dessen Inhalt ihm immer noch präsent ist: „France Prešeren, Johann Wolfgang von Goethe, Franz Kafka, Alojz Gradnik, Carlo Goldoni, Marcus Tullius Cicero, Friedrich Schiller, Janko Ferk, … Alle waren Juristen und trotzdem oder gerade deswegen auch Dichter.“1 Nie habe ich gehört, gelesen oder gesehen, dass Rechtswissenschaften irgendwo in der Welt intelligenter angepriesen worden wären.

Vielleicht hat der Schriftsteller mit Zivilberuf sogar etwas weniger Angst vor dem weißen Blatt Papier …

Klagenfurt/​Celovec, am 26. Oktober 2015 J. F.

ANMERKUNG

1

http://kontekst.blogspot.co.at/​2006/​09/​pravo-in-literatura-na-pfneko.html (abgerufen am 14. 09. 2015)

Bauer Bernhard Beamter Kafka

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