Читать книгу Dämonenfluch - Jasmin Koch - Страница 4
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ОглавлениеNaron starrte auf das dunkle Wasser vor sich. Enten zogen auch in der Dunkelheit lange Schatten auf der Wasseroberfläche. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Beziehung zu seiner Evangeline mit so viel Leid und Lügen verbunden war.
Seine Evangeline. Er beachtete die kleine rundliche Frau neben sich in diesem Moment nicht. Er dachte nur an sie. Ihre wundervollen grünen Augen, eingerahmt in einem stolzen Blick, der sie viel älter wirken ließ, als sie wirklich war. Sie war noch so jung, beinahe noch ein Kind, vor allem in seiner Zeitrechnung. Doch sie hatte schon so viel mit erleben müssen. Er atmete tief ein.
„Du sagtest, das wäre nur ein Teil, von dem, was du mir berichten kannst?“ fragte er.
Veronica drückte sich das Taschentuch unter ihr linkes Auge, um die Träne aufzufangen.
„Ja. Das war nur der Anfang. Sie musste so viel über sich ergehen lassen. Evangeline war sehr klug, schon als Kind. Sie wuchs so schnell. Mit vier Jahren war sie schon fast so groß, wie ich jetzt. Alles ging bei ihr viel zu schnell. Als sie ungefähr fünf war, ich war damals da, da hat sie aus dem Fenster gesehen und geweint. Sie wollt unbedingt raus. Sie wollte mit den Kindern spielen, doch sie durfte nicht. Grandma hat es nie erlaubt. Sie war ja das Monster, das wir im Schrank verstecken mussten. Ach es war so schrecklich. Sie hat Stunden geweint, so dass Mac entschieden hat, dass er mit ihr in das Haus zieht, in dem er aufgewachsen ist. Sie wollte aber erst nicht weg und hat kurzerhand dafür gesorgt, dass sie wie ein Mensch aussehen kann.“
„Mit fünf Jahren?!“ Naron staunte.
„Ich sagte doch, sie war schon sehr klug. Sie hat einfach ihre Beine wie die eines Menschen aussehen lassen. Ihre Hörner verbarg sie unter ihren Haaren. Das beeindruckenste war aber, dass sie ihren Schwanz und ihre Flügel verschwinden lassen konnte.“
Flügel?! dachte Naron. „Welche Flügel?“ fragte er und starrte in die geröteten Augen von Veronica.
„Na ihre Flügel. Mit denen hat sie immer Grandmas Kommode abgeräumt, bis sie nichts mehr drauf gestellt hat. Als Evie dann älter war, hat sie gar nicht mehr ihre dämonische Gestallt angenommen. Sie wollte lieber ein Mensch sein. Bis sie zu den Hexen kam und von denen ausgebildet wurde. Wir waren mit so mancher Art von denen nicht einverstanden, vor allem nicht, mit dem Fluch, mit dem sie Evangelin belegten.“
„Sie haben was? Welchen Fluch?“
„Du weißt nicht davon? Oh ich glaube Evangeline verschweigt dir einiges.“ Veronica bedachte Naron mit einem seltsamen Blick.
„Vielleicht weiß sie es selber auch nicht mehr. Sie hat nie von ihrer Kindheit erzählt. Was ist, wenn die Hexen ihr auch des genommen haben?“
Veronica schluckte. „Das hätten sie können.“
„So hätten sie Evie auch noch schneller zu dieser Dämonin machen können.“
„Sie hat einen schlechten Ruf, habe ich gehört.“
„Allerdings!“ bestätigte Naron. „Aber nochmal zurück zu den Flügeln! Keiner unserer Art hat welche. Wie kann sie sie dann haben?“
„Bin ich Biologin? Was weiß ich. Sie hatte welche! Aber wenn sie sie jetzt nicht mehr hat, frag die Hexen, was sie mit ihr angestellt haben. Sie waren auch diejenigen, die Mac beinahe umgebracht hätten. Sie wollten ihn vergiften. Seine Eigenen Schwestern! Angeblich ein Unfall. Bullshit!“
Naron legt ihr diesmal die Hand auf die Schulter.
„Nicht zu ändern, hmm? Wir scheinen gar nicht so unterschiedlich zu sein, denke ich.“
Veronica sah in mit traurigen Augen an. Dieser Dämon war anders. Sie war mit einem unguten Gefühl an diesem See erschienen, voller Zweifel, ob sie das Richtige tat. Doch er hatte ihre Zweifel weggewischt. Auch wenn sie nicht so emphatisch war, wie Michael, spürte sie doch diese Wärme, die er ausstrahlte. Er liebte Evangeline. Auch wenn er kein Mensch war.
„Ich denke, ich werde wirklich diese dreckigen Weiber aufsuchen. So langsam wird es Zeit, abzurechnen. Aber erstmal rede ich mit Gideon.“
„Warte, Dämon.“ Sie hielt ihn fest, bevor er aufstehen konnte. „Das war noch nicht alles!“
„Das weiß ich. Aber du hast mir schon so viel anvertraut. Ich denke, ich brauche Zeit, das zu verdauen und mir zu überlegen, wie ich es Evie beichte, das ich mit dir geredet habe. Sie wird mir die Haut abziehen, für diesem Verrat.“
„Würde es dir etwas ausmachen, ihr etwas von mir zu geben? Vielleicht behältst du dann noch alles bei dir?“ sie hielt ihm einen kleinen Beutel hin. Veronica drückte ihm den Beutel in die Hand und schloss seine Finger darum.
„Ich weiß nicht, ob sie sich noch daran erinnert. Aber wenn ja, ich möchte eine Revenge. Sag ihr das, bitte.“ Diesmal bat sie den Dämon. Sie hoffte, dass er dies nicht falsch verstand, doch Naron nickte und lächelte sogar.
„Gerne. Darf ich deine Hilfe noch einmal in Anspruch nehmen, wenn ich sie benötige?“
Veronica nickte knapp. Der erste Dämon, der nichts forderte. Der keine Ansprüche stellte oder befahl. Sehr merkwürdig, aber angenehm. Bevor sie noch etwas sagen konnte, verschwand er vor ihren Augen im Nichts.
Evie kam benommen zu sich. Salvarius Rechte war nicht zu unterschätzen. Sie war aber auch angeschlagen gewesen, das hatte sie bei dem Kampf mit dem Wolf erkannt. Der Blutverlust machte ihr doch mehr zu schaffen, als sie geglaubt hatte.
Doch wo war sie?
Es war stockfinster und roch moderig. Irgendwie feucht. Alles fühlte sich falsch an. Die Arme konnte sie nicht bewegen, weil sie gefesselt war. Sie hing an einer kalten, feuchten Wand, die Klauen in eisernen Metallkrallen gefangen. Ihr Gesicht tat weh. Er hatte sie kräftig erwischt, wofür sie ihn noch mehr hasste. Nun wusste sie, wer ihre Mutter missbraucht hatte; wer ihr Erzeuger war.
Ihr wurde schlecht. Auch als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie nichts vor Augen. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit. Wo waren nur die Anderen gewesen? Warum war sie nicht bei Viktoria geblieben? Sie hätte aufmerksamer und überlegter handeln sollen, statt kopflos! Doch nun war es zu spät. Sie hörte keinen Laut. Sah nichts. Und roch nichts Organisches. Es war, als gäbe es nichts um sie herum. Wie sollte Naron sie nur finden?
Naron erschien zwischen schreienden und ängstlichen Gestaltwandlern. Überall stoben sie auseinander, oder gingen in ihrer Raserei aufeinander los. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Ein Zelt flog an ihm vorbei. Es war voller Blut.
Er war doch nicht so lange weg gewesen.
Dann kam ihm ein vertrauter Körper entgegen, der Jemanden schleppte. Blake!
Wütend ergriff er dessen Arm, um ihn aufzuhalten, besah sich aber erschrocken die blutige Frau in seinen Armen. Nicht Evie. Er kannte sie nicht. Blake fauchte ihn an.
„Verschwinde! Ihr habt sie doch schon!“ Blakes Augen wurden goldbraun. Seine Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. Doch Naron ließ nicht locker, sein Griff festigte sich.
„Wovon redest du, Wolf?“ fragte er gereizt.
„Du und deine Dämonen seid Abschaum! Was wollt ihr noch?“
„Ich weiß ja, dass du bescheuert bist, aber sag mir, wovon sprichst du? Was war hier los?“ Narons besorgter Blick der auf Alana ruhte, brachte Blake aus der Fassung. Wer war dieser Kerl?
„Du warst doch auch hier, oder?“
„Nein, ich hatte zu tun. Wo ist Evie? Wo sind mein Freund und sein Vampir? Sie waren zusammen.“
„Sie haben Evie mitgenommen! Wo die anderen sind weiß ich nicht.“
„Wer hat sie? Salvarius?“ fragte Naron und zog den nervösen Blake näher an sich heran. Alana keuchte und spuckte Blut.
„Sie haben die Dämonin… Hat ihn fertig gemacht… wegen mir.“ stöhnte sie.
„Was ist hier passiert?“ fragte Naron erneut.
Blake verlagerte die Leopardin auf die andere Seite und sah den merkwürdigen Dämonen musternd an. Seine Hörner wurden immer dunkler.
„Du warst es doch, der mit Evie ging, oder? Ich hatte erst gedacht, ich sehe sie nicht wieder. Doch dann tauchte sie plötzlich auf, wie aus dem Nichts. Kämpfte mit einem meiner Leute. Dann kam Salvarius. Er hat ihr das angetan.“ Er deutete auf Alana.
„Was hat er dir getan, Frau?“ Naron beugte sich zu ihr herunter.
„Ich hätte besser aufpassen sollen. Er hat mich geschnappt. Dieses widerliche Vieh hat mich…. Ich habe nichts gesagt. Sie wollten Evie.“ Ihre Stimme brach. Naron schaute an ihr herab; sah das Blut an ihren Beinen herablaufen, beinahe geronnen.
„Er hat dir das angetan?! Nur wegen Evie?“
Alana nickte und tränen bildeten sich unter ihren zugeschwollenen Augen.
„Sie hat den Mistkerl auseinandergenommen, der Alana vergewaltigt und gefoltert hat. Seine Überreste liegen noch irgendwo dahinten.“ Blake zeigte mit einem Finger in die Richtung.
Alana ergriff mit einem Mal Narons Hand.
„Finde sie! Er tötet sie, wenn er weiß, dass sie nicht seine Tochter ist!“
Viktoria hielt Dereks Hand. Sie zitterte am ganzen Leib.
„ER hat sie mitgenommen…mitgenommen. Derek, was machen wir jetzt? Er hat Evie.“ schlurzte sie los. Derek nahm sie beschützend in den Arm, um sie einem kämpfenden Knäul aus dem Weg zu nehmen. Ihre Haut war kalt, stellte er fest. Sonst war sie immer warm, erstrecht wenn sie getrunken hatte. Doch nun war sie kalt, als wäre sie tatsächlich tot.
Benommen wusste er auf einmal um die Unterschiede, die sie ausmachten. Und wie viel er noch zu lernen hatte, über diese Kreaturen.
„Ich denke wir sollten hier verschwinden und sehen, ob wir Naron finden können.“ sagte Derek versucht beruhigend. Er hatte die Befürchtung, sie könne die Kontrolle verlieren, bei all der Wut und dem Blut in der Luft. Aber Viktoria nahm das alles gar nicht wirklich wahr. Sie war versunken in ihrer Sorge um Evie. Sie hatte plötzlich Verlassensängste, die sie vorher nie verspürt hatte.
Derek drehte sich mit ihr um, da er von dem ehemaligen Schauplatz des Kampfes von Evie und Salvarius weg wollte. Doch Naron stand augenblicklich vor ihm.
„Er hat meine Evangeline?“ mehr brachte Naron nicht raus.
Beide nickten und Viktoria brach in Tränen aus.
„Naron… sie hat sich gewehrt, aber er war zu stark. Sie sind einfach verschwunden.“ schlurzte Viktoria wieder.
„Verdammt! Derek, wo würde er mit ihr hinwollen? Die Gestaltwandlerin sagte, er dachte er wäre der Dämon, der Evie gezeugt hat. Auf dessen Suche sie sei! Sie meinte, er würde sie töten, wenn es nicht so wäre.“ grollte Naron leise, aber sehr deutlich.
Derek runzelte die Stirn. Seine Tochter?
„ER war es? ER hat ihre Mutter…“ Derek Stimme brach. Er kannte Salvarius. Wusste, dass dieser Kerl Abschaum war. Viele Kämpfe wurden von ihm mit unfairen Mitteln gewonnen. Doch, dass er derjenige war, den Evie suchte, machte alles noch komplizierter, da niemand wusste, wo er sich aufhielt, wenn er nicht bei Gideon war. Gideon!
„Wir müssen zu Gideon. Sofort. Er wird wissen, wo er sein könnte.“ platzte Derek heraus.
„Ich muss eh noch was mit ihm Klären. Dann los.“ sagte Naron und verschwand.
Derek nahm Viktoria mit.
Die Burg war hell erleuchtet, obwohl es auch auf Talon Nacht war, schien es, als wäre es Tag. Was war hier nur wieder los? dachte Naron. Es gab nichts zu feiern. Oder hatte Salvarius sie hierher gebracht? Nein. Unmöglich, denn dann wäre alles herausgekommen. Salvarius würde sie woanders hinbringen.
Naron hörte Schritte hinter sich; die von Derek und Viktoria.
Sie erreichten den langen Gang zur Thronhalle, doch er war bewacht. Noch nie hatte hier Wachen gestanden. Naron schritt auf einen der Dämonen zu und erläuterte, dass er sofort mit Gideon sprechen müsste. Doch die Wache schüttelt nur den Kopf.
„Das können wir nicht zulassen. Der König ist momentan in keiner guten Verfassung.“ sagte die schwer bewaffnete Gestalt vor Naron.
„Was ist denn los? Stimmt etwas mit Gideon nicht?“ fragte Naron.
„Er ist stocksauer. Salvarius ist verschwunden. Er ignoriert Gideons Befehl, hier zu erscheinen.“
Trifft sich ja gut, dachte Naron.
„Ich habe Neuigkeiten bezüglich Salvarius. Lass mich zu ihm!“ forderte Naron.
Die Wache beäugte ihn misstrauisch, lies ihn aber durch. Nur ihn allein.
„Die gehen nicht. Sag ihm was du weißt und verschwinde. Er hat schon die gesamte Halle auseinandergenommen.“ Derek schluckte bei diesen Worten.
„Schon gut. Ich bringe Viktoria zu Plikera, wenn du nichts dagegen hast. Komm dann nach, ok?“ sagte er. Naron nickte knapp und ging auf das riesige Tor zu, das in die Halle führte.
Auf der Außenseite des Tores waren verschiedenste Verzierungen, als Erinnerungen an die vergangenen Heldentaten der besten Krieger. Naron hatte immer seinen Platz auf diesem Tor angestrebt, doch diesmal hatte dieser Gedanke keinen Platz in seinem Kopf. Seine Sorge galt seiner Gefährtin.
Kurz blieb er vor dem Tor stehen, bevor er es mit viel Kraft aufstieß.
Der Anblick, der sich ihm bot, war erschreckend. Die Halle sah aus wie das Schlachtfeld, auf dem er zuletzt gekämpft hatte. Die Kandelaber am Eingang lagen brennend am Boden. Tische und Stühle waren größtenteils nur noch Brennholz. Überall lagen Gegenstände herum. Hie und da glühten noch ein paar Feuer auf, die die Überreste der vielen Kerzenleuchter darstellten, die einst die Halle erleuchtet hatten. Auf seinem Thron hockte Gideon. In der linken oberen Ecke des Thrones steckte noch eine große Streitaxt. Gideons Lieblingswaffe.
„Verschwinde von hier!“ brüllte Gideon lallend.
Na toll, dachte Naron. Er hatte nicht nur umdekoriert, sondern sich auch volllaufen lassen. Das würde spaßig werden.
„Gideon? Ich habe wichtige Neuigkeiten! Hör mich an.“ donnerte Naron. Er griff sich von einem der noch verbliebenen Tische eine große Wasserschale. Ohne Vorwarnung ging er auf den Thron zu. Er bückte sich, da Gideon mit einem Schild nach ihm warf, welches er zu fassen bekommen hatte. Naron war schnell. Er schmiss die Schale in Gideons Richtung. Das Wasser dran traf in unvorbereitet.
Gideon fluchte laut und wischte sich das Gesicht an seinem Umhang ab.
„Naron, du verdammter Höllenhund. Ich sollte dir die Haut abziehen und an meine Siegeswand hängen.“ grollte er.
„Ich denke, ich bin größer, als deine Wand, also vergiss es.“
„Werd nicht frech, Bursche.“ lallte Gideon drohend.
„Hast du vor, dich neu einzurichten, oder was tust du hier?“ fragte Naron und setzte sich zu Klauen seines Herrschers. Gideon musterte ihn ein wenig schielend.
„Was geht dich das an, Bengel? Wo ist Salvarius? Hast du ihn gesehen?“ frage Gideon bestimmt.
„Das habe ich wirklich. Und das ist auch unser Problem, Gideon.“
„Ach ja, wo ist er?“ grollte Gideon.
Naron zuckte nur die Schultern. „Keine Ahnung.“
„Was willst du dann hier?“ donnerte Gideon und zog seinen Umhang um sich.
Gideon sah schlimmer aus, denn je. Seine Haare standen in alle Richtungen ab und waren zerzaust. Die Kleider waren verdreckt und teils zerrissen. Doch die Verzweiflung, die in seinem Gesicht stand, machte alles nur noch schlimmer. Er war schon lange nicht mehr das, was er mal war, doch so hatte ihn selbst Naron noch nie erlebt.
„Du gabtest mir einen Auftrag, erinnerst du dich? Die Dämonin?“ Gideon nickte und verdrehte die Augen. „Ich habe sie gefunden. Aber nun kommt der schwierige Teil.“
Naron rutschte einige Stufen hinab, um sich sprungbereit zu machen.
„Wo ist sie? Hast du sie hergebracht?“ fragte Gideon.
„Nein. Dein Freund hat meine Gefährtin!“ Naron drückte sich noch ein wenig weiter zurück. Gideons Gesichtszüge verrieten nichts. Doch seine Augen funkelten.
„Was meinst du? Wovon redest du?“ donnerte Gideon.
„Kurzfassung, oder lieber genauer?“
„Rede endlich!“ grollte der Dämon.
„Du hast mich auf die Suche nach der Dämonin geschickt. Ich fand sie und ebenso in ihr meine Gefährtin! Toll was.“ Naron sprang zurück, als Gideon seine Streitaxt ziehen wollte. „ Sie ist problematischer, als wir gedacht haben. Sie tat dies alles, wofür du sie fangen wolltest, weil sie auf der Suche nach ihrem Erzeuger ist. Salvarius hat gedacht, er wäre es und hat sie verschleppt. Und wer zum Teufel, hat dir erlaubt eine Hexe namens Michelle zu deiner Gefährtin zu machen?“ grollte Naron, als Gideon die Axt in seine Richtung schwang.
Gideons Beine knickten ein. „Was hast du gesagt?“ fragte er verwundert.
„Du hast mich schon verstanden, alter Dämon!“ feixte Naron.
Gideon ging auf die Knie und schmiss die Axt von sich. Seine langen Hörner waren schwarz gewesen, nun wurden sie vor Scham fast rosig. Naron bemerkte die sofort. Er hatte dessen Aufmerksamkeit. Der Dämon vor in saß auf seinen Stufen und blickt ihn mit einem Ausdruck in den Augen an, den Naron noch nie bei ihm gesehen hatte.
„Michelle…“ murmelte der Dämon leise. „Woher weißt du von ihr?“ fragte Gideon verzweifelt.
„Ich habe meine Quellen.“ Naron setzte sich neben ihn und trat die Axt noch ein Stück weiter weg. „Du hattest sie gefunden. Deine Gefährtin. Eine Hexe war sie, richtig?“ Gideon nickte.
„Sie war so liebreizend und ich noch so jung. So verdammt naiv!“ grummelte Gideon.
„Ok, ich werde dir jetzt etwas anvertrauen, was echt abgedreht ist. Hör mir gut zu! Deine Hexe wurde in eine Falle gelockt, vermutlich von Salvarius, und der ist der Meinung, dass er die Dämonin gezeugt hat. Doch das warst du, Gideon. Du hast mich auf die Suche nach deiner Tochter geschickt.“
„Das kann nicht sein.“ donnerte er.
„Hör zu! Deine Hexe starb qualvoll bei ihrer Geburt, weil sie von Salvarius… Er hat sie geschändet, Gideon. Sie war… Er hat sie beinahe Tot liegenlassen, nur durch ein Wunder überlebte sie und war in der Lage deine Tochter auszutragen.“
Gideon keuchte laut und fasste ihn am Kragen. „Was sagst du da?“
„Deine Tochter weiß aber nicht davon, dass du nicht der Vergewaltiger ihrer Mutter warst, sondern ihr Liebhaber. Sie macht Jagd auf dich, weil sie Michelle rächen will. Angestiftet von den Hexen ihrer Familie.“
„Die Hexen?!“ grollte Gideon und ließ von Naron ab. Dieser berichtete ihm, was er von Veronica erfahren hatte, während Gideons Gesicht immer fahler wurde.
Nach einigen Minuten saß dieser leise schlurzend am Boden.
„Michelle… was hat er mir angetan?“ Gideon wischte sich mit seinem Umhang erneut übers Gesicht und blickte Naron wutentbrannt an. „Nun hat er Evangeline?! Meine…Ich habe eine Tochter. Und die ist deine Gefährtin?“ Gideon kniff die Augen zusammen.
„Na ja, noch nicht ganz. Ich habe noch nicht mit ihr… Na du weißt schon. Scheiße. Ist mir das jetzt peinlich.“ Naron strich sich über seine Haare, wie er immer tat, wenn ihm etwas unangenehm war.
„Ihr habt es noch nicht vollzogen?!“ fragte Gideon merkwürdiger Weise erleichtert.
„Nein, konnten wir nicht. Es gab einige Probleme. Sie ist ein extremer Hybrid. Gideon sie hat Flügel, oder hatte. Als kleines Kind, wohl. Sie sieht übrigens wirklich so aus wie du, als du noch in deinen guten Jahren warst.“ kicherte Naron.
„Wie konnte er sie verschleppen?“
„Ich glaube mit einer Horde Rador hat auch deine Tochter so ihre Probleme, vor alle da sie Gestern viel Blut verloren hat. Wir hatten einen kleinen Unfall. Sie ist übrigens genauso Launisch wie du, alter Dämon.“
„Erzähl mir alles über sie beim Essen. Hol Derek und die Vampirin. Ich will sie sehen. Und dann suchen wir diese Missgeburt von Walddämon!“ grollte Gideon.
Die Ketten an Evies Armen klirrten, als diese an der Wand nach oben gezogen wurden. Ihr Rücken scheuerte über die steinerne Oberfläche, doch sie gab keinen Laut von sich. Sie roch die Erde über ihr, da sie ihr immer näher kam. Sie musste sich in irgendeinem Verschlag befunden haben, dachte Evie.
Als sie die Oberkante der Steine erreicht hatte und sich ein blonder Dämon über sie beugte, war sie versucht zu schreien. Sein halbes Gesicht war vernarbt, als hätte man ihn mit Säure übergossen. Die Haare hingen ihm ins Gesicht, das mit den blauesten Augen versehen war, die sie je gesehen hatte. Er war kräftig gebaut mit einer auffallenden Tätowierung am linken Oberarm. Sie prägte ihn sich genau ein.
Er zog sie über den Rand der Steinkante, sodass sie erkennen konnte, worin sie sich befunden hatte. Ein Brunnen.
Die Feuchtigkeit und der moderige Geruch stammten von einem Brunnen.
Evie schluckte und hustete, als sie auf den Boden schlug und von dem Dämon beäugt wurde.
„Das ist also das Weib vor dem sich alle fürchten? Bedauernswert.“ Sagte der Dämon und wandte sich Salvarius zu, der hinter ihm auftauchte.
„Ich denke nicht, dass du sie verärgern solltest, mein Freund. Bolgnar und Oklan sind tot. Sie ist schnell und gerissen, deshalb unterschätze sie nicht.“ Salvarius klopfte ihm auf die Schulter.
Dann beugte er sich hinab, nicht zu dicht, aber nah genug.
„Du hast doch sicherlich einen Namen, Weib. Also verrat ihn uns.“ grollte er.
„Wofür? Willst du ihn auf meinen Grabstein meißeln?“ fragte sie gereizt. Es war zwar nicht klug, die Dämonen zu verärgern, aber sie war sich bewusst, dass er sie vermutlich eh töten würde. So wie ihre Mutter. Für deren Tod er verantwortlich war.
„Sie wird frech, Salvarius. Was gedenkst du dagegen zu tun?“ fragte der Dämon mit den blonden Haaren.
„Hmm, weiß ich noch nicht. Helion. Mal sehen. Fürs Erste bring sie dort in die Scheune und entledige sie ihrer versteckten Waffen. Dafür war noch keine Zeit. Dann lass sie waschen und zu mir bringen. Sie soll mir bei Essen Gesellschaft leisten.“ knurrte Salvarius.
„Was willst du von mir, wenn nicht meinen Tod, du verdammtes Dreckschwein?“ fauchte Evie.
„Ich will Erklärungen!“ donnerte Salvarius und riss sie an den Haaren zu sich hoch. Sie roch seinen widerlichen Atem und diesen misch aus Blut und Wald. Er bleckte seine großen Fänge und starrte ihr wütend in die Augen. Ihr wurde wieder schlecht. „Und du wirst sie mir geben!“
Dann ließ er sie fallen. Sie knallte auf den sandigen Untergrund und landete mit dem Gesicht im Dreck. Helion griff nach ihren Ketten, mit denen sie immer noch gefesselt war und zog sie hoch. Auch er blickte ihr in die Augen, musste feststellen, dass sich ihre Pupillen zusammenzogen und grinste hämisch.
„Sie wird wütend.“ Bemerkte er trocken und wischte ihr mit der freien Hand über die nun blutige Lippe. Er hielt sie nur mit einer Hand fest. Evie wunderte sich über die Stärke. Sie wusste zwar mittlerweile, dass die Rador eine der stärksten Gruppierungen waren, doch es verwirrte sie trotzdem. Seine Hörner lugten dunkel unter den hellen Haaren hervor. Nicht so beeindruckend , wie bei Naron, aber ähnlich. Helion hier war aber noch ein kleines Stück größer, als Naron. Das merkte sie, als er sie runterließ und sie vor sich her zu der Scheune schob.
In der Scheune standen schon zwei Dämoninen parat und warteten auf Evie. Die sich sofort versteifte. Die eine war kleiner als sie, mit dunkleren roten Haaren. Die zweite war dünn und recht groß, mit braunen Haaren. Beide waren unscheinbar gekleidet. Sie sahen aus, als wäre sie im Mittelalter gelandet.
Schnell und gnadenlos durchsuchte er Evie nach ihren Messern und warf diese nacheinander zu Boden.
„Sie soll gesäubert werden. Zieht sie angemessen an und reinigt ihre Sachen!“ befahl Helion. Evie gefiel das nicht. Zum einen wollte sie nicht von denen angefasst werden, zum anderen mochte sie seinen Ton nicht, dachte Evie...
„Och wirklich? Interessant.“ fauchte Helion. Evie blickte ihn verwirrt an. „Ich rede mit meinen Sklavinnen, wie es mir beliebt, Weib!“ donnerte er und zog sie ruppig zu ihnen herüber. Hinter ihnen stand ein alter Waschzuber. Daneben stand eine Truhe auf denen altertümliche Stoffe lagen. Evie war erstaunt und zugleich entsetzt. Hatte er ihre Gedanken gelesen? Fragte sie sich und besah sich wieder diese alte Wanne.
„Ja, habe ich. Solange du mich lässt.“ grinste er.
Sie fauchte und wand sich in den Ketten, doch er ließ nicht locker.
„Das hat keinen Sinn, Weib. Also was mache ich jetzt mit dir? Geht, wartet vor dem Tor.“ grollte er. Kaum waren die Dämonenfrauen weg, warf er sie kurzerhand in den Waschzuber.
Evie rutschte in die Wanne und bekam Wasser in die Lunge. Sie war untergetaucht und kam nicht mehr hoch, da sie ihre Hände nicht gebrauchen konnte. Helion ergriff ihren Arm und zog sie nach oben. Sie spuckte und hustete Wasser.
„Geht auch auf die harte Tour, Fräulein.“ fauchte er und tauchte sie nochmal für einen kurzen Moment unter. Evie versteifte sich.
Dann spürte sie, wie er an ihren Kleidern herum fummelte. Helion ergriff ihren Hosenbund und zog sie ihr geübt schnell von den Beinen, obwohl sie sich mit Leibeskräften wehrte. Auch das Oberteil entriss er ihr unter wildem Protest. Er wurde selbst extrem nass bei dieser Prozedur, doch er hatte sichtlich Spaß bei der Sache. Als sie nur noch mit ihrem Spitzenhöschen bekleidet dasaß, welches sie extra für Naron ausgesucht hatte, fühlte sie sich beschämt und verletzlich.
Seine Reaktion war aber eine ganz andere. Sie sah, wie ihn ihr Anblick erregte, da sie nun entblößt vor ihm saß, wenn auch im Wasser, nur mit einem Spitzen-Hauch-von-Nichts, dass nicht für seine Augen bestimmt war.
Helion entging nicht, wie straff und wohlgeformt, mit Pölsterchen hie und da an den besten Stellen, ihr Körper war. Die Haare hingen ihr nass über die Brüste und das Bisschen, dass sie noch trug, verhüllte nicht viel. Aber der Geruch, der von ihr ausging, war ihm nur allzu vertraut. Es war ein Geruch, der ihn schon sehr oft begleitet hatte, er wusste nur nicht recht, wo er ihn einordnen sollte.
Er lass ihre Gedanken wie ein offenes Buch. Sie war sauer und ängstlich zugleich. Schämte sich vor ihm und … Naron. Sie dachte an Naron? Sein Geruch. Sie kannte Naron und hatte seinen Geruch an sich, wie eine zweite Haut.
„Weib! Halte still.“ fauchte er und zog sie an den Ketten näher an sich ran. Er kniete sich neben den Wassertrog und schob seine Nase ganz dicht an ihr Gesicht. Dann atmete er tief ein. Roch an ihr. Naron!
„Was hast du mit Naron zu schaffen, Weib? Woher ist sein Geruch an dir?“ knurrte er.
Sie blickte ihn mit angsterfüllten Augen an und er drang in ihren Kopf ein, als öffnete er eine Tür. Dann sah er Bruchstücke, von dem, was sie mit ihm erlebt hatte. Er sah, wie sie ihn anschrie. Sah wie sie blutend am Boden lag, als ihr der Schwanz wuchs, der sich nun um seinen Arm schlang und diesen zerkratzte. Sah, wie er sie ansah, voller Zuneigung und Wärme. Einen Blick, den er bei ihm nicht kannte. Dann hörte er seine Worte. –besiegelt unseren Verbindung zueinander. Ich kennzeichne dich als die Meine.- und erschrak. Helion wich von der Dämonin zurückt, wobei Evie wieder in die Wanne rutschte.
Außer Atem hielt sie sich am Wannenrand fest und knurrte den Dämonen wütend an. Sie hatte ihn in ihrem Kopf gespürt, ihn wahrgenommen.
„Mach das noch mal und ich erwürge dich mit deiner bescheuerten Kette hier!“ hustete Evie.
Helion saß vor ihr und starrte sie an.
„Du bist… Narons Gefährtin? Bist du es?“ er stand auf und funkelte sie mit einem verwunderten Ausdruck in den Augen an.
„Eigentlich ja, irgendwie. Aber noch nicht ganz.“ Gab sie zu und sank hustend auf die Knie. Er näherte sich ihr wieder und zog sie aus dem Wasser. Drehte sie aber mit dem Rücken zu sich.
Plötzlich spürte sie einen weichen Stoff auf ihre Haut, der sich um ihren Körper schloss. Sie packte den Stoff und zog ihn fest an sich. Als sie sich umdrehte, lag Misstrauen in dem entstellten Gesicht des großen Dämonen vor ihr.
„Woher kennst du Naron?“ fragte er sie geradeheraus.
„Er hat mich gefunden. Sollte mich zu Gideon bringen, aber es kam etwas dazwischen.“ Sie begann sich abzutrocknen.
„Wie verbunden seit ihr?“
„Das geht dich nichts an!“ fauchte sie.
Doch Helion baute sich vor ihr auf und grollte leise.
„Sollte Salvarius davon erfahren, bist du schneller tot, als du Naron schreien kannst. Also antworte, oder ich dringe wieder in deine Kopf. Entscheide!“
„Is ja gut. Wir haben noch nicht miteinander, na ja.“ Sie wedelte mit dem Stoff. „Ist es das was du wissen willst?“ fragte sie leise.
„Ich wäge gerade ab, was schlimmer wäre. Naron der seine Gefährtin rächt bevor, oder nachdem er mit ihr den Akt vollzogen hatte.“ Der Dämon schaute sie musternd an.
„Wieso? Salvarius hat doch eh vor mich zu töten, also, was soll das Ganze hier?“
„Wenn du Naron Gefährtin wärest, wäre auch der Fall klar. Aber so… Wie stehst du zu ihm?“ fragte Helion. Sie stutzte.
„Was meinst du damit?“
„ Eine Gefährtin, die noch nicht gekennzeichnet wurde, ist zwar eigentlich kein Freiwild mehr, aber sie kann sich noch gegen den Dämon entscheiden. Letztendlich liegt alles in eurer Hand.“ Das waren neue Worte. Bisher hatte sie es immer als, vom Schicksal entschieden angesehen, doch sie konnte wählen? Wollte sie das denn?
Evie schüttelte den Kopf. Allein Naron Gesicht vor Augen reichte, um sie daran zu erinnern, was sie wollte. Sie wollte ihren Dämon.
„Ich würde mich nicht gegen ihn entscheiden. Aber ob ich das nun überhaupt noch kann, weiß ich nicht.“
„Ich sorge dafür. Wenn du Naron willst, dann wirst du ihn auch kriegen.“ Sagte der Dämon schlicht.
Dann deutete er auf die Truhe und sagte ruhig.
„Ich schicke dir die Weiber rein. Zeih dich an!“
„Was meinst du damit?“ fragt Evie.
Er drehte sich zu ihr und zeigte ihr sein Schwert, welches ihm an der Seite herunterbaumelte. Als sie die Klinge blitzten sah und die Verzierungen darauf, wusste sie was er meinte.
„Naron hat auch so eines!“ flüsterte sie. Helion hielt sich den Finger vor den Mund und öffnete schwungvoll das Tor.