Читать книгу Dämonenfluch - Jasmin Koch - Страница 5
2
ОглавлениеStunden nach dem sich Gideon beruhigt und dafür gesorgt hatte, dass die Halle wieder benutzbar war, saßen er und Naron mit Derek und Viktoria allein beim Essen. Er wollte nur in dieser kleinen Gruppe speisen, um ausführlich von den letzten Tagen der drei Bericht erstattet zum bekommen. Ausgelassen lachte er, als Derek erzählte, wie wütend Evie reagierte, wenn Naron sie auf die Palme brachte.
Betroffen hatte er mitanhören müssen, wie sie schwer verwundet, durch ihren sturen Kopf verursacht, auf Dereks Bett gelegen hatte. Auch die Tatsache, wie Naron sich umsorgt hatte, war Gideon dabei zu Ohren gekommen.
„Wie konnte sie sich so schnell erholen, wenn du sie… na diese Hörner. Bei den Frauen sind die doch nie so empfindlich. Irgendwas stimmt da nicht, Naron.“ sagte Gideon beunruhigt.
„Ich weiß. Und ich denke, es könnte etwas mit diesem Fluch zu tun haben, die ihre Hexen auf sie gewirkt haben. Veronica sagte mir, dass Evie diese Wandlungen durch diesen Fluch verstärkt hat. Was ist, wenn der nach hinten los gegangen ist?“ fragte Naron. Viktoria nickte.
„Du meinst, die haben bewirkt, dass ihre Dämonenkräfte auch wandeln. Denn sie kann sich ja beinahe in einen Menschen verwandeln, doch ihre dämonische Seite kann nicht unbetroffen dabei sein.“ sagte sie überlegend.
„Genau. Ich befürchte, sie haben ihre Kräfte so weit unterdrückt, dass sie nun mit aller Macht auf sie einprechen. Denkt nur an den Abend, als ihr der Schwanz gewachsen ist. Jahre nachdem sie dafür gesorgt hat, das er verschwindet.“ erläuterte Naron.
„Daran könnte was dran sein.“ sagte Derek. „Aber du sagtest, sie hätte als kleines Kind Flügel gehabt. Warum sind die dann nicht nachgewachsen?“
„Könnte das mit ihren Hormonen zusammenhängen?“ fragte Viktoria leise. „Ich meine, Naron hat ihren ganzen Hormonhaushalt durcheinander gebracht. Die Hörner, der Schwanz und ihre Aggressivität haben mit der Paarung zu tun. Wenn ihr das so nennen wollt. Aber ihre Flügel spielen dabei keine Rolle.“
„Naron? Ist das war? Du hast es ausgelöst? Was zum Henker hast du mit ihr angestellt?“ Gideons Fragen prasselten nur so auf ihn ein.
„Er hat nicht die Finger von deiner Tochter lassen können. Genauso wenig wie Evie von ihm.“ Murmelte Viktoria grinsend. Gideon sah sie scharf an.
Seine Miene verhärtete sich. „ Eine Dämonin, die so stark ihrem Instinkt unterliegen ist, kann zu einer mächtigen Gefahr für alle anderen werden, Naron.“ sagte er hinter zusammengebissenen Zähnen. „ Sie verfällt oft dem Wahnsinn, weshalb ich immer dränge, dass sich unsere Gefährten schnell vereinigen. Möglicherweise kommen wir zu spät.“
„ Das glaube ich nicht, Gideon. Evie ist eine starke Dämonin. Sehr Gefühlsbetont, ja, aber auch organisiert und berechnend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dem Wahnsinn verfällt. Sie wird zu einer Gefahr, richtig. Denn sie wird ihre Kräfte irgendwann nicht mehr kontrollieren können.“ mutmaßte Derek.
Viktoria stimmte ihm zu. „Sie ist keine gewöhnliche Dämonin. Ihr vergesst alle, dass sie halb Hexe ist. Wo gab es bisher so eine Konstellation? Derek, du hast selber gesagt, sie gehört auf keine der Seiten. Sie steckt mittendrin!“ endete Viktoria stand auf und streckte sich. „ Ich habe hunger.“
„Wann hast… oh gestern. Du hast zuletzt gestern Morgen etwas gegessen.“ bemerkte Derek.
„Hmmm. Normalerweise komme ich länger ohne Blut aus. Aber auch bei mir läuft im Moment nicht alles so normal.“ sie grinste verlegen.
Gideon fackelte nicht lange. „Was bevorzugst du, Vampir?“ fragte er etwas grob. Viktoria bemerkte den anklagenden Unterton und fauchte den größeren Dämonen böse an.
„Ich trinke nicht aus der Ader, Dämon. Bisher habe ich immer Blutkonserven vorgezogen. Also tu nicht so, als wäre ich das größere Monster von uns beiden. Es genügt auch Tierblut, schmeckt nur nicht so lecker.“
„Verzeih, du hast Recht. Ich bin voreingenommen. Aber so häufig beherberge ich keine Vampire. Im Normalfall schmücken ihre Köpfe meine Burgmauern.“ Gideon sah sie herausfordernd an.
Doch Viktoria ließ es darauf bewenden und sagte nichts.
Gideon schlug sogleich auch einen kleinen Gong vor seinem Platz, woraufhin zwei Sklavinnen eintraten und sich wartend neben ihn stellten.
„Seid so gut, besorgt meinem Gast Blut. Sie muss sich stärken.“ Kaum gesagt verschwanden die beiden wieder.
Gideon bedachte sie mit einem Lächeln.
“Warum ist dein Blutdurst stärker als sonst? Liegt es an dem Dämonen neben dir, dem du die ganze Zeit über schöne Augen machst?“ fragte Gideon.
Viktoria geriet außer Fassung und fummelte an dem Saum ihres Shirts herum. Sie war keineswegs passend gekleidet und stach hervor, aber im Mittelpunkt stehen wollte sie nicht. Doch das tat sie gerade, weil aller Augen auf sie gerichtet waren, teils amüsiert. Derek war verwundert.
„Ich mache niemandem schöne Augen!“ fauchte sie. „Ich steh unter Stress, da brauche ich halt mehr.“ ergänzte sie leise. Gideon lachte.
„Na mit der hast du es aber nicht leicht, Derek. Sie wird dir noch viel Ärger machen, wenn du sie behältst.“
Derek errötete leicht. Sie behalten…
„Als wäre ich seine Ware?“ hörte er Viktoria grollen. „Seine Ware, was? Scheiße ist! Niemand bestimmt über mich, Niemand! Merkt euch das.“ Am liebsten wäre sie geflüchtet, doch wohin? Sie wusste ja noch nicht mal, wo sie war. Wie sollte sie dann hier weg kommen? Sie verschränkte die Arme und starrte wütend auf den leeren Teller vor ihr.
Kurze Zeit später brachte eine der Sklavinnen einen großen Krug herein und stellte diesen direkt auf den Teller. Sie sah Viktoria nicht an.
„Ich wusste nicht, wie viel ihr zu euch nehmt. Ich hoffe es ist recht so.“ stammelte die Sklavin.
Viktoria schaute in den reichlich gefüllten Krug und begann zu grinsen. Dann sah sie der Sklavin ins Gesicht.
„Danke. Das wird für die nächsten fünf Tage reichen. Es ist etwas viel. Aber danke.“ sagte sie schlicht.
Alle im Raum starten sie an, auch die Sklavin. Was war denn nun wieder?
„Was?“ fragte sie in die Runde.
Derek lachte. „Du verschreckst noch die Diener hier. Niemand spricht sie direkt an.“
„Was ist das denn für eine Scheiße?“ platzte es aus ihr heraus, was ihr eine giftigen Blick von Gideon und ein verstohlenes Grinsen der Sklavin einbrachte. „Sorry. Aber auch Bedienstete kann man ordentlich behandeln. Wir waren bei Hofe nicht so unhöflich.“ murmelte sie und schlug sich die Hand vor den Mund.
„Ah, das ist ja was ganz Neues.“ feixte Naron. „ Dein Vampir war bei Hofe.“ Er bedachte Derek mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Gideon blieb unberührt. „ Wo warst du in adeliger Gesellschaft? Die Monarchie ist doch recht spärlich vertreten zu dieser Zeit bei euch.“
Nun konnte sie nicht zurück.
„Am englischen Hof war ich längere Zeit zu Gast, da mein damaliger Meister zu ihnen gehörte. Ich wurde von ihm gewandelt.“
„Damalig? Wo ist er jetzt?“ fragte Gideon.
„Enthauptet. Es gibt eine kleine Gruppierung in England die Jagd auf Vampire macht. Menschen. Er fiel ihnen zum Opfer. Ich bin entkommen. Mehr braucht ihr nicht wissen.“ schloss sie.
Gideon gab sich damit zufrieden und deutete auf den großen Krug vor ihr.
Viktoria war es peinlich vor den anderen zu Trinken, doch es blieb ihr nichts anderes übrig.
Evie starrte verlegen an ihrem Körper hinab. Sie trug einen langen Überwurf, der als Kleid bezeichnet worden war. Es war in langweiligem Grau und war in Keinsterweise so, wie sie es sich zur damaligen Zeit im Mittelalter vorgestellt hatte. Es war nichts, was in irgendeiner Form bequem oder Ansatzweise figurbetont sein sollte, als sollen die Frauen verstecken, was sie haben.
Es war ihr schon unangenehm gewesen, sich von diesen Frauen ankleiden lassen zu müssen, da sie ja immer noch gefesselt war. Ihre Handgelenke waren Blutverschmiert. Immer wieder schnitten die Metallklammern in ihr Fleisch, was zwar sogleich wieder heilte, aber die Spuren blieben.
Frustriert stand sie nun auf dem sehr großen Vorplatz zur Scheune.
Es war mittlerweile heller geworden. Kurz vor Sonnenaufgang, nahm sie an. Zu ihrer linken befand sich der schmale Brunnen, in dem sie zu sich gekommen war. Dahinter ging es zu einem riesigen Feld, auf dem merkwürdige Pflanzen wuchsen.
Vor ihr stand ein breites Herrenhaus. Das Dach war reparaturbedürftig und die Eingangstüre war verzogen. Das Haus sah von außen aus, als wäre es stark in die Jahre gekommen und nicht viel gepflegt worden.
Rechts neben ihr gab es eine weitere kleinere Scheune, welche einen Kamin hatte, aus dem es schwarz rauchte. Es kamen Geräusche aus dessen Inneren, die sich anhörten, als befände sich dort drin eine Schmiede. Sie war wirklich im Mitterlalter gelandet.
Dann brach die rotte Eingangstür auf und Helion trat ihr entgegen. Hinter ihm stand ein weiterer Radordämon. Sie erkannte ihn. Er war auch am Strand gewesen. Einer von denen, die sie angegriffen hatten. Seine Hörner waren abgeschliffen. So kurz, dass sie kam aus den schwarzen Haaren hervor lugten. Sein Gesicht war zerschlagen. War sie das gewesen? Er hatte genauso dunkle Augen, wie Haare und war auch am restlichen Körper stark behaart. Er trug nur eine Lederweste am Oberkörper mit kleinen Taschen für ebenso keine Klingen. Ein Messerwerfer. Seine stämmigen Beine steckten in einer abgetragenen verwaschenen Hose, die ihre besten Tage schon lange hinter sich hatte. Die Klauenfüße waren vernarbt.
Warum hatten so viel dieser Dämonen Narben, aber nicht alle? Wie waren die Heilkräfte bei den Dämonen? Einige konnten sich anscheinend gar nicht selbst heilen.
Evie zuckte er kleines Stück zurück, als Helion ihre Hände packte.
„Vorsicht, Helion. Die hat ´nen mächtigen Schlag. Fast so, wie Salvarius.“
„Ich weiß.“ sagte Helion. „Ich habe auch schon mit ihr Bekanntschaft gemacht.“
Der behaarte lachte.
„Sag Salvarius, er soll sich fertig machen. Ich bringe sie in die Halle.“
„Ja mach du nur.“ Somit drehte der behaarte um und stolzierte hinein.
„Mach, was er verlangt, wenn dir dein Leben lieb ist. Nach diesem Treffen landest du wieder im Brunnen, soviel steht fest. Ich sehe, was ich machen kann, um dich da raus zu holen. Naron habe ich noch nicht erreichen können. Er beobachtet uns genau.“ Flüsterte Helion und führte sie langsam in das Haus.
Evie nickte leicht, sagte aber kein Wort. Was würde Salvarius mit ihr machen?
Als sie von Helion die die riesige Halle geführt wurde, vorbei an einem dunklen Raum und der Küche, wurde ihr mulmig zumute. Sie war nie ängstlich gewesen, da sie in Situationen geraten war, die sie nicht vorausgeplant und beeinflusst hatte. Aber es hatte sich einiges geändert.
In der Halle stand ein langer Tisch mit vielen Stühlen. Helion ging mit ihr zu dem riesigen Stuhl am Kopfende, zweifellos Salvarius Platz. Auf den Stuhl zur linken setzte er Evie nieder, in dem er sie behutsam nieder drückte. Die anfängliche Grobheit war verflogen.
War er wirklich auf ihrer Seite? Wenn ja, woher kannte er dann Naron? Fragen über Fragen schwirrten ihr durch den Kopf, als neben den großen Kamin hinter Salvarius Platz eine kleine Tür geöffnet wurde. Der hünenhafte Dämon erschien und bewegte sich betont gewaltbereit in ihre Richtung. Dann ließ er sich auf den großen Stuhl nieder.
„So, Dämonin. Wie ist dein Name.“ Er legte den Kopf auf seine gefalteten Hände, während die Ellbogen auf dem Tisch ruhten. Sie sollte tun, was er sagt.
„Man nennt mich Evie.“ sagte sie leise.
„Evie, wie Evelin, Richtig? Wie ist dein richtiger Name?“ knurrte er.
„Ehm, ich gebrauche ihn nicht mehr.“ Als er wieder knurrte fügte sich schnell hinzu. „ Meine Grandma nannte mich Evangeline. Nach einer schwarzen Hexe, die lange für Unfrieden gesorgt hatte.“ Salvarius lachte. Ihr stellten sich die Nackenhaare auf.
„Na, es geht doch, Weib. Nun wüsste ich gerne, wie du darauf kommst, mich zu jagen.“ Seine Augen blitzten vor Freude.
„Ich suchte den Vergewaltiger meiner Mutter und somit meinen Vater.“
„Und da dachtest du, ich sei das?“ grollte er und streckte sich auf dem Stuhl.
„Ich habe nicht gezielt, dich gesucht, Dämon. Ich suchte nach Radordämonen. Und du bist keiner.“
„Oh. Gut erkannt. Weißt du denn, was ich für einer bin?“ fragte er amüsiert, da er glaubt, sie wüsste es nicht.
„Du bist ein Walddämon. Du stinkst nach Erde und Holz. Genauso, wie den einen vor dir, den ich getroffen habe. Euch gibt es auch nur noch sehr selten.“ Herausfordernd blickte sie ihn an.
„Das darf doch nicht war sein.“ Er war verblüfft. „Du erkennst es nur an unseren Geruch? So findest du deine Opfer, richtig?“
Sie nickte. Er lachte erneut.
„Dann suchst du aber den Falschen. Denn du siehst ganz anders aus als ich. Ist dir noch nicht aufgefallen, was?“ er grinste dümmlich.
„Doch ist es. Denn dir fehlen ein paar Attribute, die die Rador ausmachen.“
Wütend packte er sie am Kragen und kam ihr zu nahe.
„Meinst du, nur weil du einen Schwanz hast, dass der besser ist als meiner?“ fragte er angriffslustig.
„Aber du hast doch gar keinen?“ fragte sie verwirrt.
Salvarius starrte ihr in die Augen und begann aus vollster Kehle zu lachen.
„Du bist gut. Bist du so naiv, oder tust du nur so?“ er packte sich gezielt zwischendie Beine und hielt ihr seine Schoß entgegen. „Ich meinte den hier, kleine Dämonin.“
Evie lief rot an. Sie konnte nicht anders. Dieser Kerl konnte widerlicher nicht sein und beschämte sie auch noch.
Er lachte weiter über Evie und schnippte dann in die Finger, worauf drei Sklavinnen erschienen, beladen mit Essen. Als die erste, eine sehr üppig ausgestattet Dämonin mit schwarzen Haaren den großen Teller vor Salvarius gestellt hatte. Ergriff er ihre Hüfte und zog sie auf seinen Schoß. Sie gab keinen Laut von sich, obwohl ihr Gesicht ihr Missfallen widerspiegelte.
„Das kleine Mädchen ist der Meinung, mein Schwanz wäre nicht länger als ihrer. Was hast du dazu zu sagen? Meinst du das auch?“ er griff ihr grob an die Brust.
Die Sklavin schüttelte kräftig den Kopf.
„Dann hat das kleine Mädchen Unrecht.“ Salvarius lachte wieder und ließ die Sklavin los. Diese flüchtete.
Evie musste schlucken. Am liebsten hätte sie ihm sein Lachen aus dem Gesicht geprügelt. Nicht nur weil er sie verhöhnte. Sie war sich mehr und mehr sicher, dass er ihr Ziel war. Aber wie sollte sie ihn ausschalten? Vor allem aber stellte sie sich die Frage, ob der Tod die wirklich gerechte Strafe für dieses widerliche Exemplar darstellte.
„Du solltest mal ordentlich geschaukelt wer den, Weib.“
Das war zu viel.
„So, wie du es meiner Mutter gezeigt hast? Hast sie auch ordentlich rangenommen, was?“ sie sprang auf und warf dabei den Stuhl um, auf dem sie noch vor Sekunden gesessen hatte.
Salvarius sprang ebenso schnell auf und schlug ihr mitten ins Gesicht. Da sie immer noch gefesselt war, konnte sie den Schlag nicht ausgleichen und stürzte zu Boden. Blut sammelte sich in ihrem Mund. Salvarius packte sie grob am Arm und zog sie zu sich hoch.
„Du hältst dich für sehr klug, was Dämonin? Aber ich nenne es dämlich, mich herauszufordern. Und ja. Ich habe sie ordentlich rangenommen!“ grollte er. „Das war ich ihr schuldig. Und du kannst froh sein, wenn ich nicht dasselbe mit dir mache. Denn falls du es nicht weißt. Dein Vater bin ich nicht!“
„Wovon redest du?“ fragte Evie und spuckte Blut. Salvarius grinste.
„Ich kenne deinen Vater. Du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Frage ist nur. Weiß er, dass er seinen unnachgibigsten Krieger neben mir auf seine Tochter losgelassen hat?“
Evie riss die Augen auf. Naron wurde auf sie angesetzt, von…
„Gideon?“ fragte sie leise.
Salvarius nickte selbstgerecht.
„Deine liebe Mutter wagte es anscheinend, den großen und gerechten Gideon unter ihren Rock zu lassen. Statt mich. Da habe ich mir genommen, was ich wollte.“
Nach dem ausgiebigen Mahl, hatte Gideon ihnen seinen Plan erläutert, Salvarius zu bestrafen. Die Tatsache, dass er seine Gefährtin auf dem Gewissen hatte, bohrte sich wie ein heißer Draht in sein Herz. Er ahnte, dass Salvarius nichts Gutes mit seiner Tochter anstellen würde und der Verrat an ihm machte Gideon verrückt.
Doch keiner konnte jetzt den Kopf in den Sand stecken. Evie musste gefunden werden, doch Gideon hatte keine Ahnung, wo.
Derek hatte Viktoria mitgenommen, um ihre Waffen zu holen.
Naron stand an der linken Wand hinter dem Thron, denn dort war die Karte des Herrschaftsgebietes von Gideon. Salvarius war hier ebenso zu Hause und würde sich irgendwo in der Nähe verstecken.
Gideon gesellte sich zu Naron und starrte genauso auf die Karte, wie er.
„Was denkst du? Was wir tun, wenn wir ihn finden, haben wir geklärt. Aber wie finden wir ihn?“ fragte Gideon.
„Ich kenne ihn nur halb so gut wie du. Nie habe ich mit ihm gekämpft, doch ich kenne andere, die das tun. Vielleicht bieten sie ihm Unterschlupf.“
„Sehr weise, Naron. Gut das ich dich habe. Es tut mir übrigens leid, dass ich dir diese Bürde auferlegt habe, mit Evangeline.“ Naron schaute seinen König bei diesen Worten streng an. Er genoss den Klang dieses Namens.
„Entschuldige dich nicht dafür. Es sollte so sein, denke ich. Ich mache mir keine Sorgen, dass sie deine Tochter ist, gebe ich zu. Aber ich mache mir Sorgen, weil sie noch so jung ist. In ihrer Welt ist sie erwachsen, mein König. Doch in unserer ist sie noch ein Kind. Es wäre schändlich mit ihr diese Verbindung zu bestätigen.“ Er schnaufte.
Gideon legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte diese kurz.
„Du machst dir zu viele Gedanken. Deine Vampirinfreundin hat Recht. Sie ist nicht normal, geschweige denn einzuschätzen, denke ich. Sie ist etwas Besonderes. Ich werde sie so behandeln und ich möchte, dass du dies auch tust. Lass sie entscheiden.“ Sagte der König bestimmend.
Naron nickte ihm zu. Gideons Ansichten waren manchmal nicht wirklich nachzuvollziehen, doch genau in diesem Moment verstand Naron, was dieser Dämon meinte. Er beneidete ihn, für seine Weitsicht. Er selber war immer so impulsiv gewesen, so draufgängerisch. Aber nicht mehr seid dem er der Dämonin begegnet war.
„Nicht ich habe sie verändert, mein König. Viktoria meinte zwar, dass ich verantwortlich sei, für ihre Launen, doch ich glaube es ist anders herum. Ich habe mich verändert. Ich denke anders, als noch vor diesem Auftrag. Vielleicht ist das der Grund, warum ich weiß, dass sie die Meine ist.“
„Du glaubst, sie macht…“
„Mich zu einem vollkommenen Dämonen. Wie es sein soll. Und wenn sie sich ebenso für mich entscheidet, werde ich alles tun, um sie glücklich zu machen. Ob hier in Talon, oder in ihrer Welt. Das ist mir egal.“ Ergänzte Naron.
Gideon sah ihn prüfend an und klopfte ihm sodann auf die Schulter.
„Du bist wahrlich ein geeigneter Schwiegersohn. Gefährten sollten immer so denken!“ schloss Gideon.
„Wie war es, als du deine Gefährtin erkannt hast? Es war doch sicherlich genauso verwirrend, oder. Sie war ja nun mal eine Hexe.“
Gideon bedachte ihn mit einem warnenden Blick, antwortete aber zaghaft.
„Es war Zufall. Sie übte das zaubern. Ich war auf der Suche nach meinem Zielobjekt, denn auch ich habe so angefangen, wie du, als Jäger. Sie war dort in diesem Wald.“ Gideon drehte sich von der Karte weg und setzte sich auf die Stufen vor seinem Thron. Naron setzte sich neben ihn. „Zuhause durfte sie nicht zaubern, verriet sie mir. Sie hatte keine Angst vor mir, aber viele Fragen. Sie war auch noch so jung, auch als Mensch. Doch ich war ja auch jünger, gerade erst ein standhafter Dämon. Ich rannte beinahe in sie rein. Sie hätte mich bannen können, tat sie aber nicht. Vom ersten Moment an, fühlte ich diese Fülle in meinem Herzen, als ich sie sah. Ich vergaß meine Aufgabe für kurze Zeit, da ich mich nicht von ihr trennen konnte. Sie versprach mir, sie genau wieder dort zu treffen, was wir auch ab da an jede Woche taten. Die Tage ohne sie waren ein Qual, du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt ich jedes Mal war, bevor ich sie traf. Vater hatte ich davon berichtet. Er war nicht zufrieden damit, dass sie eine Hexe war, aber er hätte es hingenommen. Ich wollte mit ihr fort, doch er zwang mich in diesen Krieg mit dem Versprechen, dass ich sie danach zu mir holen könnte. Er hielt auch Wort. Es war für sie bereits alles hergerichtet, doch ich fand sie nicht. Ich suchte sie überall.“ Tränen hatten sich in seinen Augen gebildet, die ihm die Sicht verschlechterten.
„Du wusstest aber nicht, dass du sie geschwängert hattest?“
„Nein. Mir wurde dies nie so erklärt, wie euch. Die Zeiten waren anders. Wir waren für einander bestimmt, also machte ich sie zu der Meinen, bevor ich gehen musste. Ich wollte verhindern, dass mein Vater seine Meinung änderte. Er hätte das Mal gesehen.“
„Welches Salvarius ignoriert hat!“ Naron biss sich auf die Zunge, doch auch Gideon nickte wütend.
„Das hat er, in der Tat. Sie trug es am Schlüsselbein. Hier oben.“ Er deutet auf sein Eigenes.
„Hat sie zurückgebissen?“ fragte er unüberlegt, da ihm Evies Worte in den Sinn kamen.
„Was ? Wieso?“ fragte Gideon verwirrt.
„Na, Evie findet diesen Brauch, ehm, Scheiße. Sie fragte mich, ob die Weiber bei uns auch ihre Gefährten zeichnen.“
Gideon lachte laut los und rieb sich den Bauch.
„Das hat sie! Sie ist wahrhaftig eine besondere Dämonin. Was hast du geantwortet?“
„Was hätte ich den sollen? Ich habe es ihr erlaubt. Habe gesagt, wenn sie das will, soll sie.“
Gideon kippte vor Lachen hinten über und rollte sich lachend hoch.
„Gut geantwortet, Naron.“ Noch lachend schaute er in die verwirrten Gesichter von Derek und Viktoria.
„Haben wir was verpasst?“ fragte sie.
Evie erstarrte in der Luft. Salvarius hielt sie immer noch einige Zentimeter über dem Boden. Ihr wurde schlecht.
„Du bist widerlicher, als ich es geahnt hätte.“ Keuchte sie bei seinem festen Griff.
„Ach meinst du? Na dann, zeige ich dir, wie widerlich ich sein kann. Helion!“ brüllte der Dämon. Dieser erschien sogleich in der Türe und verbeugte sich vor Salvarius.
Er warf Evie mit Leichtigkeit vor dessen Füße.
„Das freche Gör braucht noch etwas Abkühlung! Heute Abend werde wir ihr beweisen, was widerlich sein kann, Helion!“ Salvarius stürzte aus dem Raum.
„Was hat du getan, Weib?“ fragte der verwirrte Helion.
„Ein Monster geweckt.“ hustete Evie.
„Tut mir leid.“ Er packte Evie vermeintlich grob und schubste sie aus der Tür. Einige weiter Dämonen standen vor den Eingang und beäugten Evie, die von Helion zu dem dunklen Brunnen geführt wurde. Als sie das Ding sah, bekam sie doch leicht Panik. Nicht weil sie Angst in den Ding hatte, doch weil sie wieder an der Kette hängen musste. Sie würde sich nicht befreien können.
Helion ergriff ihre Metallklammern und hackte die Kette darin fest. Evie versuchte sich zu wehren und trat nach ihm. Er wich aus und warf sie kurzerhand über die Mauer. Wieder erfasste sie die feuchte Dunkelheit.