Читать книгу Siana - Jasmin Windfeder - Страница 10
ОглавлениеKapitel 4
Dienstag
Du siehst erholt aus«, ruft Richard von der Bande aus zu mir herüber. »Anscheinend hast du eine kleine Auszeit gebraucht.«
›Oh ja, eine Auszeit vom tristen Leben‹, grinse ich in mich hinein, dabei denke an den gestrigen Tag.
Kay blieb noch über eine Stunde bei mir und wir unterhielten uns über Gott und die Welt – und küssten uns immer wieder. Außer diese Zärtlichkeiten, macht mich die Tatsache glücklich, dass Kathleen nur eine langjährige Freundin ist und er keinen Schritt zu weit gegangen ist.
»Dann kannst du nachher River übernehmen«, brüllt Richard, ohne eine Antwort von mir zu erwarten.
»Wie lief es gestern?«, frage ich gespielt unwissend, obwohl ich die Antwort bereits kenne, und reite mit Darcon zu Richard an die Bande.
Seufzend fährt er sich durch seine dunklen Haare, die vereinzelt gräulich werden.
»Nicht wirklich gut. Hab es mit Freispringen versucht, aber entweder riss sie alles runter oder warf ihren Hintern in die Luft.«
»Glaubst du es mir jetzt, dass wir sie niemals bis zum Turnier fit haben werden?« Ich betrachte ihn prüfend.
»Ja, aber ob wir wollen oder nicht, wir müssen.« Mit der Hand fährt er sich über das unrasierte Kinn.
Ich habe das Gefühl, dass er in den letzten Tagen um Jahre gealtert ist. Seine Augenringe sind tiefer, was die grünen Augen blasser aussehen lässt.
»Wir müssten heute mit dem Springtraining beginnen, damit wir es schaffen«, sage ich nachdenklich. »Meinst du, ich kann es wagen, in den Sattel zu steigen?«
»Wir können es probieren, vielleicht benimmt sie sich, wenn sich jemand auf ihrem Rücken befindet. Aber du sitzt erst auf, wenn ich dabei bin, klar?« Ich nicke. »Ich bin jetzt für drei Stunden weg, danach können wir es in Angriff nehmen.«
Er wartet noch mein okay ab und geht dann aus der Halle. Ich führe Darcon, der schon ungeduldig unter mir tänzelt, zurück auf den Hufschlag und fahre mit seinem Training fort.
***
Ungeduldig ziehe ich zum wiederholten Mal mein Handy aus der Halterung und checke die Zeit. Richard müsste seit zwanzig Minuten von seinem Termin zurück sein.
›Wo bleibt er nur?‹
Ich stecke das Handy an seinen Platz. River steht nun schon eine Ewigkeit gesattelt im Stall und wartet, dass sie endlich aus der Box geholt wird.
»Hi!«, höre ich plötzlich Phelan und fahre erschrocken herum.
»Müsst ihr euch immer anschleichen?«, gifte ich ihn an, streichle dabei River, die ihrem Besitzer leise zuwiehert.
»Musst du so schreckhaft sein?«
Ohne jegliche Emotionen sieht er mich an.
Ich hole nochmals das Handy raus. Wieder sind fünf Minuten vergangen. Jetzt reicht es! Entschlossen nehme ich River an den Zügel und führe sie aus der Box. Länger kann und will ich nicht mehr warten. Ich habe in einer halben Stunde Feierabend und den werde ich dieses Mal nicht verschieben.
Gedankenverloren laufe ich in die Halle und mache River zu Fuß einige Runden warm. Es ist nicht normal, dass Richard unpünktlich ist, oder sich bei Verspätungen nicht meldet. Er ist die gewissenhafteste Person, die ich kenne und wenn er einmal zu spät kommt, ist es meist kein Verschulden von ihm. Aber weswegen ruft er nicht an oder schreibt zumindest eine Nachricht? Ob ihm etwas passiert ist?
Ich horche erleichtert auf, als ich die Hallentür höre, doch die Enttäuschung ist groß, als mir nur Phelan in die Halle gefolgt ist.
›Anderseits kennt er die Stute am besten, vielleicht ist es gar nicht so schlecht, ihn dabei zu haben‹, denke ich bei mir, führe die Stute in die Mitte, ziehe den Sattelgurt nach, die Steigbügel runter und sitze auf. Die Stute bleibt zu meiner Verwunderung ruhig stehen.
»Na, dann wollen wir mal«, murmle ich, streichle ihr freundschaftlich den Hals und nehme die Zügel auf.
Kaum schnalze ich mit der Zunge, läuft sie mit schnellem Schritt vorwärts. Nach wenigen Metern habe ich mich an ihren Rhythmus angepasst, weswegen ich tief in den Sattel rutsche. Wir machen einige Runden im Schritt, die sie brav unter mir läuft. Kein einziges Mal habe ich das Gefühl, dass sie gegen mich arbeitet. Auch im Trab läuft alles reibungslos. Ich muss sogar gestehen, dass ich selten ein Pferd unter mir gehabt habe, das so einen weichen und federnden Trab besitzt. Sogar das Aussitzen fühlt sich wie auf Wolken an.
Bevor ich in den Galopp wechsle, beschleicht mich eine befremdliche Emotion, als will sich mein Bauchgefühl melden.
›Bis jetzt läuft doch alles gut. Entspann dich!‹, rede ich mir selbst zu. Aber es ist nicht nur das Gefühl, auch die Blicke, die ich auf mir spüre, machen mich nervös. Obwohl mich Phelan sicherlich schon die ganze Zeit beobachtet, bemerke ich sie erst jetzt.
»So, Mädchen, jetzt wollen wir dich mal testen«, flüstere ich, rutsche etwas tiefer in den Sattel, presse leicht meine Schenkel an sie und schnalze. Mit einem kleinen Ruck fällt sie in einen weichen Galopp.
›Diese Stute hat Traumgangarten‹, schießt es mir durch den Kopf und kann nicht anders, als zu lächeln. Ich fliege förmlich mit der Stute, die uns in den letzten Tag solche Probleme gemacht hat. Wir reiten einmal durch die ganze Halle, wechseln die Seite, danach beende ich das Training. Stolz auf River streichle ich ihr über die rötliche Mähne.
»Sie hat tolle Gangarten«, sage ich zu Phelan, während wir an ihm vorbeireiten.
»Ich weiß«, antwortet er knapp.
Als er kurz wegsieht, verdrehe ich die Augen. Wieso ist er ständig so wortkarg? Das ist ja nicht auszuhalten!
Nachdem ich River im Schritt trockengeritten habe, bringe ich sie in der Mitte zum Stehen, nehme meine Füße aus den Steigbügeln und lasse sie hängen.
»Feines Mädchen.« Ich kraule sie am Hals, den sie streckt und laut durch die Nüstern schnaubt. Ich will mich soeben aus dem Sattel schwingen, als außerhalb der Reithalle eine Autotür zugeknallt wird. River erschrickt. Ohne Vorwarnung beginnt sie zu bocken. Davon komplett überrumpelt rutsche ich aus dem Sattel und knalle unsanft in den Sand.
»Mist!«, fluche ich.
River galoppiert unterdessen davon.
»Alles okay?«, fragt plötzlich Phelan über mir und kniet sich neben meinem Kopf in den Sand.
»Ja, ich glaube schon.«
»Schmerzt irgendetwas?«
Ich bewege Arme und Beine und schüttle dann den Kopf.
»Nein, zum Glück nicht. Nur mein Stolz ist angekratzt.«
Grinsend steht er auf, dabei streckt er mir seine Hand entgegen. Kurz überlege ich, ob ich den Funken Stolz, den ich noch habe retten will, und selbst versuche aufzustehen, nehme daraufhin doch seine Hilfe an. Das dabei entstehende kribbelnde Gefühl in meinem Magen ignoriere ich. Mit einem festen, aber sanften Ruck lande ich auf den Beinen.
»Danke«, nuschle ich und klopfe den Sand von meinen Kleidern.
»Ist wirklich alles in Ordnung?«, erkundigt er sich, sieht mich dabei prüfend an.
Eine Sekunde verharrt er dabei in meinen Augen. Blau, wie eine Meereswelle, die tänzelnd an das Ufer gespült wird. Erschrocken senke ich den Blick, weil sich erneut das Kribbeln meldet.
›Was soll das? Phelan ist ein Macho, völlig anders als Kay. Was ist mit mir los? Seit wann spielen meine Gefühle unkontrollierbar Tango?‹, fahre ich mich selbst gedanklich an.
»Ich fange dann mal River ein.« Er marschiert in Richtung seiner Stute.
Verwirrt sehe ich ihm nach, bevor ich aus der Halle verschwinde. Aus reiner Neugierde, wer die Schuld an meinem Fall hat, gehe ich durch den Stall, raus auf den Hof. Vor der Halle steht Richards Auto. Verdutzt sehe ich mich um, aber keine Spur von ihm. Erst kommt er zu spät, dann steht sein Auto an einem falschen Platz und nun ist er nicht zu entdecken? Mein Chef kann es nicht ausstehen, wenn man nicht auf dem richtigen Parkplatz steht, aber macht es selbst? Irgendwas kann da nicht stimmen.
Ohne weiter nachzudenken, gehe ich zu seinem Haus und klingle. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann endlich höre ich ein Geräusch.
»Was?«, knurrt Richard, kaum hat er die Tür geöffnet.
Perplex starre ich ihn an.
»Ist etwas passiert?«, sind meine ersten Worte, nachdem ich mich gefasst habe.
»Nein! Was willst du?«, bringt er weniger knurrend, aber noch immer aufgebracht heraus.
»Ich wollte nach dir sehen, da du anscheinend das Training mit River vergessen hast«, antworte ich vorsichtig, in der Hoffnung, dass er nicht vollständig ausflippt.
So habe ich ihn noch nicht erlebt. Er ist schnell wütend, ja, aber er wirkt jetzt eher zerstreut.
»Habe ich vergessen!«, brummt er und stößt genervt den Atem aus, der nach Bier riecht.
Bier? Richard trinkt doch normalerweise keinen Alkohol, allein schon wegen seiner Schlaftabletten. Prüfend betrachte ich ihn, außer sein zerknirschtes Gesicht, kann ich jedoch nichts entdecken.
»Willst du noch etwas? Nein? Dann schönen Abend.«
Er knallt mir echt die Tür vor der Nase zu. Irritiert stehe ich erst einen Augenblick davor, ehe ich zurück in den Stall stapfe, um River zu versorgen. Was ist nur los mit Richard? Ihn hat es nicht einmal im Geringsten gestört, dass er das Training vergessen hat. Wenigstens hätte er sich entschuldigen können, immerhin bin ich wegen ihm von River gestürzt. Davon erfährt er allerdings hoffentlich nie etwas, sonst erwartet mich das nächste Donnerwetter. Er hat ausdrücklich gesagt, dass ich ohne ihn nicht in den Sattel steigen soll.
»Alles okay?«, will Phelan wissen, als ich die Box erreicht habe und er soeben mit dem Sattelzeug von River herauskommt.
»Ja.«
›Ob sein Termin nicht so gelaufen ist, wie er es hätte sollen?‹ Immerhin war er vor vier Stunden noch normal gewesen.
»Siana?«
»Mh?«
»Wirklich alles okay?« Phelan hängt den Sattel über die Boxentür, das Zaumzeug legt er darüber und kommt auf mich zu. Musternd sieht er mich an.
Ich nicke nur. Der Geruch von Bier lässt mich nicht los. Wenn man ihm zuvor etwas anbot, lehnte er jedes Mal dankend ab oder man wurde zurechtgewiesen. Warum dann heute?
»Siana?« Phelan legt plötzlich eine Hand auf meine Schulter. »Was ist los?«
»Nichts, alles gut.« Meine Worte bewirken aber nur, dass er mich mit hochgezogenen Brauen anblickt. »War in Gedanken.«
»Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.« Leicht drückt er meine Schulter, auf der weiterhin seine Hand liegt.
Unrecht hat er damit nicht einmal. Richard ist wie ausgewechselt.
»Vielleicht ist es der Schock vom Sturz«, rede ich mich heraus und nehme seine Hand bestimmt von der Schulter. »Wo ist eigentlich Kay?«
Meine Frage überrascht ihn, zumindest wirkt er so.
»Er ist heute mit Kathleen unterwegs.«
»Ah!«, kommt es aus meinem Mund, wobei ich die aufkommende Eifersucht unterdrücken muss.
›Sie ist nur eine langjährige Freundin!‹
»Sie muss zum Arzt und brauchte einen Fahrer, weil ihr Auto zur Zeit in der Werkstatt ist«, meint er gelassen, schnappt sich den Sattel und mustert mich erneut kritisch. »Kann ich dich allein lassen?«
Ich blinzle irritiert.
»Ähm, klar.«
Warum konnte er nicht mit seiner Schwester fahren? Das hätte doch wesentlich mehr Sinn gemacht.
***
Ich schalte den Fernseher aus, schmeiße die Fernbedienung auf die Couch und gehe ins Bad. Nachdem Phelan wegfuhr, habe ich nur noch meinen Rundgang durch den Stall gemacht und bin danach in die Wohnung. Dort schob ich eine Tiefkühlpizza in den Ofen und machte es mir vor dem Fernseher gemütlich.
»Ob Kay zurück ist?«, überlege ich laut, während ich die Zahnpasta auf die Zahnbürste drücke. Ich hätte ihn heute gern gesehen, aber Kathleen scheint gerade interessanter für ihn zu sein. Soeben wird mir bewusst, dass er heute nicht einmal auf dem Hof gearbeitet hat.
»Er nahm sicherlich frei für Kathleen«, murre ich, schüttle dabei den Kopf. »Seit wann bin ich bitte eifersüchtig?«
›Es gab bis jetzt auch keine Gründe, wegen jemandem eifersüchtig zu sein‹, spielt nun meine innere Stimme mit.
Und es stimmt. Außer Scott gab es niemanden in meinem Leben und wenn, verpuffte die Freundschaft, bevor irgendwas entstehen konnte.
Ich seufze.
Nach dem Zähneputzen schlurfe ich ins Schlafzimmer, ziehe mich um und schaue auf den Wecker. 22:30 Uhr. Normalerweise schlafe ich zu diesem Zeitpunkt schon seit über einer halben Stunde. Aber ich musste ja unbedingt den Dokumentationsfilm über die Brumbies und ihr Leben im Outback schauen. Ich lösche das Licht und schlüpfe unter die Decke. Herrlich! Was gibt es Schöneres, als nach einem anstrengenden Tag im Bett zu liegen?
Gerade will ich mich einkuscheln, als es klopft. Ich horche. Wieder klopft es. Ernsthaft?
›Wird Kay sein‹, meint die innere Stimme und mein Herz hüpft vor Freude in die Höhe.
Aber genau deswegen kann er warten, bis er grün wird! Sich den ganzen Tag nicht melden und dann angekrochen kommen, ich glaube, ich spinne!
Erneut klopft es.
›Und wenn es Richard ist, der Hilfe braucht?‹ Stöhnend schlage ich die Decke zurück, stehe auf und schlurfe zur Tür.
»Hi!«
»Dein Ernst?«, frage ich mit verengten Augen, da tatsächlich Kay vor mir steht.
»Sorry, hab vorhin noch Licht gesehen, da dachte ich mir ...«
»Was hast du gedacht? Dass man so spät noch auftauchen kann?«, bringe ich empörter heraus, als ich will.
»Ich weiß, Kathleen hatte den ganzen Tag voll mit Terminen und danach waren wir noch kurzfristig bei meinen Eltern zum Essen eingeladen«, erklärt er und kommt einen Schritt näher. Mein verräterisches Herz hüpft vor Freude und pocht um einige Takte schneller. »Ich war so glücklich, als ich bei dir noch Licht gesehen habe.«
»Warum?«, flüstere ich die Frage.
Ohne ein weiteres Wort nimmt er mein Gesicht zwischen die Hände und küsst mich stürmisch. Mein Herz explodiert beinahe und im ganzen Körper breitet sich eine prickelnde Wärme aus, die meine Knie zum Zittern bringen.
»Ich habe dich vermisst«, flüstert Kay an meinen Lippen, bevor er sie nochmals, nun sanfter küsst. Als er die eine Hand auf meinen Rücken legt, um mich etwas an sich zu ziehen, schreie ich vor Schmerzen auf.
»Was ist los?«, fragt er sichtlich erschrocken und reißt wortwörtlich die Hand von mir.
»Mein Rücken«, ächze ich nur und mache einen Schritt von ihm weg.
»Warum? Was ist los?«
»Nun ...«
»Siana? Was ist passiert?«
»Bin vom Pferd gefallen«, brummle ich kaum hörbar.
»Du bist was?« Seine Stimme wird energischer.
»Bin heute Abend von River gefallen.«
»Alleine?«
»Öhm, ja. Wieso sollte ich nicht allein auf dem Pferd sitzen?« Irritiert sehe ich ihn an.
»Ich meine, ob jemand da war, um dir zu helfen«, sagt er und runzelt die Stirn.
Ich muss mir ein Kichern verkneifen.
»Ja, Phelan hat zugesehen.«
»Warum bist du heute schon in den Sattel gestiegen? Du weißt doch, dass sie unberechenbar ist, und die letzten Tage liefen auch nicht gut«, meint er streng.
Ich schlucke.
»Weil wir trainieren müssen!«
»Ja, das verstehe ich, aber du sollst dafür nicht deinen Hals riskieren. Ich werde morgen mit Phelan sprechen.« Kay kommt wieder auf mich zu. »Soll ich dir den Rücken eincremen?«
Sofort weicht mir jegliche Farbe aus dem Gesicht, so fühlt es sich zumindest an, und hastig weiche ich einige Schritte vor ihm zurück.
»Nein, musst du nicht. Und ich will auch nicht, dass du mit Phelan sprichst. Es ist mein Job und dazu gehört auch das Runterfallen.« Meine Stimme zittert.
Er sieht mich verwirrt an, bleibt zu meinem Glück stehen.
»Aber es gehört nicht dazu, dich zu einem Krüppel zu machen.«
»Ich muss jetzt schlafen gehen.« Ich stoße ihm die Tür auf, schiebe ihn hinaus und will mich soeben wieder ins Haus bequemen, als er meine Hand ergreift.
»Moment!« Er kommt nah zu mir. Zu nah. Sein Atem streicht über mein Gesicht. »Ich wollte dir wirklich nur helfen, auch mit dem Eincremen deines Rückens. Wenn du dachtest, dass ich andere Absichten habe, tut es mir leid. So einer bin ich nicht.«
Er flüstert diese Worte nur, doch sie erreichen mein Herz, das sich wohligwarm aus dem Versteck wagt.
›So einer bin ich nicht‹, wiederhole ich seine Worten gedanklich und ein Lächeln stiehlt sich auf meine Züge.
»Mit einem Lächeln gefällst du mir viel besser«, raunt er.
Zärtlich küsst er meine Nasenspitze, bevor er erneut den Weg zu den Lippen findet. Keine Ahnung, wie lange der Kuss dauert, aber ich wünsche mir, dass er nie endet. Die Herzchen vor meinen Augen, die einen romantischen Walzer tanzen, unter klarem Sternenhimmel. Ich muss mittlerweile echt verrückt geworden sein. Kay gibt mir jedoch soeben das Gefühl, als wäre alles perfekt, auch wenn es das womöglich nicht ist. Mein Herz, ich könnte es wahrhaftig an ihn verlieren.
Langsam löst er sich von mir.
»Du -«
»Verflucht! Was treibt ihr hier?«
Wir fahren beide herum und starren die Person hinter uns an.
»Richard?«, keuche ich überflüssigerweise.
»Seid ihr noch ganz bei Trost? Macht, dass ihr auseinanderkommt«, donnert er, dabei fliegt uns seine Bierfahne entgegen.
»Du bist betrunken«, sage ich ruhig und löse mich von Kay.
»Ich bin klar bei Verstand. In eurem Fall bin ich mir aber nicht sicher«, bellt er und kommt auf uns zu.
Kay stellt sich automatisch vor mich.
»Geh ins Bett, Richard«, meint sein Sohn.
»Du kommst mit rein.« Er packt Kay am Arm und zerrt ihn von mir weg. »Wir werden morgen darüber reden«, knurrt er zu mir, ehe beide in der Dunkelheit verschwinden.
Sekunden starre ich ihnen nach, obwohl sie schon lange nicht mehr zu sehen sind.
Zitternd kehre ich zurück ins Bett, in dem ich noch stundenlang wachliege, und versuche zu verstehen, was soeben passiert ist.