Читать книгу Siana - Jasmin Windfeder - Страница 8
ОглавлениеKapitel 2
Sonntag
Nach einer halbwegs erholsamen Nacht longiere ich River in der Halle. Meine Hoffnung bestand darin, dass es mit ihr ein Spaziergang werden würde, doch sie belehrt mich eines Besseren. Dauernd bricht sie aus oder bockt sich in Rage. Gerade eben steht sie mit bebender Flanke wieder bei mir in der Mitte, weil ich sie beruhigen musste. Seufzend streichle ich ihr über die Nüstern. In zwei Wochen soll sie für das Springturnier fit sein, aber dafür sehe ich zum aktuellen Zeitpunkt schwarz. Ich hole mein Handy aus der Halterung, die ich immer an der Hose trage, um auf die Uhr zu schauen. Halb Elf. Seit über zwanzig Minuten diskutiere ich mit ihr, ohne Erfolg. Ständig muss sie bocken oder ihren Kopf wütend in die Luft werfen.
Jetzt hebt sie ihren Kopf und spitzt die Ohren zum Halleneingang, der hinter mir liegt. Ich mache eine halbe Drehung, um zu sehen, was ihre Aufmerksamkeit erregt.
»Sie ist nicht einfach«, ertönt es in diesem Moment von Kay, der soeben das Tor öffnet und in die Halle kommt. Diesmal hat er die gestrigen Kleider gegen eine verwaschene Jeans, ein kurzärmeliges Flanellhemd und Cowboystiefel eingetauscht.
Wenn will er damit imponieren?
»Das habe ich bemerkt.« Ich seufze, wobei ich gleichzeitig die Stute mit der Peitsche antippe, die ich in der rechten Hand halte.
Widerwillig macht sie einige Schritte, bleibt aber kurz darauf erneut stehen und sieht zu Kay, der nun auf uns zu kommt.
»Es hat heute keinen Sinn«, sage ich genervt und lasse die Peitsche auf den Boden fallen.
»Dann macht eine Pause. Es bringt nichts, wenn man etwas erzwingt.« Kay ist unterdessen zu uns gestoßen und krault die Stute hinter den Ohren.
»Das ist mir bewusst«, knurre ich leise.
Ich löse den Kappzaum, um die Stute frei zu lassen, damit sie sich im Sand wälzen kann.
»Ich kenne sie seit dem Fohlenalter, sie war noch nie die Einfachste«, meint er und lächelt dabei sanft, ehe er auflacht und meint: »Typisch Frau halt.«
Ohne etwas zu erwidern, hebe ich die Peitsche vom Boden auf und marschiere los, um sie mit dem Kappzaum und der Longe in der Sattelkammer zu verstauen. Danach kehre ich mit Halfter und Strick bewaffnet in die Halle zurück, in der River am Boden liegt und sich ausgiebig paniert. Kay beobachtet sie etwas abseits.
»Warum will Phelan sie kurzfristig trainieren lassen?«, frage ich, nachdem ich ihn erreicht habe. »Ihm sollte bewusst sein, dass sie nicht in zwei Wochen fit für das Turnier sein wird.«
Ohne den Blick von der Stute abzuwenden zuckt er mit den Schultern. Ich sehe ihn von der Seite her an. Aus einem unbekannten Grund berührt es mich, wie er die Stute betrachtet. Als wäre es sein und nicht Phelans Pferd. Aber er hat ja erwähnt, dass er sie seit dem Fohlenalter kennt. Womöglich hat er eine Freundschaft zu ihr aufgebaut. Er fährt mit der einen Hand durch das schwarze kurze Haar, bevor er mich ansieht. Seine Lippen umspielt ein Lächeln, das in mir erneut die fremdartige Wärme auslöst.
»Ihm liegt die Stute sehr am Herzen. Er würde alles tun, dass es ihr gut geht«, meint er und blickt mir direkt in die Augen.
Das warme Gefühl verstärkt sich und ich könnte mich glatt in seinen braunen Augen verlieren, hätte nicht in diesem Moment River geschnaubt. Sofort richte ich erschrocken meinen Blick auf die Stute, die wieder steht und sich soeben kräftig den Sand aus dem Fell schüttelt.
Kay räuspert sich.
»Ich muss dann mal weiter. Richard wollte mir noch ein paar Arbeiten erklären, die ich in den nächsten Tagen erledigen soll.« Er schenkt mir noch ein schiefes Grinsen, bevor er zum Tor joggt.
Ich sehe ihm verwirrt nach. Warum haben mich seine Augen so aus der Bahn geworfen? Es ist zugleich ein Schönes wie auch komisches Gefühl, das sich in meiner Bauchgegend ausgebreitet hat.
Als das Tor zufällt, realisiere ich, dass ich noch immer an die Stelle starre, von der Kay soeben verschwunden ist. Kopfschüttelnd schlurfe ich zu River, lege ihr das Halfter an und führe sie aus der Halle. Ich bürste sie vor der Box über das nasse Fell, ziehe ihr danach eine Abschwitzdecke über und stelle sie zurück in ihre Box. Sobald sie trocken ist, darf sie zu den anderen auf die Weide, denn für heute hatte sie genug Aufregung. Unterdessen hole ich hinter der Halle unseren kleinen Traktor mit dem großen Rechen und begradige den Hallenboden, den River ganz schön aufgewirbelt hat.
***
»Die Stute bereitet dir Probleme?« Richard fängt mich ab, als ich soeben von der Weide zurückkomme, zu der ich River gebracht habe.
›Na danke, Kay!‹
»Sie lässt sich nicht longieren«, antworte ich nur knapp.
Er zieht die Brauen hoch.
»Wo ist das Problem?«
»Das Problem ist, dass wir sie niemals in zwei Wochen fit bekommen.«
»Das war nicht meine Frage.« Er sieht mich eindringlich an.
Innerlich verdrehe ich die Augen.
»Sie tickt ständig aus und lässt sich nur schwer beruhigen.«
»Hm«, meint er nachdenklich.
»Ich werde es morgen nochmals versuchen«, sage ich, ohne seinen Kommentar abzuwarten. »Spätestens übermorgen müssen wir mit dem Springen beginnen, sonst wird es zeitlich eng.«
»Dann streng dich an. Phelan ist ein Kunde, wie jeder andere, auch wenn er der beste Freund meines Sohnes ist.«
Ist das echt sein Ernst? Als würde ich sonst nie mein Bestes geben.
»Mache ich immer«, erwidere ich.
Seine Worte lasse ich mir dieses Mal nicht gefallen. Er sieht mich mit einem fragenden Blick an.
»Nennst du das in den letzten Tagen dein Bestes geben?«
»Ich schlafe zurzeit -«
»Das ist mir egal! Wenn du arbeitest, brauche ich dich zu hundert Prozent und nicht nur zu neunzig. Kapiert?«
Ich nicke.
Ohne ein weiteres Wort lässt er mich stehen und läuft in den Stall. Geknickt schaue ich ihm nach. Als könnte ich etwas dafür, dass die Stute ihren eigenen Kopf hat. Zugleich grummelt eine kleine Wut in meinem Bauch. Warum musste Kay petzen? Schon die zweite Ansage, die ich mir wegen ihm einkassieren musste.
Genervt stapfe ich auch in den Stall, striegle Bajan, ziehe ihm seinen Zaum über und führe ihn raus zu der Aufstiegshilfe. Ich muss jetzt einfach raus und den Kopf frei kriegen.
Sonst gehen mir Richards Worte an meinem Allerwertesten vorbei, die Laune schiebe ich einfach auf den Schlafmangel. Aber dadurch, dass ich zurzeit selbst kaum Schlaf bekomme, liegen meine Nerven blank. Ich sitze auf Bajans blanken Rücken, der warm und bequem ist. Er ist das beste Pferd, das ich für solche Aktionen kenne. Schnalzend gebe ich ihm das Zeichen loszulaufen, was er sogleich macht. Automatisch steuere ich ihn wieder in Richtung Wald.
***
»Warst du Ausreiten?«, fragt Kay, nachdem ich die Reiterstube betrete. Der Ausritt hat mir gutgetan, doch jetzt brauche ich etwas zu trinken.
»Ja!«
»Wie war es?« Er beäugt mich aufmerksam.
»Warum hast du das getan?«, will ich stattdessen wissen und lasse seine Frage unbeantwortet.
Er blickt mich ratlos an.
»Warum hast du Richard gesagt, dass ich mit River Probleme habe?«, hake ich energischer nach und fülle ein Glas mit Wasser.
»Habe ich nicht. Wie kommst du darauf?« Er wirkt irritiert.
Ich trinke das Glas aus und fülle es gleich nochmals auf.
»Richard hat mir eine Ansage gemacht.« Wieder leere ich das Glas in einem Zug, danach stelle ich es in die Spüle.
»Oh, das tut mir leid, aber von mir weiß er es nicht. Ehrenwort!«
Ich beobachte ihn, wie er an seiner Tasse, die bis eben vor ihm stand, nippt. Vielleicht hat mich Richard ja beobachtet, ohne dass ich es bemerkt habe. Das hat er früher ab und an getan.
Eine kleine Entschuldigung brummelnd setze ich mich ebenfalls an den Tisch. Wir schweigen uns an und ich lasse den Blick durch die Reiterstube schweifen. Sie ist klein und es können sich höchstens vier Leute darin aufhalten. Neben den wichtigsten Möbeln nehmen noch ein Abwaschbecken und ein Minikühlschrank den meisten Platz ein. Die Kaffeemaschine steht auf der Theke und an den Wänden hängen einige alte Pferdefotos. Eine Sammlung an Erinnerungen.
»Seit wann arbeitest du hier?«, erkundigt sich Kay und durchbricht damit die angenehme Ruhe.
»Seit sieben Jahren.« Als ich seinen überraschten Blick sehe, fahre ich fort. »Ich habe hier die Ausbildung als Bereiterin absolviert, danach wollte mich Richard unbedingt behalten, obwohl meine Mutter andere Pläne mit mir gehabt hätte.«
»Und die wären gewesen?«, fragt er, trinkt dabei noch einen Schluck Kaffee, der unterdessen sicherlich kalt ist, zumindest Kays Gesichtsausdruck nach zu urteilen.
Ein komisches Gefühl steigt in mir auf, wenn ich an die Zeit zurückdenke. Tagelang diskutierte ich mit meiner Mutter, die dagegen war, dass ich bei Richard arbeiten wollte. Sie hätte mich gerne als Anwältin oder gar Ärztin gesehen. Die Noten hätte ich locker gehabt, aber ich wollte mit Pferden arbeiten. Als sie einsah, dass sie nicht an mich rankam, versuchte sie, mir andere Stallungen schmackhaft zu machen. Warum sie so gegen Richard war, bleibt mir bis heute ein Rätsel.
»Sie wollte, dass ich studiere«, antworte ich leise.
»Und dein Vater?«, fragt er vorsichtig.
»Er war auch nicht gerade begeistert, aber im Gegensatz zu meiner Mutter hat er es mir weder ausgeredet noch den Beruf schlecht gemacht.«
Eine leichte Traurigkeit mischt sich unter das komische Empfinden. Seit ich hier arbeite, haben sie mich nicht einmal besucht. Ich sehe sie und meinen kleinen Bruder nur alle paar Wochen, wenn ich ein komplettes Wochenende frei habe und nach Sydney zu ihnen fahren kann. Dabei wohnen wir nur knapp eine Stunde auseinander.
»Ist etwas?« Sein Blick aus den braunen Augen ruht auf mir.
»Ich musste nur gerade an Finn denken, weil ich ihn so selten sehe«, antworte ich seufzend.
»Dein Freund?« Er sieht mich überrascht an und, wenn es mich nicht täuscht, ist da noch was anderen. Enttäuschung?
»Mein siebenjähriger Bruder«, ergänze ich.
Er will etwas erwidern, doch die Tür wird aufgestoßen und Phelan kommt mit Kathleen zur Tür herein. Ihre Augen leuchten zuerst auf, als sie Kay sieht, verdunkeln sich jedoch wieder, als sie mich bemerkt. Kay begrüßt sie mit einem Kuss auf die Wange, Phelan mit einem lauten Handschlag, der mich zusammenzucken lässt. Ich bekomme von Phelan nur ein Kopfnicken, während mich Kathleen überraschenderweise kurz anlächelt. Sie setzt sich auf einen freien Stuhl und rutscht gleich etwas näher an Kay heran. Er betrachtet sie liebevoll. Ihre kinnlangen braunen Haare fallen ihr ins Gesicht, als sie sich zu ihm vorbeugt und etwas in sein Ohr flüstert, das sein Lächeln noch breiter werden lässt. Geschickt streicht sie die Haare hinter ihr Ohr.
Die zwei turteln zu sehen, gibt mir das Gefühl von Eifersucht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nur jemanden an meiner Seite möchte, mit dem ich schäkern kann oder, ob ich Kay interessanter finde, als ich wahrhaben will. Um die Szene nicht weiter betrachten zu müssen, starre ich auf meine Hand und entferne etwas Dreck, der unter den Nägeln feststeckt, als ich plötzlich Blicke auf mir spüre. Ich sehe automatisch hoch zu Phelan, der sich an der Theke anlehnt und mich tatsächlich mustert. Seine hellblauen Augen durchbohren mich förmlich. Ich versuche, dem Blick standzuhalten, aber es kommt mir vor, als würde er nach und nach meine Fassade einreißen, die ich mir in den letzten Jahren mühsam aufgebaut habe. Er macht mich nervös.
Nachdem Kathleen kichert, löse ich mich von Phelan und sehe erneut zu Kay. Er sieht mich an und lächelt, während Kathleen den Kopf auf seine Schulter abgelegt hat. Ob die beiden ein Paar sind?
Ich will mir diese Szene nicht weiter antun und beschließe soeben, aufzustehen und rauszugehen, als mir Phelan zuvorkommt.
»Ich gehe zu River«, brummt er und verlässt die Reiterstube.
Na toll! Jetzt dackle ich ihm auch noch hinterher!
Bevor er die Tür schließt, springe ich auf, murmle eine Entschuldigung und husche ebenfalls aus der Stube. Phelan beäugt mich irritiert, nachdem ich die Tür aufstoße, die er soeben schließen wollte.
»Das kann man nicht aushalten«, nuschle ich, als ich die Tür ins Schloss fallen lasse.
Er zuckt nur mit den Schultern und fragt stattdessen:
»Wie läuft es mit River?«
Ich atme hörbar aus.
»Longieren wollte sie sich heute nicht lassen.«
Phelan zieht die Brauen hoch und sein markantes Gesicht bekommt dadurch eine gewisse Härte.
»Hat dir Richard nicht gesagt, dass du sie nicht longieren darfst?«
Mir klappt die Kinnlade herunter.
»Bitte?«, bringe ich heraus und bemühe mich, seine Frage zu verstehen.
»Ich habe Richard ausdrücklich gesagt, dass River an der Longe Panik bekommt und dadurch ausrastet«, sagt er ernst und sieht mich dementsprechend auch an.
»Ähm, nein, er hat mir nichts gesagt.« Ich bin verwirrt. »Sonst hätte ich sie ja kaum longiert. Oder denkst du, ich halte mich nicht an Anweisungen?«
Phelan macht ein eigenartiges Knurrgeräusch. Er ist ganz offensichtlich sauer. Verständlich! Ich wäre es ebenso. Zumindest würde ich erwarten, dass man auf meine Anforderungen und Warnungen eingeht.
Er streicht sich mit der Hand durch das dunkelblonde Haar.
»Ich werde mich mit ihm wohl nochmals unterhalten müssen«, meint er nachdenklich und sieht dieses Mal durch mich hindurch.
Ich nutze die Gelegenheit und betrachte ihn etwas genauer. Er sieht, wie Kay, durchtrainiert aus. Wenn es mich nicht täuscht, ist Phelan etwas größer als sein Freund. Ein Dreitagebart ziert sein Gesicht, der ihm etwas Verruchtes gibt. Die Lippen sind geschwungen und laden zum Küssen ein. Wäre er nicht ein solcher Eisklotz, würde er durchaus anziehend auf mich wirken. Er ist echt attraktiv.
Ich räuspere mich.
»Ich bin mal weiterarbeiten«, sage ich rasch und ohne auf eine Reaktion zu warten, verschwinde ich im Stall.
Nachdem ich außer Sicht bin, schlage ich mir einmal kräftig gegen die Schläfe. Ist das wirklich mein Ernst? Ich denke ans Küssen, während ich einen Kunden betrachte?
Kopfschüttelnd marschiere ich zu Trojanas Box, um sie für eine weitere Trainingsstunde fertigzumachen. Die braune Stute mit dem schwarzen Langhaar und dem Stern auf der Stirn, wiehert mir entgegen, als ich mit dem Halfter in die Box husche. Sobald sie das Training hinter sich hat, darf auch sie auf die Weide. Rasch begrüße ich sie, bevor ich sie putze und sattle. Um Verletzungen vorzubeugen, lege ich ihr Gamaschen um die Beine, die ihre weißen Fesseln bedecken.
***
Mit einem Ruck landen wir auf dem Boden, dabei fixiere ich das nächste Hindernis, das wir nach wenigen Galoppsprüngen auch überwinden. Danach wende ich Trojana in eine große Volte, um die dritte Hürde zu nehmen. Als ich am Außentor vorbei galoppiere, höre ich jemanden laut lachen. Ich bin nicht sicher, aber ich tippe auf Kay. Kaum denke ich an ihn, beschleicht mich ein ungewöhnliches Gefühl. Seine braunen Augen tauchen vor mir auf, die etwas Freundliches ausstrahlen. Seine männliche, aber doch das Ohr umschmeichelnde Stimme erklingt in meinem Kopf. Doch plötzlich erscheint ein anderes Bild: Kathleen, wie sie sich an ihn schmiegt. Ich kann sogar noch ihren kühlen Blick auf mir spüren, mit dem sie mich anfangs bedachte.
»Achtung, pass auf!«
Mein Blick klärt sich augenblicklich und ich will noch an den Zügel reißen, aber Trojana springt ab. Unvorbereitet schmettert es mich gegen ihren Hals. Schmerz durchströmt meinen Kopf, bevor alles um mich herum schwarz wird.
»Siana?« Irgendwer rüttelt an mir. »Siana, wach auf.«
Ich blinzle, bekomme jedoch kaum die Augen auf. Was ist passiert? Wo bin ich? Langsam hebe ich die Lider und schaue direkt in braune Augen.
»Siana, Gott sei Dank! Alles okay? Bleib liegen. Soll ich Richard holen?«
Wunderschöne braune Augen, die mich besorgt ansehen. Ich muss automatisch lächeln.
»Geht und holt Hilfe.«
›Wie kann man nur so schöne Augen haben?‹, ist mein einziger Gedanke. Die Sprenkel in der Iris faszinieren mich. ›Habe ich die eigentlich auch?‹
»Siana? Sag endlich was!«
Die Augen verengen sich und ich höre kurz darauf Worte der Entschuldigung. Wieso denn das?
Patsch!
»Aua!«, entweicht es meinem Mund, gleichzeitig wird die linke Wange heiß. Hat mich Kay tatsächlich geohrfeigt? Ist er nicht ganz dicht? »Was soll das?«
»Siana, endlich«, sagt Kay, der mir über die schmerzende Wange streicht und erleichtert ausatmet.
»Was ist passiert?«, ächze ich und setze mich auf, dabei dröhnt mein Kopf.
»Du bist von der Stute gefallen.« Kay legt mir einen Arm um die Schulter, an den ich mich automatisch lehne.
»Warum?« Ich schaue ihn verständnislos an, dann weiß ich es auf einmal wieder: Meine Gedanken waren bei ihm und dieser Kathleen, weswegen ich den Absprung verpasst habe und vornüber geknallt bin. Ich greife nach dem Verschluss des Helms, den ich immer beim Reiten trage und versuche, ihn zu öffnen, aber meine Hände zittern.
»Warte«, meint Kay, zieht den Arm von meiner Schulter und greift nach dem Verschluss. Dabei kommt er mir näher. »Das haben wir gleich.«
Er flüstert die Worte und sein Atem kitzelt meine noch immer heiße Wange.
»Danke«, hauche ich, nachdem der Verschluss geöffnet ist und er mir den Helm behutsam abnimmt. Meine Haare, die ich immer brav zusammenbinde, haben sich gelockert und fallen mir ins Gesicht, was Kay dazu bewegt, mir die Strähnen vorsichtig hinter das Ohr zu streichen. Als er meine linke Wange berührt, zucke ich leicht zusammen.
»Entschuldige.« Kay streicht nochmals darüber, bevor er einen Kuss darauf haucht.
Verdutzt sehe ich ihn an, verliere mich aber erneut in seinen Augen.
»Du bist wunderschön«, raunt er.
Ich schüttle nur sachte den Kopf, wobei ich den aufkommenden Schwindel ignoriere, sowie die Strähne, die mir zurück ins Gesicht fällt.
»Doch!« Die losen Haare streicht er zärtliche an ihren Platz zurück, dabei streift er kurz meine Lippen. Er blickt darauf, bevor er mir abermals in die Augen schaut.
In mir flammt das Verlangen auf, ihn zu küssen. Ich will seine Lippen auf den meinen spüren. Meine Hände zittern weiterhin, obwohl ich nicht mehr sicher bin, ob es von dem Sturz kommt oder von der Nähe zu diesem Mann.
Plötzlich greift er mir an den Hinterkopf, zieht mich zu sich heran und ... Er legt seine warmen Lippen auf die meinen. Sie fühlen sich weich an. Ich schließe die Augen. Es bin zur gleichen Zeit im Himmel und dennoch ist es irgendwie eigenartig. Meine Gedanken, die sich mit dem Kuss beschäftigen, werden jäh unterbrochen, als wir Stimmen und kurz darauf das Tor hören. Sofort lässt mich Kay los, rutscht etwas weg, während ich mich halbwegs auf den Boden lege. Niemand soll erfahren, was soeben passiert ist. Das zu erklären wäre vermutlich zu kompliziert.
Kaum sind Richard und Kathleen bei uns, steht Kay auf, klopft sich den Sand von der Jeans und gesellt sich zu seiner angeblichen Freundin. Die sieht ihn etwas verwundert an, hakt sich daraufhin jedoch bei ihm ein.
»Alles okay bei dir?«, will Richard wissen und tastet meinen Kopf und den Rücken ab.
»Ja, alles gut. Nur mein Kopf brummt etwas, aber das wird vergehen«, antworte ich knapp, während ich versuche aufzustehen. Richard stützt mich dabei.
»Hast wohl Glück gehabt«, brummt er. »Aber habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich besser konzentrieren?« Sein Tadel kommt ernst rüber, aber ich weiß, dass er erleichtert ist.
Ich entschuldige mich leise.
»Du nimmst dir den Rest des Tages frei und gehst dich ausschlafen. Wenn dir übel wird oder die Kopfschmerzen schlimmer werden, gibst du mir sofort Bescheid, dann fahren wir zum Arzt.«
Ich nicke.
»Bin nicht das erste Mal vom Pferd gefallen.«
Richard sieht mich mahnend an, gibt Kay und Kathleen allerdings den Auftrag, mich in meine Wohnung zu bringen, während er Trojana versorgt.