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Kapitel 3 Das Unglück
ОглавлениеKatie hatte sich entschlossen, sich den anderen anzuschließen, hoffte aber, ihren Entschluss später nicht bereuen zu müssen.
Gleich in der ersten Nacht befand sie sich auf einem langen Gang mit unzähligen Türen. Es musste ein Schiff sein, weil der Fußboden leicht schwankte. Für die Yacht war der Gang viel zu lang, aber wo war sie?
Als das Schiff sich leicht zur Seite neigte, sprang eine der Türen auf. Katie blickte in eine große Kabine mit gediegener, aber altmodischer Einrichtung und einem großen Doppelbett. Darauf lagen zwei Personen, die vollständig angezogen waren. Der Ähnlichkeit nach Mutter und Tochter. Beide hatten die Augen geschlossen und die Hände über der Brust gefaltet. Ihre Haut war eigentümlich weiß, fast durchsichtig. Wie aufgebahrt, schoss es Katie durch den Kopf. Und bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, dass die Brustkörbe der beiden sich weder hoben noch senkten. Voller Grausen wandte sich Katie ab, als das Schiff erneut heftig zu schlingern begann. Plötzlich packte sie jemand hart am Arm …
»Katie, aufwachen!«, sagte Megan, die neben ihrem Bett stand.
»Was ist denn los? Ich kann doch höchstens eine Viertelstunde … Und was hast du eigentlich für eine komische Jacke an?«
»Das ist eine Schwimmweste. Terry hat verlangt, dass wir alle eine anlegen. Die Yacht scheint in Seenot geraten zu sein. Wir haben schon zwei Signalraketen abgeschossen, aber noch keine Rückmeldung erhalten. Es gibt auch keine Funkverbindung, keiner kommt ins Internet und all unsere Uhren sind stehen geblieben.«
»Ich sage nur Bermuda-Dreieck«, meinte Katie sarkastisch und schlüpfte in Windeseile in ihre Schuhe und die Schwimmweste, die Megan für sie bereithielt.
Im Salon standen alle dichtgedrängt zusammen, während Terry am Steuer versuchte, der Naturgewalten Herr zu werden. Niemand sagte etwas, alle waren wie versteinert, doch man hätte bei dem Sturmgeheul ohnehin kein Wort verstanden. Fallon zitterte wie Espenlaub und versuchte, sich an Terry festzuklammern, aber der stieß sie immer wieder weg. Durch die schmalen Fenster konnte man die schwarze Wand der Wolken sehen, die sich draußen aufgebaut hatte.
Dann ließ der Sturm etwas nach. Dafür gab es meterhohe Wellen, die zuvor vom Sturm flachgehalten und schaumig gewesen waren. Terry steuerte die Yacht geschickt mit dem Wind. Die Wellen waren bisher unter ihr durchgeschlüpft, sodass die Yacht förmlich auf ihnen geritten war. Dann wurde sie urplötzlich von einer riesigen Woge erfasst und augenscheinlich bis in den Himmel getragen, um anschließend wie bei einer Achterbahnfahrt wieder in die Tiefe zu stürzen. Die Frauen schrien vor Angst laut auf. Und auch aus den Gesichtern der Männer war alles Blut gewichen. Alle klammerten sich an irgendetwas fest, das sie gerade zu fassen bekamen.
»Alle raus hier!«, erklang Terrys schrille Stimme. »Ihr müsst an Deck, falls das Boot kentert. Haltet euch am besten an der Reling fest!«
Doch die Yacht tauchte nicht ins Wasser, sondern schien in Schaum eingehüllt darüber hinwegzufliegen. Alle stürmten nach oben und klammerten sich liegend irgendwo fest. Keine Minute zu früh, denn die nächste haushohe Welle, die sich vor ihnen auftürmte, erfasste die Yacht wie ein Spielzeug und warf sie kopfüber in die Fluten. Dann wurde es totenstill.
Die Yacht trieb kieloben auf dem Wasser, das sich fast völlig beruhigt hatte. Die Reling lag jetzt unter dem Wasserspiegel. Diejenigen, die sich daran festgeklammert hatten, ließen vor Angst zu ertrinken los, denn ihre Arme befanden sich unter Wasser, und es war fast unmöglich, den Kopf darüber zu halten. Um den Schiffsrumpf versammelten sich die gelben Schwimmwesten wie überdimensionale Seerosen, die man in ein Farbbad getaucht hatte. Auf der Backbordseite befanden sich Savannah, Chris, Brady und Fallon; auf der Steuerbordseite Katie, Megan und Caleb. Durch Ruf verständigte man sich, um festzustellen, dass niemand fehlte.
Plötzlich schrie Fallon gequält auf: »Wo ist Terry? Um Gottes willen, Terry ist nicht da.«
Chris überlegte gerade, ob er die Schwimmweste ablegen sollte, um nach Terry zu tauchen, als sich eine weitere gelbe „Seerose“ dazugesellte und kurz darauf ein pudelnasser, aber unversehrter Terry auftauchte. Er hatte sogar noch Zeit gefunden, Seile mitzunehmen, die er jedem zuwarf, um sich damit an der Reling festzumachen. Fallon umarmte ihn stürmisch und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Alle atmeten erleichtert auf, um sich im nächsten Moment darüber bewusst zu werden, in welch aussichtloser Lage sie sich befanden. Sicher, man konnte sich beim Tauchen abwechseln und wenigstens Getränke herbeischaffen, doch Essbares würde hoffnungslos durchnässt sein, sofern es sich nicht in Plastik verpackt befand.
»Bevor der Funk ausfiel, konnte ich noch einen Notruf senden«, rief Terry laut, damit ihn alle hörten. »Bis uns jemand holen kommt, müssen wir das Beste aus unserer Lage machen. Verhungern oder Verdursten werden wir bestimmt nicht. Es wird nur etwas Mühe kosten, auf dem Wasser treibend zu schlafen. Aber mit ein bisschen Glück ist der Spuk bald vorbei.«
»Ein richtiger Sonnenschein, unser Kapitän«, sagte Megan sarkastisch. »Man könnte glatt meinen, die Sache macht ihm auch noch Spaß. Verdammte Scheiße, hätte ich mich bloß nicht darauf eingelassen. Entschuldige, Katie, dass ich dich dazu überredet habe.«
»Das konnte doch niemand vorhersehen«, sagte Katie matt. Innerlich geißelte sie sich, nicht die Warnung von Don beherzigt zu haben. Vor wenigen Minuten hatte sie sogar überlegt, sich ihrem Schicksal zu ergeben. Sie hatte den Drang verspürt, sich den Fluten zu ergeben, sich ihnen anzuvertrauen. Es war ihr sogar verlockend erschienen, in die dunkle Tiefe gerissen zu werden, damit endlich Ruhe sein würde. Vielleicht hätten sie dort Don und Mikey erwartet. Dann wären sie endlich wieder vereint gewesen. Doch diese Gedanken behielt sie für sich. Wahrscheinlich hätte nur Brady dafür Verständnis gehabt, aber der befand sich auf der anderen Seite des Bootes. »Mach dir keine Vorwürfe«, sagte sie stattdessen. »Wer sich auf so ein Abenteuer einlässt, muss immer mit dem Schlimmsten rechnen.«
»Ja, Schatz, es hilft dir doch nicht, wenn du dich zusätzlich marterst«, sagte Caleb liebevoll.
»Ich weiß nicht, woher ihr euern Optimismus nehmt. Die Scheiße hat doch gerade erst angefangen. Wer weiß, ob uns überhaupt jemand findet. Die Vorräte werden nicht ewig reichen. Gibt es hier draußen eigentlich noch Haie?«
»Ich fürchte, ja. Aber so lange wir uns nicht gegenseitig zerfleischen und eine Blutlache um uns verursachen, werden sie uns in Ruhe lassen«, wiegelte Caleb ab.
»Und was ist, wenn eine von den Frauen ihre Periode hat?«, ließ Megan nicht locker.
»Schatz, dann trägt sie einen Tampon. Und die vergleichsweise geringe Menge Blut ist wie ein Tropfen im Ozean. Um Haie anzulocken, muss man schon Tonnen von Fischabfällen über Bord kippen.«
»Ich hoffe, dass du Recht behältst. Oh nein, was ist das? Gleich werden wir die Hand nicht mehr vor Augen sehen.«
Wie aus dem Nichts tauchten dünne Nebelfäden auf, die sich in rasender Geschwindigkeit verdichteten. Kurz darauf umhüllte sie ein undurchdringlicher Schleier. Megan tastete ängstlich nach Caleb, der ihre Hand ergriff und sie festhielt.
»Wenn doch der Albtraum bloß schon zu Ende wäre«, jammerte Megan.
»Kannst du dich bitte etwas zusammennehmen«, sagte Katie. »Wir befinden uns alle in einer äußerst prekären Lage, aber durch Wehklagen wird es nicht besser.«