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Kapitel 8

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Durch hohe Berge, alte Wälder

Winde tragen diesen Reim

Durch Wiesen, Weiden, Auen, Felder

Uns Freital ist der Freien Heim

Arthur ließ die letzten Zeilen des Gedichtes, das er gerade gelesen hatte, noch etwas nachwirken. Nicht dass er das Gedicht überhaupt noch lesen musste, er kannte es schon längst auswendig, aber es gab ihm ein gutes Gefühl, in dem kleinen Büchlein zu lesen, das ihm einst sein Vater gegeben hatte. Die Handschrift, der Einband mit dem Wappen Freitals, all das erinnerte ihn an die Tage seiner frühen Kindheit. Er war gerade fünf Jahre alt gewesen, als ihm sein Vater das Buch gegeben hatte, um dann in den Krieg zu gehen. Er war nie wieder zurückgekommen. Sein ganzes Leben hatte er das kleine Büchlein stets bei sich gehabt, während seiner Ausbildung zum Knappen, bei seinem Ritterschlag, bei all den Abenteuern, die er mit Geron und anderen erlebt hatte. Auch in der letzten Schlacht gegen die Urben, als er den großen Ikran Khan mit seinem Pfeil tötete, war das kleine Büchlein in seiner Gürteltasche gewesen. Egal wie weit er von Freital entfernt war, das kleine Buch mit den Gedichten, die einst sein Vater für ihn niedergeschrieben hatte, war ihm immer ein Stückchen Heimat, das er bei sich tragen konnte.

Seufzend stand er auf, um noch eine Scheite Holz auf das Feuer nachzulegen, das langsam kleiner wurde. Als das trockene Holz ins Feuer gelangte, loderte es sofort wieder auf und spendete erneut Wärme, in dieser sonst klaren und kalten Sommernacht in den südlichen Ebenen von Tandor. Wulf, der mit ihm am Feuer saß, nickte Arthur dankbar zu. Obwohl er in seinen wärmenden Mantel eingehüllt war, musste ihm die Kälte bestimmt besonders in die alten Knochen fahren. Außer ihnen beiden waren noch vier weitere Wachen eingeteilt, die jedoch um das Lager verteilt waren. Obwohl er als Ritter und Freiherr standesgemäß weit über seinen Männern stand, hatte er, trotz Protesten, darauf bestanden, sich wie alle an der Wache zu beteiligen. Es war mittlerweile zu einer Art Ritual geworden, dass er sich bei jeder Wacheinteilung ebenfalls einteilte, seine Männer dagegen protestierten, er jedoch darauf bestand. Das ging jeden Abend so, schon so lange er seine Männer anführte, und es würde wohl auch immer so weitergehen.

Er schaute in den Himmel hoch. Keine Wolke bedeckte das Sternenzelt, der Mond stand etwa auf Viertel, bald gab es Neumond. Er dachte an die Schlacht zurück, und die Tage in Celans Heer. Arthur wollte nicht wissen, wie viel Überwindung es den eitlen Herzog gekostet haben musste, um diese Hilfe aus Rethas zu bitten. Aber er würde genau wie Arthur wissen, dass es am Ende die Bogenschützen aus Rethas gewesen waren, die das Schlachtenglück für sich entschieden hatten.

Obwohl es nicht lang war, kam ihm die Zeit in Tandor wie eine Ewigkeit vor. Arthur war froh, dass die meisten Männer, die mit ihnen losgezogen waren, auch wieder heil nach Hause zurückkehren würden. Nur neunzehn waren gefallen, zwei davon waren schwarze Pfeile gewesen. Weitere neun waren verletzt immer noch in Tandor, diese würden aber in den nächsten Wochen auch wieder nach Hause zurückkehren können.

„Wie lange noch?“, fragte er Wulf. Arthur wusste nicht wieso, aber Wulf hatte so ziemlich das beste Zeitgefühl, das er jemals bei jemandem bemerkt hatte. Obwohl er sich natürlich freiwillig für die Wache gemeldet hatte, war Arthur doch froh, wenn er endlich noch ein paar Stunden Schlaf genießen konnte. Morgen würde wieder ein langer und anstrengender Tag werden, genau wie die letzten Tage. Er hatte sich entschieden, ein ambitioniertes Marschtempo anzuordnen. Einerseits wollten alle natürlich schnell nach Hause, andererseits war das Reisen in dieser Gegend alles andere als sicher. Obwohl sie das Hauptheer der Urben von Ikran Khan geschlagen hatten, gab es noch genug kleinere Stämme, die sich dem Kriegsherrn nicht angeschlossen hatten und noch immer marodierend durch die Länder zogen. Auch wenn er nicht glaubte, dass jemand eine solch starke Truppe wie die ihrige angreifen würde, wollte Arthur lieber sicher gehen und deshalb die Ebenen im südöstlichen Tandor möglichst schnell passieren. Er hatte sich auch dagegen entschieden, über die westlichen Straßen zu reisen, da dies einfach zu viel Zeit gekostet hätte. Den Preis, den sie jetzt dafür zahlen mussten, waren eben die kalten Nächte in den Ebenen und die anstrengenden Märsche am Tag.

„Nur noch wenige Minuten, du kannst die nächsten wecken gehen“, antwortete Wulf. Sie beide waren schon zu lange durch die Lande gezogen und hatten schon zu viel erlebt, als dass Wulf auf Höflichkeiten achten würde, die Arthur eigentlich zustanden. Ihm machte das nichts aus. Er erhob sich und streckte sich kurz. Endlich konnte er noch ein bisschen Schlaf finden. Er ging zwischen den Männern hindurch, die überall möglichst nah an verschiedenen Feuern lagen, und suchte die für die nächste Wache eingeteilten Soldaten.

Gerade erreichte er einen von ihnen, als er stockte. War da nicht etwas in der Nacht gewesen, das sich von dem Schnarchen der Männer und den knisternden Feuern abgehoben hatte. Er meinte ein leises Geräusch zu vernehmen, dass hier nicht ganz hinpasste. Ruhig stehend versuchte er die gewohnten Geräusche auszublenden und sich nur auf das zu konzentrieren, was hier nicht hingehörte. Ein leises Rauschen, wie ein Fluss. Er blickte auf den Boden. Ein kleiner Ast, der auf dem trockenen Boden lag, zitterte leicht. Pferdehufe, viele davon, das war es.

„Alarm!“, brüllte er und lief zu seinem Platz, wo sein Bogen lag. „Alarm! Wir werden angegriffen!“

Seine Rufe wurden erwidert und blitzartig standen die Männer auf, als Arthur die ersten Pferde auf einem kleinen Hügel erscheinen sah.

Seit dem Moment, als er aus der Burg wieder zu seinen Männern gekommen war, war er nicht länger Narthas, Sohn von Ikran, sondern Narthas Khan, Anführer der urbischen Stämme. Einzelne Stammesführer hatten versucht, sich gegen ihn aufzulehnen, warfen ihm vor, nicht alt und erfahren genug zu sein, um sie zu führen. Und sie bezeichneten ihn als einen Feigling, der sich vor den Valoren in den Staub geworfen hatte. Nachdem er dem ersten der Unruhestifter den Kopf abgeschlagen hatte, waren die anderen Stimmen verstummt. Er hatte sich so schnell seine Autorität und Machtposition gesichert, und somit ungewollt natürlich auch Herzog Celan gestärkt. Jedoch war sein Volk ehrenhaft in der Schlacht geschlagen worden, und dafür mussten sie jetzt den Preis zahlen. Das war nur recht und billig. Sofort hatte er sich mit seinen besten Männern aufgemacht, um den Auftrag, den ihm Herzog Celan gegeben hatte, auszuführen.

Seine Späher hatten schon an diesem Morgen den Feind ausgemacht. Dennoch wusste Narthas, dass er sich in Geduld üben musste. Die Truppe aus Rethas war alles andere als schwach. Man durfte sie auf keinen Fall unterschätzen, immerhin waren es diese Bogenschützen gewesen, die seinem Vater die empfindliche Niederlage beigebracht hatten. Wenn sie am Tag angreifen würden, dann konnten sie nur unterliegen, da man sie in den weiten Ebenen viel zu früh sehen würde. Sie mussten großen Abstand halten, um dann in der Nacht mit einem schnellen Schritt die Entfernung aufzuholen und sie im Schlaf überraschen. Narthas führte ebenso wie seine etwas über zweihundert Soldaten sein Pferd am Zügel. So machten die Hufe der Tiere auf dem Steppenboden kaum einen Laut. Glücklicherweise trugen auch die wenigsten Urben Metallrüstungen, die zusätzlichen Lärm verursachten. In diesem Schritt konnten sie dem Lager der Feinde bis auf eine geringe Distanz nahe kommen, ohne bemerkt zu werden, und dann zuschlagen. Auch der schwache Mond, der nicht viel Licht spendete, half ihnen in diesem Vorhaben.

Im Schatten der Nacht lief ein Mann auf Narthas Khan und seine Kolonne zu. Es war sein Späher, der die genaue Lage des Feindes hatte in Erfahrung bringen sollen.

„Sie lagern ungefähr einen halben Stundenritt entfernt, am Fuße eines kleinen Hügels an einem Waldrand. Wir müssen sie also schnell und gnadenlos erwischen, dass sie nicht im Wald entkommen können.“ Narthas nickte.

„Sind viele Wachen aufgestellt?“, fragte Zirgas der neben Narthas lief. Zirgas war nach der Schlacht ebenso wie Narthas durch den Tod seines Vaters zu dem Anführer eines Stammes geworden. Die beiden kannten sich schon seit Jugendtagen, und Zirgas war einer der ersten gewesen, der Narthas als neuem Kahn die Treue geschworen hatte. Narthas wusste, dass er sich blind auf ihn verlassen konnte, und war beruhigt, den Freund an seiner Seite zu wissen. Wie er hatte auch Zirgas die typischen schwarzen Haare der Urben, zudem trug er einen sauber gestutzten Bart.

„Einige Wachen um das Lager, die uns wohl auch irgendwann bemerken werden. Auf dem Hügel ist nur eine Wache. Wenn wir diese rechtzeitig beseitigen, dann werden sie uns noch später bemerken.“

Narthas nickte. „Kannst du das, ohne dass man dich sieht oder hört?“

„Natürlich, Khan, das gehört zu meinen besten Fertigkeiten.“

„Dann geh los. Ich verlasse mich auf dich. Wir werden, wenn wir kurz vor dem kleinen Hügel sind, aufsitzen.“, sagte er dann noch zu Zirgas und entließ den Späher mit einem Nicken, der daraufhin mit einigen schnellen und leisen Schritten wieder in der Dunkelheit der Nacht verschwand.

„Habt Ihr einen besonderen Plan, Khan?“ fragte ihn Zirgas, während sie weiterliefen.

„Ja, und du wirst dabei eine wichtige Rolle spielen. Ich werde mit meinen Reitern das Lager frontal angreifen. Ich denke, dass wir nicht auf viel Gegenwehr stoßen werden, jedoch befürchte ich, dass einige der Männer in diesen Wald fliehen wollen. Herzog Celan hat mir aufgetragen, die Truppe bis auf den letzten Mann zu vernichten. Deswegen wirst du mit deinen Reitern sofort abschwenken und den Valoren den Weg in den Wald abschneiden. Wenn alles wie geplant läuft, werden wir uns in der Mitte treffen und dem letzten der Hunde den Kopf von den Schultern schlagen.“

Zirgas nickte. Er war ebenso wie Narthas und alle anderen Urben darauf versessen, die zu töten, die einen so großen Anteil an der Schmach hatten, die das urbische Volk erlitten hatte. Natürlich waren alle wie Narthas über den Befehl des Herzogs verwundert gewesen, dessen eigene Landsleute zu töten, aber diese Verwunderung war schneller einer auf Rache hoffenden Erwartung gewichen. Nur Narthas konnte sich langsam ein Bild von Herzog Celan machen, das sich aus seiner Begegnung mit dem Herzog, dessen Befehl und den vielen Erzählungen seines Vaters über die Politik in Valorien zusammensetzte. Obwohl die beiden Völker doch so unterschiedlich waren, hatten auch die Valoren mächtige Herzoge, die nicht nur an der Treue gegenüber ihrem König, sondern auch ihrer eigenen Macht interessiert waren. Darin unterschieden sich die valorischen Herzöge nur kaum von den urbischen Stammesführern. Und beide brauchten eine starke Hand, die sie in die richtige Richtung lenkten. Narthas war eine solche starke Hand, in Valorien schien es aber daran gerade zu fehlen.

Mit erhobener Hand signalisierte Narthas seinen Männern, anzuhalten. Sie hatten während der letzten Minuten komplett geschwiegen, Disziplinlosigkeit gab es in den Reihen der Urben nicht. Dann stieg er in den Sattel, und mit ihm alle anderen Urben. Viele der Soldaten legten die ersten Pfeile auf ihre Bögen auf. Narthas trug keinen Bogen. Für ihn gehörte es sich für einen Anführer nicht, einen Bogen im Krieg zu führen. Obwohl es natürlich eine gute und mächtige Waffe war. Dennoch musste für ihn ein wahrer Anführer einen Speer oder einen Säbel tragen, und so tat er dies auch. Als alle Urben aufgesessen waren, verharrte Narthas noch einen Moment. Offensichtlich waren sie noch nicht entdeckt worden, denn er hörte nichts aus dem Lager der Valoren. Der Späher hatte seine Aufgabe gut erledigt. Dann gab er das Signal zum Angriff und die Pferde setzten sich in Bewegung, trabten langsam los, und fielen dann in einen schnellen Galopp, in dem sie über die Hügelspitze preschten.

Arthur legte den ersten Pfeil auf und feuerte ihn auf die anstürmenden Urben. Es war keine Zeit für eine ordentliche Formation, es war keine Zeit für klare Befehle, für viele war nicht mal mehr genug Zeit aufzustehen, bevor die Urben sie erreichten.

Der Ritter musste mit Grauen anschauen, wie die ersten seiner Männer ohne große Gegenwehr abgeschlachtet wurden. Reitersäbel sausten herunter, spalteten Schädel und schlitzen Körper auf, Pfeile flogen und trafen ihr Ziel, und Arthur konnte nur machtlos dastehen und zusehen. Kurz keimte in ihm Verzweiflung auf, als er wie aus einer Trance erwachte und versuchte, die Situation möglichst klar zu analysieren. Die anstürmenden Reiter hatten sie voll getroffen, es waren wohl etwas über einhundert Mann. Auch wenn sich langsam erste Gegenwehr formierte, auch erste rethanischen Pfeile ihre Ziele trafen, war der Versuch diesen Gegner in dieser Situation abzuwehren wohl doch vergeblich. Arthur sah einen Urben, der auf einen jungen rethanischen Bogenschützen zustürmte. Blitzschnell zog er den Bogen aus, legte kurz an, und feuerte. Von der Wucht des Pfeiles wurde der Urbe aus dem Sattel gerissen und blieb am Boden liegen.

Arthur schaute sich um. Er sah den Wald. Dies war wohl die einzige Möglichkeit, dieser Hölle zu entfliehen. Ansonsten war die Situation aussichtslos. In dem flachen, ebenen Gelände würden sie niemals gegen diese schnellen Reiter fliehen können. Nur im Wald konnten sie sich verstecken. Arthur wollte gerade Richtung Wald loslaufen, als er erkannte, dass auch der Feinde diese einzige Fluchtmöglichkeit bemerkt hatte. Eine weitere Truppe von Reitern ritt am Waldrand entlang auf ihr Lager zu, um sich zwischen den Rethaner und den Wald zu schieben. Es waren weniger als die Hauptgruppe, vielleicht die halbe Stärke, dennoch waren es viele, besonders für einen solch unorganisierten Haufen, wie ihn Arthurs Soldaten gerade darstellten.

„Schwarze Pfeile zu mir!“ brüllte er über den Lärm der Schlacht und sofort fanden sich seine Truppen bei ihm ein. Auf diese Männer konnte er sich immer verlassen. Auch wenn den anderen Rethanern wohl schon längst der Mut geschwunden war, die Schwarzen Pfeile würden tapfer und treu bleiben bis zum letzten Tropfen Blut.

„Pfeile!“ rief er und alle machten ihre Bögen schussbereit, soweit das noch nicht geschehen war. Von den fünfzig Männern waren die meisten an Arthur Seite. Sie hatten näher am Wald gelagert und waren so dem ersten verheerenden Angriff größtenteils entgangen.

„Die erste Salve auf die vorderen Pferde, die zweite Salve auf die Reiter.“ Arthur legte wie alle Soldaten neben ihm auf die anreitenden Urben an. Er blickte sich noch einmal um, und sah, dass die restlichen rethanischen Bogenschützen zum größten Teil verloren waren. Dann blickte er wieder nach vorne und ließ den Pfeil los.

Die erste Salve der Schwarzen Pfeile beendete den Ansturm der Reiter, die ihnen den Weg abschneiden sollten, abrupt. Die meisten der vordersten Pferde brachen sofort ein und rissen ihre Reiter mit. Die dahinter reitenden Urben konnten nicht mehr ausweichen und es entstand ein Chaos von am sich am Boden windenden Pferdeleibern, Urben, die sich in Sicherheit bringen wollten und weiteren panisch trampelnden Pferden, die von hinten folgten. Die Urben hatten kaum Zeit sich von der ersten Salve zu erholen, als schon die zweite den Tod diesmal über die Reiter brachte. Die Zielsicherheit der Schwarzen Pfeile, die in Freital schon seit Kindesbeinen das Schießen lernten, war sowohl bemerkenswert, als auch beängstigend.

Arthur sah mit großer Zufriedenheit, dass der von ihm geplante Schlag vollkommen erfolgreich war. Dennoch war noch keinerlei Zeit für Hochgefühle. Die Hauptmacht des Feindes saß ihnen immer noch im Nacken und sie waren noch lange nicht in Sicherheit.

„Jorgen, zwanzig Mann, versuch uns den Rücken möglichst frei zu halten. Hagen, fünf Mann, sieh zu, so viele wie möglich in den Wald zu bringen. Der Rest, folgt mir. Wir müssen den Weg noch frei machen.“ Nachdem Arthur die weiteren Befehle gegeben hatte, hängte er sich seinen Bogen um und zog sein Schwert. Die Klinge glitzerte im nur schwachen Mondlicht. Zusammen mit den schwarzen Pfeilen und einigen Rethaner lief er auf die restlichen Urben zu, um sich den Weg in den Wald freizukämpfen. Er konnte nur hoffen, möglichst viele der Rethaner retten zu können. Vor kurzem war er noch froh gewesen, so viele Männer lebend aus der Schlacht geführt zu haben, und nun dieses Drama. Rethas würde an diesem Tag viele gute Söhne verlieren, dessen war er sich sicher.

Narthas parierte den Hieb einer Axt, die sein Bein treffen sollte, mit seinem Säbel und verhakte die Waffe des Feindes. Mit einem kräftigen Tritt auf die Brust des Mannes stieß er ihn dann zu Boden. Er zog kräftig an seinen Zügeln und ließ sein Pferd ein bisschen wenden, um es dann mit einem weiteren Zug aufbäumen zu lassen. Er erkannte noch den Schrecken in den Augen des am Boden liegenden Feindes, bevor sich die Hufe kraftvoll auf diesen herabsenkten. Das knirschende Geräusch des Schädels hörte Narthas trotz des Schlachtenlärms.

Obwohl sich erster Widerstand formiert hatte war wirklich alles nach Plan gelaufen. Die Valoren waren völlig überrumpelt gewesen und hatte keine Chance auf Gegenwehr gehabt. Die paar Männer, die sich noch statt wegzulaufen verzweifelt wehrten, waren nicht der Rede wert. Bis gerade war er in eigene Kampfhandlungen verwickelt gewesen, wie es sich für einen Anführer der Urben gehörte, deswegen wollte sich jetzt Narthas erstmal ein genaueres Bild der Lage machen. Er sah, wie die geschlossene Linie seiner Reiter den Feind komplett aufgerieben hatte. Hier und dort gab es noch kleine Kämpfe, aber die meisten Urben setzten schon Flüchtenden hinterher. Einige durchsuchten auch schon das Hab und Gut des Feindes nach sich lohnendem Plündergut. Mit Freude erkannte er auch, dass Zirgas mit seinen Reitern dem kleinen Haufen, der sich gerade formierte, den Weg in den Wald abschneiden würde. Er nickte zufrieden, als er erkannte, dass dieser Haufen schon deutlich besser formiert war, als er auf den ersten Blick gesehen hatte. Mit Schock erkannte er, wie die Reihen von Zirgas Reitern durch die Pfeilhagel gebrochen wurden. Er richtete sein Pferd in die Richtung.

„Angriffsformation! Wir müssen unseren Brüdern helfen!“, rief er und preschte los, neben ihm seine Reiter, die sich nur etwas verzögert dem Feind zuwandten. Kaum jemand hatte noch mal mit echter Gegenwehr gerechnet. Narthas konnte Zirgas nicht erblicken. Er durfte nicht hier fallen, zu wichtig war dieser Freund für seine Vorhaben, die er als Khan der Urben hatte.

Der erste Feind, den Arthur erreichte, hatte sich noch nicht richtig vom Boden aufgerappelt, als Arthurs Schwert auf ihn niedersauste. Gerade rechtzeitig konnte der Urbe noch den Säbel hochreißen, um den kräftigen Schlag des Ritters abzuwehren. Funken schlugen als Stahl auf Stahl traf und der Säbel zitterte bedenklich. Arthur ließ seinem Gegner keine Zeit durchzuatmen und setzte sofort nach. Mit einigen schnellen Schlägen von der Seite drängte er den Urben zurück. Gerade wollte sich dieser aus der Defensive lösen, als er über ein hinter ihm liegendes Pferd stolperte. Er konnte gerade noch das Gleichgewicht wahren, als sich Arthurs Schwert in seine Brust bohrte. Blitzschnell zog der Ritter das Schwert aus dem leblosen Leib seines Feindes und sah zu zwei Gegnern, die auf ihn zustürmten. Sein Blut geriet in Wallungen, jede Faser seines Körpers war angespannt. Er spürte wieder das Gefühl in einem wahren Kampf zu sein. Das Bogenschießen war etwas völlig anderes, distanzierter, feiner, eher eine Kunst. Der Schwertkampf dagegen war körperliche Anstrengung, es kam auf Schnelligkeit des Körpers und des Geistes an. Jeder Kampf mit der Klinge erinnerte Arthur an seine zahlreichen Trainingsstunden mit seinem Freund Geron, den er aber meistens im Nahkampf nicht hatte schlagen können. Zu gut waren die Lehrer seines Freundes gewesen, zu groß sein Talent.

Er ließ den ersten Urben an seiner Klinge abgleiten und ins Leere laufen. Mit einem kräftigen Ruck zog Arthur sein Schwert in die Höhe und schnitt damit den Leib des Gegners auf, der zu Boden sank. In der gleichen Bewegung parierte er den nächsten Gegner und wandte sich dann zum Angriff. Zwei Schläge parierte der Urbe, dann fiel er auf eine Finte von Arthur herein, was sich als tödlicher Fehler herausstellte. Das Schwert des Ritters fuhr tief in den Hals des Mannes hinein. Blut spritzte und benetzte Arthurs Gesicht. Auch seine Arme waren rot gefärbt. Bisher war es glücklicherweise noch nicht sein eigenes Blut gewesen.

Er blickte sich schnell nach links und rechts um. Es stand gut für sie, die meisten Urben waren auf den schnellen Gegenangriff nicht gefasst gewesen. Nur noch wenige saßen im Sattel. Gerade wollte er sich noch mal genauer umschauen, als ihm sein nächster Gegner entgegentrat. Sofort erkannte Arthur den Unterschied zu den anderen Feinden. Die Rüstung des Mannes war deutlich stärker, verschiedene Schmuckstücke und seine Kleidung verrieten, dass es sich um einen Anführer oder zumindest um einen sehr reichen Urben handeln musste. Arthur hob sein Schwert in eine Paradehaltung. Er wollte zuerst sehen, was sein Gegner konnte und machte. Dieser umkreiste Arthur auch und blickte ihm dabei tief in die Augen. Und unbändiger Hass sprach aus den Augen des Urben. Dann griff er an. Er ließ seinen Säbel tanzen und führte eine Reihe von blitzschnellen Schlägen hintereinander aus. Wie Arthur vermutet hatte, war dieser Gegner von einem anderen Kaliber als die anderen. Nur mit Mühe konnte er alle Schläge seines Feindes parieren. Gerade meinte er eine Lücke zu erkennen, als die Klinge des Feindes erneut hervorschnellte. Arthur versuchte sich noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, aber die Klinge erwischte seinen linken Arm, zerfetzte den Stoff und hinterließ eine Wunde, keine Tiefe, aber sie brannte außerordentlich. Mit einem Sprung nach hinten brachte sich Arthur in Sicherheit und atmete erstmal tief durch. Er blickte seinem Gegner wieder in die Augen, aus denen dieser alles zerfressender Hass sprach.

Dann griff Arthur an. Er hatte die Bewegungen des Urben beobachtet. Sie waren schnell, sicher, aber eine Kleinigkeit war Arthur nicht entgangen. Bei einigen Bewegungen humpelte sein Feind deutlich mit dem linken Bein, dass er sich beim Sturz vom Pferd verletzt haben musste. Das musste er ausnutzen. In seinen Angriffen versuchte Arthur sich seinem Gegner anzupassen und setzte nur wenig Kraft in seine Hiebe, führte sie dafür aber umso schneller aus, um dem Gegner keine Möglichkeit zum Kontern zu lassen. Der Urbe parierte einen Hieb nach dem anderen und schien nicht merklich in Bedrängnis zu kommen. Dann wechselte Arthur urplötzlich seinen Kampfstil. Er setzte seine gesamte Kraft in einen mächtigen Schlag von links. Er wusste, dass wenn dieser Schlag fehlschlug, er völlig offen dastehen würde. Die Klinge von Arthur krachte mit voller Wucht auf den Säbel des Urben. Dieser stemmte sich mit voller Kraft gegen den Schlag, aber es trat ein, was Arthur vermutet hatte. Das leicht verletzte Bein des Urben knickte ein und ließ diesen straucheln. Arthur setzte sofort nach, tat einen großen Schritt nach vorne und hob sein Schwert. Mit einem kräftigen Schlag mit dem Knauf gegen die Stirn seines Feindes schickte er ihn bewusstlos zu Boden. Er wollte ihn auf jeden Fall als Gefangenen mitnehmen, um mehr über das warum dieses Angriffes zu erfahren.

Endlich war Arthur etwas freier und konnte sich umschauen.

Hagen hatte mit seinen Männern nur einige Flüchtende retten können und war schon auf dem Weg in den rettenden Wald. Er selbst hatte mit seinen Männern die meisten Urben besiegt, der Weg war frei. Kalt lief es Arthur über den Rücken, als er Jorgen mit seinen Männern sah. Sie standen, wie befohlen, dort um Arthur den Rücken zu sichern. Und das obwohl fast die gesamten restlichen Reiter auf sie zustürmten. Das würde ein Gemetzel geben, dessen war sich Arthur sicher. Er musste sie retten. Irgendwie. Aber es war wohl zu spät.

„Rückzug!“ schrie er in die Nacht. „Rettet euch in den Wald!“ Er winkte Kilian herbei, ein sehr kräftiges Mitglied der Schwarzen Pfeile, dem seine schwarzen dichten Haare etwas Tierisches verliehen.

„Nimm den hier mit, und rette dich dann in den Wald.“

Arthur blickte zurück. Jorgen und seine Männer hatten noch zur Flucht angesetzt, aber sie wurden schnell von den restlichen Reitern eingeholt. Arthur hob sein Schwert und wollte gerade losstürmen als ihn eine kräftige Hand an der Schulter packte. Wulf schaute ihn ernst an.

„Wirf nicht dein Leben weg. Wir brauchen dich. Lass uns in Sicherheit bringen, wer noch gerettet werden kann. Die anderen werden wir wiedersehen.“

Arthur nickte zornig. Natürlich hatte Wulf Recht. Wulf hatte fast immer Recht. Aber das machte es trotzdem nicht richtig. Er warf noch einen letzten Blick zurück und lief dann mit den restlichen Rethanern in den schützenden Wald.

Der Kampf war gewonnen, die Urben siegreich. Einige von den Siegern rauften sich schon um die Beute, andere erledigten noch die wenigen Verletzten, die letzten kümmerten sich um eigene Wunden oder um die Verletzungen von Kameraden. Narthas streifte rastlos über das Schlachtfeld. Nachdem sich die Überlebenden in den Wald geflüchtet hatten war eine weitere Verfolgung unmöglich gewesen. Zu dicht war der Wald, zu wenige der Urben hatte Erfahrung darin, im Wald zu kämpfen. Und außerdem war der Vorsprung der Valoren wohl schon zu groß. Die Valoren des Südens, aus Rethas, waren bekannt dafür sich schnell und ungesehen durch Wälder und anderes Gelände bewegen zu können. Die steppenerprobten Urben hätten hier kaum eine Chance gehabt.

„Zirgas!“, rief Narthas erneut in die Nacht, aber er wusste sowieso, dass er keine Antwort erhalten würde. Man hatte seinen Freund nicht unter den Gefallenen gefunden, aber er hatte sich auch nicht gemeldet. Mit einigen Männern hatte Narthas den Waldrand abgesucht und alle anderen Stellen, an denen Zirgas sein konnte, aber die Suche war erfolglos geblieben. Etwa sechzig Männer hatte Narthas verloren, mehr als er eingeplant hatte, aber diese bedeuteten ihm im Moment nichts. Es ging nur um einen Mann, und dieser war nicht zu finden. Verzweifelt blickte Narthas in den Himmel. Er machte sich Vorwürfe. Er hätte nie seinen Freund darum bitten dürfen, mit weniger Reitern als er selbst zu reiten. Er hätte nie erlauben dürfen, dass der Freund voran ritt. Narthas schüttelte den Kopf. Es war zwecklos. Natürlich ritt ein Anführer der Urben stets voran, und natürlich folgten ihm seine Reiter. Es war unsinnig, sich weitere Vorwürfe zu machen.

Narthas ging zurück zu seinem Pferd und saß auf. Mit einigen kurzen Befehlen brachte er auch seine Männer dazu, es ihm gleichzutun. Als sich die Urben formiert hatten ritten sie wieder los, nach Norden, und ließen das Schlachtfeld hinter sich. Und ließen Zirgas hinter sich.

Sie marschierten noch die ganze Nacht und einen weiteren halben Tag. Erst als die Mittagssonne hoch am Himmel stand ordnete Arthur eine Rast auf einer kleinen Lichtung mit einem Bach an. Die meisten Männer ließen sich sofort erschöpft zu Boden sinken. Der Gewaltmarsch hatte die meisten bis an die Grenzen ihrer Kraft geführt, besonders diejenigen, die nicht zu den Schwarzen Pfeilen gehörten und insofern das lange Marschieren durch Wälder nicht ganz so gewöhnt waren.

Er blickte über seine Männer. Es waren so wenige. Viel zu wenige. Einundzwanzig Männer der Schwarzen Pfeile, darunter Wulf, Hagen und Jorgen, der wie durch ein Wunder den Angriff überstanden hatte und sie nach etwa einer Stunde Marsch wiedereingeholt hatte, hatten den nächtlichen Überfall überlebt. Dazu nochmal siebzehn Männer aus Rethas. Die meisten waren leicht verletzt, nur zwei hatte es so schwer getroffen, dass sie nicht mehr selber laufen konnten. Aber auch sie würden es schaffen, wenn sich die Wunden nicht entzündeten. Dennoch waren es viel zu wenige, weniger als Fünfzig, von den einst Dreihundert die Arthur nach Tandor begleitet hatten. Es war eine dunkle Nacht für Rethas gewesen, eine dunkle Nacht für ganz Valorien. Der gefangene Urbe war zwischendurch aufgewacht und gefesselt und geknebelt worden. Glücklicherweise verstand er die gemeine valorische Sprache. Nachdem ihm Arthur unmissverständlich klar gemacht hatte, in welcher Situation er sich befand, war er auch friedlich gewesen und hatte sich nicht gewehrt. Zeit für eine ausführliche Befragung hatte er noch nicht gehabt, aber das bot sich jetzt gerade an.

Er ging zu dem kleinen Bach und nahm einen ordentlichen Schuss Wasser, den er sich erstmal ins Gesicht spritze. Das Wasser war eiskalt und herrlich erfrischend. Danach trank er gierig einige weitere Schlucke und füllte dann noch seinen Wasserschlauch auf. Nachdem er sich erhoben hatte, wandte sich Arthur zu dem Gefangenen und seinem Aufpasser Kilian, der den Urben während des gesamten Weges nicht aus den Augen gelassen hatte. Er beugte sich zu dem Urben herunter und schaute ihm ins Gesicht. Die langen schwarzen Haare des Urben hingen ihm schmutzig und von Blut verklebt im Gesicht. Die Platzwunde an der Stirn hatte das gesamte Gesicht mit einer dunklen Blutkruste überzogen, die dem Urben ein schauerliches Aussehen gab. Noch immer lag Hass im Blick seines Feindes, den er vorhin auf dem Schlachtfeld niedergestreckt hatte.

„Nimm ihm den Knebel ab!“, befahl er Kilian, der das grobe Lederband losband.

„Wie ist dein Name, Urbe?“ Es kam keine Antwort. Der Gefangene spuckte Arthur vor die Füße. Der Ritter fixierte seinen Gefangenen mit seinem Blick. Er wollte es erst auf die freundliche Art versuchen.

„Du bist offensichtlich ein höher gestellter Soldat deines Volkes, also glaube ich, dass du meine Sprache sprichst. Ich werde es erstmal freundlich probieren. Ich bin Arthur von Freital, Ritter Valoriens. Mit wem hatte ich letzte Nacht die Ehre, die Klingen zu kreuzen?“

Der Urbe musterte immer noch seinen gegenüber. Er ließ einige Sekunden verstreichen, bevor er antwortete.

„Zirgas, Sohn des Lizasor. Anführer des Stammes der Gorbi Urboi.“ Arthur nickte. Das lief doch besser, als er befürchtet hatte.

„Ich hoffte, dass wir in der großen Schlacht die Urben unter Ikran Khan endgültig geschlagen hatten und die Überlebenden sich nach dem Tod des Khans in alle Windrichtungen zerschlagen hätten. Für eine marodierende Horde waren das gestern Nacht zu viele, und wir waren kein wirklich lohnenswertes Ziel. Ich will wissen, wer mich und meine Männer gestern angegriffen hatte.“

Zirgas grinste fies, ehe er mit seiner tiefen Stimme und seinem urbischen Akzent antwortete. „Der Tod aus der Steppe.“

Arthur lächelte und wandte sich ab. Blitzschnell fuhr er wieder herum und grub seine Faust in das Gesicht des Urben. Zirgas fiel nach hinten um und wurde von Kilian sofort wieder in eine sitzende Position hochgehoben. Blut lief aus seiner Nase, die nach einem lauten Knacken deutlich schiefer als zuvor wirkte.

„Wer hat uns angegriffen? Wenn du der Anführer gewesen wärest, hättest du den größeren Teil der Reiter geführt. Wer ist dein Herr? Wieso habt ihr uns angegriffen?“ Zirgas konnte seine schmerzverzehrte Miene schnell wieder in das fiese Grinsen verwandeln.

„Du bist ein guter Beobachter, Arthur von Freital, wirklich gut bemerkt. Und das in der Hitze der Schlacht.“ Er nickte anerkennend, obwohl nicht wirklich zu erkennen war, ob es sich um echte Anerkennung handelte, oder um sarkastische Herablassung.

„Ich habe Zeit. Zirgas. Viel Zeit. Und ich habe viele Männer, die gestern Nacht gute Freunde und Waffenbrüder verloren haben. Jeder wird sich über ein kleines Stückchen Rache freuen. Und glaub mir, die meisten dieser Männer wissen, wie man einen Mann am Leben hält, und ihm trotzdem große Schmerzen zufügen kann. Also, meine Fragen hast du gehört, wollen wir uns nicht einfach ein bisschen Zeit und dir ein paar Schmerzen sparen und sofort zum Punkt kommen? Ich verspreche dir dein Leben, wenn du mir alles erzählst, was du weißt. Das Versprechen eines Edelmannes, an einen Edelmann.“ Arthur meinte ein leichtes ängstliches Zucken in Zirgas Miene zu bemerken, die sich aber gleich wieder versteinerte. Dennoch glaubte er, dass die Drohung seine Wirkung gezeigt hatte.

„Ich diene dem wahren Khan der Urben, Narthas Khan, der nach dem Tod seines Vaters als Herr der Steppe emporstieg.“ Narthas Khan. Den Namen hatte Arthur noch nie gehört, wahrscheinlich ein Sohn des gefürchteten Ikran Khans.

„Und wie hat es dieser Narthas Khan aus der Gefangenschaft von Herzog Celan geschafft?“, hakte Arthur nach, dem die Geschichte noch nicht ganz geheuer vorkam. Zirgas setzte wieder sein Grinsen auf.

„Aus der Gefangenschaft? Nun ja, er wurde freigelassen. Wie wir alle anderen auch. Wir wurden freigelassen, unter dem Schwur, dem Herzog von Tandor eine Blutschuld schuldig zu sein. Bis ein Urbe einem Erben des Hauses Tandor das Leben rettet, sind wir zur Treue verpflichtet. Ein hoher Preis, aber der Khan akzeptierte ihn.“

Alles schien sich um Arthur zu drehen. Freigelassen? Blutschuld? Wieso? Das ergab alles keinen Sinn. Celan sollte froh sein, die Gefahr ein für alle Mal abgewendet zu haben und dabei noch einige Arbeiter für seine Mienen gewonnen zu haben. Wieso sollte er sich dem erneuten Risiko aussetzten, dass die Urben Tandor erneut terrorisierten, sollten sie wortbrüchig werden? Was plante Celan mit der Treue der Urben?

„Rede weiter, was weißt du noch alles“, sagte Arthur immer noch etwas in Gedanken versunken.

„Herzog Celan war es, der uns schickte euch alle zu töten.“

„Dieser Verräter!“, entfuhr es Arthur lauthals und er war auf der gesamten Lichtung zu hören. Zirgas fuhr grinsend fort, offensichtlich über den internen Verrat der Valoren belustigt.

„Nun, ihr Valoren scheint nicht so einig zu sein, wie ihr denkt. Aber das war noch nicht alles, was Herzog Celan veranlasste. Er ließ die besten fünf Krieger der Urben zu sich kommen und erteilte ihnen einen Auftrag. Einer dieser Krieger ist mein Bruder, und so erfuhr ich von der Aufgabe. Mit einigen anderen Tandorern sollen sie nach Südwesten reisen und den jungen König suchen, um ihn dem gleichen Schicksal zuzuführen, wie ihr es erleiden solltet.“ Arthur verschlug es die Sprache und auch Kilian wirkte offensichtlich entsetzt. Ein Mordversuch auf den König. Das war Hochverrat. Langsam schloss sich der Kreis. Herzog Celan baute seine militärische Streitmacht deutlich aus, er schwächte seinen Nachbarn im Süden und versuchte den König zu ermorden. Für Celan war Tandor nicht genug. Er musste aufgehalten werden.

„War das alles was du weißt?“, fragte er Zirgas. Er blickte ihm tief in die Augen, um zu erkennen, wenn dieser log. Zirgas nickte. „So wahr die Geister der Steppe über mich wachen, das ist alles.“ Der Urbe musste ein Lächeln unterdrücken. Er hatte Arthur bereitwillig die gesamte schmutzige Wahrheit erzählt. Es barg die kleine Hoffnung, auf sein Leben. Immerhin waren diese Valoren so erpicht auf ihre Ehre. Eine Schwäche, die ein Urbe niemals zulassen würde. Aber seine Gedanken gingen noch weiter. Sollten sich die Valoren doch gegenseitig bekämpfen. Tandor gegen Rethas. Die Krone gegen Tandor. Egal wie. Jeder tote Valore würde sie näher zu ihrer Freiheit bringen. Und auch sein Khan würde diese Chance erkennen. Denn Chaos war ein natürlicher Freund der Urben.

„Lauf. Und hoffe, dass du mir nie wieder über den Weg läufst.“, sagte Arthur und zog sein Messer um die Fesseln des Gefangen zu zerschneiden. Er hatte sein Wort gegeben.

Während Zirgas im Wald verschwand, nahm Arthur seine Sachen auf. Seinen Bogen hatte er auf dem Schlachtfeld verloren. Das war traurig. Aber er war sich sicher, dass er spätestens zurück in Freital angemessenen Ersatz erhalten würde.

„Hagen, Wulf, Kilian, Jorgen“, rief er einige seiner Männer heran. „Wulf, du wirst die Männer zurück nach Hause führen. Hagen, Kilian, Jorgen, der König ist in Gefahr. Ihr drei werdet zusammen mit mir nach Westen reisen. Höchstes Marschtempo. Wir brechen sofort auf.“

Die vier Männer nickten und nahmen ihre Waffen auf. Wulf kam noch mal auf Arthur zu und nahm dessen Arm zum Gruß. „Pass auf dich auf, Arthur.“ Der Ritter nickte. „Und führe du unsere Brüder zurück in die Heimat. Ich verlasse mich auf dich.“, sagte er und lief dann zusammen mit seinen drei Begleitern in westlicher Richtung von der Lichtung weg.

Mondschein

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