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3.2. Ester im Christentum
ОглавлениеIm Christentum hat das Buch Ester eine eher untergeordnete Rolle gespielt. In der christlichen Liturgie hatte das Buch nur geringe Bedeutung, und so ist es auch weiterhin.285
Wie bereits erwähnt, wurde Ester in der frühchristlichen Literatur relativ selten zitiert.286 Die wenigen christlichen Kommentatoren des Buchs im Mittelalter – darunter Hrabanus Maurus und Walahfrid Strabo im neunten Jahrhundert und Rupert von Deutz im zwölften Jahrhundert287 – bieten eine allegorische Lesart des Werks. Ester wird als Repräsentantin der Jungfrau Maria oder der Kirche dargestellt, die der Synagoge (Waschti) oder dem Teufel (Haman) gegenübersteht.
Vom 16. Jahrhundert an, seit der Erfindung der Druckerpresse und der Reformation, entstanden immer mehr Studien zum Buch Ester – sowohl von protestantischen als auch von katholischen Autoren.288 Auch in der europäischen Kunst von der Renaissance an bis ins 17. und 18. Jahrhundert hinein stieß die Ester-Erzählung auf erstaunliche Resonanz.289 Zu den bekanntesten Gemälden, die Szenen aus dem Leben von Ester darstellen, gehören Botticelli/Lippi, Szenen aus dem Leben Esthers (1475, Louvre, Paris), Veroneses Deckenfresken in der Kirche San Sebastiano (1556 Venedig) und Rembrandt, Ahasver und Haman beim Fest von Esther (1662, Puschkin-Museum, Moskau).
Im französischen Theater des 16. und 17. Jahrhunderts nimmt die Ester-Erzählung beträchtlichen Raum ein. Zu erwähnen wären Aman, tragédie sainte von André de Rivaudeau (1566), Esther von Pierre Mathieu (1583), Aman ou la Vanité von Antoine de Montchrestien (1601), Esther von Pierre Du Ryer (1643) und natürlich Racines Esther (1689). Das häufige Auftreten der Ester-Thematik in den Theaterproduktionen dieser Zeit kann insbesondere im Zusammenhang mit dem Streit zwischen Katholizismus, Protestantismus und Jansenismus sowie der Gewalt zwischen den Gemeinschaften im Zusammenhang mit der Aufhebung des Edikts von Nantes erklärt werden.290
Was die Musik anbelangt, verdient Händels Oratorium Esther (HWV 50, 1732) Beachtung. Aus Platzgründen kann hier nicht auf die Rezeption von Ester in der modernen Literatur und im Kino eingegangen werden.