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13. Vom Sterngucker, der in einen Brunnen fiel

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Ein Astrolog fiel in den Brunnen einst.

Da sagten sie zu ihm: »Du armes Wesen,

Siehst nicht, was dir zu Füßen ist, und meinst,

Du könntest droben hoch am Himmel lesen!«

Wohl scheint der Fall, an sich betrachtet, angetan,

Ein lehrreich Beispiel für die meisten abzugeben;

Denn unter denen, die auf dieser Erde leben,

Gibt's wen'ge, die nicht schon den Wahn

Gehegt mit sträflichem Behagen,

Das Buch des Schicksals sei dem Menschen aufgeschlagen.

Dies Buch – Homer schon sang des heil'gen Fatums Ruhm –

Soll man es »Zufall«, wie das graue Altertum,

Oder, wie wir, »Vorsehung« nennen?

Nun, »Zufall« heißt, des Grund wir nicht erkennen;

Denn, kennten wir ihn, nimmermehr

Spräch man von Zufall dann, Glück, blindem Ungefähr

Und mehr so zweifelhaften Dingen.

Doch dessen Willen zu durchdringen,

Der alles schuf und stets mit Weisheit alles tat,

Wer vermag's? Er allein. Wer sitzt in seinem Rat?

Schrieb er mit Flammenschrift am Firmament der Sterne,

Was grauer Zeiten Nacht verhüllt in Nebelferne?

Wozu? Als Übung für den Scharfsinn solcher, die

Geschrieben über Erd- und Sphärenharmonie?

Daß unentrinnbarem Verhängnis wir entrönnen?

Um uns das Wohlgefühl des Glückes zu mißgönnen?

Vielleicht, daß durch vorweggenommenen Genuß

Die Freude selbst sich kehr' in eklen Überdruß?

Dies glauben – Irrtum wär's, nein, Frevel sondergleichen!

In ew'ger Ordnung gehn die Sterne ihren Lauf,

Die Sonne geht uns täglich auf,

Allnächtlich muß ihr Licht den dunklen Schatten weichen;

Doch folgt aus alledem für uns kein andrer Schluß,

Als daß das Licht uns strahlt, weil – es uns strahlen muß.

Der Ernte Reifen, wie der Gang der Jahreszeiten,

Sie all' erscheinen uns nur als Notwendigkeiten.

Wie reimt der Zufall, der in ew'gem Wechsel treibt,

Sich mit des Weltalls Lauf, der ewig gleich sich bleibt?

Vermeßne Schwindler, Astrologen,

Die ihr Europas Fürsten oft betrogen,

Hebt euch hinweg samt den Propheten dieser Zeit!

Betrüger sind sie all', wie ihr Betrüger seid.

Doch was ereifr' ich mich? Zu unserm Sternengucker

Kehr' lieber ich zurück, dem armen Wasserschlucker.

Ganz abgesehen von der Torheit seiner Kunst,

Gleicht jenen er, die, wenn sie von Gefahr bedroht sind,

Nachjagen einem blauen Dunst,

Nicht ahnend, daß sie selbst in Not sind.

La Fontaines Fabeln

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