Читать книгу Zu den Klippen von Vanikoro - Jean-Francois de Lapérouse - Страница 27

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Einige Windstöße abgerechnet, die aber nicht länger dauerten als zwei Minuten, war die Nacht ruhig und still. Als es tagte, ließ ich sogleich das große Boot der Astrolabe aussetzen, das die Herren de Vaujuas, Boutin und Bernizet an Bord nahm. Sie hatten den Auftrag, eine sehr geräumige Bucht nordwestlich von uns zu untersuchen. Ich hoffte, hier einen besseren Ankerplatz zu finden. Die Offiziere meldeten, der in Aussicht genommene Ankerplatz sei leicht zu erreichen, aber nicht besser als die Stelle, an der wir uns befänden. Dieser Teil der Insel Mowée, so lautete ihr Bericht, werde zu Recht von den Seefahrern gemieden. Es fehle hier sowohl an Holz wie auch an Wasser, und die Reeden seien schlecht.

Um acht Uhr morgens waren vier zu unseren Fregatten gehörende Boote zur Abfahrt bereit. In den ersten befanden sich zwanzig bewaffnete Soldaten unter dem Kommando von Schiffsleutnant de Pierrevert. In die beiden anderen setzten sich Herr de Langle und ich mit allen Passagieren und Offizieren außer denjenigen, die Dienstgeschäfte halber an Bord blieben. Am Ufer erwarteten uns ungefähr hundertzwanzig Personen, teils Männer, teils Frauen. Die Seesoldaten und ihre Offiziere landeten als Erste und bestimmten den Bezirk, den wir uns vorbehielten. Die Soldaten hatten ihre Bajonette aufgepflanzt und marschierten so akkurat, als ob sie vor dem Feind stünden. Das militärische Schauspiel machte auf die Inselbewohner keinerlei Eindruck; ihre Weiber gaben uns durch die ausdrucksvollsten Gebärden zu verstehen, dass sie uns in aller und jeder Hinsicht zur Verfügung ständen; die Männer aber suchten in ehrerbietiger Haltung die eigentlichen Beweggründe unseres Besuchs zu erforschen, um unsere Wünsche auf den ersten Blick erfüllen zu können. Zwei Indianer, die einige Autorität über ihre Landsleute zu besitzen schienen, kamen gerade auf mich zu und hielten mit viel Würde eine ziemlich lange Ansprache, von der ich kein einziges Wort verstand; am Ende derselben machte jeder von ihnen mir ein Schwein zum Geschenk. Ich nahm die Gaben an und verehrte ihnen meinerseits Medaillen mit dem Bild des Königs, Beile und andere Gegenstände aus Eisen, die für sie von unschätzbarem Wert waren.

Meine Freigebigkeit machte auf alle den lebhaftesten Eindruck. Die Frauen waren doppelt so liebenswürdig zu uns. Sehr verführerisch waren diese Insulanerinnen nicht; sie hatten grobe Gesichtszüge, und unter den Tüchern, die sie um sich geschlungen hatten, zeigten sich die deutlichsten Spuren jener Verheerungen, die von der Lustseuche herrühren. Da in den Pirogen keine einzige Weibsperson zu uns an Bord gekommen war, war zu vermuten, dass sie in den Europäern die Urheber der Krankheit sahen, deren Merkmale sie an sich trugen; bald aber stellte ich fest, dass diese Erinnerung in ihrem Gemüt kein Ressentiment zurückgelassen hatte.

Es sei mir erlaubt, der Frage nachzugehen, ob die Syphilis von den Seefahrern unserer Zeit in der Südsee eingeschleppt wurde. Bekanntlich erheben die Verfasser mehrerer zeitgenössischer Reiseberichte diesen Vorwurf. Geschwaderarzt Dr. Rollin untersuchte auf Mowée mehrere Kranke. Er stellte an ihnen Symptome fest, die sich in Europa bei Geschlechtskranken erst nach zwölf bis fünfzehn Jahren zeigen. Er sah auch Kinder von sieben bis acht Jahren, die an der Lustseuche litten, die sie sich wohl schon im Schoß der Mütter zugezogen hatten. Die Mannschaft Kapitän Cooks kann somit nicht für die weitere Verbreitung dieser Krankheit auf Mowée verantwortlich gemacht werden; Kapitän Cook selbst notierte, fast alle Bewohner dieser Insel, die zu ihm an Bord kamen, seien geschlechtskrank gewesen. Diese Geißel der Menschheit sucht Hawaii schon seit längerer Zeit heim. Die Krankheit ist ein zusätzlicher Beweis, dass schon vor Cook Europäer auf der Insel gewesen sind.

Nachdem ich das nächstliegende Dorf in Augenschein genommen hatte, befahl ich sechs Soldaten und einem Unteroffizier, uns auf einem Ausflug ins Landesinnere zu begleiten. Die anderen blieben unter dem Befehl des Herrn de Pierrevert am Ufer zurück, um unsere Boote zu behüten.

Obwohl die Franzosen in jüngster Zeit als Erste auf der Insel Mowée an Land gingen, sah ich doch davon ab, sie im Namen des Königs in Besitz zu nehmen. Die Gepflogenheiten der Europäer sind in dieser Hinsicht mehr als abgeschmackt. Unsere Intellektuellen stöhnen, wenn sie hören, dass Landsleute von ihnen, deren einziger Vorzug darin besteht, dass sie über Kanonen und Bajonette verfügen, sechzigtausend Indianern ihren Willen aufzwingen und sich um deren heiligste Rechte keinen Deut scheren. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der man unter dem Deckmantel der Religion Gewalt und Raublust freien Lauf ließ. Die modernen Seefahrer verfolgen, wenn sie die Sitten neu entdeckter Völker beschreiben, nur die eine Absicht: die Kenntnis der Menschheit und ihrer Geschichte zu vervollständigen. Ihre Weltreisen dienen dem Zweck, den Erdball vollends zu erforschen, und die Kenntnisse, die sie verbreiten, zielen einzig und allein darauf ab, die Bewohner der von ihnen besuchten Inseln glücklicher zu machen und ihnen ihren Lebensunterhalt zu erleichtern.

Nach diesem Grundsatz schaffen sie Stiere, Kühe, Ziegen, Schafe und Widder nach jenen Inseln, pflanzen sie Bäume, säen sie Samen aus aller Herren Länder und verschenken sie die Werkzeuge, mit denen sich die wirtschaftliche Fortentwicklung beschleunigen lässt. Was uns betrifft, so wären wir für die unsäglichen Strapazen, die wir auf unserer Entdeckungsreise auf uns nahmen, vollauf entschädigt, wenn es uns gelänge, dem in der Südsee offenbar weitverbreiteten Brauch der Menschenopfer Einhalt zu gebieten. Im Gegensatz zu Herrn Anderson und Kapitän Cook teile ich die Ansicht des Kapitäns King über die Bewohner der Sandwich-Inseln: Er nennt dieses Volk zu gutmütig, zu sanft und zu gastfrei, als dass es sich der Menschenfresserei ergeben könnte. Milde Sitten vertragen sich nicht mit düsteren religiösen Kulten. In seinem Reisebericht bezeichnet Kapitän King die Priester von Owyhee als seine besten Freunde; ich ziehe daraus die Folgerung, dass sich in der Kaste, der die Menschenopfer obliegen, allmählich Sanftmut und Gesittung verbreiten. Sind die Priester einer Insel nicht mehr auf Menschenopfer wild, dann sind es die übrigen Bewohner noch weniger. Hieraus erhellt, dass die Owyheer von Kannibalismus abgekommen sind; sehr wahrscheinlich liegt dies aber noch nicht lange zurück.

Der Boden der Insel Mowée besteht aus verwitterter Lava und anderen vulkanischen Stoffen. Die Einwohner haben nichts anderes zu trinken als Brackwasser; ihre Brunnen sind so wenig tief und so unergiebig, dass jeder Insulaner mit einer halben Barrique Wasser im Tag auskommen muss. Wir bekamen auf unserem Streifzug vier Dörfer zu sehen, deren jedes aus zehn bis zwölf Hütten bestand. Diese Hütten waren aus Stroh geflochten und auch mit Stroh bedeckt. Im Aussehen gleichen sie denen unserer ärmsten Bauern. Die Dächer fallen nach zwei Seiten ab, die Türen sind am Giebel angebracht und nur dreieinhalb Fuß hoch, sodass man sich bücken muss, wenn man eintreten will. Als Türen dienen Hürden, die jeder beiseiteschieben kann. Das ganze Hausgerät der Inselbewohner umfasst bloß Bastmatten, die, wie unsere Teppiche, ein äußerst sauberer Bodenbelag sind und auf denen sie schlafen. Ihr Küchengeschirr besteht aus großen Kürbissen, denen sie, wenn sie noch grün sind, die von ihnen gewünschte Form geben. Sie lackieren sie und malen mit schwarzer Farbe allerlei Dinge darauf. Mir kamen auch Kalebassen vor Augen, die aus mehreren Kürbissen zusammengeleimt waren und wie sehr große Vasen aussahen. Der von ihnen verwendete Leim widersteht der Feuchtigkeit; ich hätte gern seine Zusammensetzung erfahren. Ihre Stoffe, von denen sie eine beträchtliche Menge besitzen, verfertigen sie, wie andere Südseeinsulaner, aus dem Papiermaulbeerbaum. Diese Stoffe haben eine Vielzahl von Dessins, scheinen mir aber nicht die Qualität der Stoffe auf anderen Inseln zu haben. Bei der Rückkehr von dem Ausflug ins Landesinnere hielten mich Frauen an, die sich unter einigen Bäumen versammelt und auf mich gewartet hatten. Sie schenkten mir mehrere Stücke Stoff, wofür ich mich mit Beilen und Nägeln bedankte.

Der Leser erwarte nicht, dass ich hier eine ausführliche Beschreibung der Bewohner von Mowée gebe, die uns ja dank den Schilderungen der englischen Seefahrer hinlänglich bekannt sind. Diese brachten auf der Insel vier Monate zu, während wir nur wenige Stunden dort verweilten. Überdies hatten die Engländer den Vorteil, dass sie die Landessprache verstanden. Wir beschränken uns aus diesem Grund darauf, nur zu erzählen, was uns dort persönlich widerfahren ist.

Um elf Uhr schifften wir uns wieder ein, in bester Ordnung, ohne Hast und Verwirrung und ohne dass wir Veranlassung hatten, uns über irgendjemanden zu beschweren. Um zwölf Uhr waren wir allesamt wieder an Bord. Herr de Clonard hatte von einem Indianerhäuptling auf dem Tauschweg einen Mantel und einen mit roten Federn geschmückten Kopfputz erworben. Auch hatte er mehr als hundert Schweine gekauft, Bananen, Süßkartoffeln, Taro, eine Menge Stoffe und Matten, ein Auslegerboot und allerlei Gegenstände aus Federn und Muscheln.

Abends um fünf Uhr gelang es uns endlich, den Anker zu lichten. Es war zu spät, als dass ich mein Vorhaben hätte ausführen können, zur Insel Ranai und zur Westseite von Mowée zu steuern. Gern hätte ich die dortige Wasserstraße untersucht, aber es wäre unvorsichtig gewesen, so etwas zur Nachtzeit zu wagen. Als es tagte, lief ich an der Südwestspitze der Insel Morotoi vorbei, hielt mich immer in der Entfernung von einer Dreiviertelmeile an die Küste und kam sodann, wie die Engländer, durch den Kanal, der die Inseln Oahu und Morotoi voneinander trennt, wieder in die offene See. Die letztgenannte Insel scheint mir auf der Seite, die wir umschifften, nicht bewohnt zu werden, während sie, wie die Engländer versichern, auf der entgegengesetzten stark bevölkert ist. Bemerkenswert ist, dass die fruchtbarsten, gesündesten und folglich am dichtesten besiedelten tropischen Inselregionen stets unter dem Wind liegen. Das gilt für die Sandwich-Inseln ebenso wie für unsere Besitzungen Guadeloupe, Martinique und andere. Die Ähnlichkeit zwischen beiden Inselgruppen ist übrigens so frappierend, dass mir hier, mindestens in Bezug auf die Schifffahrt, alles absolut gleich vorkam.

Am ersten Juni um sechs Uhr abends waren wir über alle Inseln hinaus. Wir hatten nicht mehr als vierundzwanzig Stunden darauf verwendet, sie zu erforschen. Knapp fünfzehn Tage hatte uns die Aufgabe gekostet herauszufinden, ob die auf den alten spanischen Seekarten verzeichneten Inseln La Mesa, Los Majos, La Disgraciada usw. überhaupt existieren. Dank unserer Nachforschungen kann man sie nun von den Karten streichen.

Sonderbar genug war, dass ein und derselbe Schwarm Fische unseren Fregatten eineinhalbtausend Meilen weit folgte. Mehrere Bonitos trugen auf ihren Rücken Wunden, die wir ihnen mit unseren dreizackigen Wurfspießen zugefügt hatten, und sie waren daran immer wiederzuerkennen. Ich zweifle nicht daran, dass diese Fische, hätten wir uns nicht bei den Sandwich-Inseln aufgehalten, uns noch weitere zwei- oder dreihundert Meilen nachgeschwommen wären, bis wir Gewässer erreicht hätten, die für sie zu kalt sind.

10Die Hawaii-Inseln.

11Die Hauptinsel Hawaii.

12Heute Maui.

13Heute Molokai.

14Heute Straße von Oahu.

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