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Kapitel 3

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Die Verbindung war unterbrochen, ich ließ meinen alten Honda Civic aufheulen und wühlte mit einer Hand nach meiner Digitalkamera. Ich schoss durch die engen und kurvigen Straßen von dem kleinen Dedenborn, um dann Richtung Einruhr zu jagen. Vorsicht, Junge, dachte ich mir, in dieser tückischen Kurve nach Rurberg hast du bereits vor vielen Jahren einen Alfa verschrottet. Aber mit dem Civic schoss ich driftend durch die Unheilkurve. Ich pfiff auf die Tempo 50 in Einruhr und erwischte am Ausgang die stationäre Radarfalle. Naja, 75 statt 50 Stundenkilometer sind noch bezahlbar. Ich jagte bis Gemünd, bog rechts nach Olef ab und schlich durch den verkehrsberuhigten kleinen Ort, um dann auf der steilen Straße bis Winzen jeden Gang voll auszudrehen.


Ich musste nicht lange suchen, bis ich zwischen Notarzt, Polizeifahrzeugen und einem Leichenwagen Kommissar Welsch und Christian von der Rundschau entdeckte. Die Straße war von beiden Richtungen abgesperrt, und ich sah mehr als ein Dutzend Beamte, die bemüht waren, Spuren zu sichern. Andere versuchten, die neugierigen Zuschauer zurück zu drängen. Der Mord hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Ich parkte den Civic schräg in die Böschung und quälte mich mit Kamera und Tonband aus dem kleinen Japaner. Welsch musterte mich mürrisch und starrte Christian böse an.


„Ich habe Herrn Schreer nicht informiert“, meinte er trocken. Welsch kam langsam auf mich zu, denn viele Jahre Schreibtischdienst und ebenso viele Tafeln Schokolade hatten aus dem etwa fünfundvierzigjährigen Mann eher eine Kugel auf zwei Beinen geformt. Christian Hermes von der Rundschau schlich ihm achtlos nach, und in diesem Augenblick kreischten die Räder von Pete’s Clio. Verspätet, aber nicht zu spät, hatte er es aus der Redaktion in Euskirchen noch geschafft und hetzte, mit Kameras überhängt, auf uns zu. Sein überhitzter Renault war froh über diese Verschnaufpause.


Welsch nahm die Gauloises, die ich ihm anbot. Dass es meine letzte war, störte ihn nicht. Das hat ihn noch nie gestört, und ich schnorrte mir eine Lucky Strike bei Christian.


„Sie, meine beiden Herren“, fuhr Kommissar Welsch die beiden Journalisten an, „Sie können jetzt Ihre Fotos machen und mit meinem Kollegen Breinig reden. Aber wehe, Sie treten irgendwohin, wohin Sie es nicht dürfen! Spuren haben wir noch nicht endgültig eingesammelt und Sie bleiben außerhalb der Absperrung! Ist das K-L-A-R ?“


Welsch drehte seinen behäbigen Körper mit mindestens 130 Kilo Lebendgewicht und der Größe einer nur mittelhohen Kommode wieder zu mir. Ich hätte ihn aufmerksam machen sollen, dass er bereits den Filter rauchte, aber eigentlich war er alt genug, diesen Geschmacksunterschied auch ohne detektivischen Sachverstand zu bemerken.


„Alwin, wir kennen uns lange genug, und ich wundere mich auch nicht, wenn du hier überraschend auftauchst. Ich schulde dir auch den einen oder anderen Gefallen und weiß, dass Wolfram Belder dich engagiert hat.“


„Hat er, soeben, heute Vormittag. Und wenn du meine Hausbank fragst, wird sie dir bestätigen, dass ich dringend Bares einfahren muss. Er hat mir eine Anzahlung von 1000 Euro hinterlegt. Außerdem kannte ich Marianne Belder aus der Schulzeit und war früher schwer in sie verliebt.“


Welsch schnaubte und sog tief Luft ein. Den Rest des angerauchten Filters schnippte er in den Graben.


„Gut, setzen wir uns in deinen Wagen, auch wenn dein Honda so ausschaut, als wenn er bald die Schrottpresse sehen wird.“


„Er fährt und fährt und fährt. Und die alte Kiste hat den Vorteil, dass niemand einen Schnüffler in der Gurke vermuten würde.“


Der Beifahrersitz ächzte, als mein alter Schulkamerad Welsch, mit dem ich mich als Kind fast täglich geprügelt hatte, sich in den Wagen plumpsen ließ. Er zückte ein Notizbuch und blätterte hastig.


„Marianne Belder“, sagte Welsch und macht eine kurze Denkpause. „Wir haben nach dem Überfall auf sie Stoffpartikel eines blauen Flanellhemdes gefunden. Eine Art Arbeitshemd, wie es millionenfach verkauft wird. Wir konnten leicht den Hersteller herausfinden, als wir ein paar Geschäfte in und um Euskirchen abklapperten. Wir sind sicher, dass es sich um einen Massenartikel von Masso Giotto handelt, und noch erstaunlicher ist, dass die Verkäuferin sich an einen sonderbaren Vogel erinnert, der einen polnischen oder russischen Akzent hatte. Der hat gleich zwanzig oder fünfundzwanzig dieser Hemden in der Größe XL gekauft. Er ähnelte zwar nicht dem Phantombild, das wir ihr nach dem Überfall auf die Belder zeigten. Aber wir haben heute eine heiße Spur bei diesem beschissenen Mord an dem Mädchen entdeckt. Der Mörder hat eine Tasche stehen lassen. Er ist von einem Forstarbeiter gestört worden und abgehauen. Dieser Waldmensch war so dumm, seinen Jeep mit dem Schlüssel im Schloss stehen zu lassen, und unser Mörder ist mit der Karre quer durchs Feld abgehauen. Den Jeep haben wir bereits gefunden. Der Mörder hat ihn in Kall am Bahnhof abgestellt. Aber die Tasche war wenigstens ergiebig. Warum wohl, was sagt dein Detektivhirn?“


„In der Tasche war ein Hemd von Masso Giotto, vermutlich blau.“


Welsch triumphierte, denn er hatte noch einen Trumpf im Ärmel.


„Ja, Masso Giotto in blau! Wir sind zwar noch nicht sicher, aber wir sind der Meinung, dass der Mörder von heute dieses Hemd vielleicht getragen hat, als er die Belder überfiel. Sie hatte bei ihrem ersten Protokoll angegeben, dass sie sich sicher sei, dass sie ihrem Peiniger den rechten Ärmel aus den Nähten gerissen hat. Und dieses Hemd hat einen angenähten Ärmel. Mehr schlecht als recht, aber alles spricht für eine Verbindung zu dem Überfall vor vier Wochen. Wir müssen Frau Belder das Hemd zeigen, sobald wir alles untersucht haben. Ein paar andere Klamotten waren ebenfalls in der Tasche. Eine schwarze Jeans, Socken, Unterwäsche und zudem ein paar Konservendosen.“


„Wer ist die Frau, die heute sterben musste?“


Welsch schnaubte wieder und blickte in sein schwarzes Notizbuch.


„Sie war eigentlich noch ein Mädchen. Fünfzehn Jahre alt. Paola Lange aus Broich. Nach unseren ersten Ermittlungen fuhr sie mit ihrem Mofa Richtung Winzen, um eine Freundin zu besuchen. Wir vermuten, dass der Mörder sich ihr einfach in den Weg gestellt hat. Das Mofa liegt im Graben. Die Straße ist wenig befahren, aber ein Überfall hier ist trotzdem sehr dreist. Der Täter hat das Mädchen einige Meter in den Wald gezerrt. Er hat sie vergewaltigt und mit bloßen Händen erwürgt. Vorher oder nachher wissen wir noch nicht. Und jetzt habe ich die verdammte Aufgabe, den Eltern beizubringen, dass ihre Tochter nie mehr nach Hause kommen wird.“


Welsch schälte sich aus dem Sitz und verschwand. Vorher gab er mir noch unter leichtem Protest die Adresse des Ladens in Euskirchen, wo der Unbekannte die Hemden von Masso Giotto gleich im Dutzend gekauft hatte.


Ich drehte und fuhr zurück nach Olef, hielt kurz in Gemünd, um Am Plan eine Portion Pommes mit Bratwurst in mich hineinzustopfen. Es dauerte dreißig Minuten, bis ich in Euskirchen war und entdeckte den etwas heruntergekommen wirkenden Kleiderladen in der City. All you can wear stand auf einem vergammelten Schild. Umso ordentlicher und aufgeräumt wirkten die Regale in dem kleinen Geschäft. Hemden in allen Größen, Jeans in verschiedenen Farben und Röcke und Blusen waren hier wohl der Renner für schmale Geldbörsen.


Als ich mich umsah, entdeckte ich einen Stapel Flanellhemden und schaute auf das Etikett im Kragen. Masso Giotto. Ich nahm drei Hemden in der Größe XL, eines in blau, eines in schwarz und das dritte in grün. Das Karomuster gefiel mir nicht, aber ich war sicher, dass jemand auffiel, der solch ein Hemd trug.


Die Verkäuferin war rothaarig, jung und hübsch. Ihre Kleidung ließ vermuten, dass sie nicht ihre eigene Kundin war, sondern lieber im Kaufhof shoppen ging. Sie lächelte mich mit strahlend weißen Zähnen an. Ein Namensschild an ihrer Bluse verriet, dass sie Jana Kohlstock hieß. Ich werde nie verstehen, warum Bosse ihre Angestellten nicht anonym lassen. Jeder Irre, oder auch nur ein Verliebter, könnte mit ein wenig Mühe und einem Telefonbuch die Anschrift und die Telefonnummer herausfinden.


„Frau Kohlstock, Sie können mir helfen, und ich spendiere Ihnen diesen schönen 50-Euro-Schein für ein Abendessen mit ihrem Freund oder wem auch immer. Mein Name ist Schreer, hier ist meine Visitenkarte, und erschrecken Sie bitte nicht. Ich bin Privatdetektiv und ermittle in einer heiklen Sache.“


Ihr Lächeln verschwand einen Augenblick, aber die 50 Euro ließen es sofort wieder aufblitzen.


„Also, ich weiß nicht. Vor ein paar Wochen war die Polizei bereits hier und fragte mich nach den Flanellhemden, wie Sie unter dem Arm tragen.“ Die Kohlstock wollte reden, wusste aber nicht, wo sie beginnen sollte.


„Sie werden nicht nur von der Polizei, sondern auch aus den Zeitungen oder Radio Euskirchen wissen, dass hier ein Typ herumläuft und Frauen überfällt. Eine der Frauen ist eine alte Freundin, und ihr Mann hat mich beauftragt, parallel zur Polizei im dem Fall zu ermitteln. Und heute Mittag ist in der Nähe von Broich bei Schleiden ein junges Mädchen ermordet worden. Der Täter hinterließ solch ein Arbeitshemd von Masso Giotto.“


Jana Kohlstock erschrak und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie ging zum Eingang und schloss die Tür ab. Schluchzend ließ sie sich auf einen Hocker nieder. Sie brauchte einige Minuten, um sich zu beruhigen.


„Ich habe dem Polizeibeamten alles schon erzählt. Da kam so ein Typ mit einem Dialekt aus dem Osten und hat dutzendweise diese Hemden gekauft.“


Sie zeigte auf die drei Hemden, die ich auf die Ladentheke gelegt hatte: „Der Typ sah einfach schmierig aus und hat mich mit den Augen ausgezogen. Und der Idiot weiß offenbar nicht, was eine Fußgängerzone ist. Der fuhr einfach bis vor das Geschäft und warf die Hemden durch die Hecklappe.“


„Haben Sie das der Polizei auch erzählt? Die wollten doch sicher wissen, was für ein Auto der Mann fuhr.“

Sie erschrak. „Nein, das habe ich nicht. Das war ein beschissener Tag, als die Polizei hier aufkreuzte. Ich hatte Unterbauchschmerzen. Sie wissen schon... das passiert vielen Frauen einmal im Monat.“


Jana Kohlstock überlegte. „Es war ein komisches Auto, nicht Fleisch und nicht Fisch. Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Kombi oder ein Geländewagen war. Jedenfalls war er weiß und ziemlich heruntergekommen.“


„Hat Ihr PC einen Internetanschluss?“ Ich deutete auf den Rechner auf der Ladentheke und wartete nicht auf eine Antwort. Ich startete den Browser und stürze mich ins Internet.


„Wir gehen jetzt in eine Suchmaschine und schauen uns mal ein paar Wagentypen an, die auf Ihre Beschreibung passen könnten. Eher Kombi oder eher Geländewagen?“


Jana Kohlstock schnäuzte sich und dachte einen Augenblick nach.


„Das Auto war recht hoch und kurz. Zwei Türen, steile Heckklappe. Ich finde, er hatte mehr einen Touch von einem Geländewagen.“

Google spuckte ein Foto von einem Toyota Landcruiser aus, aber die Kohlstock schüttelte energisch mit dem Kopf. „Es war keine dieser bekannten Automarken.“


Ich ging auf die Suche nach einem DKW Munga, aber auch hier verneinte sie. Hoch, kurz und kein bekannter Name. Ich überlegte und gab den nächsten Namen in die Suchmaschine.


„Das …das ... das ist er! Das ist er ganz sicher. Aber das Auto von dem Typ war weiß und ziemlich verrostet. Und es hatte ein Euskirchener Kennzeichen. Daran erinnere ich mich auch noch.“


Kalter Schweiß stand auf der Stirn von Jana Kohlstock. Ich zwinkerte ihr zu und legte ihr die versprochenen 50 Euro auf den Tisch und bezahlte auch die drei Hemden von Masso Giotto.


Ich musste telefonieren, Welsch anrufen und meine Partnerin erreichen, die heute offenbar verschlafen hatte. Anne und ich würden viel Arbeit haben. Der Hemdenkäufer fuhr einen Lada Niva.

Todesangst in der Nordeifel

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