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3. Unselbstständigkeit der Dienstleistung
ОглавлениеFraglich ist jedoch, ob A seine Leistungen als freier Mitarbeiter oder als unselbstständiger Arbeitnehmer erbringt. Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist hier der Grad der persönlichen Abhängigkeit des Dienstverpflichteten vom Dienstberechtigten. Hier kann auf die Regelung des § 84 Abs. 1 S. 2 HGB zurückgegriffen werden. Demnach ist Selbstständiger, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und die Arbeitszeit bestimmen kann.
Fraglich ist, ob diese Grundsätze auch bei dem B herangezogen werden können. Denn B genießt als Fernsehsender den besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, die Rundfunkfreiheit. Auf diese Besonderheit ist bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der Mitarbeiter, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken, Rücksicht zu nehmen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Sender frei ihre Programme entwerfen und durchführen können und nicht unbillig an einzelne Mitarbeiter gebunden werden, die nicht in das aktuelle Konzept des Senders passen. Konkret wirkt sich das so aus, dass zwar grundsätzlich die allgemeinen Abgrenzungskriterien des Arbeitsrechts anwendbar sind. Dabei ist aber eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit einerseits und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter andererseits zu treffen. Hier ist wiederum zu unterscheiden, ob ein Programm gestaltender Mitarbeiter betroffen ist oder einer, der auf das Programm keinen Einfluss hat, somit die Rundfunkfreiheit des Senders nicht beeinträchtigen kann und daher als normaler Arbeitnehmer gewertet werden könnte.
Zu prüfen ist demnach, zu welcher Gruppe der A gehört. Zu seinen Aufgaben gehört die Einbringung eigener Ideen für die von ihm moderierte Sendung. In dieser muss er seine Kenntnisse und Fähigkeiten nutzen, um den Zuschauer von dem Programm zu überzeugen, sodass er auch künftig einschaltet. Daher steht fest, dass der A selbst sowohl inhaltlich als auch gestalterisch auf das Programm Einfluss nimmt. Fraglich ist, welche Rolle es spielt, dass die endgültige Themenwahl dem Redakteur vom Dienst oblag und A insofern keine Entscheidungsgewalt hatte. Maßgeblich muss hier aber sein, dass A überhaupt in der Position ist, eigene Ideen und Akzente zu setzen, zumal bei getroffener Themenwahl die Präsentation wieder allein in As Machtbereich lag. A war also Programm gestaltender Mitarbeiter des B. Bei diesen Mitarbeitern kann ein Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn ihnen nur ein geringes Maß an Selbstständigkeit und Gestaltungsfreiheit verbleibt und der Sender über die Arbeitsleistung des Mitarbeiters verfügen kann. Zu prüfen ist daher zunächst, ob A über ein gewisses Maß an Selbstständigkeit und Gestaltungsfreiheit verfügt. Wie gesagt, ist er insofern eingeschränkt, als der Redakteur vom Dienst über die Themen entscheidet und die Texte des A redigiert. Allerdings ist hier nach obigen Maßstäben i.S.d. Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten, dass B ein Programmauftrag obliegt, der nicht zuletzt wegen der ihn finanzierenden GEZ-Gebühren erfüllt werden muss. Es ist daher unabdingbar, dass B darauf achtet, was seine Programm gestaltenden Mitarbeiter zur Sendung vorbereiten. Außerdem ist auch der freie Mitarbeiter nicht auf allen Gebieten gänzlich frei, sondern muss bestimmte Vorgaben des Auftraggebers beachten. Er muss sich daher an Verpflichtungen des Auftraggebers seinerseits halten und mit Kontrollen der Qualität seiner Arbeit rechnen. So verhält es sich im vorliegenden Fall. A steht die Gestaltung der Sendung, die Formulierung seiner Worte etc. frei. Er ist lediglich an die Themenvorgaben des Redakteurs gebunden. Da dies auch bei freien Mitarbeitern der Fall sein kann, spricht hier noch nichts für seine Arbeitnehmereigenschaft. Fraglich ist, ob aus den Zeitvorgaben für den A etwas anderes hergeleitet werden kann. A muss sich den Sendezeiten unterwerfen und könnte daher in dieser Hinsicht weisungsgebunden sein. Weisungsgebunden ist in zeitlicher Hinsicht, wem Arbeitszeiten zugewiesen werden. Hier hat der B die Dienstpläne einseitig erstellt. Dies geschah jedoch im Rahmen der Vorgaben des A, der Zeiten blockte, in denen er nicht für B arbeiten wollte, und dem B im Übrigen freie Hand ließ. Dies kann nicht mit den Fällen verglichen werden, in denen einem Arbeitnehmer die Arbeitszeit diktiert wird, denn A begab sich freiwillig in die freie Einteilung durch B. Hieran ändert auch nichts, dass die Tätigkeit des A von den festen Sendezeiten abhängig war. Es handelt sich hier um einen Umstand, der dem Wesen der freien Mitarbeit nicht fremd ist. Auch im Rahmen von freien Dienstverträgen sind häufig feste Fristen, Arbeitsdauer u.ä. einzuhalten, ohne dass daraus eine Abhängigkeit vom Auftraggeber abgeleitet werden kann. Vielmehr sind diese Mitarbeiter von den konkreten Gegebenheiten ihres Auftragsinhalts abhängig, so auch A. Eine zeitliche Unselbstständigkeit ist also nicht erkennbar.
Die Prüfung der wesentlichsten Arbeitnehmermerkmale hat demnach ergeben, dass der A ein freier, Programm gestaltender Mitarbeiter des B und nicht sein Arbeitnehmer ist. Fraglich ist, ob unter Heranziehung sonstiger Umstände ein anderes Ergebnis vorliegt. A könnte als Arbeitnehmer zu werten sein, weil er steuer- und sozialversicherungsrechtlich wie ein solcher behandelt wird. Dies ist indes ein schwaches Indiz, weil auf die Umstände abzustellen ist, die die Dienstleistung betreffen, nicht ihre Entlohnung. Außerdem könnte eine falsche Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch B zu der Behandlung der Vergütung wie Arbeitslohn geführt haben. Dies kann sich nicht auf die richtige Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft des A auswirken. Nachdem A zudem bei anderen Auftraggebern arbeiten darf, dies auch tut und sogar seine Arbeitszeit bei dem B danach ausrichtet, kann eine Arbeitnehmereigenschaft des A nicht bejaht werden.